Ein Spaziergang durch Jerichow an der Elbe (Bundesland Sachsen-Anhalt)

Zusammengestellt von Chris. Janecke, im August 2023.
Leserhinweise werden gern gesehen. E-Mail: christoph@janecke.name

Genutzte Literatur:
- Hinweise aus Wikipedia
- Informationstafeln im Ort und Faltblätter des > Förder- und Heimatverein
Stadt und Kloster Jerichow < sowie der Kirchengemeinde.

Jerichow

Heute wollen wir gemeinsam die Stadt besuchen und Schwerpunkte ansehen, einige Eindrücke gewinnen, die vielleicht zu einem intensiveren Aufenthalt anregen, denn es gibt mehr zu sehen, als hier kurz vorgeführt wird. Allein für das Klosterareal sollte man schon – je nach Interessenlage – etwa drei Stunden vorsehen. Und bei einem Aufenthalt im Ort soll auch ausreichend Zeit für Speis' und Trank eingeplant oder auch eine Übernachtung vorgesehen werden, um nicht unter dem Zeitdruck eines Eilenden zu stehen.
Zwar ist die Stadt klein aber wir haben auf unseren Wegen eine lange Strecke zu bewältigen – gleichsam zu überbrücken – vom 12. Jahrhundert bis in unsere heutigen Tage.

Wir sehen, wenn wir es so wollen, einen Kontakt zwischen dem Menschen des 12. Jahrhunderts sowie den Menschen des 21. Jahrhunderts und können uns sogar Künftiges vorstellen. –
Bild: Ein modernes Kunstwerk, frei gestaltet nach dem historischen Motiv „Die Erschaffung des Adam“, einem Gemälde des Michelangelo Buonarroti (1475–1564).
Bilderquelle: Alle die ausdrucksstark gestalteten Bilder dieses Beitrages schufen Beschäftigte des Kunstbetriebes www.art-efx.eu – Kunst der Verwandlung – , Tel. 0172 99 62 500, August-Bebel-Straße 26–52, Medienhaus, 14482 Potsdam-Babelsberg. Standort dieses Bildes: im Wissenschaftspark Potsdam-Golm. Das Abbilden exklusiv auf dieser nichtkommerziellen Internetseite wurde von der Geschäftsleitung des Kunstbetriebes freundlich genehmigt.

Das Panorama oder das Weichbild der Stadt. Wir sehen links die altehrwürdige Kirche Sankt Georg, die auf den Fundamenten ihres hölzernen Vorgängerbaus gegründet wurde. Daneben der Bergfried (Wachturm) der mittelalterlichen Burganlage. Rechts das ehemalige Chorherrenstift (die Klosteranlage) und zwischen diesen hohen Sakralbauten die stolze Stadt. Ansonsten besteht die Umgebung aus Feldern, Wiesen und Auen – namentlich der Niederung des Elbtals.
Bildquelle: Foto-Ausschnitt aus einer der öffentlichen Informationstafeln. Mit Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V., worüber sich die Leser wohl freuen.

Wir blicken von Tangermünde über die Elbe und das flache Land zur Stadt Jerichow hinüber.
Die Kleinstadt ist im Großgrün verborgen aber es grüßen uns die Doppeltürme Sankt Marien und Sankt Nicolai der Klosteranlage und weiter links erblicken wir auch die Spitze des niedrigeren Turms der St.-Georg-Stadtkirche. –
Zu den Namen der Klosterkirche: Maria ist die Tochter der Anna und später als Heilige Maria die Mutter von Jesus Christus.
Auch den mildtätigen Heiligen Nikolaus kennt doch wohl jedermann (Nikolaus von Myra, Myra ist ein Ort in der heutigen Türkei, lebte von 270 bis zum 6. Dezember 343). Er wird bei uns besonders von Kindern am
6. Dezember erwartet und geehrt. Er gilt gleichermaßen als der Schutzpatron der Kaufleute, wie der Seefahrer und eben auch vieler Kirchen.

Das ursprüngliche Zentrum des Fischerortes mit Markt war bei der Stadtkirche und nahe bei der Fluchtburg auf dem Burgwall zu finden. Nach dem Bau der Stiftsanlage verlagerten sich Neuansiedlungen in die Richtung des Klosters. Im Jahre 1336 erhielt Jerichow bereits das Stadtrecht. Das Städteken wurde davon nicht wesentlich größer. Vor 1800 zählte man im Ort weniger als eintausend Menschen. Um 1840 lebten hier etwa 1.500 Bewohner – weniger, als in vielen Dörfern. Heute sind es ungefähr eintausend Menschen mehr.

Eine grobe Orientierung zur Gestalt des Ortes kann man hier sehen. Die Straßen, die heutzutage die Namen von Politikern des 19./ 20.-Jahrhunderts tragen, hatten zu historischen Zeiten andere Bezeichnungen, die man wohl in den Archivalien noch nachlesen kann. Ähnlich verhält es sich mit den genannten Gaststätten. Auch deren Erwähnung bezieht sich auf die jüngere Zeit (2023).

Die Übersicht zur Umgebung zeigt uns die Lage des Ortes sehr nahe der alten Elbe und den Standort der Stadtkirche unweit der früheren Burg.
Bildquelle: Ausschnitt aus einer der öffentlichen Informationstafeln. Mit freundlicher Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V.

Quelle: Informationstafel des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt.

Der heute sichbare Burghügel war in alter Zeit ein stattlicher Burgberg, wird gesagt. Schon im 9. bis zum 12. Jahrhundert bestand darauf eine slawische Wallanlage, als Fluchtburg für die Anwohner, wahrscheinlich eingefriedet von doppelter Palisadenreihe zwischen der Erdreich eingebracht war.
In jener Zeit erhielt die Burg und damit auch die Siedlung ihren Namen, der heute > Jerichow < geschrieben wird. Wissende meinen > jarec / jerec < sei der > Kühne <, der (erstaunlich namenlose) Burgherr, der hier lebte und >chow < der altslawische Begriff für Burg. Andere meinen, die > Jary / Jeri < (Plural) seien die > Tapferen <, die Verteidiger der Burg gewesen. Ein Körnchen Wahrheit steckt in gar mancher möglichen Deutung.
Die spätere Anlage, die im Mittelalter am gleichen Ort folgte, war eine kleinere Burg mit hohem Bergfried (Wachturm), die etwa vom 12. bis zum 15. Jahrhundert bestanden haben mag ... von der Kirche kaum hundert Schritte entfernt. Jene Burg wird 1144 erstmal urkundlich erwähnt, als der Wechsel des Landbesitzes vom Grafen von Stade an das Erzbistum Magdeburg vollzogen wurde. In dieser Urkunde wird auch bereits die Kirche, Sankt Georg, erwähnt und ebenso die bestehende Siedlung (villa), wie auch die Klostergründung. Im Laufe der Zeit, nach Auflösung der Burganlage, wurde das Areal mehrfach umgestaltet.
Bildquelle: Optischer Ausschnitt aus einer Informationstafel. Mit freundlicher Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow
e. V.

Die Hügel-Anlage. Heute sieht man diesen ovalen Rest, ein Plateau in einer Ausdehnung von etwa 90 x 70 m. Die Gesamtanlage war wohl im
12. Jahrhundert als deutsche Burg mit Wehrturm und Wohnbauten auf hohem Wall, von einer ringförmigen Mauer eingefasst. Eine Vorburg, schützende Vorwälle an der Landseite sowie Wassergräben, ergaben eine Areal von etwa 190 x 130 Metern.
Diese Anlage zum Schutz vor feindlichen Übergriffen wurde während des 30-jährigen Krieges zerstört. Ein Jahrhundert später erfolgte der Rest-Abbruch der Bauwerke, zuletzt des Turmes.
Im Laufe der Zeit wurde das Aussehen des Burgplatzes durch Abtragen von Erdmassen und Neugestaltungen mehrfach geändert. Im Jahre 1875 legte man eine Obstplantage an und vor 1900 schuf die Stadt auf dem Areal einen kleinen Stadtpark.
Es ist beabsichtigt, so wie Geld und Kraft es ermöglichen, das geschichtsträchtige Terrain wieder so zu gestalten, dass die frühere Bedeutung wieder leichter erkennbar wird.

Vom Hügel der früheren Burganlage schauen wir auf die Heimatkirche Sankt Georg, auch kurz „Stadtkirche“ genannt. Erst im 17. Jahrhundert erhält das Kirchenschiff über dem Westteil einen Turmaufsatz, als „Dachreiter“ mit Spitzhelm ausgeführt.

Das ist eine Darstellung des Ritters Georg, der im späten 3. Jahrhundert nach Christus gelebt hatte, gezeigt auf dem alten Stadtwappen. Georg ist Namenspatron der Kirche. Wir sehen ihn hier geschützt, gewappnet, wie er den Drachen, ein Sinnbild für das Böse, das Teuflische, besiegt hat. Das Blut des Ungeheuers gibt den zarten aber wehrhaften Rosen Nahrung. Das Böse wurde in Gutes gewandelt. Viel hatte Georg für die Christianisierung geworben und eine große Anzahl von „Heiden“ zur christlichen Taufe geführt. Aber im Rahmen der Christenverfolgung wurde Georg im Gebiet des heutigen Israel getötet, starb als Märtyrer. Sein Begräbnisort war Diospolis, heute mit Namen Lod in Israel. Später wurde er heilig gesprochen. Er gilt als einer der 14 Nothelfer.
Wir gedenken seiner, dem es ähnlich erging wie auch unzählbaren anderen Menschen.
Georg (aus dem Griechischen) bedeutet auch: der Landwirt – und passt sowieso sehr gut zu dem Ackerbürgerstädtchen und die Elbfischer hatten wohl nichts dagegen einzuwenden.
Wappen-Quelle: Wikimedia, gemeinfrei.

Seit der Zeit des Errichtens hat die Kirche rundum zahlreiche bauliche Änderungen erfahren, die „ihr Gesicht“ unverkennbar geprägt haben – oftmals als Verbesserungen, die Ausführung an ihren Fassaden nicht immer ohne bleibende Narben – eben so, wie es die Baukünstler verstanden, wie es den Menschen eigen war. Auch heute kann man noch verschiedene der Umbauten am Mauerwerk ablesen. Im Jahre 1833 wird vor den Westgiebel der Kirche (dem Burggelände zugewandt) ein polygoner Anbau gesetzt der als Sakristei dient. Mehrere Fenster des Kirchenschiffs werden vergrößert. Etwas mehr Licht, Luft und Sonne ziehen ein.

Das auf der Nordseite des Kirchenschiffs an wenigen Sonntagen weit geöffnete Portal lädt uns herzlich ein. Gemeinsam mit den Einheimischen besuchen auch wir die Stadtkirche Sankt Georg und sehen uns in ihr um. –
Anmerkung:
In die Kirche dringt trotz vieler Fenster das Tageslicht nur recht verhalten, sehr gedämpft ein. Das schwache Dämmerlicht reichte für die nun folgenden Fotos nicht aus. Die Bilder hätte der Autor fröhlich-besonnt gestalten können, was aber der Realität stark entgegenstünde ... deshalb hat er versucht, bei der Belichtung zwischen dem Tatsächlichen und einer gefälligen Erkennbarkeit zu vermitteln.
Die Fotos in den Kirchen mit der wohlwollenden Zustimmung von Frau Pfarrerin Rebekka Prozell, wofür die Bildbetrachter dankbar sind.

Der Blick in den Chorraum mit dem Altar.
Wichtige Änderungen nahm man in der Zeit um 1700 vor. In die Kirche baute man Emporen ein, eine Kanzel und neue Bänke – der barocke Zeitgeschmack wurde erkennbar. 1907 erhält das Gotteshaus einen weiteren Schmuck: In die Ostwand des Chores (an der Hauptstraße) werden drei farbige Fenster eingesetzt und der Chorraum im neuromanischen Zeitgeschmack ausgemalt.

Die farbigen Fenster mit hervorragender Glasmalerei. Sie gelten als wertvolle Kleinodien. Abgebildet sind: links Sankt Petrus, „der Fels“. In der Mitte: Jesus Christus, rechts: der Evangelist Sankt Johannes.

Der bewusst schlicht gestaltete Altar oder Abendmalstisch.

Rechts am Triumphbogen die hölzerne Kanzel mit reich geschnitzter Bekrönung.

Der Taufstein mit Taufbecken für die Taufe der jüngsten Familien- und Gemeindeglieder. „Heute“ ist der Taufstein hier nicht zu sehen. Wir finden diesen aber in der Klosterkirche.

Ein Detail der ornamentalen Ausmalung des Chorraumes, eine Schablonenarbeit.

Im Chorraum dominiert das mächtige Epitaph zum Gedenken an den 1606 gestorbenen Amtmann Melchior v. Arnstedt und seine Ehefrau. Geschaffen wurde dieses aufwendige Kunstwerk im Jahre 1609 von dem Magdeburger Skulpturengestalter Sebastian Ertle. Er verwendete für den tragenden Unterbau Sandstein, für das Hauptwerk setzte er zumeist Marmor ein aber auch Alabaster, eine Gipsvarietät.

Die Gedenktafel für das Hochwohlgeborene Fräulein Sophia Augusta Christina v. Welßing, eingegangen in die Ewigkeit im 80-sten Jahr ihres Lebens. Ihr Erdendasein währte von 1687 bis 1767.

Die Tafel für die Soldaten, die im Krieg 1870 / 1871 gegen Frankreich in den Schlachten fielen und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten, zeigt deren Namen zum Gedenken.

Aus dem Ersten Weltkrieg kamen viele Männer nicht mehr zurück nach Jerichow oder starben früh an Verletzungsfolgen. Die Namenstafel nennt 60 Soldaten aus Jerichow. In weiteren Orten, in anderen Ländern sind ebenfalls unzählige Menschen zu betrauern – aber die Menschheit hat daraus zu wenig gelernt.

Der Einbau der Emporen trug der bescheiden wachsenen Einwohnerzahl gut Rechnung. Die Wände des Kirchenschiffs sind wie die Emporen mit lehrreichen Bibelsprüchen geschmückt, die einem im Sinne vortrefflicher Nachhaltigkeit stets wieder vor Augen geführt werden. Auf der zweiten Empore steht die Orgel. Unten der Türspaltdurchblick in den West-Anbau, als Sakristei genutzt.

Das Königliche der Musikinstrumente, das mithilfe des menschlichen Geistes Werke wie ein Orchester darzubieten in der Lage ist – die Orgel. Sie jubiliert zum Lob und zur Ehre Gottes, der Natur, des Universums und zum Wohlgefallen der Menschen – eben gerade so, wie der Komponist es erdachte und wie ein Organist das Instrument zu spielen versteht.

Von der Empore haben wir einen guten Überblick fast über das gesamte Kirchenschiff. Nun, da unsere Augen wohl das Wesentliche von St. Georg erfasst haben, verlassen wir die Kirche wieder – doch vor dem Abschied ist ein kleine oder auch reichlichere Spende stets willkommen.

Die Stadtkirche Sankt Georg mit Blick auf die Südseite und den Ostgiebel, der zur Straße zeigt. – Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, steht als Haus Nr. 5 das auch schon recht alte Gebäude der Poststation.

Die gesamte Mannschaft der Postbediensteten versammelt sich vor der Posthalterei zum Abgang der letzten Personenpost nach Genthin am
24. Oktober 1899. Ein festlicher Anlass – oder mischt sich da etwas Wehmut mit hinein? Gefragt ist nun die Eisenbahn als modernes Transportmittel.
Bildquelle: Foto, entnommen aus einer Informationstafel. Mit freundlicher Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V.

Das gleiche Post-Gebäude, das wir soeben sahen, rund 120 Jahre später, umgestaltet nach Auffassungen des Modernen in einer neuen Zeit. Standort: Karl-Liebknecht-Straße 5.

Eine hochkünstlerisch idealisierte Darstellung aus unseren Tagen veranschaulicht lebhaft die Verhältnisse zur Zeit der Postkutsche.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Gestalters Kunstbetrieb, www.art-efx.eu Tel. 0172 99 62 500, August-Bebel-Straße 26–52, Medienhaus, 14482 Potsdam-Babelsberg, hier in ökonomischer Zusammenarbeit mit Avacon und ideenreichen Schülern mit ihren Lehrern.
Standort: Fassadenbild an der Marktstraße.

Die Bewohner der Stadt lebten in früherer Zeit vorwiegend in eingeschossigen Häusern, bei denen später auch zum Teil der Dachraum zu Wohnzwecken genutzt wurde.
Man betrieb Fischfang, Ackerbau und Wiesenwirtschaft. Zur Regierungszeit des Königs Friedrich II (1740–1786) wurde auf Anordnung eine Vielzahl von Maulbeerbäumen gepflanzt, um die Seidenproduktion einzuführen.
Er meinte, dass die Weber anstelle der Militär- und Gebrauchsstoffe auch mal feines Gewebe, eben ein Natur-Seidengespinst herstellen sollten ... der Erfolg blieb kläglich ... führte mitunter ersatzweise zur Versorgung mit Brennholz.

Seidenraupen, die ihren Naturseidefaden spinnen, ernähren sich von den Blättern des Maulbeerbaumes. Deshalb ließ König Friedrich II. in vielen Orten des Landes ungezählte Maulbeerbäume anpflanzen – auch umfangreiche Plantagen anlegen.

Der Tabakpflanzenanbau zeigte zeitweilig viel bessere wirtschaftliche Ergebnisse. Bei allen mühevollen Tätigkeiten blieben die Jerichower trotzdem eine eher arme Stadtbevölkerung.

Ein gutes Ergebnis mit reichen Erträgen erbrachte dagegen der im gleichen Zeitraum vom König durchgesetzte Anbau von Kartoffeln (Solanum tuberosum). Diese Maßnahme bewährte sich gegen Hungersnöte ... und im normalen Alltag sowieso.

Textbild: erschienen im Heft Feldwirtschaft, VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin.

Eine größere Bekanntheit erreichte Jerichow mit der Arbeit seiner fleißigen Handwerker. Die Zunft der Schuhmacher war die größte innerhalb des Ortes.

Sehr alte originale Wohnbauten, wie wir sie beispielsweise in Tangermünde noch aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg kennen, entdeckte der Autor auf dem Spaziergang durch Jerichow nicht – (vielleicht aber findest du welche, dann vervollständigen wir diesen Bericht gerne).
Hier ein Gebäude, wie sie wohl während der Regierungszeit des Königs Friedrich II. als Typenbauten üblich waren. In jüngerer Zeit wurde aber an den Häusern manches umgebaut, modernisiert, den Bedürfnissen der Bewohner angepasst. Wir sahen das bereits vorhin am Beispiel der Poststation. Ursprünglich mag dieses Haus so ausgesehen haben, wie es das nächste Bild zeigt.

Ein ähnliches Wohnhaus, im Jahre 1752 in Nowawes bei Potsdam errichtet ... und bald standen von diesem standardisierten Haus 210 gleiche Gebäude im Ort ... und es wurden noch mehr.
Quelle: Dieses Gebäude, ein Musterbau, wurde vor etwa einem Jahrhundert von einem Teilnehmer der Baugewerkeschule Berlin gezeichnet. Zeitgenössischer Standort: Nowawes, Lindenstraße 8.

Ein Haus mit wahrscheinlich vergleichbarer Raumgliederung wie bei dem eben gezeigten, aber in einfacherer, rationeller Satteldachgestaltung, mit geräumigerem Dachboden.

Der Acker und der Pflanzenanbau: Geschiebemergel-Boden in Jerichow, durch Siebung größenfraktioniert.
Flächen der Wiesen- und Weidewirtschaft in der Jerichower Elbniederung, westlich von Burgwallplateau und Stadtkirche.

Tätigkeiten in Handwerksberufen waren in Jerichow erfolgreich – erzählt uns die Geschichtsschreibung – so auch die Arbeit des Töpfers.
Quelle: Alle gemalten Bilder dieses Beitrages wurden von Mitarbeitern des Kunstbetriebs www.art-efx.de geschaffen.

Schon immer gab es jemanden, der bestens dafür sorgte, dass die Töpfer nie arbeitslos wurden. Der Umgang mit gutem Ton kann auch zerbrechend wirken – das wissen wir doch alle.
Quelle: art-efx malt auch für dich, so wie für fast jeden Auftraggeber in Europa.

Kein Leben ohne Wasser! Ein wichtiger Kesselbrunnen am Markt, dem die Windentechnik für den Wassereimer-Aufzug noch fehlt. Wartet 's nur ab. Die Schlosserei ist vielleicht schon längst dabei.
Quelle: Diesmal nicht von art-efx gemalt – aber von fleißigen Bürgern der Stadt zur eigenen Freude und der ihrer neugierigen Besucher gesetzt.

Wir sahen, dass einige Leute schön malen, andere Menschen lassen mahlen. Hier geht es um die Holländer-Windmühle.
Zur Versorgung der Bevölkerung der Stadt und ihrer Umgebung mit Getreide-Mehl standen in und bei Jerichow sieben Windmühlen, größtenteils wohl Bockwindmühlen. Der Standort der hier gezeigten Mühle nach Holländer-Bauart existierte bereits in der Zeit vor 1736 und dieses Exemplar stand 1857 schon hier. Doch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle nicht mehr als Arbeitsstätte genutzt. Die Mühle verfiel. Mit dem Erwerb der Mühle seitens der Stadt und der unermüdlichen Tätigkeit des „Fördervereins zur Erhaltung der Jerichower Windmühle e. V.“, konnte die Windmühle für die Gegenwart und für künftige Generationen als museales Schauobjekt gerettet werden.

Den Mahlsteinen obliegt die Aufgabe des Zerkleinerns der Getreidekörner.

