Gollmitz / Chanc bei Calau / Kalawa – ein Dörfchen in der Niederlausitz

Zusammengestellt von Chris. Janecke, im Mai 2023.
Für verschiedene Bezeichnungen wurde die frühere zeitgenössische Schreibweise übernommen.
Leserhinweise werden gern gesehen. E-Mail: christoph@janecke.name

Genutzte Literatur:
- „Unter dem Zimbelstern“, von Wilhelm Kempff.
- Informationen der Gemeinde zur Kirchen- und Schulgeschichte.
- Das Haupt-Schüler-Verzeichnis-Buch von Gollmitz.

Die Kirche in Gollmitz, Niederlausitz

Das Dorf Gollmitz ist eingebettet in seine natürlich-grüne Umgebung. Nicht schon von weitem macht der Ort auf sich aufmerksam. Er scheint eher von zurückhaltender Natur zu sein.
Der Ort, dieses vormals wendische Rundlingsdorf, hat seinen Namen vom slawischen Wort Cholm, (auch gesprochen Xolm) oder eben von Golm, was Berg bedeutet oder zumindest einen Hügel kennzeichnet. Gollmitz ist seit 1871 mit der Welt verbunden, was der damals neu angelegten Eisenbahnstrecke Kottbus - Falkenberg zu danken ist. Etwa 245 Einwohner und deren Seelen sind um diese Zeit hier zu betreuen. Die Einwohner sind hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig aber mehrere arbeiten auch in der Ziegelherstellung, in der Molkerei, im Sägewerk, in der Schmiede und in der Windmühle.
Auch in späterer Zeit wird keine große Verkehrsader lärmenden Straßenverkehr durch den Ort schicken. Hier findet der Einwohner Ruhe und Behaglichkeit.

Ist der Wanderer nicht mehr weit vom Ort entfernt, so erkennt er das Dorfzentrum am Kirchturm. Zwar ragt der Kirchturm über die Häuser hinweg, aber die heranwachsenden Bäume bilden dem Gebäude eine Konkurrenz an Stattlichkeit. In gewisser Weise konnte man auch schon mal zeitweilig ein Wachsen um die Wette betrachten. Bis zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war das Kirchenschiff kürzer und niedriger, der Innenraum dunkler, die kleineren Fenster mit Butzenscheiben verglast. Der Fußboden bestand aus einer Pflasterung mit „Katzenkopf“-Feldlesesteinen. Ein gedrungener hölzerner Glockenturm stand am West-Giebel der Kirche. Das etwa war der Sachstand bis zum Jahr 1900.
Den Turm baute man ab und verkaufte das noch gute Holz an einige interessierte Dorfbewohner.
1901 konnte sich den Dorfbewohnern eine Kirche von neuer stattlicher Gestalt vorstellen: Das Gebäude war nun vergrößert, ausgestattet mit großen, tief herabgezogenen Fenstern, die viel Licht und Sonnenstrahlen in den Raum lassen. Das Kirchenschiff mit erheblichen Malerfleiß restauriert. Sogar ein neuer, stabiler Glockenturm in Ziegelbauweise wurde an das Kirchenschiff angesetzt. – Das Fest für eine erneute Kirchenweihe stand an. Ein sehr großes Ereignis, ein Fest, das noch lange fröhlich von sich reden machte – inmitten der Anstrengungen des Lebens bei der Landarbeit.

Das erneuerte Gotteshaus.
Der Altar oder der Abendmahlstisch.

Der gesamte Aufsatz des Altars wurde von dem Calauer Tischler und Holzschnitzer Georg Wolschke gearbeitet. In dieses eingesetzt das Altarbild eines uns leider nicht mehr bekannten Künstlers. Es zeigt die Golgatha-Szene des am Nachmittag des Karfreitag gewaltsam aus dem Leben scheidenden Jesus Christus sowie die Mutter Maria und den Jünger Johannes, die versuchen ihm beizustehen und des Jesu letztes Vermächtnis entgegennehmen. Ein Lorbeeroval fasst diese Darstellung ein. –
Darunter das Heilige Abendmahl mit Lehre, Speis' und Trank, Gedenken, Segen – momentan vom Blattschmuck verdeckt. Der Altar wurde der Gemeinde im Jahre 1704 von der Erb- und Lehnsherrin Maria Möller aus Gollmitz, gestiftet.

Die Kanzel.

Von hier aus verkündet der Prediger „das Wort“. Er ermuntert und ermahnt die Gemeinde, erbittet Segen und Frieden für alle ... und das von dieser Kanzel schon seit 1704. Anno Domini 1704 fertigte der bereits vorgenannte Calauer Tischler Georg Wolschke diesen Predigtplatz und die Patronin Maria Möller gab auch für diesen edlen Zweck das Geld. Der Kanzelkorb zeigt bildliche Darstellungen der Evangelisten.

Der Taufstein ist das älteste Ausstattungsstück der Kirche. Diese Taufe wurde in einer uns unbekannten Zeit aus Sandstein gefertigt. Es handelt sich um einen achteckigen Außenkörper, der nach unten in einen kreisrunden Querschnitt übergeht und am oberen Rand mit einer ornamental verzierten blauen Bänderung eingefasst ist. Zu dieser wuchtigen Steinform gehört als Einsatz eine Wasserschale aus Zinn (nicht im Bild) für die Taufhandlung. Die Metallschale war in der Werkstatt des Johann Richter in Lübben hergestellt worden. Diese neue Schale hatte Frau von Polenz, die Standesherrin sowie Erb- und Gerichtsfrau aus Radensdorf im Jahre 1727 der Gollmitzer Kirche geschenkt.

Wir sehen den Arbeitsplatz am Spielschrank der Königin aller Instrumente – zum Lobe Gottes sowie für die Erbauung der Gemeindeglieder.
Die Kirche besaß ab 1803 eine gebrauchte Orgel aus Drehna als erstes Instrument. 1892 ist diese Orgel an das Ende ihrer Zeit des Musizierens gekommen.
Nach 1892 gibt es dann die zweite, neue Orgel, deren äußeres Gewand wir hier sehen, hergestellt von Orgelbaumeister Julius Schwarz aus Rostock. Das Orgelpositiv nach neugotischer Gestaltungsauffassung. Diese tat bis etwa 1984 ihren Dienst. Gestiftet wurde dieses Instrument vom Patron Wätgen aus Fürstlich Drehna.
Auch der Kantor und Organist Wilhelm Kempff sen., hat also in seiner Zeit wohl auf beiden Orgeln gespielt. Dessen Sohn, Wilhelm Kempff, jun., musizierte wahrscheinlich gastweise bei seinen Besuchen in Gollmitz auch auf diesem zweiten Instrument.

Die Glasmalerei in Mosaikart im Fenster ist noch jung – ebenso alt wie die große Erneuerung der Kirche. Sie stammt aus den Glaskunstwerkstätten Quedlinburg, mit mehr als 70 Beschäftigten, des Hoflieferanten von Weltruf, Ferdinand Müller (1848–1916). Heute gehören die früheren Glaskunstwerkstätten zur Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle-Burg Giebichenstein.
Das Glas-Bildwerk entstand im Jahre 1901 und zeigt die Heilige Familie nach der Geburt ihres Sohnes Jesus von Nazareth, im Stall von Bethlehem.

Ein Versuch, den Gesamteindruck der Ausgestaltung des Chores zu erfassen.

Ein gutes Denkmal zum Wachhalten der Erinnerung an schlimme Zeiten. Ein ausgezeichnetes Lehrbeispiel, das zur bewussten Nachahmung anregt. – Seit Jahrhunderten ... wäre es eine normale Geste und doch bis nach 1989 völlig undenkbar. Eine gute Geste auf dem Fundament guter Gedanken, wohl wissend, dass diese nicht die Zeit, in der die gewaltsamen Taten geschahen, zurückdrehen können – und somit ein Vermächtnis für Gegenwart und Zukunft.
Eine Erinnerungskultur, die nicht nur trauert, sondern auch mahnt, die die heroischen Sprüche vom „Feld der Ehre, für König, ... Führer, ... Volk und Vaterland“ indirekt ins Reich der Unwahrheit verweist.

Das Denkmal trägt auf der Vor- und Rückseite die Worte des Gedenkens sowie Visionen der Hoffnung – und an den beiden weiteren Seiten die Namen der Gollmitzer Mitmenschen, die aus der ihnen aufgezwungenen Kriegsteilnahme nicht in die Heimat zurückkamen.

Die Volksschule in Gollmitz

Die inzwischen historische Dorfschule von Gollmitz. Erhalten ist aus früherer Zeit das Schüler-Verzeichnis, das für die Zeit zwischen 1866 und 1947 eine Fülle der damals erforderlichen Angaben über die Schüler enthält.
Der Kantor / Lehrer wohnte praktischer Weise im Schulhaus – aber auch für die meisten der Kinder betrug der Schulweg durch das kleine Dorf nur wenige Schritte. Im Unterrichtsraum herrschte oft eine bedrückende Enge.
Aus anderen Orten ist uns überliefert, dass ein Unterrichten am Tage in mehreren Etappen (für unterschiedliche Schülergruppen) stattfinden musste und auch die Unterrichtsteilnahme der Schüler wegen der Raum-Beengtheit im Stehen. Vielleicht traf für Gollmitzer Kinder von solchen Verhältnissen zeitweilig auch etwas zu?

Hier nochmals das frühere Schulgebäude. Die Schul-Wachhunde halten gerade Mittagsruhe.
Das Haupt-Schüler-Verzeichnis-Buch.

Zu den Aufzeichnungen gehören die Namen der Eltern – leider aber ist meist nur der Vater erwähnt, dann der Geburtstag des genannten Kindes, der Zeitpunkt des Schuleintritts, Notizen zur Konfirmation, die zumeist im Jahr der Schulentlassung, also nach acht Schuljahren stattfand. Es folgt eine abschließende verbale Einschätzung des Lehrers zu den Leistungen und zum Verhalten des Kindes, das über die acht zurückliegenden Jahre zu betrachten ist. Dann das Datum der Schulentlassung. Hier wird keine Ablichtung beigefügt, denn es zeigte sich, dass nicht jeder Lehrer selbst so ordentlich schrieb, wie er es von den Kindern verlangte. Betrachten wir allein das 19. Jahrhundert so ist festzustellen, dass der Lehrer und der Kantor (oft in einer Person), dem Prediger unterstellt ist sowie die Schulaufsicht dem Superintendenten, also dem Hauptpfarrer des Kirchensprengels obliegt.

Das innere Deckblatt dieses Buches. Es lässt auf die enge Verflechtung von Schule und Kirche schließen, die sich auch in den Lehrinhalten widerspiegelt.

Zum Beispiel: Die Familie des Bauern Kilian in Gollmitz

Zeugnisblatt der Kinder der Familie Kilian.

Hier sehen wir das Wohngebäude der Wirtschaft des mittelgroßen Vierseitenhofes vom Bauern Kilian. Vater Kilian kennt einen ausgezeichneten Dachdecker.

Die Holz-Kohle-Kochmaschine.

In der Küche richtete Mutter Kilian täglich die kräftige Kost am Herd ... und führt auch die Töchter zeitig in dieses Wissen ein. Jeder auf dem Hof muss fleißig die Hände rühren.

Weckruf der Hähne auch auf dem Kilianschen Bauernhof – das muntere Muhen, Blöken, Meckern, Wiehern und Gackern, das Gurren der Tauben gehört „selbstredend“ dazu. Gollmitz, das ist auch der Lerchengesang in der Feldflur, sind ebenso die Pilze und Heidelbeeren im Wald – alles in allem: Gollmitz ist ein umfassender Begriff für ein arbeitssames, für das alle Sinne lebensfroh-erfüllende, herausfordernde Landleben.

Nicht häufig kommen die Kilians tagsüber dazu sich zu setzen, die Hände in den Schoß zu legen und dort ruhen zu lassen. Manchmal, am Abend, wenn nicht gar zu müde, nehmen sie hier mal Platz oder ...

... im anschließenden Garten, der in das Wiesenland übergeht, um den eben noch gelben Sonnenball bald glutrot untergehen zu sehen.

Der berühmte Brautberg bei Gollmitz

Südöstlich des Ortes befindet sich der etwa 158 m hohe Brautberg, in früheren Zeiten wohl als Heiligtum der slawischen Göttin Schiwa verehrt. Nun ja, die 158 m beziehen sich auf den Meeresspiegel, den man von hier aus ja nicht erkennen kann. Die Gollmitzer selbst sehen also eher ein Braut-Hügelchen, das sich ein wenig aus der umgebenden Landschaft erhebt. Die bräutliche Jungfrauen aus Gollmitz sollen aus Freude und zur Ehre der Göttin Schiwa vor der Hochzeit um den Brautberg getanzt sein, wie es die Sage als Brauch und Sitte über ferne Vorgängerinnen berichtet.

Der lichte Wald, in dem die Kiefer auf sandigem Boden noch vorherrscht, lädt den Besucher zum Spaziergang über den Brautberg ein.

Ein kürzerer Anstieg führt uns auf des Berges Gipfel – ein Schiwa-Tanzplatz unterm Kiefernwipfel. An dieser Stelle stand, wohl länger als ein Jahrhundert, der trigonometrischer Holzturm, als Hochmarkierung für die Triangulation, für die Landvermessung – ein beliebter inoffizieller Aussichtsturm – weit schaute man ins Land – über saftige Wiesen, wogende gelber Getreidefelder. Über Landflächen, deren Bezeichnungen noch nach Jahrhunderten an die frühere slawische Zeit erinnern wie Nuglina, Sagenza, die Flur Dubbitz oder die Senke Dullina.

Verlassen wir die Hügelkuppe mit dem Tanzplatz, so führt uns der absteigend Pfad wieder fort von Schiwa aber den bestellten Äckern, „der Zivilisation“ entgegen.

Vor uns weitet sich der Blick über das wachsende junge Grün. Er erahnt die Bahnlinie und dahinter versteckt, das heimatliche Dorf Gollmitz.

Zurückblickend nehmen wir für heute Abschied vom Gollmitzer Brautberg. Hier endet unser gemeinsamer Spaziergang und der Autor dieses Beitrages wünscht allen Interessierten einen angenehmen Aufenthalt in Gollmitz.

Hinweis auf weitere Literatur desselben Autors: