Tangermünde – Kaiserresidenz und Hansestadt an der Elbe

Zusammengestellt von Chris Janecke und aktualisiert im Februar 2024.
E-Mail: chris@janecke.name

Zu einem Spaziergang durch die Tangermünder Altstadt lade ich euch ein. Viel zu sehen gibt es hier, manch Schönes zu erleben. Der Besuch einer der schönsten Kleinstädte lohnt sich. Hier gibt es auf den Bildern und in den Kurztexten einen Vorgeschmack darauf, was euch in der Stadt erwartet. Die Bildfolge nimmt zwar bestimmte Wege durch den Ort aber ihr könnt genauso gut „im Zick-Zack“ laufen. Ver-laufen kann man sich kaum, denn die vielen markanten Türme im kleinen Stadtgebiet geben dem Ortsunkundigen die notwendige Orientierung. Eine weitere Hilfe zum Zurechtfinden soll der folgende grobe Übersichtsplan geben.

Wir können vorzugsweise im Zug oder mit dem Bus in Tangermünde ankommen aber auch für Parkplätze ist gesorgt. Eine Eisenbahnverbindung von und nach Stendal besteht seit 1886. Auch wenn wir mit dem Bus kommen, steigen wir an der Bahnhofstraße aus (Endhaltestelle). Von der Bahnhofstraße gehen die Straßen: Ernst-Drong-Straße, die Albrechtstraße und die Karlstraße ab, die uns jeweils auf kurzem Weg – über die Lindenstraße hinweg – zur Altstadt, zum Tanger und zur Elbe führen.

Die Legende – Sehenswürdigkeiten mit den Zahlen zum Auffinden im Übersichtsplan.

Punkt 1 der Erläuterung zum Übersichtsplan:
Wir gehen beispielsweise durch die Ernst-Drong-Straße und stehen nun an der Ecke Lindenstraße / Grete-Minde-Straße.
Nutzen wir die Grete-Minde-Straße als Zugang zum Altstadtgebiet, so grüßen uns einladend der Turm des früheren Hünerdorfer Stadttores und die St.-Stephan-Kirche.


Einige Teilnehmer unserer Wandergruppe möchten auf keinen Fall die ersten Eindrücke an der äußeren Seite des Altstadtgebietes versäumen und spazieren vorerst auf der Lindenstraße unter den großen schattenspendenden Bäumen, die die Stadtmauer begleiten, zum Punkt 2 weiter.
Wir verabreden, uns später am Punkt 6, an der „Schlossfreiheit“ wieder zu treffen.

Punkt 2
Ein Durchlass in der Mauer zur Töpferstraße, der in historischer Zeit nicht bestand.

Punkt 3
In die Stadtmauer integriert sind Bauten, so genannte Wiek-Häuser.
Wiek oder auch -wic / -wig bedeutet althochdeutsch „Kampf“. Diese Bauten, ursprünglich aus Backstein und dickwandig gemauert, dienten der Beobachtung der Umgebung – der Ausschau nach Besuch – ob Freund oder Feind und zum Verschanzen bei Kampfhandlungen. Außerhalb solcher Zeiten durften diese Bauten friedlich bewohnt werden. Vergleiche dazu auch die Namen Hed-wig (Streit + Kampf) oder Hart-wig (stark + Kampf).

Punkt 4
Die Wanderfreunde kamen aus dem Hintergrund des Bildes und stehen nun am riesigen Findling nahe des Sträßleins „Notpforte“. Die Notpforte war ein nachträglich in die Stadtmauer eingebrachter Auslass, der im Falle eines Großbrandes die zügige Evakuierung der Altstadt besser ermöglichen sollte. Von hier aus ist der imposante Wasserturm der Stadt bereits zu sehen.

Punkt 5
Der markannte Wasserturm steht dort, wo sich die Karlstraße und die Friedrich-Ebert-Straße kreuzen.

Vom Wasserturm aus können die Wanderer auf einem frei wählbaren kurzen Weg zum Schlossareal (Punkt 6 unten rechts auf dem Plan) gehen.


Wir anderen liefen in der gleichen Zeit vom Punkt 1, zuerst weiter durch die Grete-Minde-Straße.

Vorbeigehend am Hünerdorfer Torturm und nahe der Sankt-Stephan-Kirche, gleich neben dem Brunnen, sehen wir die Stadt als Kunstguss-Modell.

Leicht erkennbar sind auf diesem Kunstwerk:

Das gleiche Modell, von der Wasserseite aus betrachtet.

Nun laufen wir durch die Straße „Schlossfreiheit“ zum Burg-/ Schlossareal und treffen dort (am Punkt 6) wieder auf die anderen Teilnehmer unserer kleinen Wandergruppe.

Punkt 6
An der kleinen Straße mit Namen „Schlossfreiheit“ finden wir im Haus Nr. 5 das noch junge Burgmuseum, dessen Erdgeschoss das älteste der erhalten gebliebenen Bauten der Stadt darstellt. Der untere Teil des Baukörpers wurde im Jahre 1543 gemauert. Bauten ähnlichen Alters gab es viele, die aber beim Großen Stadtbrand von 1617 vernichtet wurden.

Den Durchgang nutzend, kommen wir nun auf das Burggelände. Die Burg ist nicht mehr vorhanden – aber die Erinnerung, weil die Verbindung zur Burg das Bestehen des Ortes dokumentiert. Die älteste erhaltene Urkunde erwähnt Tangermünde im Jahre 1009 als Burgwart-Hauptort. Es ist aber klar, dass hier bereits lange vorher Menschen siedelten.
Später wurde die Burg Tangermünde zwischen 1134 und 1463 als zeitweiliger Herrschaftssitz von mehreren Markgrafen und Kurfürsten des Brandenburger Gebietes genutzt, außerdem zwischen 1373 und 1378 als Nebenresidenz des Kaisers Karl IV, der die Mark Brandenburg 1373 erwarb aber 1378 starb. Dessen Hauptresidenz war der Hradschin in Prag aber auch in seiner Nürnberger Residenz hielt er sich gern auf.

Punkt 7
Der mit sechs Etagen und dem Steildach ungefähr 50 m hohe Turm der Burg- und / oder Schlossanlage, er wird auch Bergfried genannt, trägt die Bezeichnung „Kapitelturm“. Das Bauwerk wurde auch als Getreidespeicher für das Berliner Domkapitel genutzt. „Kapitel“ bedeutet: Ort der Zusammenkunft / Versammlungsstätte für den Herrscher und seine Berater. Das Gebäude war selbstverständlich ursprünglich ebenso ein Späh- und Wehrturm und diente ebenfalls zu Wohnzwecken. Die Grundfläche des Bauwerks beträgt 9,80 x 6,70 m.

Unser Blick vom Burggelände über Tanger und Elbe sowie die Elbniederung,.

Der Weg führt uns vom Kapitel-Turm zu den vormals auch hier zeitweilig ansässigen Herrschern. Im Hintergrund die jüngste Variante des Schlossbaus in der Burg-Nachfolge. Das Gebäude, heute Schlosshotel, bietet Gästen einen angenehmen Aufenthalt und wird gehobenen Ansprüchen gerecht.

Punkt 8
Denkmal für Kaiser Karl IV. (1316–1378). – Das Kunstwerk, von Ludwig Cauer gearbeitet, wurde im Jahr 1900 aufgestellt.
Diese beiden Denkmale sind jung. Sie sind Geschenke von Kaisers Wilhelm II an die Stadt. Beide Bronzen sind Abgüsse von Marmorstatuen.
Mit dem Ersten Weltkrieg endete 1918 auch die Herrlichkeit des Schenkenden, des letzten Deutschen Kaisers W II.

Denkmal für Kurfürst Friedrich I von Preußen (1371–1440), der auch zeitweilig hier in Tangermünde residierte. Es ist eine Arbeit des Bildhauers Ludwig Manzel. Die Bronzeskulptur stellte man im Jahr 1912 hier auf.

Punkt 9
Gefängnis und Kanzlei. Der um 1480 errichtete Rundturm war selbstverständlich ursprünglich ein Wachtturm in der Befestigungsanlage. Erst im 18. Jahrhundert wurde das Bauwerk auch zum Gefängnis. Man bedurfte in Tangermünde offenbar seit früher Zeit einer größeren Zahl kleinerer Gefängnisse. Das Kegeldach wurde erst 1912, wohl als Witterungsschutz und besonderes Ästhetikum, über die Zinnen des Turms gesetzt.
Nur fast einen schwungvollen Steinwurf weit entfernt steht die Kirche Sankt Stephan.

Unser Ausgang vom Schlossgebiet.
Blick-Abschied vom Kapitelturm

Punkt 10
Das alte Schloss, noch während der Regierungszeit des Kaiser Karl IV. errichtet, ist hier nicht zu sehen. Die „befreundeten Schweden“ zerstörten es 1640 im 30-jährigen Krieg gründlich.
Das heute sichtbare, modern anmutende Schloss, entstand um 1700 auf der Stelle des Vorgängerbaus. Bauherr des Neubaus war der Liebhaber äußerlichen Prunks, Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg (1657–1713). Im Jahr 1701 erstritt und erkaufte er sich die Königswürde, als König Friedrich I. in Preußen, derer er sich bis zu seinem Ableben noch ein Dutzend Jahre erfreuen konnte. –

Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg => König Friedrich I. in Preußen

Der erste / älteste Sohn von Kurfürst Friedrich Wilhelm und Luise Henriette und somit der übliche Thronfolger, war sehr früh gestorben. Der deshalb aufrückende zweite Sohn, der die Krone nun erbt, ist Friedrich, das Sorgenkind der Familie.
Friedrich lebt von 1657 bis 1713 und ist nach dem Ableben seines Vaters vorerst von 1688 bis 1701 Kurfürst Friedrich III. Vom Volke wird er liebevoll aber auch etwas nachsichtig und despektierlich „der schiefe Fritz“ geheißen. Seiner Amme, dem unglücklichen Dingel, wird nachgesagt, dass sie vor Zeiten, ihn, das sechs Monate alte kurfürstliche Wickelkind, eines unguten Morgens auf der Kutschfahrt während der Winterreise nach Königsberg, von der Sitzbank hatte gleiten lassen. Angeblich seit dieser Stunde leidet der Junge an einer Verkrümmung der Wirbelsäule, die sich zu einem kräftigen Buckel auswächst – aber eine „Sündenböckin“ dafür ward ja schließlich gefunden … na ja … und überhaupt kränkelte Fritz auch künftig häufig vor sich hin, war ansonsten still, freundlich und friedlich. Friedrich wird sogar drei Ehefrauen haben (nacheinander), die er wenig von sich begeistern wird. Aus der zweiten Ehe entsprießt immerhin der einzige Sohn.

Seine erste Ehefrau Elisabeth Henriette von Hessen – Kassel (1661–1683) heiratet den Fritz 1679, als sie 18 Jahre alt ist. Diese Ehe wird von der Nachwelt als „sanft-glücklich“ bezeichnet. Elisabeth stirbt aber schon vier Jahre nach der Hochzeit im Alter von nur 22 Jahren an der damals häufig auftretenden Infektionskrankheit „Blattern“. Später werden wir Pocken dazu sagen.

Des Fritzens zweite Frau: Sophie Charlotte von Hannover (Braunschweig – Lüneburg) wird – aber erst später – die erste preußische Königin. Sie lebt vom 30. Oktober 1668, geboren in Hannover, bis zum 01. Februar 1705.
Der schiefe Kurprinz Fritz (inzwischen 27 Jahre alt) heiratet sie 1684, als sie noch 15, knapp 16 Jahre alt ist. Auch für Sophie Charlotte ist es ein schweres Los, da der Prinz wie wir wissen, schon äußerlich wenig anziehend ist und auch intellektuell als etwas weniger bedeutend gilt. Er bleibt nun 'mal klein, bucklig, stets kränklich, ist aber ansonsten freundlich – friedfertig. Die junge Ehefrau-Prinzessin hingegen ist trotz ihrer frühen Jugend bereits relativ umfassend gebildet und hoch intelligent sowie von vor Kraft strotzender Gestalt. Ein recht ungleiches „Gespann“. So versucht sie eine „Nische“ für sich zu gewinnen und ihr geistiges Leben möglichst unabhängig von ihm und höfischen Belangen zu gestalten.
Nach zwei Fehlgeburten wird am 14. August 1688 als Stammhalter der Friedrich Wilhelm, der spätere Soldatenkönig, geboren. Er ist ein pummeliges, schwieriges, oft wütend aufbrausendes Kind und manchmal ähnlich seinem Großvater dem >Großen Kurfürsten<, nur weit ausgeprägter. Er ist „ein echter Satansbraten“, mit dem ein Zusammensein meist der reinen Freude wenig bringt.
Während der Kurfürst auf kulturellem Gebiet, vorrangig an den bildenden Künsten interessiert scheint, beschäftigt sich Sophie Charlotte außerdem auch intensiv mit Musik und Philosophie. Gottfried Wilhelm Leibniz, der Universalgelehrte, ist ein häufiger und gern gesehener Gast in ihrem Schloss.
Froh wird Sophie Charlotte in dem Schloss Lietzow / Lützow / Lietzenburg / Lützenburg, zwischen Potsdam und Berlin gelegen, das sie selbst ab 1695 erbauen lässt und im Sommer 1699 beziehen kann. Doch nur knapp sechs Jahre lang kann sie sich daran erfreuen. Sie wird nur 37 Jahre alt werden.
Das Schloss wird ihr zu Ehren, aber erst nach ihrem Tode, in Charlottenburg umbenannt (seit April 1920 im Stadtteil Berlin-Charlottenburg befindlich).

Als der sächsische Kurfürst im Jahre 1697 die polnische Königskrone erlangt, gelüstet es auch ihn, unseren Brandenburger Kurfürsten Friedrich III., verstärkt nach einem Königstitel. Durch seine Souveränität über das damalige abseits vom Brandenburgischen liegende Preußen (das spätere Gebiet Ostpreußen) scheint das Ziel im Rahmen des Möglichen zu liegen. Dem deutschen Kaiser verspricht er 5.000 männliche, jetzt noch gesunde Landeskinder als kämpfende Landsknechte für den Spanischen Erbfolgekrieg, was die Zustimmung des Kaisers zu des Kurfürsten angestrebter Königswürde durchaus erleichtert.
Am 18. Januar 1701 krönt sich unser schiefer Fritz in Königsberg selber zum König (aha, daher also der Name Kaliningrad) und tut anschließend auch seiner Ehefrau diese Ehre an. Das bekommt er hin, das ist ihm nicht gar zu sehr beschwerlich. Zu Hause in Potsdam baut man ihm indessen schnell an das vorhandene Schloss ein Fortunaportal, eine Hof- und Ehren-Pforte, die in den Marktplatz hineinstrebt, als eine kleine freudige Glücks-Überraschung für einen Königlichen Empfang bei der Heimkehr. – Nur zwischen den Jahren 1960 und 1994 ist dieses Portal unsichtbar, weil kriegsversehrt und abgerissen. Heutzutage kann man es wieder bewundern.
Nach der Eigenkrönung regiert Fritz dann von 1701 bis 1713 in der Würde des Königs Friedrich I. in Preußen. In der Kunst, die Geschicke des Staates zu lenken, kann Fritz aber sowohl seinen „blutsverwandten benachbarten Kettengliedern“, dem Vater versuchsweise nacheifernd, als auch dann später dem Sohn, „nicht das Wasser reichen“. Er gibt sogar einen wesentlichen Teil der Staatsgewalt an seinen früheren Erzieher Dankelmann ab, weil er als König für das Regieren weder viel Geschicke beweist, noch überaus große Lust dazu hat. Er verfolgt hingegen lieber kulturelle und soziale Ambitionen, was ja so schlecht auch nicht ist. So gründet er 1694 die Universität Halle, 1696 die Akademie der Künste zu Berlin und 1700 die Akademie der Wissenschaften in Berlin. In jenem Jahr befiehlt er auch noch das Schloss in Tangermünde bauen. Alle Achtung!
Was der Monarch nicht im Kopf und an seinem Körper hat, versucht er aber recht fleißig mit Prunk- und Prachtentfaltung auszugleichen. Schon bald jedoch, im Jahre 1705, tritt er erneut in den Witwerstand.

Die dritte Frau des Fritzen ist eine zauberhaft wunderschöne Prinzessin, jüngstes Kind unter fünf Geschwistern: Sophie Luise von Mecklenburg – Grabow (Schwerin). Diese lebt vom 16. Mai 1685 bis zum 29. Juli 1735 und wird somit 50 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Heirat am 28. November 1708 ist der schiefe Bräutigam König Friedrich I. 51 Jahre alt und steht fünf Jahre vor seinem Tode, von dem er allerdings noch nichts ahnt. Sophie Luise ist als Braut 22 Jahre jung. Auf das Leben am Hofe, auf die Vorschriften, die Etikette, selbst auf ihren Ehemann und vor allem auf die Intrigen – auf das alles war sie in ihrer eher „ländlich freien, geraden“ Erziehung nicht vorbereitet worden. Die neue Lebensart überfordert ihr Gemüt. All das gekünstelt Höfische, auch das Intrigentum, bleibt ihr wesensfremd. Bald zieht sie sich völlig vom Hofleben zurück und sucht einen Trost, findet diesen nur noch in der Religion. – Später schickt man sie nach Schwerin zu den Eltern zurück, da sie im Kopf „seltsam“ zu werden beginnt. Sie soll sich von den Erfahrungen dieser Zeit des Hoflebens nie mehr erholt haben. –
Eine der vielen unglücklichen königlichen Ehen findet somit ihren zeitigen Abschluss.

Nun aber weiter auf unserem Spaziergang durch Tangermünde!

Das „neue“ Schloss von 1700. Gewaltige Strebpfeiler der Stadtmauer sorgen dafür, dass man im Schloss und in der Stadt stets auf der richtigen Höhe bleibt.

Ein Teil der Burg- / Schlossanlage, mit Kanzlei, Kapitelturm und Schloss von der Elbpromenade aus gesehen.
Die Kanzlei ist das noch aus dem 14. Jahrhundert erhaltene Gebäude. Es wurde für höfische Lustbarkeiten konzipiert, mit Festsaal und Tanzböden. Erst nach dem 30-jährigen Krieg nutzte man das Gebäude als Burgschreiberei und seit dieser Zeit trägt es deshalb die schlichte Bezeichnung „Kanzlei“.

Am Schlossgebiet: Einer der trutzigen Ecktürme der Stadtmauer

Ein Blick des künstlerisch geschulten Auges auf das Schlossareal.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung, ausschließlich für diese Internetseite www.janecke.name – Kunstbetrieb www.art-efx.eu
August-Bebel-Straße 26–52, Medienhaus, in 14482 Potsdam-Babelsberg,

So schauen die Biber von der Elbe aus auf die stolze Stadt Tangermünde.
1818 ankerte dort vor der Stadtmauer das erste hier gesichtete Dampfschiff, das aus Hamburg die Elbe hinauf kam – aber, wie wir es auf dem historischen Gemälde sehen, gab es noch keinen Hafen. Der Hafenbau wurde erst 1890 begonnen.
Quelle: siehe vorstehend.

Punkt 11
Die Rossfurt aus dem 15. Jahrhundert kennzeichet keinen seichten Flussdurchgang für Pferd und Wagen, sondern einen etwa 100 Meter langen und stärker geneigten Hohlweg, der den Höhenunterschied von etwa 12 Metern zwischen der hoch gelegenen Stadt und der tief liegenden Elbe vermittelt. Es ist der einzige historische Fahr-Zugang von der Elbseite zur Stadt. In Ufernähe können Schiffe über schwankende Planken von ihren Waren entladen werden, die dann Pferdefuhrwerke durch diesen Hohlweg hoch in die Stadt bringen. Recht sicher war das Elbtor dank eines Wächterhauses und dessen Bemannung. –
Es wird gesagt, die Tangermünder seien sehr mutige Leute, die weder Tod noch Teufel fürchten und ebenso nicht ein Elbhochwasser in ihren Häusern.

Eines der drei Stadttore, das Elbtor oder Rosstor. Im Jahre 1470 wurde es in die Stadtmauer eingefügt, war eine Anlage mit doppelten Toren aus Eichenholz, an der Außenseite zusätzlich mit einem eisernen Fallgitter gesichert. Die Gestaltung des Tores als Gebäude, diente der Wacht- und Verteidigungsfunktion.
Am Torbogen sind auf einer Messlatte extreme Elbwasserstände markiert. Die Markierung weist für das Jahr 2013 den Elbwasserstand von 8,38 m aus.

Der etwa 100-m lange Weg bergan. An der Brücke ist etwa ein Drittel der Strecke geschafft.

Die Straßenbrücke über der Rossfurt
Ein Blick von der Brücke hinüber zur Kirche des Heiligen Stephan
Wir schauen zurück

Punkt 12
Der Steigberg – nicht nur für Bergsteiger, sondern für Elbwasserträger oder andere Lastenschlepper als eine weitere Treppe gestaltet. Auch dieser vielstufige Steig ist der Sicherheit halber mit einem Wehrturm überbaut.

Punkt 13
Die Esel. Mehrere Kunstwerke schmücken die langgezogene Freifläche an der Hafenpromenade.

Das mächtige frühere Speichergebäude am Hafen und die beiden Wachthäuser mit der Bezeichnung „die Putinnen“ hoch droben an der Stadtmauer.

Treppenaufstieg von der Hafenpromenade zur Marktstraße, überbaut von einem Wachtturm bei den damaligen Zinnen der Stadtmauer.

Punkt 14
Dieser Turm und dessen Besatzung beschützte also bereits im Mittelalter den Treppenab- und -aufgang beispielsweise für Tangerwasserholer und gleichsam zur Sicherung der Treppe vor dem Aufsteigen lichtscheuen oder gar kampfwilligen Gesindels. Der Turm umfasst unten rechts das obere Ende der Treppe.

Die beiden benachbarten Wachtturm-Häuser auf der Elbseite des Stadtmauerovals wurden um 1470 errichtet. Sie tragen schwer an der vom Volksmund überbrachten einfachen Erklärung: „Das sind natürlich die Putinnen, was denn sonst?“ – Nicht zu gebrauchen ist diese weise Aufklärung für eine Steigerung mehrerer „Puten“. Ebenso nicht als weiblich-plurale Zugehörigkeit zu dem slawischen Familiennamen „Putin“ zu verstehen, selbst dann nicht, wenn auch hier in Tangermünde vor Zeiten zahlreiche Slawinnen und ihre Männer siedelten. Nein, gemeint sein könnte eher eine niederdeutsche akustische Wort-Abschleifung für „Außenzinnen“ (buten + Tinnen), äußern Wissenschaftler – vielleicht war es ja so. – Oder auch nicht – sagt der Laie, denn die Zinnen einer Mauer hatten keinesfalls die Großgestalt von Gebäuden und an anderen Stellen auf und in dieser Stadtmauer nennt man derartige Bauten schlicht Wiekhäuser, deren Wortsinn doch für Jedermann leicht erkennbar ist, wie in früherer Textpassage bereits ausführlich erläutert.
Dieses größere der beiden Wachtbauten enthielt auch ein Bürgergefängnis mit bildschöner Aussicht in die Elbniederung. Solcher sicheren Orte des Gewahrsams gab es in Tangermünde eine stattliche Anzahl. Inzwischen aber wurde die Menge der Gelasse oder auch Verließe reduziert, denn heutzutage leben fast nur noch sehr brave Bürger in Tangermünde. Dieses lukrative Wohngebäude ist aber derzeit nicht frei vermietbar.
Auf mehreren Wegen kann man zu den Putinnen gelangen, so auch durch die Marktstraße, hier im Bild.

Die freundliche Aufklärung zur Herkunft der Bezeichnung.

Sehnsüchtiger Blick aus dem Gefängnis in Richtung der ebenfalls in relativer Abgeschiedenheit lebenden Chorherren (keine Mönche) des Klosters Jerichow.

Einige Worte zum Ring der Tangermünde umschließenden Stadtmauer.

Punkt 15
Die ehemalige Nikolaikirche können wir von der Langen Straße und von der Kirchstraße aus betrachten. Die Kirchstraße, wie auch die Lange Straße stellen gut fußläufige Verbindungen zwischen der Nikolaikirche und der Kirche Sankt Stephan her. Beide genannten Bauwerke stehen an den Endpunkten dieser Straßen. Die Nikolaikirche wurde etwa ab 1200 errichtet aber seit dem Ende des Reformationsjahrhunderts nur noch für unsacrale oder weltliche Zwecke genutzt. Die Einwohnerzahl gab es einfach nicht her, die beiden großen Kirchen des Sonntags zu überfüllen. So diente das ziemlich sichere Nikolai-Gebäude zeitweilig als Garnisongefängnis, mal als Lazarett, auch als Geschäftshaus – heute als rustikale Gaststätte – aber hoffentlich haben wir bei allem Gedenken oder bei deftigem Schmaus doch immer den Heiligen Nikolaus in unseren Hinterköpfen ... und das nicht nur am 6. Decembris.

Blick auf die Kirchstraßenseite des weltlichen Gotteshauses.
Des Volkes Mund sagt häufig so leicht dahin, dass zu often Malen der Düwel gleich neben die Kirche ein Wirtshaus gesetzt habe. In Tangermünde treibt man es toller. Hier übernahm die Nikolai-Zecherei daselbst die innere Kirchenbewirtschaftung – mit großem Zuspruch.

Punkt 16
Das Neustädter Tor oder auch Stendaler Tor von der „Feldseite“ aus gesehen. Das Tor, vorerst nur mit dem rechteckigem Turm, der damals einen Zinnenkranz trug, mauerten fleißige Menschen im Jahr 1300 als eine der drei Stadtzufahrten. Bei allen Toren handelte es sich um Doppeltoranlagen mit Außentor, Wehrturm, dem Innentor und dazwischen der Zwinger zur Inspektion der Reisenden und der Zollabfertigung.
Dieser Einlass schwenkt hinter dem Tor etwas nach links zur Langen Straße sowie zur Mauerstraße und leicht nach rechts zur Kirchstraße.
Den augenwohlfälligen etwa 27 m hohen Rundturm mit einem Durchmesser von 9 m ließen die Stadtväter erst 1450 hinzusetzen. So konnte man an Pracht und Höhe mit dem Uengelinger Torturm der Stadt Stendal wetteifern. Nun, ein Wettbewerb? Man neigt dazu, weil wohl exaktes Wissen fehlt, diesen Turm, wie auch die Torturmgestaltung in Stendal, dem Baumeister Stephan Buxtehude zuzuordnen. Die Ergebnisse seiner Entwurfsarbeiten zählen zu den schönsten mittelalterlichen Stadttoranlagen im norddeutschen Raum. Rundtürme waren außerdem besser dazu geeignet als eckige, etwaige Kanonenkugeln von ihrer eigentlichen Aufgabe und Bahn abzulenken. Beide Türme sind über dem Tor mit einem Wehrgang verbunden, von dem aus auch die Pechrinne und ihre Ausguss-Nase beschickt wurde. (Vergleiche mit dem Märlein von Frau Holle und den beiden Maries erscheinen zutreffend.) Darunter die Wappenschilde, die allerdings erst zum Ende des 19. Jahrhunderts bei der Torrestaurierung eingearbeitet wurden und seither das Tor schmücken. Woher diese Adler geflogen kamen verrät uns das übernächste Bild. – Dahinter der Turm der früheren Nikolaikirche. Nun aber wollen wir den Stadttorturm einmal umrunden.

In der Mauerstraße. Verweilen wir hier einen Moment. Der Rundturm verfügt über sechs Stockwerke, von denen fünf über eine Wendeltreppe erreichbar sind.
EG: Zu ebener Erde befindet sich das Verließ. Jeder der sich dort aufhält muss sich total verlassen vorkommen. Dieses dunkle Verließ hat eine Höhe von 6 m und ist ringsherum von 3 m dickem Mauerwerk umgeben. Der einzige „Zugang“ ist ein fest verschlossenes Rundloch von 0,8 m Durchmesser in der Raumdecke / im Fußboden der darüber liegenden Wachtstube. Die historische Literatur kann wohl kein Beispiel nennen, in dem einem Deliquenten etwa ein Entweichen aus dem sicheren Gewahrsam gelang.
1. OG: Im ersten Obergeschoss befindet sich eine Wachtstube, die sogar heizbar ist. Das ist die Höhe des Wehrgangs auf der Stadtmauer. Von zwei Seiten führen also Zugänge in den Turm.
2. OG: Der auskragende Fensterring mit den weißen Schmuckputzflächen kennzeichnet das zweite Obergeschoss. Es gibt Beobachtungsfenster für die Ausschau in alle Himmelsrichtungen.
3. und 4. OG: in diesen beiden Obergeschossen befinden sich wiederum Räume für die Späher, Wächter und Verteidiger.
5. OG: Von der oberen unüberdachten Plattform ließ sich die Umgebung besonders gut beobachten und der Feind auch beschießen. Katapulte, die Wurfmaschinerie, kamen dafür bei Bedarf zum Einsatz.

Lange Straße mit Nikolai-Zecherei und Neustädter Tor

Die Tortürme. Der „Ausgang“ auf halber Höhe des vorderen älteren Rechteckturms führte auf den Wehrgang der Stadtmauer. Im Hintergrund der Schrotturm (siehe Punkt 18).

Punkt 17
Die Reste des Dominikanerklosters, deren Bauzeit auf das Jahr 1438 zurück geht. Das Bauwerk hat schon bessere Zeiten seiner Beachtung und Pflege gesehen.
Allzu lange Zeit war es den Mönchen allerdings nicht gegönnt hier zu beten und zu arbeten, denn bereits nach der kurzen Zeit von 100 Jahren wurde das Kloster seiner Bestimmung enthoben, was auf das Wirken von Herrn Dr. Martin Luther zurückgeführt wird.
[j]

Dann nochmals ein Menschenalter nach der Kirchen-Reformation wurde im 30-jährigen Krieg die Klosterkirche von fremder Soldateska zerstört. – Selbst als Ruine lässt das Gebäude seine frühere architektonische Gediegenheit und Schönheit erahnen. Heute würde sich das Areal über eine Sanierung und neuer inhaltvoller Zweckbestimmung sehr freuen.

Das alte Ensemble in ganz junger Nachbarschaft

Punkt 18
Der Schrotturm hat nichts mit Alteisen zu tun, dazu fehlt ihm ein weiteres „t“. Der Turm, schreiben wir ihn also übersichtlicher >Schrot-Turm<, war ursprünglich ein nur etwa 23 m hoher Späh-Turm in der Stadtmauer, und in diese im 13. Jahrhundert zwecks Erhöhung der Wehrhaftigkeit fest eingebunden.
Und doch hat er später etwas mit Metall zu tun, speziell mit Blei, also mit Plumbum. 1825 siedelte sich eine Schrotgießerei in Tangermünde an, die hier ein dreiviertel Jahrhundert ihre todbringende Munition herstellte. Für das Herstellen von Schrotkugeln bedurfte es eines hohen Turmes. So wurde der Bestehende gekauft und auf 47 m erhöht, quasi aufgedoppelt. Oben im Turm wurde das bis zum Kochen erhitzte Blei durch den Boden der gelochten Bleiwanne gegossen. Während des Falls bildeten sich aus den flüssigen Bleifäden kugelähnliche Metalltropfen. Diese wurden unten in einer Wanne mit kaltem Wasser aufgefangen und abgeschreckt, so dass die Kugeltropfen sogleich erstarrten. Sodann wurden die Schrotkugeln, die sich in ungleichmäßiger Größe gebildet hatten, über Siebe verschiedener Lochgrößen geleitet. So sortierten sie sich dabei von selber in die darunter stehenden Kästen ein – für den späteren Einsatz gegen unterschiedliche Wildtierarten.
Beim menschlichen Genuss des Wildbretfleisches sollten aber die Bleikugeln aussortiert werden, da die Salzsäure des Magens das Blei angreift und dieses den Esslustigen vergiften würde. Es wird darum gebeten die Schrot-Kugeln zu sammeln und beim Jäger abzugeben.

Der Schrot-Turm und benachbarte Wohnbauten, deren Bewohner kein Hochwasser fürchten müssen.

Punkt 19
Wir sehen hier wieder ein Stück der Stadtmauer, mit deren Errichtung im Jahre 1300 begonnen wurde – ein Verteidigungs-Oval um das Stadtgebiet von etwa zwei Kilometern Länge, geschützt von vier Ecktürmen, zwei Treppenschutz-Türmen und drei Stadttorwachthäusern.
Achtung – Gegenverkehr auf schmaler Strecke! – das galt bereits im Mittelalter – oben auf dem Mauer-Wehrgang.

Zur Erinnerung: In diesen Nischen der Stadtmauer waren im Mittelalter Wiekhäuser eingearbeitet, die zur Beobachtung des Umfeldes vorgesehen waren und als Stützpunkt bei eventuellen Kampfeinsätzen dienten. (Nähere Beschreibung am Anfang des Spaziergangs, bei Punkt 3, an der Lindenstraße).
Die Unterlage für einen Neubau (oben links) lädt künftige Bewohner ein.

Wiek-Häuser in der Mauer mit aufmerksam beobachtenden Spähern? Ja, hier sehen wir sie. –

... doch wie soll man in Ruhe Nahrung für das leibliche Wohl zusammensuchen, wenn ständig Leute ihre Fahrzeuge in unserem Lebensraum abstellen und dabei auch noch Kunstwerke zerschrammen ...
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Kunstbetriebes, www.art-efx.eu
August-Bebel-Straße 26–52, Medienhaus, in 14482 Potsdam-Babelsberg, ausschließlich für diese Internetseite www.janecke.name

Zwischen Mauerstraße und Markt, gleich hinter der Sparkasse, befindet sich ein schönes sehr kleines Biotop – von kundigen Händen natürlich künstlich gestaltet.

Die Störche und wir sind die treuen Wächter dieses Teichs.
Quelle: Kunstbetrieb – siehe vorstehend.

Punkt 20 – Rathaus
Im Jahr 1368 war die Stadt dem Bündnis der Hanse beigetreten. Dieser frühe Festakt also konnte noch nicht im heutigen Rathaus begangen werden.
Das Rathaus, Lange Straße 61, gebaut 1430, trägt einen sehr aufwendig kunstvoll gearbeiteten, 24 m hohen und recht nutzlosen Ziergiebel spätgotischer Gestaltung. Immerhin versinnbildlicht er den Reichtum der Stadt und das Selbstbewusstsein ihrer Bewohner. Ein um 1480 angefügter Querbau enthält eine „Gerichtslaube“, wie man sie z. B. auch am Jüterboger Rathaus sieht oder am Berliner Roten Rathaus fand oder im Park Babelsberg, wo jenes Gebäude aber nur als ein Zierrat steht. – Oben also wird im Festsaal gefeiert, was den Ratsherren sehr gefällt und eine Treppe tiefer werden oftmals sehr martialische, grausame Gerichtsurteile über Leben und Tod der Angeklagten gefällt. In diesen „alten Zeiten“ war man mit Strafen und deren Bemessung nicht zimperlich. – Sommertage im 21. Jahrhundert vermitteln dem Touristen ein ganz anderes Bild – eher nur von Gotik, Romanik und sonniger Romantik.

Mein Hinweis:
Besteht für späteres Lesen und die Bildbetrachtung dazu Interesse, was es mit der Babelsberger Gerichtslaube auf sich hat, so führt uns dieser Link bequem dorthin. Es gibt es in jenem Beitrag noch weitaus mehr interessante Ausführungen.

Mit vielen Problemen hatten der Rat und die Bevölkerung zu kämpfen. Denken wir allein an

Das Rathaus mit der Gerichtslaube im Querbau (links)
Zum Vergleich die Gerichtslaube am Rathaus der Stadt Jüterbog im Fläming.

Im Rathaus finden wir außer der Verwaltung auch das Museum zur Stadtgeschichte. Jedem, dem es hier dauerhaft sehr gut gefällt, bietet das Standesamt gern seine Dienste an. Am Marktplatz liegt auch das Büro der Touristen-Information, deren Mitarbeiterinnen den Besuchern hilfreich zur Seite stehen.

Die Gerichtslaube in Tangermünde und unsere gute Grete. Oder: Grete Minde auf dem Weg zum Schaffott. Die eindrucksvolle Bronzeskulptur des Grafikers und Bildhauers Lutz Gaede ist uns eine tiefgreifende Ermahnung.
Grete Minde wurde beschuldigt am 13. September 1617 mehrere Feuer im Stadtgebiet gelegt zu haben, die sich zu einem Großflächenbrand ausweiteten. Dreiviertel der Anzahl der Häuser Tangermündes verbrannten. Das bedeutet, dass etwa 485 Gebäude eingeäschert wurden, was zu einer riesigen Notlage führte. –
Gretes Eltern waren zu zeitig gestorben. Die Mutter sehr früh. Vater, Jakob Minde, ein angesehener Bürger, Kaufmann und Ratsherr, starb als Grete 14 Jahre jung war. Sie hatte weder Fürsprecher noch Beschützer in ihrer Umgebung.

Liebe Leserinnen und Betrachter. Bitte glaubt dem zumeist guten Theodor Fontane nicht alles. Glaubt seinen Ausführungen über lieb' Grete kein Wort! Zwar hat es ihm gefallen in seiner Novelle ihr Leben einzuflechten aber es ist eben kein realistischer Lebenslauf der dort von ihm beschrieben wurde. Er nutzte er den Namen einer jungen Tangermünder Bürgerin und einige Daten aus diesem Zeitraum, doch andere Namen aus ihrer Umgebung, die Handlungsabläufe, Taten mit Schuldenlast und die Art von Gretes Lebensende sind in schriftstellerischer Freizügigkeit glatt erfunden und führen uns für ein Negativgedenken in die Irre.
Grete Minde war nach Lage der Dinge, wie sich diese aus den Akten ergeben, keine Brandstifterin. Nach amtlich-ergebnisloser Brandstiftersuche sah man in Grete, ihrem Ehemann sowie einem Bekannten wohlfeile potenzielle Schuldige und sperrte die drei in das Verlies des Hünerdorfer Torturms. Unter grausamer Folter erpressten die Henker sowohl falsche gegenseitige Anschuldigungen, als auch Geständnisse zu nicht begangenen Taten. So wurden auf dem Wege der „hochnotpeinlichen Befragung“ (Folterung) zu diesem Ziel, der Grete mit glühend erhitzen Zangen die Finger abgetrennt. Diese glühenden Werkzeuge fraßen sich auch in andere Körperteile. Jedes Mittel war der Justiz recht, um zum anvisierten Ziel zu kommen. Die „Geständnisse“, wie konnte es anders sein, führten für alle drei Beschuldigten am 22. März 1619 zu Todesurteilen, die sofort vollstreckt wurden. Die gefolterte und schwer verletzte Grete wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. – Grete war um 1593 geboren und wurde 1619 nach dem falschen Spruch städtischer Justiz grausam ermordet. Sie erreichte ein Lebensalter von etwa 26 Jahren.
Somit bestand für den Rat kein Grund mehr, der wahren Brandursache weiter nachzuforschen.
In jener Zeit ging man ohnehin grob mit angeschuldigten Menschen um. Zwischen 1558 und 1635 gab es hier eine Anzahl von Prozessen gegen Frauen, die man der Hexerei bezichtigte. Man wollte Hexerei sehen und erblickte diese dann auch recht deutlich. Zuverlässig nachgewiesen. Hexenprozesse, die mit dem gewaltsamen Ableben der zumeist unschuldigen Beschuldigten endeten.

Das Kaiserliche Postamt wirbt mit erstklassigen arabischen Gerichten.

Punkt 21
Marktstraße „Haus Buhn'kopp“. Dieses Gebäude der besonderen Gestaltungsart wurde in der Zeit nach dem Großen Stadtbrand von 1617 errichtet.

Die offizielle Aufklärungsnotiz zur Bezeichnung dieses Gebäudes.

Nach rechts führt uns die Marktstraße weiter zu den „Putinnen“ – aber nach links begehen wir die Lange Fischerstraße.

Hier sehen wir zum Vergleich „wie sich eine Buhne in den Elbstrom schiebt“. Deren Spitze also wird der Buhnenkopf genannt. In der Ferne sehen wird die Doppeltürme von Sankt Marien und Sankt Nikolaus der Kirche des Klosters in der Stadt Jerichow.

Punkt 22

Der Brunnen aus Kunstguss nahe bei der Kirche Sankt Stephan, zwischen Lange Straße und Kirchstraße.

Die Brunnenschale zeigt in Reliefdarstellungen bedeutende Persönlichkeiten aus der Stadt mit den dazugehörenden Geschichtsdaten. Ganz links: Kirche Sankt Stephan.

Punkt 23
Immer wieder künden Fachwerkbauten von gediegener Zimmermanns- und Maurerarbeit früherer Jahrhunderte. Die Überzahl der Wohnhäuser stammt aus der Zeit nach dem Großen Stadtbrand von 1617. Auch in den anschließenden schlimmen Zeiten bis zum Ende des 30-jährigen Krieges gab es weitere Zerstörungen. Schöne, aber inzwischen betagte Häuser finden wir überall in der Stadt, doch in der Kirchstraße besonders viele.

Im Haus Kirchstraße 62 – Eckhaus am Marktplatz – befand sich seit 1826 die „Keimzelle“ der späteren Tangermünder Zuckersiederei, der Fa. Meyer & Oderich. Heute scheint das Leben auf dem Grundstück etwas weniger süß aber erheblich leichter als damals. Trotzdem: „Zucker-Meyer“, der später auf einem größeren Grundstück produzierte, ist für alle älteren Tangermünder Einwohner auch heute noch ein fester Begriff.

Ein stattlicher Bau
Diese grundsolide Bauwerk strahlt schlichte Eleganz aus.
Ein Kleinod – im Jahre 1618 errichtet.
Von Wohlhabenheit kündet diese großzügig angelegte Haus von 1679, dessen Eingang mit reichem Schnitzwerk geschmückt ist.
Durchaus mehr als ein Schatzkästlein. Schon allein die Bauhülle des Gebäudes in der Kirchstraße 23 ist von hohem kulturhistorischem Wert. Errichtet ANNO DOMINI 1619.
Die sorgfältige Ausführung belegt hohes handwerkliches Können.
Harmonisch aneinandergereiht – eine gute Fügung.
Eine besondere Wirkung am Einzel-Standort.
Betont sachlich-schlichte Gestaltung in ruhiger Gediegenheit.
Das Haus verführerischer Aromen.
Die geschäftig pulsierende und verkehrbelastete Lange Straße

Punkt 24
Die Evangelische Stadtkirche Sankt Stephan, vom Standort des Hünerdorfer Torturms (links, angeschnitten) betrachtet. Stephanus als Namenspatron gehörte als Gelehrter der Jerusalemer christlichen Gemeinde an. Er war der Erste, der für seine Überzeugung, für die Nachfolge Jesu Christi sterben musste. Etwa ein Jahrzehnt nach der Kreuzigung des Jesus Christus wurde er ermordet. Stephan wurde grausam zu Tode gesteinigt und gilt als Märtyrer, wird als Heiliger geehrt. Der Zeitraum seines Todes gilt als der Beginn der gnadenlosen Verfolgung unschuldiger Christen. Der Tag des Gedenkens an ihn ist der 26. Dezember eines jeden Jahres. –
In der Zeit von 1184 bis 1188 als romanische Basilika errichtet, wurde der Bau über Jahrhunderte währende Zeiträume zur Kirche in gotischer Formengestalt geändert.
Des Gotteshauses Turmspitze ragt 87,5 m den Wolken entgegen und ist somit das höchste sakrale Bauwerk der Altmark. – Bei dem großen Stadtbrand vom September 1617 gab es gravierende Schäden am Baukörper. Selbst der Oberteil des Turms samt Glockenstuhl und Turmspitze stürzte in Trümmern herab. Es blieb die Kirche etwa ein Jahrhundert lang ohne erneuerten Turm.
Ein Großteil der hölzernen Ausstattung wie das Gestühl, die Kanzel, der Altar und brennbare Kunstgegenstände fielen den Flammen zum Opfer.
So sehen wir heute zumeist „neuere“ kulturhistorische Kostbarkeiten aber auch solche, deren Material dem Schadensfeuer Widerstand bieten konnte.

Das Eingangsportal der Kirche Sankt Stephan
Der Altarraum von St. Stephan
Unser Blick ruht auf dem Altar
Die hochkünstlerisch gearbeitete Kanzel
Der Aufstieg in den Kanzelkorb bleibt dem Verwahrer des Schlüssels für diese Tür vorbehalten.
Das ältere Taufbecken stammt aus der Fertigung im Jahre 1508.
Ohne die Innenschale wäre durchaus das ursprüngliche Tauchen denkbar.
Der Eindruck zum historischen Geläut „aus einer Zwischenperiode“

Unsere Aufmerksamkeit beim Blick durch das Kirchenschiff in Richtung Ausgang gebührt insbesondere der Orgel. Bereits 1624 fertigte Meister Scherer diese frühbarocke Orgel. Sie ist die größte Renaissance-Orgel auf unserem Erdball – ein äußerst wertvolles Instrument.

Ein Schrein aus dem Jahr des Herrn 1718 zur Erinnerung an den ehrenwertesten Herrn Leopold Johann v. Manstein

Ein Epitaph zum Gedenken an den achtbaren Bürgermeister Kuntz, † 1598

Der Edle Herr Paul Kroll starb im Jahre 1524. Ihm zum Gedenken wurde diese Grabtafel gefertigt.

Der Lebenskreis des wohlgelehrten Herrn Jakob Kroll schloss sich ANNO DOMINI 1594 im Alter von knapp 40 Jahren.

Zur ewigen Erinnerung: Die Lebenszeit des ehrbaren vornehmen Herrn Florian Alborn endete 1621.

Im Geiste des HErrn lebte und starb Frau Anna Gansauge geborene Zahns 1678 im begnadeten Alter von 61 Jahren.

Nun ein ziemlich modernes Denkmal: Im Jahr 1800 starb Vater Gottfried Bauer.

Einer der Ehrwürdigen. Der hölzernen Kunstwerke haben den großen Stadt- und Kirchenbrand 1617 nur wenige überstanden.

Eine Madonna.

Dieses Gemälde stiftete die Frau Anna Catharina geborene Klessen, die Witwe des Karsten, im Jahre 1607. Das war also ein Jahrzehnt vor dem Großen Stadtbrand. Das Gemälde hat dieses Ereignis augenscheinlich unbeschadet überstanden.
Soweit der Autor dieses Beitrages die Bilddarstellung richtig versteht:
Der Künstler versucht zwei Vorgänge in räumliche und zeitliche Übereinstimmung zu bringen, in einem Großbild zu vereinen – einerseits geht es um das Verhör und die Vorverurteilung des Jesus Christus vor dem Hohen Rat der Juden unter dem Vorsitz des Hohenpriesters Kaiphas. – Zum Anderen betrifft es die Anhörung, Abwägung und den Urteilsspruch vom Präfekten, des Römischen Statthalters Pontius Pilatus.
Die Anschuldigung und Anklage bezog sich auf

Maria, betend

Die Skulpturen tragen keine Schilder mit dem ihnen zugedachten Titel. Hier aber könnte es bedeuten:

Wir verlassen nach dieser Gedenkzeit die Märtyrer Jesus sowie Stephan und treten wieder in die sommersonnenfreundliche Stadt.

Punkt 25
Der Turm des ehemaligen Hünerdorfer Stadttores („Feldseite“) und dahinter die Kirche „Sankt-Stephan“.

Die unteren Etagen des Torturmes erheben sich auf einem quadratischen Grundriss, der um das Jahr 1300 errichtet wurde – darüber wurde der Turm, im Jahre 1460 beginnend, bis zur Höhe von 24 m achteckig ausgeführt. Man sieht den Turm heute ohne die Stadtmauer, denn die Stadt sollte sich in friedlicheren Zeiten ausdehnen können.
Früher war dieser Stadtzugang als Doppeltoranlage ausgebildet, dazwischen der Zwinger, um Reisende in Ruhe visitieren und die Zollhöhe für Fuhrwerksladungen bestimmen zu können. Selbstverständlich waren die Stadttore fest in die Schutz- und Accisemauer der Stadt eingebunden. Die Höhe des Wehrgangs auf der damaligen Mauer entspricht der noch sichtbaren Türöffnung im Turm.

Der Turm, hier die Ansicht der Stadtseite, habe weniger 'was mit Hühnern zu tun, als eher mit Eulen, wird gesagt. Einheimische nennen dieses Bauwerk gern den Eulenturm, weil Wissende in seiner Gestalt die frappierende Ähnlichkeit mit einem hockenden Greifvogel erkennen.
Dieser Turm enthielt im Untergeschoss das Frauengefängnis mit Folterkammer und Verließ. In diesem Turm gestand 1619 Grete Minde unter schrecklicher Folter, den Tangermünder Großbrand gelegt zu haben, mit dem sie nichts zu tun hatte – und auch Prozesse gegen „Hexen“ wurden hier „handwerklich vorbereitet“. In jenen Zeiten gingen die Menschen oftmals brutal miteinander um. Äußerst harte Gerichtsurteile wurden gefällt für Vergehen, die heute als Nichtigkeiten gelten, bestenfalls als Ordnungswidrigkeiten angesehen werden – so auch in der lieblichen Stadt Tangermünde, in der „alten Zeit“.

Unweit des Turmes finden wir unter der Adresse Lange Straße 34, das privat geführte Museum „Zeitzeug“ mit interessanten Exponaten aus verschiedenen Epochen. Schulzens Hof, Hotel mit Gastwirtschaft, Brauerei und dem Museum.

Dem Hören nach war das Hünerdorf ein Vorort von Tangermünde und die Bewohner sollen doch mit der Abgabe von Hühnern an die Küche der Burg belastet gewesen sein – bis das Dorf zu Tangermünde eingemeindet worden sei. Was vom Dorf blieb, sei die heutige Hü(h)nerdorfer Straße. Warum die Unterschiede in der Rechtschreibung bestehen? Das wissen die Spezialisten. Ich aber weiß: damals gab es noch keinen >Duden< zur Rechtschreibpflege. „Vorort von Tangermünde“ bedeutet auch: Mit dem Passieren des Torturms haben wir das ursprüngliche Altstadtgebiet verlassen.

Ein Blick durch die Hünerdorfer Straße nach Nordost.

Nur wenige Häuser rufen nach freundlichen Investoren und fleißig-kundigen Handwerksleuten. Ansonsten ergreift auch gern die Natur ihren Besitzanspruch an künstlich Gebautem.

Punkt 26
Die ehemalige „Elisabethkapelle“ ist das gleiche Baukunstwerk wie die spätere „Salzkirche“ am Sträßlein namens „Zollensteig“. Sie war bereits nach 1300 die Kapelle des Hospitals, das der Heiligen Elisabeth geweiht war. Nach der Zeit der Reformation wurde das Gebäude nur noch sehr eingeschränkt für kirchliche Zwecke genutzt.

Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert hinein nutzte man das Gebäude als Königliches Magazin für das wertvolle Speisesalz. Mit dem in Holzfässern gelagerten und auch so gehandelten Salz konnte man ein Gebiet, das etwa der Größe der Altmark entsprach, gut versorgen. Auch Getreidevorräte wurden in dem Gebäude gelagert. Ungefähr ab 1750 war das Haus dann ein Lager der Garnison Tangermünde, mit der Kleiderkammer und als Sammelort weiterer militärischer Ausrüstungen.

Wir haben das historische Gebäude zur Hälfte umrundet.

Heute ist das Gebäude der Kultur gewidmet. Es finden hierin kleinere Ausstellungen statt, Vorträge / Lesungen werden gehalten und Konzerte erfreuen zahlreiche Besucher.

Der Zollensteig – das war früher der Weg der Zollbediensteten hinunter zu ihrem Arbeitsort, zur Elbzollstelle. Am Ende des Zollensteigs befand sich seit 1136 diese fiskalische Einrichtung.

Auch an der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt es sich sehr gut – und völlig ohne Zollgebühren.

Wieder in der Hünerdorfer Straße, sehen wir den Turm der Dreifaltigkeitskirche.

Punkt 27
Das steinerne Andenken an den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn (* Lanz in der Prignitz 1778, † Freyburg an der Unstrut 1852. Er wurde 74 Jahre alt).

Noch deutlicher können wir hier die Gesichtszüge des F. L. Jahn erkennen, des „großen Vorreiters der kräftigenden Leibesübungen“ – auch besonders zur Wehrertüchtigung junger Männer für die Verteidigung der Heimat.

Punkt 28
Die Katholische Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit der Sankt-Elisabeth-Gemeinde ist in der Arneburger Straße 118 leicht zu finden, da die Hünerdorfer Straße in die Arneburger Straße einmündet.

Der Blick zum Altar. Das Gebäude wurde 1924 bis 1926 im Stil der Neoromanik errichtet, erfreut sich also gegenüber den bisher erwähnten Gebäuden einer relativ frischen Jugend und darf trotzdem derzeit bereits das 100-jährige Bestehen feiern.

Der Altarraum mit der Apsis
Die künstlerische Gestaltung – uns nahe vor Augen gerückt.
Der Blick zur Orgel sowie zum Ein- und Ausgang.

Mit diesen Eindrücken endet unser heutiger Spaziergang. Gewiss soll man sich für einen Besuch der berühmten Stadt ausreichend Zeit nehmen – gibt es doch mehr zu entdecken, als das Touristenfaltblatt an Hauptattraktionen nennt oder als ich in diesem Beitrag erwähnte. Schönheiten am Wegesrand sehen, auch zwischendurch gastronomische Angebote in Ruhe genießen, Kräfte sammeln, Urlaub für Leib und Seele gestalten und durchleben.