Das Kloster verdankt seine Gründung einer damals erneuernden Bewegung: Der Wanderprediger Norbert aus / von Xanten vom Niederrhein rief eindringlich zur Beherzigung der Grundsätze des klösterlichen Lebens für ein urchristlich-gemeinschaftliches Dasein in Abgeschiedenheit auf, das keinerlei Ablenkung von den Hauptaufgaben unterliegt. Ein einfaches Leben ohne persönliche Besitztümer an Geld und Gut galt als eine der unumstößlich zu erfüllenden Voraussetzungen.
Im nordfranzösischen Ort Prémontré gründete Norbert 1120 den neuen Orden, > die Prämonstratenser <. Dem Orden gehörten vorwiegend gelehrte Priester an, die als Chorherren auch seelsorgerische Tätigkeit für das Volk, also auch außerhalb der Klostereinfriedungen, betrieben. Im Jahre 1126 wurde aus dem armen Wanderprediger Norbert, der Erzbischof von Magdeburg, als kirchliches Oberhaupt und weltlicher Herrscher.
Graf Hartwig von Stade und seine Mutter gaben mit großzügiger Finanzierung den Anstoß zum Errichten des Chorherrenstifts der Prämonstratenser in Jerichow, nur reichlich zwei Jahrzehnte nach der Ordensgründung in Frankreich. Der Bau des Jerichower Chorherrenstifts wurde im gleichen Zeitraum (1144) wie die neue Stadtkirche und in deren unmittelbarer Nachbarschaft begonnen. Doch vier Jahre danach entschied man sich, das Kloster 10 Fußminuten weiter nach Nordwesten in einer ruhigeren Umgebung außerhalb des Stadtraumes (und damit am heutigen Standort) aufzubauen. Die Weihe der Klosterkirche mit dem gewaltigen Doppelturm Sankt Marien und Sankt Nikolai konnte im Jahre 1172 erfolgen. Das war zu jener Zeit, als dann der Magdeburger Erzbischof Wichmann von Seeburg hieß. Bis etwa 1250 aber währte die Bautätigkeit an der Gesamtanlage.
Somit gilt das Kloster Jerichow als das älteste erhaltene romanische Backstein-Ensemble Norddeutschlands. Wie die Kenner etwa sagen: ein sehr großes Kleinod.
Der Backstein oder Ziegel besteht ursprünglich aus feuchtem Ton-Lehm, bekommt in einer Form aus Holz seine ebenmäßig-quaderförmige Gestalt und wird durch Backen / Brennen stabil und sehr belastbar.

Hier zeigt sich uns der Magdeburger Erzbischof Wichmann von Seeburg, zu der Zeit, als er 1174 (zwei Jahre nach Kloster Jerichow) die hinter ihm stehende neue Klosteranlage „Unserer lieben Frauen“ zu Jüterbog weihte.

Die Ordensherren, zumeist gelehrte Priester, hatten das Stift zu einer Quelle des Wissens, der Bildung, entwickelt. 1552 aber wurde der Orden im Zuge der Kirchenreformation aufgelöst ... doch das Kloster diente seither weltlich-wirtschaftlichen Zwecken – ein landwirtschaftliches Gut bildete die Einnahmequelle.
Seit 1685 durften evangelisch-reformierte Gläubige die reaktivierte Klosterkirche nutzen aber die lutherisch Gläubigen besuchten fürderhin die Stadtkirche ... solange zumindest, bis es dann wieder eine uniierte Kirche gab.

Ein heutiger Blick durch das dreiteilige Kirchenschiff in Richtung Altar / Abendmahlstisch.

... und nun zwei Blicke in die Gegenrichtung der mächtigen Klosterkirche. Hier begegnen wir auch dem Taufstein.

Ein Nebenaltar

Ein Kreuzgang, der zwischen den Sälen und dem Innenhof vermittelt.

Von einem Kreuzgang zum anderen Kreuzgang geblickt. Dazwischenliegend der Innenhof.

Die Klosterkirche St. Marien und St. Nikolai vom Klosterinnenhof aus betrachtet.

Ein Gewölbesaal ist für die Besucher als mahnendes Anschauungsdenkmal konserviert. Hoffen wir, dass auch dieser Raum später noch aus der Konservierungsrolle gerettet werden kann. – Solcher traurigen Kandidaten, an denen die Zeit und vor allem auch die Untergründe des Bauwerks arbeiten, gibt es mehrere. Viel aufwendige Rettungsarbeit gilt es noch zu leisten.

Diesem Raum ließen fleißige Menschen eine Verjüngungskur angedeihen.
Eine typische Mobiliar-Ausstattung im Stil der Klosterzeit könnte den Augenschmaus vollenden.

Ähnlich frisch sah es wohl aus, als die priesterlichen Chorherren hier einzogen. Manch einen lockt es vielleicht auch heute, seine bisherige Wohnung gegen einen Klosteraufenthalt in Jerichow einzutauschen. –
Der Kampf gegen aufsteigende Feuchtigkeit ist ein schwerer. Von hier aus bis zum Grundwasser ist der Weg nicht weit. Diese Verhältnisse verlangen viel bauphysikalischen Fachverstand.

Die Speisesäle – die Refektorien. Es galt als unumstößlich, dass die Chorherren ihre Mahlzeiten stets schweigend einnahmen und dabei einem Leser lauschten, der ihnen „das Wort“ vortrug. Leib und Geist erhielten zeitgleich ihre nährende Speise, wenn auch in unterschiedlicher Weise.
Zwei Speisesäle waren vorhanden. Einer für das Sommerhalbjahr, ursprünglich mit großzügiger Verbindung zum luftigen Kreuzgang – das stellte sich als eine recht zugige Angelegenheit heraus und der Raum wurde später (bis auf die Türausschnitte) mittels einer Mauer geschlossen. Die Gewölbedecken waren mit Gemälden ausgeziert, nur Rudimente davon sind heute stellenweise schwach erkennbar.

Der gleiche Raum in entgegengesetzter Richtung: Anfangs hatte der Speisesaal drei freistehende Säulen. Man wünschte aber einen zusätzlichen Wirtschaftsraum – und stellte fest, dass der Platz für die Mahlzeiten-Teilnehmer auch dann noch gut ausreichen würde, wenn nur alle ein wenig zusammenrückten. So zog man hernach eine Zwischenwand, mauerte dabei eine Säule etwas ein und hatte dahinter den gewünschten Raum. Alle Säulenkapitelle sind mit baulichem Blattschmuck verschönt.
Bevor man sich hier wieder einen „Gesegneten Appetit“ wünschen möchte, wird noch einiges Wasser die Elbe hinunter fließen. Ein weiteres Refektorium war beheizbar – vorzugsweise für das Winterhalbjahr gedacht.

Ziemlich vorzüglich!
Nach der Reformationszeit wurde aus diesem Saal eine Brauerei – doch auch jene Zeit ist längst vorbei. Heute werden in diesem Saal Konzerte angeboten ... und wer sich traut ... kann hier den Bund der Ehe schließen.

Durch diesen Kreuzgang verlassen wir den Klosterbau.
Der landwirtschaftliche Betrieb (die Domäne) wurde auch nach der Klosterzeit weitergeführt. Als Oberhaupt setzte man einen Oberamtmann ein. Nicht jeder hatte das Wohl der Pächter und der einfachen Arbeiter mit deren Familien im Sinn und in seinem Herzen. Anfang des 19. Jahrhunderts herrschte hier der Herr Schrader – unbeliebt, ungerecht, bösartig-brutal. Wir wollen das zwar nicht aus dem Blickfeld lassen, wenden uns aber heute freundlicheren Verhältnissen zu.

Zum Wirtschaftshof gehörten diverse Stallungen, Werkstätten und Speicher.

Es gibt in der Domäne auch Tiere, die nicht in das Joch der Arbeit für den Menschen eingespannt sind. Diese leben gerne über uns, ohne sich über uns zu erheben.

„Der alte Domänenhof“, umgeben von Stallanlagen für die Tiere.
„Ja doch, hier finden sogar noch mehr Besucher Platz. Kommt bitte nur herein.“

Der Rauchabzug (auch Schornstein oder Esse) der Klosterheizanlage am Rande des Gartenareals.
Sollte unten nochmals ein Feuer entfacht werden, möchte droben kein Storch leben, darauf achten sie der Vorsicht halber schon jetzt..

Bilder sagen mehr als tausend Worte ... und trotzdem gibt es an den Pflanzen Tafeln mit vielen wichtigen Hinweisen. Vorbildlich! Zahlreiche Bäume, Sträucher sowie Stauden und kleinere Blühpflanzen geben Kleintieren, darunter vielen Insektenarten, Unterschlupf und Nahrung.
Quellenhinweis: Alle Bilder im Klostergarten fertigte Frau Ellen J.

Hochbeete aus Weidengeflecht, nach historischem Vorbild, erleichtern die Pflegearbeiten für den Rücken und rücken Pflanzen noch prächtiger in unser Gesichtsfeld.

Mit Namensschildern versehen, stellen sich uns die Pflanzen vor und erleichtern es uns, solche Begehrten aus anderer Zucht-Herkunft auch im eigenen Garten anzusiedeln.

Treu und unermüdlich umsorgen die Eltern ihre Kinder.

Spieglein, Spieglein in des Klosters Garten – „Gibt es denn noch schön're Arten?“

Besucherströme sieht man auch außerhalb des Klostergartens. Am Rande, sozusagen.

Im schwarz/weißen Teil des sepia-getönten Bildes sehen wir die frühere Schäferei. Das Schäferwohnhaus mit dem Krüppelwalmdach steht ganz hinten, uns die Traufseite zuwendend.
Bildquelle: aus einer Informationstafel. Mit der üblichen Zuvorkommenheit des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V. veröffentlicht.
Ja, auch eine Schafanlage, die Schäferei, gehörte zur Klosterdomäne. Sie war eine der drei Ökonomie-Anlagen, zu denen des Weiteren der große Wirtschaftshof und der Rinderhof zählten.
Diese Schäferei bestand aus drei Langställen für die Tiere, einer Milchküche sowie Räumlichkeiten zur Käsebereitung und dem Schlachtbetrieb. Die Stallbauten sind mit Obergeschossen versehen, die Vorräte an Winterfutter und Einstreu aufnahmen.
Die Schafhaltung mit Schafzucht war ein ergiebiger Wirtschaftsfaktor für die Domäne. Um 1700 wurde hier mehr als 300 Schafe gehalten. Milch und Käse lieferten die Schafe. Ferner die abgeschorene Wolle für die Textilherstellung. Behäutete Wolle für Schafspelze. Schlachttiere gaben Fleisch. Die Haut bereitete man auch zu Schreibpergament auf. Das Bauchfett (Talg) diente der Kerzenherstellung (Unschlitt-Kerzen). Der Dünndarm ergab Saiten für Musikinstrumente. Aus Röhrenknochen entstanden Flöten – ansonsten Seife. Selbst zur Bereitung von Arzneien nutzte man verschiedene Organ-Stoffe. So blieb vom Tier nur wenig ungenutzt.
Zwar wurden die Gebäude auch dieser Anlage im 30-jährigen Krieg zerstört aber später wieder aufgebaut, sind heute zum Teil noch vorhanden. Seit der Zeit der vorletzten Grundsanierung um 1840 haben die Gebäude das Aussehen, das sie uns heute vermitteln.

Das ehemalige Schäferhaus war später zeitweilig auch als Bäckerei ausgestattet. Das Gebäude wurde modernisiert, andere Fenster eingesetzt und mit einem Anbau versehen. Ob das Gebäude zur Zeit des Errichtens tatsächlich genauso aussah wie heute, dazu bestehen Zweifel. –
Ähnliche zu jener Zeit entstandene Bauten, zeigen ein grundsätzlich vergleichbares Aussehen. Solche findet man auch in Jerichow.

Das Schäferhaus könnte ursprünglich eher so ausgesehen haben.
Gezeigt wird hier ein Typenbau, von dem nach 1750 die Siedlung „Nowawes“ (Neues Dorf) mit vorerst 210 Häusern aus dem märkischen Sandboden gestampft wurde.

Das Hauptgebäude der großen Schäferei, unmittelbar mit seinem Giebel dem Wohnhaus des Schäfers gegenüberstehend. Bei ungünstiger Witterung hatte man hier seine Schäfchen im Trockenen.
Heute ist hierin der Besucherempfang des Klosterareals ansässig.

Ein weiterer der früheren Schafställe.

Die reichlich milchenden Tiere finden in der Elbtalaue, die immer wieder zeitweilig überflutet wurde, eine sehr gute Nahrung an saftigen Gräsern und würzigen vitaminreichen Kräutern.
Quelle: Öffentliche Informationstafel, Detail. Die Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V. zur Veröffentlichung liegt vor.

Auch auf anderen Flächen, wie hier an dem vor Hochwasser schützenden Deich, sättigen sich die Genügsamen – halten die Gräser kurz und düngen den Boden.
Bildquelle: Ausschnitt aus einer Informationstafel. Die Zustimmung des Förder- und Heimatvereins Stadt und Kloster Jerichow e. V. besteht.

Wir sind am Ende unseres heutigen Spazierganges angekommen. Möchte man tiefer schürfen, mehr erfahren aus der alten Geschichte und der jüngeren Zeit des Städtchens, dabei auch ausspannen vom Alltag, so lohnt sich ein längerer geruhsamer Aufenthalt in Jerichow bestimmt.

vorläufiges Ende des Dokuments

Vom gleichen Autor können auf der gleichen Internetseite www.janecke.name gelesen werden: