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Zur Ahnenliste "Sommer" gehörend:


Karl Johann Friedrich (Fritz) Sommer

* 13. November 1831 bis † 28. Juni 1909

Schuhmacher-Meister

Lebensorte: Potsdam u. Nowawes-Neuendorf = Babelsberg, Reppen (Neumark)

und seine Ehefrau

Maria Elisabeth Weltzer

* 29. März 1838 bis † 10. Februar 1906


Lebenslauf als Beitrag zur Familienforschung und Heimatgeschichte


Zusammengestellt von Chris Janecke, November 2017 E-Mail: christoph@janecke.name

Zum Text gibt es einige Bilder – bitte hier klicken.


Bei den oben Genannten handelt es sich um Urgroßeltern des Autors.

Zu dem hier vorliegenden Text liegen verschiedene Bilder, Fotos und Dokumente beim Autor.

Wenn du Interesse hast, mehr darüber zu lesen, was sich in dieser Zeit im Leben der Menschen abspielte, so sieh’ bitte auch in die Dokumentationen „Zeitgeschichte“ und „Zeitgenossen“.





Geht uns der Gegenstand zu einer Erinnerung verloren,

kann sich auch bald die Erinnerung verlieren.

Holen wir den Gegenstand zurück, damit wir

die Erinnerung noch lange wach halten können.“





Schmalspurwegweiser von den Hauptpersonen (Probanden) dieser Niederschrift, zu den heute lebenden Personen dieses Familienzweigs:


Im Zeitraum 1800 bis 1896: Friedrich Sommer oo Caroline Keilbach

Zu deren Kindern gehörten:

im Zeitraum 1831 bis 1909: Karl Johann Friedrich Sommer oo Marie Elisabeth Weltzer

Zu deren Kindern gehörte u.a.:

im Zeitraum 1875 bis 1949: Rudolf Max Sommer oo Anna Margarethe Runge

zu deren Kindern zählte die Tochter:

im Zeitraum 1900 bis 2003: Anne-Marie Sommer oo Alfred Richard Janecke

zu deren Kindern gehört u.a.

im Zeitraum 1945 bis ...: Der Autor dieser Niederschrift - Chris Janecke, Großenkel


Vorworte

Zu den in Potsdam gebürtigen Einwohnern zählen wir den Schuhmachermeister Karl Johann Friedrich, Sommer, Junior, (genannt Fritz), geboren 1831 und Marie Elisabeth Weltzer, die 1838, als Tochter des Maurerpoliers Carl Weltzer, das Licht der Welt erblickte. Im Jahre 1859 heiraten diese beiden jungen Menschen. Wie so oft, schreiten sie auch heute wieder durch einen Abend des Frühsommers 1860 durch Straßen von Potsdam: Friedrich, der kräftige, achtundzwanzigjährige Schuhmachermeister und seine um sieben Jahre jüngere, zarte Frau Marie. Beide genießen es, am Abend den alltäglichen Arbeitsgeruch von Leim, Leder und Staub hinter sich zu lassen, draußen die frische Luft zu atmen und den sonst über die Arbeit gebeugten Rücken endlich zu strecken, während zu Hause die Stube zur Nachtruhe durchlüftet. Marie liebt genauso wie Fritz diese Jahreszeit. Für ihn ist es gut, daß die Abende lange hell bleiben. Das schont die Augen. Die Petroleumfunzel unter der Schusterkugel braucht erst später angezündet werden.

Aber halt! Soweit sind wir ja noch gar nicht. Fangen wir also von vorne mit der Lebenstabelle an.



Gen. 06 / Ahn 40


Gen. 06 / Ahn 41

Die Großeltern

Gen. 06 / Ahn 42

Gen. 06 / Ahn 43

Sommer


Keilbach

Name


Weltzer


Michel


Johann Friedrich (der Jüngere)

Caroline Wilhelmine Charlotte


Vornamen

Carl Wilhelm Georg

Christine Friederike

Buckow, 30. Dez. 1800

Potsdam,

24. Febr. 1809

Geburt / Taufe

(mehrere „undeut- liche“ Angaben) Musten /Muska / Tuchorske,

am 25. März 1813


Potsdam,

01. August 1818

Schuhmacher- Meister

Hausfrau und Mutter von elf Kindern

Beruf / Stand

Maurerpolier


Hausfrau und Mutter von sieben Kindern

Potsdam, Montag, 19. Juli 1830, als „Luisenbrautpaar“ in der Zivilgemeinde der Hof- und Garnisonkirche, Breite Straße


Eheschließung

Potsdam, 1836 oder 1837

Nowawes,

17. Dez. 1882

Nowawes,

10. Sept. 1896


Tod / gestorben

Nowawes,

27. Juli 1889

Potsdam,

06. Oktober 1857




Das Ehepaar = Die Eltern = Die Probanden (Generation 5)

Friedrich Sommer oo Maria Weltzer



Vater: Generation 05/Ahn 20.1


Mutter Generation 05/Ahn 21.1

Die Bedeutung dieser

Familien-Namen:

Gefühlsverbindung zu Sonne, Wärme Reife, Ernte. Namensträger eventuell im Hochsommer geboren. Ein Übername mit der Begriffswahl für diese Jahreszeit.

1. des althochdeutschen walt…, wie Walther (Macht) oder 2. zum mittelhochdeutschen Wels (für einen Fischer) oder 3. von walt / welt in der Bedeutung von Waldmann oder vom slawischen RN: 4. „Welcke“ oder 5. Herkunfts-Name bezogen auf den Ortsnamen Welz.


Name:



Sommer



Weltzer



Vornamen:

Karl Johann Friedrich

genannt: Fritz


(1. Kind von 11 Geschwistern)


Maria Elisabeth (genannt Marie)


(1. Kind von 7 Geschwistern und

7 Halbgeschwistern in der Familie)


Geburt:



Potsdam, So., 13. Nov. 1831,

früh 9 Uhr


Potsdam, 29. März 1838,

früh 11 Uhr




Taufe:


am 25. Nov. 1831, Superint. Ebert, Quelle: Potsdam, KB Nikolaikirche 1831, S. 225, Nr. 194. Taufpaten:

1. Herr Großkopf,

2. Herr Schulze, 3. Herr Schirmer,

4. Frau Schröder, 5. Frau Kästen,

6. Jungfrau Winter.


Ein späterer Nachtrag in diesem Taufregister: "Gestorben am 28. Juni 1909 in Reppen/Neumark".



Potsdam, am 15. April 1838.

Quelle: KB Nikolaikirche 1838, Seite 357, Nr. 102. Die Taufpaten sind:

1. Herr Winkelmann,

2. Herr Hase,

3. Herr Melzer,

4. Jungfrau Michel,

5. Jungfrau Stakebrand,

6. Jungfrau Bischof


Beruf:


Schuhmacher-Meister


Hausfrau und Mutter



Wohnanschriften bei den Eltern und vor der Ehe:


1835: Potsdam, Kreuzstraße 11

1837: Pdm., Mittelstraße -

1838: Pdm., Alte Königstraße

1839: Pdm., Kreuzstraße (11)

1842: Pdm., Blücherplatz 7

1849: Pdm., Kirchstraße 3

1850: Nowawes, Priesterstraße 69

1856: Potsdam, Grünstraße 9

1857: Pdm., Französische Straße 21











Trauung / Eheschließung:



(KB-Verlust), aber sehr wahrscheinlich in Potsdam am 02. Juli 1859.


Wohnanschriften, gemeinsame:


ab 02. Juli 1859: Potsdam: Elisabethstraße 25 (=> Tuchmacherstraße 25 => Charlottenstraße 66)

ab 02. April 1863: Potsdam, Kirchstraße 3 (Hausbesitzer ist der

Schuhmachermeister A. Teske).

ab 03. Oktober 1864: Potsdam: Alter Markt 3 (Eigentümer: Albert

Schatzmann. Sein Bruder Carl Schatzmann besitzt das

Nachbarhaus, Alter Markt 2 – Später jedoch: Photograph

Carl Schatzmann, Alter Markt 3).

ab 01. April 1871: Potsdam, Schwertfegerstraße 8

ab 03. April 1877: Potsdam, Bäckerstraße 3

ab 01. Okt. 1878: Nowawes, Lindenstraße 7

ab 02. April 1883: Nowawes, Lindenstraße 57

ab 03. April 1888: Nowawes, Lindenstraße 44

------ Nowawes, Priesterstraße 20

1892– 25. 06.1895: Nowawes, Priesterstraße 9

ab 25. Juni 1895: Nowawes, Kirchplatz 13

ab 1906 bis vor 1909: Nowawes, Mittelstraße 9 (ab 1933: Wichgrafstraße)



Tod / Gestorben:


Nachträgliche Notiz zu seinem Taufeintrag:

in Reppen (Neumark, Kreis Weststernberg), am 28. Juni 1909,

(heute Rzepin), ca. 22 km östlich von Frankfurt (Oder). Die Anschrift ist unbekannt. Vielleicht bei „Sommer“ wohnend? (In Reppen lebte zeitweilig sein Onkel Carl Sommer, Bruder des Vaters, dort verheiratet mit Henriette Keyling und dem Sohn dieses Paares, dessen Name uns unbekannt ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist zu Reppen kein altes Kirchenbuch mehr vorhanden).



Nowawes, Mittelstraße 9,

10. Febr. 1906, ½ 4 Uhr vormittags, Darmleiden, 67 Jahre/10 Monate/13 Tage, hinterlässt den Mann und 3 (?) * großjährige Kinder. Begraben am 13. Febr. 1906, Neuer Friedhof an der Goethestraße. Quelle: Sterbereg. Standesamt Nowawes 24 / 1906,

KB der Friedrichskirche, Nr. 8 / 1906.


*Anmerkung von Chris. J.: Tatsächlich hinterließ sie 4 Kinder! (Siehe Folgeliste)



Die Kinder (Generation 04) von

Karl Johann Friedrich Sommer oo Marie Elisabeth Weltzer


Anmerkung: Der Name des letzten Kindes, das die Ahnenfolge in gerader Linie zu den jüngsten Probanden der Familie Janecke weiterführt, ist fett gedruckt.


Die Taufbücher mit den Einträgen aller dieser Kinder verbrannten am 14./15. April 1945 am Ende des Zweiten Weltkrieges. Daher können die Taufdaten und auch die Paten nicht genannt werden.


Nr.

Familienname: Sommer


Lebensdaten der Kinder


1


04 / 10.1

Karl Johann Friedrich Max (der Jüngste)



Geboren in Potsdam, Tuchmacherstraße 25, am 30. Juni 1860.

Dort auch gestorben am 01. April 1862.


Anmerkung von Chris J.: Die Tuchmacherstraße, spätere Elisabethstraße ist später in der heutigen (1991) Charlottenstraße aufgegangen). Die frühere Elisabethstraße 25 ist nun die Charlottenstraße 66.


2


04 / 10.2

Luise Klara Hedwig


oo 21. Okt. 1899


Hermann Knoll




Geboren in Potsdam, Kirchstraße 3, am 08. Juli 1863.

Wir wissen, dass sie später den Weber und Handelsmann Hermann Knoll in Nowawes heiratet und fortan zeitlebens in der Nowaweser Mittelstraße 19, (der späteren Wichgrafstraße 19) wohnt.


3


04 / 10.3

Carl Ernst Paul


oo 25. April 1891


Emma Krüger



Geboren in Potsdam, Alter Markt 3, am 26. Januar 1866.

Paul heiratet am 25. April 1891 (Bürgerliche Eheschließung und kirchliche Trauung) die Jungfrau Luise Emma Krüger, 23 Jahre alt. Sie ist die Tochter des verstorbenen Webermeisters Wilhelm Krüger, Nowawes. Der Traupfarrer ist Herr Harnisch.

Quelle KB Friedrichskirche 24 / 1891.


4


04 / 10.4

Marie Auguste Elisabeth


oo 05. Okt. 1906


Theodor Steiner



Geboren in Potsdam, Alter Markt 3, am 28. Dez 1868.


Später als junge Erwachsene, wird sie den liebevollen, vom Gemüte her zart veranlagten, etwas schüchternen Weber Theodor Steiner heiraten. Ihre Ehe bleibt kinderlos.



5


04 / 10. -

Ein tot geborenes Mädchen



Geboren in Potsdam, Alter Markt 3, am 31. Dezember 1869. Eine Tochter kommt tot auf die Welt. Sie bleibt ungetauft. Es wird deshalb für sie kein Name in das Kirchenbuch eingetragen.


6


04 / 10.5

Klara Anna Marie


Geboren in Potsdam, Alter Markt 3, am 30. Dezember 1870. Aber auch ihr ist kein längeres Leben auf dieser Erde beschieden. Mit

1½ Jahren stirbt sie in der Schwertfegerstraße 8, am 12. Juli 1872.



7


04 / 10.6

Rudolf Max


oo 29. Juli 1905


Anna Margarethe Runge


Geboren in Potsdam, Schwertfegerstraße 8, am 21. September 1875.

Max wird das letzte Kind der Familie sein. Seine Eltern haben zu jener Zeit 37 Jahre und 43 Jahre ihres Lebens vollendet.


Max lernt später Schlosser und Elektromonteur und bildet sich weiter zum Elektrotechniker.

Max heiratet in Neuendorf bei Potsdam, am 29. Juli 1905 die Anna Margarete Runge, wohnt in der Nowaweser Priesterstraße 68 und eröffnet dort auch ein Geschäft. Er stirbt in Babelsberg im November 1945, seine Ehefrau Margarethe 1949.




Abschrift des

Auszuges aus dem Königlich-Polizeilichen Melderegister der Residenzstadt Potsdam, Tuchmacherstraße 25

Quelle: Stadtarchiv Potsdam, MR 32 / 5, Film 94 / 1083, Blatt 133



Tag des Anzu-ges

Vor- und Zunamen,

Stand

oder Gewerbe


Tag der Geburt

Geburts-ort und Provinz

Con-fession

frühere Wohnung

Tag des Abzuges

(Todes)

Anzeige der neuen Wohnung

















2. 7. 1859

Schuhmacher-meister Sommer, Karl Johann Friedrich

13. 11. 1831

Potsdam

ev.

Französi-sche Straße 21

2. 4. 1863

Kirch-straße 3


geb. Weltzer, Marie Elisabeth 19. 3 1838

29. 3. 1838





Karl Johann Friedrich Max

30. 6. 1860




1. 4. 1862

verstor-ben

(Anmerkung: Weitere Kinder werden später folgen)





































Ihr Lieben,

nun habt ihr schon in groben Zügen gelesen, wann wir geheiratet haben, wo wir wohnten, welche Freude, welches Leid wir mit den Kindern, dem Erhalt unserer Familie hatten. Ihr wisst bereits, welche Schwiegerkinder hinzukamen und wo jene dann mit ihren Familien lebten. So bleibt mir gar nicht soviel nachzutragen. Einige Anmerkungen noch, vielleicht etwas aus meinem Berufsstand und zu einigen Ereignissen der Zeit:


1826

In diesem Jahre hatte Potsdam 30.000 Einwohner. (Im Jahr 2014 werden es etwa 150.000 Menschen sein).


1831

In der Zeit vor meiner Geburt waren die Eltern in großer Sorge. In Potsdam und Umgebung grassiert vom Herbste an die Cholera und rafft viele junge und alte Menschen hinfort. Vom 27. September bis zum 07. November sind alle Zu- und Ausgänge der Stadt gesperrt und vom Militär bewacht. Ebenso die Schlösser und das Militärwaisenhaus. Ein Großteil des Potsdamer Hofes wurde nach Charlottenburg, auf halben Wege nach Berlin gelegen, kutschiert, obwohl es dort nicht besser ist. Sowohl in Stolpe (also noch vor Charlottenburg), als auch in Berlin, hat sich die Epidemie eingerichtet. Die Prinzessinnen und Prinzen aber werden in das Potsdamer Neue Palais eingesperrt. Die Schlösser sind mit Bretterzäunen umgeben, die die Krankheit aufhalten sollen. Alle Postsachen dürfen nur nach gehöriger Erhitzung an das Schloss geliefert werden, Lebensmittel nach besonders gründlichen Waschungen oder dem Erhitzen. Auch mit Sitzungen auf dem Stuhle über heißen Chlor- oder Essigdampfbädern, versucht man den Erregern dieser Schreckenskrankheit beizukommen. Also sind meine Eltern natürlich nicht allein in Sorge. Im Neuen Palais wurde kurz vor mir, am 18. October, der Prinz Friedrich (mein Vornamens-Vetter) geboren (der dann im Jahre 1888 für 99 Tage Deutscher Kaiser und König von Preußen sein wird). Einen Tag nach meiner Geburt stirbt bekanntlich der berühmte Philosoph Hegel an der Cholera, auch der Preußische Heerführer Graf Neidhardt v. Gneisenau wird von der Cholera hinweggerafft, wie viele andere ebenso.

Für Arme gibt der Türksche Wohltätigkeitsverein kräftigende Mahlzeiten aus. Meine Eltern erzählen, dass sie selber alles ordentlich hielten und peinlich sauber schrubbten, was bei der Arbeit meines Vaters an so vielen fremden Schuhen, die so manches herschleppen könnten, gar nicht so einfach ist. Selbstredend wollten sie auf keinen Fall erkranken und mich vielleicht alleine auf der Welt lassen. Mein Vater und seine Geschwister mussten ja als Waisenkinder aufwachsen, weil beide Eltern früh starben. Das steht als große Mahnung vor ihnen, sagen sie. Ja, so liegen die Verhältnisse zu der Zeit meiner Geburt.

In diesem '31-er Jahr, leben in Potsdams Mauern nurmehr 23.758 Seelen.


Nun möchte ich euch gerne meine allesamt jüngeren Geschwister vorstellen. Wenn ich kurz erwähne welche Berufe sie wählen und wen sie heiraten werden, sind das natürlich zeitliche Vorgriffe, weil diese ja jetzt noch nicht stattgefunden haben.:


Das zweite Kind, das also auf mich folgt, ist Karoline Marie Bertha Sommer, * 08. Oktober 1833.

25jährig heiratet sie den verwitweten Maurerpolier Carl Wilhelm Weltzer mit seinen sieben Kindern (der auf den Monat genau ¼ Jahrhundert früher als sie geboren war, nämlich noch im Jahr des Befreiungskrieges 1813). Marie selbst, wird im Laufe ihrer Ehezeit acht Kindern von ihm das Leben schenken. Ein volles Haus. Eine starke Belastung für eine junge Frau. Ihre älteste Stieftochter (aus der Verbindung: Vater Carl Weltzer und seiner ersten bereits verstorbenen Frau Christine Friederike, geb. Michel) ist bereits 19 Jahre alt: Marie Elisabeth Weltzer. Dieselbe heiratete kürzlich mich! Stiefmutter Marie Weltzer geb. Sommer und ihre um nur viereinhalb Jahre jüngere Stieftochter Marie Weltzer, verehelichte Sommer, werden also Schwägerinnen. Eine nicht so häufige Familienglieder-Konstellation.


Das dritte Kind, Gottfried Franz Simon Sommer, starb bereits als Säugling.

Das vierte Kind ist Wilhelm Franz Gustav Sommer, * 02. Februar 1837.

Er wird später wie der Vater und der große Bruder, den Beruf eines Schuhmachers ergreifen. Franz wird die junge Witwe Auguste Friemann, geborene Schwaiger, mit ihren drei Kindern aus deren erster Ehe heiraten und noch einmal drei eigene Sommer-Kinder haben. Nacheinander, in verschiedenen Häusern der Kriewitzstraße, nehmen sie ihre Wohnungen. Auguste wirkt als Hebamme in Potsdam.

Das fünfte Kind, Emil Joseph Sommer, * 30. August 1839.

Emil wird später ein Zigarrenmacher und ehelicht Auguste Lier. Sie wohnen ab Oktober 1864 in Potsdam, in der Kiezstraße 27; ab April 1866 in der Brandenburger Straße 20, ab 1869 in der Junkerstraße 63, ab 1873 in der Burgstraße 2 und ab Oktober 1873 in der Kriewitzstraße 1.


Das sechste Kind, Albert Rudolph Julius Sommer,* 12. Januar 1842.

Auch er wird ein Schuhmacher-Meister. Er wird mit seiner Frau Luise Kunkel vier Kinder haben und zuerst in Potsdam, Nauener Communikation 31, dann in der Mittelstraße 27, in der Nowaweser Wilhelmstraße 43 wohnen und später in die Wilhelmstraße 24 ziehen.

74 Jahre alt wird er werden.


Das siebente Geschwisterkind, Auguste Anna Wilhelmine Sommer,* 10. Dezember 1843. Anna heiratet Anfang des Jahres 1870 den Schlosser Albert Surau in Potsdam und wohnt dann mit ihm vorerst in der Kiezstraße 27.


Das achte Kind, Paul Carl Wilhelm Sommer, * 19. Juli 1846, erlernt den Beruf, wie sollte es anders sein, des Schuhmacherhandwerks.

Paul heiratet später Bertha Luise Auguste Thron, genannt aber Pauline, die Tochter des Potsdamer Schuhmachermeisters aus der Hoditzstraße 19. Beide wohnen 1876 in der Kriewitzstraße 3, dann in der Nauener Communikation 24, Burgstr. 49, 1876 in der Berliner Straße 18 und ab 1883 am Blücherplatz 7, anschließend in der Junkerstraße 2.


Das neunte Kind heißt Martha Adelheid Sommer, * am 20. Juni 1848.

Martha geht 1871 mit dem Gürtler, Emil Schultz, das Bündnis der Ehe ein. Das Holländerhaus in der Mittelstraße 12 wird zu ihrem ersten Domizil.


Als zehntes Kind ist Bertha Charlotte Wilhelmine Sommer, * 12. September 1850, zu nennen.

Sie wird später mit dem Schneider-Meister / Hausverwalter Rudolph Wilhelm Karl Mahnkopf den gemeinsamen Lebensweg beschreiten und zu dieser Zeit, ab 1871, in der Burgstraße 45 wohnen, später „Am Schloss“ 5–6, das ist die spätere Humboldtstraße 5–­6, der „Palast Barberini“.


Das elfte und letzte Kind, Carl August Sommer lebte nur 10 Tage auf dieser Erde. Geboren am 21. März 1853, gestorben am 31. März 1853.


Das also sind meine jüngeren Geschwister. Fast alle leben sie später mit ihren eigenen Familien im Wesentlichen im Potsdamer Zentrum: In den Straßenzügen zwischen der Nikolaikirche und der Heiligengeistkirche, zwischen Altem Markt und Neuem Markt aber auch im Holländerviertel oder ebenfalls verschiedentlich sogar in dem kleineren Nachbarort Nowawes.


1838

Im Spätsommer wird die erste Preußische Eisenbahnlinie zwischen Potsdam und Zehlendorf eröffnet, im Oktober dann der bis nach Berlin (Potsdamer Bahnhof) weiterführende Streckenabschnitt. Ein Riesenereignis! Ein Volksfest mit vielem Trubel.


1840

Die Stadt Potsdam ist auf 26.936 Einwohner angewachsen.


1842

Die Eltern ziehen mit uns zum Blücherplatz 7. Früher war es der Platz des Ziegenmarktes, heute eine Gegend, in der viele vornehme Leute wohnen. Das Haus gehört dem Kaufmann C. W. Bullrich. Als Mieter leben hier: Medizinalrath Dr. F. L. Augustin, der Kolporteur G. Hoffmeister, der Schuhmacher-Meister J. F. Sommer (also unser Vater mit uns) und die Frau von Stülpnagel, geb. v. Ramin. Nebenan in der No. 6 lebt z. B. der bekannte Graf v. Bassewitz und in der Nr. 8 unser Bäcker Köppen, der Regierungsrath Bertram und die Familie des Offiziers v. Tresckow.


1844

Ich werde konfirmiert und die Zeit der Volksschule ist für mich beendet. Ich nehme eine Lehre im Schuhmacherhandwerk auf, trete also in des Vaters Fußstapfen.


1849

Die Eltern ziehen mit uns zur Kirchstraße 3, gleich hinter der Nikolaikirche gelegen. Meine Lehrzeit ist natürlich inzwischen erfolgreich beendet.


1850

Der Potsdamer Magistrat fühlt sich genöthigt, am 26. März 1850 eine

„Ordnung zur Leichenfolge bei Beerdigungen der Schuhmachergesellen in Potsdam“

zu erlassen, in denen in 13 Paragraphen genaue Vorschriften für das Benehmen aufgestellt werden. Natürlicher Weise fehlt auch eine Strafandrohung für Zuwiderhandlungen nicht.


In diesem Jahr laufen die Probefahrten der Potsdam – Magdeburger Eisenbahn mit völlig neuen Zug-Maschinen und Wagen.


Die Eltern ziehen mit uns Geschwistern in das Kolonistenhaus, Priesterstraße 69 im nahegelegenen Nowawes, mit dem Blick auf die Turmspitze der Friedrichskirche.


1855

Am 19. Juli, dem Sterbetag der Königin Luise (im Jahre 1810) begehen meine Eltern ihre Silberhochzeit.

In der Stadt Potsdam werden in diesem Jahr 31.939 Einwohner gezählt.


1856

Wir ziehen in die Potsdamer Grünstraße 9. Von unserem Fenster der Straßenfront können wir in die Yorckstraße sehen und auch ein bisschen in die Kriewitzgasse, und nach links, zum Canal und über die Grüne Brücke hinweg. Das Haus steht nur ein Stückchen von unserer früheren Wohnung, Kirchstraße 3, entfernt. Aber schon ...


1857

... zieht unsere Familie in die Französische Straße 21, zwischen Canal und der Französischen Kirche gelegen. Ich aber löse mich von dem Haushalt der Eltern und beziehe eine eigene Wohnung in der Tuchmacherstraße 25.


1859

Meine Eltern wechseln mit den jüngeren Geschwistern in die Kriewitzstraße 3. Hier lerne ich auch die Familie des Hausbesitzers, des Maurerpoliers Weltzer kennen. Vor eineinhalb Jahren, am 06. Oktober 1857, starb seine Frau, Christine Friederike (eine geborene Michel), im Alter von nur 39 Jahren. Jetzt sind bei dem Vater sieben Halbwaisen-Kinder in der Wohnung. Der Vater, Carl Wilhelm Weltzer, muß als Maurerpolier den Lebensunterhalt auf den Baustellen verdienen und kann sich nur zu wenig um die Kinderschar kümmern. In diesem Jahr nun tritt meine 25-jährige Schwester Karoline Marie Bertha Sommer nach der Heirat mit Carl Wilhelm Weltzer (am 27. März 59) die Mutterstelle bei dessen sieben Kindern an, nur gerade 4½ Jahre älter als ihre älteste Stieftochter Marie Elisabeth.

Meinen Wanderpass benötige ich nun nicht mehr. Er diente mir bei der Vorbereitung und Zulassung zur Meisterprüfung. Heute ist er mir mehr ein liebes Andenken.

Ich heirate die vorgenannte Marie Elisabeth Weltzer, die älteste der bereits erwähnten Kinderschar der Familie des Maurerpoliers Weltzer. Sie ist zwanzig Jahre alt. Die jüngste Schwester meiner lieben Frau ist gerade drei Jahre alt.

Der Karl Wilhelm Weltzer ist damit, sowohl mein Schwiegervater, weil ich seine älteste Tochter ehelichte aber auch gleichzeitig mein Schwager, weil er meine jüngere Schwester heiratete. Meine Frau und meine Schwester haben sowohl das Verhältnis von Stieftochter zu Stiefmutter – aber sie sind auch Schwägerinnen.


Hier nenne ich euch kurz die jüngeren Geschwister meiner jungen Ehefrau. Es sind:

- Friederike Christine Weltzer, * 27. November 1839. Sie erhielt die Vornamen ihrer Mutter. Sie hat auf dem Gut „Beerbaum“ bei Biesenthal gearbeitet. (Anm.: Siehe auch Helene Runge, geb. Beerbaum aus Biesdorf). Anschließend, im Jahre 1868, wird sie vom 3. Juli an bei uns, Am Alten Markt 3 wohnen, um dann am 17. November 68, allein und unbemannt, nach Russland auszuwandern. Seither erreichte uns keine Nachricht mehr von ihr oder über sie.

- Carl Wilhelm Weltzer, * am 19. September 1841. Er wird ein Seidenwirkermeister.

- Clara Ida Emma Weltzer, * 27. April 1845. Sie arbeitet ab Juli 1860 beim Maurer (Peter?) Wieprecht, Bruder des Victualienhändlers, Kriewitzstraße 5, als Dienstmädchen, kehrt dann im Oktober aber zu den Eltern, Kriewitzstraße 3, zurück.

- Emma Weltzer, * 19. August 1847. Ab Juli 1866 arbeitet sie als Hilfe bei Dr. med. Unger, Am Canal 49 und wohnt ab Juli 1867 Am Schloß bei Familie Dinge.

- Dann gibt es noch die neunjährige Eleonore, am 7. Oktober 1850 geboren und die kleine

- Amalie, die am 19. August 1854 zur Welt kam.


Am 01. August 1857 dann das schreckliche Ereignis, dass die Mutter aller dieser Kinder, Christine Friederike Weltzer, geb. Michel, mit nur 39 Jahren starb.


1860

Am 30. Juni 60 wird unser erstes Kind, unser Stammhalter, Karl Johann Friedrich (der Jüngste) Sommer, in der Potsdamer Tuchmacherstraße 25 geboren. Er ist unser ganzer Stolz!

Zum Ausklang des Jahres 1860 feiern wir meines Vaters Friedrich Sommer 60-sten Geburtstag


1862

Am 01. April 62 stirbt unser erster Sohn Karl Johann Friedrich.


1863

Am 25. März 1863 begeht der Vater meiner Frau Elisabeth, Carl Wilhelm Weltzer, der sowohl mein Schwiegervater, als auch mein Schwager ist, seinen 50. Geburtstag.

Am 02. April ziehen wir von der Tuchmacherstraße 25 in das Haus Kirchstraße 3, unmittelbar am Markt, wo ich früher schon mal mit den Eltern gelebt hatte.

Den 08. Juli bringt uns Elisabeth eine Tochter zur Welt. Wir wollen sie Marie Elisabeth Hedwig nennen.


1864

Am 03. Oktober wechseln wir die Wohnung und ziehen von der Kirchstraße 3 nach nebenan, zum Alten Markt 3.


Auszug aus dem Königlich - Polizeilichen Melderegister der Residenzstadt Potsdam

Potsdam, Am Alten Markt No. 3

Quelle: Stadtarchiv Potsdam, MR 20 / 5, Film 64 1047, Blatt 27



Tag des Anzu-ges

Vor- und Zunamen,

Stand

oder Gewerbe


Tag der Geburt

Geburtsort und Provinz

Con-fession

frühere Wohnung

Tag des Abzu-ges /

Todes

Anzeige der neuen Wohnung

3. 10. 1864

Schuhmacher-meister

Sommer, Friedrich

13. 11. 1831

Potsdam

Evang.

Kirch-Straße 3

1. 4. 1871

Schwertfeger-

straße No. 8

Ehefrau, geb. Weltzer, Marie

29. 3. 1838


Kinder:







Hedwig

08. 7. 1863

26. 1.

1866

Paul Carl Ernst

26. 1. 1866

hier geboren

28. 12. 1868

Marie Auguste Elisabeth

28. 12. 1868


hier geboren

03. 7. 1868

unverehelichte Weltzer, Friederike

27. 11. 1839

Kriewitzstr. 3, v. 5.1.60 bis 2.7.68 auf Gut Beerbaum bei Biesenthal

17.11.1868

nach Rußland

31. 12. 1869

Sommer, Tochter

31. 12 1869

geboren

31. 12. 1869

todtgeboren

30. 12. 1870

Maria Anna

30. 12. 1870

hier geboren

01.4. 1871

Schwertfeger-straße No. 8



1866

Am 26. Januar wird unser Sohn Karl Ernst Paul Paul geboren. (Die Wahl des Rufnamens zu Ehren seines schon vorher erwähnten Oheims und auch Tauf-Paten Paul Sommer, der Potsdamer Schuhe fertigt, repariert und meistert). Unser Säugling Paul, wird viel später ebenfalls ein tüchtiger Schuhmacher-Meister in Nowawes werden. Er wird die Emma Krüger heiraten. Im Erwachsenenalter erhält er die freundlich-scherzhafte Zusatzbezeichnung „Tanzmeister", denn nachdem das Grammophon aufkommt, wird er sonntags, wenn die Arbeit ruht, im Hof des Grundstücks gern mit Musik von Schellack-Platten zum Tanze aufspielen.


1868

Eine freudige, anstrengende und arbeitssame Weihnachtszeit: Den 28. Dezember 1868 wird in Potsdam, Am Alten Markt 3, unsere zweite Tochter, Marie, geboren.

Später wird sie den Webermeister Theodor Steiner heiraten. In Nowawes-Neuendorf, Mittelstraße 19 (später Wichgrafstraße 19a), in einem halben Kolonistenhaus, links neben dem Haus der Schwester Hedwig Knoll, werden sie wohnen.


1869

Am 24. Februar 69 wird meine Mutter Caroline Sommer, geborene Keilbach 60 Jahre alt. Anlass für eine gemeinsame festliche Kaffeetafel.

Seit rund fünf Jahren leben wir nun „Am Alten Markt 3“, in unmittelbarer Nachbarschaft von Schloss, Palast Barberini, dem Rathaus und der Nikolaikirche.

Am 31. Dezember 69 kommt bei uns ein Töchterchen, leider todt zur Welt.


Das Gebäude Alter Markt 3 wurde im Jahre 1752 errichtet. 1869 wohnen in diesem Hause:

Nr.

Name

Profession

Nr.

Name

Profession

1

Schatzmann

(Marie Louise Ferdinandine geb. Sakewitz)


Wittwe des Photographen Carl Schatzmann, Eigenthümerin


5

v. Ebra

Oberstlieutenants-Wittwe

2

Probstheim


Speisewirth

6

Gertung

Canzlei-Rath

3

Sommer


Schuhmachermeister

7

Mertitsch

Rendant-Wittwe

4

Stein


Prediger-Wittwe

8

Adler

Prediger-Wittwe



(Die Zukunft weiß, dass dieses Gebäude am 14. April 1945 von einem Bombentreffer vernichtet wird. Die Einwohner überleben im Luftschutz-Keller, darunter auch Frau Ina Schatzmamm-Muster (geb. 26. November 1910, die auch als Fotografin für Sommer und Janecke verschiedene Atelieraufnahmen gefertigt hatte), mit ihren Eltern. Ina nimmt daraufhin ihre Eltern mit nach Kohlhasenbrück (Königsstraße 310). Ihr Mann, Ernst Muster, ist bereits im zeitigen Frühjahr 1940 als Soldat an der Westfront gefallen. Ihr Schwiegervater Paul Muster, war Architekt und Bauingenieur in Potsdam).


1870

Am 30. Dezember 1870 wird von Elisabeth unsere Tochter Anna geboren.


1871

Am 01. April 1871 ziehen wir vom Alten Markt 3, in das Doppel-Eck-Haus Schwertfegerstraße 8 / Am Neuen Markt 1, zwischen der Hohewegstraße (Acht Ecken) und dem Neuen Markte gelegen. Beide Bauten sind über Flure miteinander verbunden. Das Haus Nr. 1 wurde 1753 errichtet und gehörte der Familie des Materialwarenhändlers Krumbholz als Erstbesitzer. In diesem Hause lebte Kronprinz Friedrich Wilhelm (der nachmalige König Fr. W. II, Regierungszeit: 1786–1797) von 1764 bis zum Ableben seines Onkels Friedrich des Großen im Jahre 1786, auch schon mal mit Wilhelmine Encke, der später scheinverehelichten Ritz und späteren Gräfin v. Lichtenau.

Das Haus Nr. 8 wurde unter Leitung von Heinrich Ludwig Manger im Jahre 1765 für den Brauereibesitzer Lehmann gebaut. Dieses Gebäude wurde auch vom Prinzen angemietet. In diesem Hause, also in dem wir jetzt wohnen, erblickte am 22. Juno 1767 der geniale Wissenschaftler Wilhelm v. Humboldt (eine Treppe hoch) das Licht der Welt, denn sein Vater war Kammerherr. Ebenfalls in diesem Hause wurde am 03. August 1770 der Sohn des Prinzenpaares, (der spätere König Friedrich Wilhelm III., Regierungszeit 1797–1840) geboren.

Nun, das ist schon eine Weile her. Nach dem Auszug der Hoheiten, sah das Haus wechselnde Verwendungen und jetzt eben wohnen wir hierin. Die Nr. 1 wurde 1833 für die Sitzungen des Königlich Preußischen Kabinetts eingerichtet.



Auszug aus dem Königlich - Polizeilichen Melderegister der Residenzstadt Potsdam

Potsdam, Schwertfegerstraße 8 1871 bis 1875

Quelle: Stadtarchiv Potsdam, MR 065, Film 1108, Blatt 309



Tag des Anzu-ges

Vor- und Zunamen,

Stand

oder Gewerbe


Tag der Geburt

Geburtsort und Provinz

Con-fession

frühere Wohnung

Tag des Abzu-ges /

Todes

Anzeige der neuen Wohnung

1.4.

1871

Schuhmacher-meister

Sommer,

Johann Carl Friedrich

13. 11. 1831

Potsdam

Evang.

Alter Markt No.3

3. 4. 1877

Bäckerstraße

No. 3

Ehefrau, ist geb. Weltzer, Marie

23. 3. 1838


Kinder:







desgl. Hedwig

08. 7. 1863


desgl. Paul

26. 1. 1866


desgl. Marie

28. 12. 1868


desgl. Anna Marie

30.12.

1870

12. 7.

1872

gestorben

21. 9. 1875

desgl. Rudolph Max

21. 9.

1875

Potsdam


hier geboren

3. 4.

1877

Bäckerstraße

No. 3





1872

Am 12. Juli 1872 bereits geht unser Ännchen im Alter von 1½ Jahren in die ewige Ruhe ein.

Meine gute Schwester Karoline Marie Bertha Weltzer, geb. Sommer, hat ihrem Mann Karl Wilhelm Weltzer zwischen 1860 und diesem Jahr 1872 sieben Kinder geboren, gleichzeitig und nachdem sie die jüngeren seiner sieben Kinder aus der ersten Ehe aufgezogen hatte.


1873

Gab ich euch soeben einen kurzen Überblick zur Geschichte des Hauses, so folgt nun zum Gebäude Schwertfegerstraße 8 eine Notiz zur gegenwärtigen Belegung, die völlig anders aussieht, ganz ohne Hoheiten: Eigentümerin ist nun die Witwe, Frau Knochenhauer. Ihr kennt ja die Knochenhauersche Zichorienmühle an der Schiffbauergasse? Außer unserer Schuhmachermeisterfamilie Sommer leben hier: Der Restaurantbetreiber Winkler, der Arbeiter Wille, die Witwen Kalau und Schönemann, der Inspector Busse, der Assessor Freiherr v. Blohme, Schuhmachermeister Wilde, der Stellmacher mit Namen Bürstenbinder und der Schneidermeister Hasait. In unseren Tagen kann natürlich noch niemand ahnen, dass die Söhne der benachbarten Familien Sommer und Hasait, in drei Jahrzehnten später gemeinsam in dem Elektrotechnischen Betrieb des Max Sommer tätig sein werden, zumal diese letztgenannten heute ja noch nicht einmal geboren sind. Diese kurze Schwertfegerstraße erhielt früher ihren Namen nach einem hier ansässigen und tätigen Waffenschmied.


Das frühere Grüngässchen wurde etwa nach 1700 bebaut. 1739 erhielt dieser kurze Straßenzug den Namen Kriewitzgasse. nach der hier ansässigen Familie des Fleischers Kriewitz. An der Gasse stehen nur sechs Häuser, drei sich jeweils gegenüber. Ungefähr 1860 findet die Umbenennung in Kriewitzstraße statt. Die Bebauung der Straße fällt dem Bombardement am 14. April 1945 und dem anschließenden Artilleriebeschuss zum Opfer.


Im Hause Kriewitzstraße 3 wohnen im Jahre 1873:


Nr.

Name

Profession

Nr.

Name

Profession

1

Weltzer

Maurerpolier

Eigenthümer


6

Thiele

Wittwe

2

Sommer

Schuhmachermeister


7

Ahlburg

Handelsmann

3

Dobich

Schmied


8

Bläsing

Schmied

4

Friebe

Sergant


9

Ensenhöfer

Wittwe

5

Friebe

Hebamme


-

-

-


1875

Das sind ja wieder Sachen – sehe ich doch da unlängst die neue Reklame des Schuhmacher-Meisters A. Schulze, der in der Schockstraße 20 residiert. Er macht dem Doctor v. Bergmann Konkurrenz, lockt außer zum Schuhkauf Kunden an, als ein gestandener Hühneraugen-Operateur. Mit einem großen kräftigen Schnaps zur Schmerzbetäubnis und scharfer Messerklinge. Fragt mich doch gleich Marie, ob ich so 'was nicht auch machen kann und sie als Krankenpflegerin – wenn wir noch mal umzögen, vielleicht mit so'm kleinem Operationskabinett? Ich vielleicht im langen weißem Hemde? Ne, na, das ist vom Schulzen wohl eher so ein Entschuldigungsangebot, falls die angefertigten Schuhe nicht passen und zu sehr gedrückt haben. Aber immerhin – er hat sich ein Marktfeld erschlossen. Hoffentlich gibts keinen Ärger mit den Medizinleuten und der Obrigkeit.



- Abschrift -



Der 15te November des Jahres 1875 – Die Einweihung der Gewerksfahne.


Nach dem Eingang unseres Berichts in das Gewerkbuch, fand am 6ten April 1850 die Einweihung der Gewerksfahne statt.

Sonach hätte am 6ten April 1875 das fünfundzwanzigjährige Bestehen desselben festlich begangen werden können. Zeitverhältnisse verhinderten dies jedoch, und (so) wurde in Folge dessen, eine spätere Zeit, der 15te November, zu diesem Feste gewählt.


Zwanzig Jungfrauen, Töchter von Gewerksmeistern, welche am Schlusse des gegenwärtigen Berichts namentlich verzeichnet sind, hatten sich erboten, der Gewerksfahne zu diesem Ehrentage:

- ein neues Fahnenband auf weiß seidenem Moire mit Silberfransen und der Inschrift in Golddruck: "Gewidmet von den Jungfrauen des Gewerks 1875",

- einen Lorbeerkranz und

- eine Schärpe für den Fahnenträger mit blau=seidenem Ripsband

zu weihen. –––


Das Gewerk versammelte sich Abends 7 Uhr in den von der Potsdamer Schützengilde bereitwilligst zur Verfügung gestellten Sälen.

Als Ehrengäste waren geladen und erschienen:

Herr Lehrer Riehl und der Obermeister des Berliner Schuhmacher-Gewerks, Herr Bierberg.

Die Feier selbst nahm um 8 Uhr ihren Anfang. Die Festrede (zu halten) hatte Herr Lehrer Riehl freundlichst übernommen, und (er) gedachte hierbei in warmen Worten der Bedeutung des fünfundzwanzigjährigen Jubelfestes, berichtete (über) die damaligen, im allgemeinen besseren Verhältnisse gegenüber der Jetztzeit und gelangte hierbei zu dem Schlusse, daß ein Hauptfaktor zu der gewissermaßen gedrückten Lage der Profession, in der unzuträglichen Massenfabrikation (von Schuhen) zu erblicken wäre, welchem (nur) die Einigkeit des Gewerks im gemeinsamen Streben erfolgreich entgegenwirken könnte. Die Rede schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät unseren Kaiser und König, in welches alle Festgenossen begeistert einstimmten.

Unser Mitmeister Neese gedachte in kurzen Worten der Frauen und Jungfrauen, welche letztere zur Verherrlichung des edlen Festes hauptsächlich beigetragen hätten. Ein Hoch auf dieselben bekräftigte den zum Ausdruck gebrachten Dank. –––

Der Ehrengast, Herr Bierberg, sprach in längerer schwungvoller Rede. Auch er hob die hochwichtige Bedeutung des Jubelfestes hervor, wünschte dem Gewerk die Einigkeit und hoffte, daß die in Liebe und Verehrung dem Banner als Festschmuck gewidmeten Zeichen zu deren Befestigung und Erhöhung beitragen würden. Seine mit großem Beifall aufgenommene Rede schloß er mit einem Hoch auf die Festgenossen.


Hierauf begann die Decorirung der Fahne durch die Jungfrauen:

Ida Friedrichs, Johanna Schulz, Minna Müller,

Marie Goeres, Anna Röthe, Pauline Lehmann,

Anna Scheuer, Clara Schreiber, Marie Scheuer,

geführt von den Meistern des Gewerks: Carl Röthe und Fritz Sommer.

Die Fahnen-Deputation bildeten die Herren:

Carl Röthe, Hermann Schulz, August Müller, Jacob Voll, August Bürger und Andreas Schulz.

Fräulein Anna Röthe trug auf weißem Atlaskissen das neue Fahnenband und den Lorbeerkranz. Fräulein Johanna Schulz schmückte die Fahne mit dem neuen Bande und sprach nachfolgendes Gedicht:

Hier heft' ich in geweihter Stunde

An uns're Fahne dieses Band.

Der Nachwelt sei es eine Kunde,

Wie wir gesorgt mit treuer Hand,

Daß sich erhalte und vermehre

Das Kleinod: Des Gewerkes Ehre.


Wenn sich die Fahne wird entfalten,

Soll immer es ein Mahnruf sein,

An allem Guten festzuhalten,

Den kommenden Geschlechtern rein,

Was mir vererbt in frühen Jahren

In voller Liebe zu bewahren.


(verfaßt von Herrn Lehrer Riehl)



Fräulein Clara Schreiber umhing der Fahne die Lorbeeren und sprach hierbei das nachstehende Gedicht:


Nun recht dem Feste zu genügen,

Das uns umfängt mit heit'rem Glanz,

Laßt mich noch zu dem Bande fügen,

Den immergrünen Lorbeerkranz.

Man darf, wo deutsche Fahnen wehen,

Als höchsten Ehrenschmuck ihn sehen.


Denn seit der festlich frohen Stunde,

Da diese Fahne ward geweiht,

Hat vielmals hehre Siegeskunde

Dem Vaterlande sich erneut;

Und daran wollen wir heute denken,

Wenn wir den Kranz der Fahne schenken.


Er soll uns immer wieder mahnen,

Zu halten heilig, hoch und hehr,

Was Gutes aus der Zeit der Ahnen

Vererbt uns ist, und täglich mehr.

Nur dieser Schmuck von Lorbeerzweigen

An unsrer Fahne - werth zu zeigen.


(verfaßt von Herrn Lehrer Riehl)


Hiermit endete der erste Theil des Festes.

–––––––––––– ––––––––––– ––––––––––

Der zweite Theil wurde um 9½ Uhr mit der Fest-Polonaise eröffnet, dem sich um 10½ Uhr das gemeinsame Festessen anschloß.

Der hierauf folgende Tanz hielt die Theilnehmer bis zum heranbrechenden Morgen in heiterster Stimmung beisammen.

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Verzeichnis sämmtlicher Jungfrauen, welche sich an der Schenkung des Fahnenschmuckes betheiligt haben:

Motto: Ehret die Frauen, sie flechten und weben, himmlische Rosen ins irdische Leben!


1. Johanna Schulz

4. Ida Friedrich

7. Marie Goers

10. Marie Scheuer

13. Agnes Müller

16. Ida Benke

19. Ch. Bein


2. Anna Röthe

5. Pauline Lehmann

8. Emma Goers

11. Anna Völker

14. Anna Gohlke

17. P. Rössel

20. A. Haufe

3. Clara Schreiber

6. A. Lehmann

9. Anna Scheuer

12. Minna Müller

15. Elise Schwarz

18. A. Heymann





Nun aber wieder 'was familiäres: Am 21. September 75 wird unser Sohn Rudolf Max geboren. Er wird unser letztes Kind sein.


1877

Am 03. April wechseln wir die Wohnung und ziehen von der Schwertfegerstraße 8 jetzt in das Potsdamer Haus Bäckerstraße 3.

Hier wohnen wir nun: Friedrich Sommer mit Marie, geb. Weltzer und den Kindern: Hedwig (* 8. Juli 1863), Paul (* 26. Januar 1866), Marie (* 28. Dez. 1868) und Max (* 21. September 1875).

(Quelle Melderegister Film 106/1037, Seite 254, Stadtarchiv Potsdam).


1878

Abermals ziehen wir um. Diesmal geht es am 01. Oktober 78 nach Nowawes. Wir wohnen in der Lindenstraße No. 7, nicht weit entfernt vom Birkenwäldchen. Die Zukunft wird wissen, dass meine Sommer-Eltern in 5 Jahren (1882) in das Nachbarhaus No. 8 ziehen werden.

Unsere Tochter Hedwig erlernt den Beruf des Schneiderhandwerks. Entgegen vieler Meinungen Anderer, halten wir es für wichtig, dass auch die Mädchen einen Beruf erlernen, in dem „sie ihren Mann stehen“ können und der ihnen auch Einkünfte zum Lebensunterhalt bringt.


1880

Am 19. Juli feiern meine Eltern Friedrich Sommer und Caroline, geb. Keilbach ihr goldenes Ehejubiläum.

Unser Sohn Paul beendet die Volksschule, wird konfirmiert und beginnt den Beruf des edlen Schuhmacherhandwerks zu erlernen.


1882

Am 17. Dezember 1882 stirbt in Nowawes, in der Lindenstraße 8, mein Vater, der Schuhmachermeister Johann Friedrich Sommer im Alter von fast 82 Jahren.

Ein Nachtrag zum Jahr 1831 und der Erforschung der Ursache der Cholera: 1882 hat Prof. Dr. Robert Koch (1843–1910, Direktor des Instituts für Infektionskrankheiten, Professor an der Berliner Universität) den Erreger dieser schrecklichen Krankheit erahnt, ihn gefunden, vergrößert und gesehen. Seiner weiteren Forschung ist die wirksame Desinfektion und sogar die Sterilisation mittels Heißdampf zu verdanken.


1883

Zur Feier der Silbernen Hochzeit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten

des Kronprinzen und der Frau Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preussen,

sind auch Vertreter der Potsdamer Gewerke zur Gratulations-Chur eingeladen.

- Ball im Weissen Saal des Königlichen Schlosses am 28. Februar 1883. -


Wie üblich, ist auch in diesem Jahr das Statut der Innung und die Liste der Schuhmachermeister an den Magistrat einzureichen. Das Anschreiben beginnt in der üblichen Umgangsform:

Einem Hochlöblichen Magistrat erlaubt sich die ergebenst unterzeichnete Kommission – das Statut, mit der gehorsamsten Bitte um Weitergabe desselben an die Hohe Königliche Regierung behufs Bestätigung zu überreichen. ...“. Eine Antwort kommt später: „An den Obermeister der Schuhmacherinnung Herrn Ernst Neese. Wohlgeboren, hier.“

So ist es Sitte in gepflegten Umgangsformen.


Unsere Tochter Marie beendet die Volksschule wird konfirmiert und ergreift die Lehre für den Beruf einer Näherin.


1884

In diesem Jahr begehen wir unsere Silberhochzeit. Wie sind doch diese arbeitssamen Jahre schnell vergangen. 25 Jahre – aber andere blicken bereits auf 150 Jahre zurück:



- Abschrift -


Der 18te October des Jahres 1884


Die 150jährige Jubiläumsfeier der Schuhmacher-Innung zu Potsdam


Unter reger Beteiligung der Mitglieder und (der) Deputation anderer Gewerke, feierte die Schuhmacher-Innung in Potsdam am 18. Okt. 1884 ihr 150jähriges Stiftungsfest.

Die Berliner Schuhmacher-Innung war durch eine Deputation, bestehend aus den Vorstandsmitgliedern und Repräsentanten des Innungsausschusses mit der neuen Innungsfahne bei der Feier vertreten.

Die Weihe dieses Tages wurde wesentlich dadurch gehoben, daß auf denselben der Geburtstag Sr. K. K. Hoheit des Kronprinzen fiel, aus welchem Anlaß die Stadt Potsdam durch reichen Flaggenschmuck ein festliches Gewand angelegt hatte.

Kränze, welche über die Straße gezogen, durch welche sich der Festzug bewegte, Blumen und Guirlanden, womit viele Schuhgeschäfte geschmückt, legten wohl jedem den Gedanken nahe, daß das ehrsame Schuhmachergewerk, die Jünger des Hans Sachs, heut einen besonderen Festtag haben müsse.

Um 9 Uhr Vormittag erschien der Herr Regierungspräsident von Neese in der Wohnung des Obermeisters Herrn Röthe, um der Jubelbraut seine Glückwünsche darzubringen.

Gleich nach 1 Uhr Mittags füllten sich die Räume des "Cafe Sanssouci" mit den Mitgliedern der Innung und den Deputierten anderer Gewerke, welche sämmtlich mit ihren Fahnen und Emblemen erschienen waren.

Selbstredend durften auch die natürlichen Glieder der Handwerker-Familien, auch die Gesellen und Lehrlinge, nicht fehlen. Es muß rühmend hervorgehoben werden, daß letztere durch ihre eigens zu dieser Feier erzeugten Arbeiten, welche bei der diesjährigen Jubiläumsfeier der Berliner Schuhmacher-Innung im Festzuge auf hierzu gefertigten Stäben getragen wurden, das Lob und die Anerkennung selbst der tüchtigsten Fachmänner hervorriefen.

Außer diesen Arbeiten, von denen namentlich ein wirklich musterhaft gearbeiteter Lackschuh mit Korkkeil, von Meister Neumann aus Bornim angefertigt, sowie ein aus genärbten Leder gefertigter Kropfstiefel, von einem Lehrling beim Meister Förster gemacht, ferner ein Paar Atlas-Pantoffeln, vom Hofschuhmacher-Meister Bause, besonders erwähnt zu werden verdienen, waren zu gleichem Zwecke vom Meister Voll, Handwerksgeräth, darunter ein vollständig ausgestatteter Arbeitstisch in kleinem Format, künstlich in Holz ausgeführt.

Pünktlich zur festgesetzten Stunde, 2 Uhr, setzte sich der Festzug in Bewegung, eröffnet mit einem Musikkorps. Unmittelbar dahinter wurden auf einem seidenen Kissen die Innungsprivilegien getragen. Dann folgte der Obermeister mit zwei Großmarschallen, sodann die Deputation der Berliner Schuhmacher-Innung, wie (die) der anderen Gewerke. Diesen folgte wieder ein Musikkorps und die Jubelbraut mit ihrem Vorstand und der Innungsfahne, woran sich die Gesellen und Lehrlinge anschlossen.

Der Festzug bewegte sich durch die Brandenburger-, Waisen-, Charlotten-, Nauener-, Hoheweg- und Schloßstraße nach dem Schützenhause am Brauhausberge, woselbst der eigentliche Festakt stattfand.

Nachdem der Festzug im Garten des Etablissements kreisförmig Aufstellung genommen und von den Musikkorps die Nationalhymne intoniert war, erfolgte der Einmarsch in die feierlich dekorierte Festhalle.

Die Behörde war vertreten durch den Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, Herrn Boie, den Herrn Polizeidirektor Wolffgramm und den Gewerks-Assessor Stadtrath Krüger.

Die Weihe, zu welcher auch Innungsfrauen und Jungfrauen erschienen waren, wurde mit einer Musikpiece und einem Männerchor mit dem Liede:


"Brüder reicht die Hand zum Bunde"


eröffnet, worauf Herr Hofschuhmacher-Meister Bause den Festprolog vortrug, wie folgt:



Laßt mich ein Jubellied verkünden,

Ein Jubelwort im Festgewand,

Der Freude Feuer zu entzünden,

Das nähren soll der Arbeit Hand.

Ein Fest der Arbeit frohen Lust,

Das wir, als Preis des ernsten Lebens,

Stolz heut' begehen, selbst bewußt! –


Wir wissen, daß wir stets gerungen
Nach der Vollendung vollem Kranz,

Und jedes Hindernis bezwungen,

Das feindlich war - wenn voll und ganz

Wir, um das Beste zu erlangen,

Mit Fleiß und Danken redlich rangen.

Der ist kein Mann, den nicht die Ehre

Zwingt, daß er immer sich bestrebt,

Daß seines Wirkens weite Sphäre

Er zu der höchsten Höhe hebt.


Wohl mühevoll ist dieses Ringen

Verkannt von schnöder Eigenlust,

Er will ja keine Lorbeer'n bringen

Und keine Orden auf die Brust.

Jedoch, das bringt nur nicht zum Wanken,

Wir schreiten fort im schnellen Schritt,

Denn in dem Reiche der Gedanken,

Hält auch der Schuster Schritt und Tritt.



Soweit der Ernst an unserm Feste!

Vergnügen bringe uns das Beste.

So lasset denn die Freude leben,

Verbrüdert Euch von Nah und Fern,

Das Herz soll sich dem Herzen geben,

Und glänzen soll der Liebe Stern.




Bei Schmaus und Tanz und Liederklängen,

Erhebe sich die deutsche Brust,

Und Jeder labe sich noch lange

An dieser voll genossnen Lust.

Heut' laßt die Sorgen in der Ferne.

Heut geb' sich Jeder voll und ganz.

Und, wollet Ihr das Höchste bringen,

Gelobet stete Einigkeit!



Das Glück wird auf zum Himmel dringen,

Weil es der Weltgeist so gebeut.

Laßt alles Kleinliche heut schwinden

Und gebt Euch ganz der Wonne hin,

Dann wird sich unser Fest begründen

Im schönsten brüderlichen Sinn;

Dann bleibet Euch auch dies' Gedicht:

Ein herzliches Vergiß mein nicht.


Dann folgte die Festrede, Begrüßung der Ehrengäste und Deputation durch Herrn Ernst Neese mit Ansprache des Herrn Oberbürgermeister und der Deputation.


Die Zwischenpause wurde durch Musik- und Gesangvorträge ausgefüllt.

Nach dem Festprogramm fand die Festtafel statt, während welcher zur Feier des Tages Ansprachen und Toaste von den Ehrengästen und (der) Deputation auf Se. Majestät, den Schirmherrn des deutschen Handwerks, Kaiser Wilhelm, den Kronprinzen, den Fürsten Reichskanzler, der Jubelbraut und dem deutschen Handwerk ausgebracht wurden.

Unmittelbar hieran schloß sich ein Ball, der die Festteilnehmer bis lange nach Mitternacht in fröhlicher und kollegialischer Stimmung zusammenhielt.


Wir wünschen der Innung viel Glück und Gedeihen für die Zukunft. Möge sie für alle Zeiten in Frieden und Eintracht zum Wohle ihrer Mitglieder und zum Segen des Handwerks wirken.


Danksagung:

Den Mitgliedern der Potsdamer Schuhmacher-Innung sagen die Unterzeichneten für die überaus freundliche und kollegialische Aufnahme bei der Feier ihres 150jährigen Stiftungsfestes den herzlichen Dank.


Die Deputation der Berliner Schuhmacher Innung. (Namen)


Eingetragen von W. Leidig


Nachtrag aus dem Jahr 2001

Diese vorstehenden Berichte wurde von Chris Janecke aus der altdeutschen Handschrift umgesetzt, mit Erläuterungen ergänzt und mit Bildmaterial aus der Historie angereichert.



Hinweise zur Bindung der Familie an das Schuhmachergewerk in Potsdam

Chris Janecke ist ein Nachkomme der Potsdamer








Auch in dieser Zeit schreibt man als Vorstand einer Handwerker-Innung an „die Obrigkeit“, hier zum Beispiel an die Stadtverwaltung, in einem heute eher als unterwürfig und „sehr gedrechselt und gespreizt“ erscheinenden Stil, zum Beispiel:


1869:

Absender: Vorstand der Schuhmacher-Innung

Anschrift: „An Einen Wohllöblichen Magistrat hiesiger Residenz“.


1880

An den Magistrat der Residenzstadt!

Einem Wohllöblichen Magistrat erlaubt sich der Unterzeichnete namens seines Vorstandes ... zu erwidern. Neese, Obermeister.

Und die Antwort:

An den Obermeister der Schuhmacher-Innung, Herrn Ernst Neese, Wohlgeboren, hier“.


1884

Zur Generalversammlung der Innungsmitglieder, die im Schützenhause stattfindet, wird wie üblich persönlich durch Boten eingeladen und von jedem Innungsmitglied die Kenntnisnahme des Veranstaltungstermins im Einladungsbuch persönlich mit „gelesen“ quittiert.

So werden unter den über 150 Schuhmachermeistern aus Potsdam und Umgegend, auch folgende Innungsmeister, drei Brüder einer Familie, eingeladen:


Name

Das ist ..., mit der momentanen Wohnanschrift:

Sommer, P.

Paul Carl Wilhelm Sommer, geb. 19. Juni 1846, Potsdam, Blücherplatz 7

Sommer, F.

Karl Johann Friedrich Sommer, geb. 13. November 1831, Nowawes, Lindenstraße 7

Sommer, F.

Wilhelm Franz Sommer, geb. 02. Februar 1837, Potsdam, Kriewitzstraße 5



1887

Am 19. und 20. Juni haben die Schuhmacherinnungen der Provinz Brandenburg ihren Zweiten Unterverbandstag der Provinz Brandenburg in Frankfurt an der Oder (im Saale des „Volksgartens“).

Zur Tagesordnung gehören:

- Rechnungslegung zu den zurückliegenden beiden Geschäftsjahren

- Die Einrichtung von Fachschulen für das Schuhmacherhandwerk

- Diskussionen um den Befähigungsnachweis

- Die Errichtung einer Alterskasse zur Versorgung

- Die Wahl des Vorstandes für die nächsten beiden Geschäftsjahre

Das Klima der Verhandlungen wird befördert vermittels eines Spazierganges mit freiem Gedankenaustausch, einem Concert und einem Abschlussball.

(Zur Deckung der Unkosten haben die Delegirten den Betrag von 1,50 Mark zu entrichten).


1888

Am 03. April 88 ziehen wir von der Lindenstraße 7 einige Fußminuten weiter ins Centrum von Nowawes, zur Lindenstraße 44. Aus diesem Hause können wir die vorbeirollenden Züge noch besser beobachten.



1889

In diesem Jahre zählt die Auflistung der zünftigen Schuhmacher-Meister aus Potsdam und Umgebung, die stets aktuell an den Magistrat zu übergeben ist, 191 Innungsmeister, geführt von Obermeister Ernst Neese, darunter auch die vier Schuhmacher-Meister aus der Sommer-Familie. Vier deshalb, weil Vater Johann Friedrich Sommer (geb. am 30. 12. 1800) zwar im Jahre 1882 verstarb. Wir wollen seiner gedenken, legte er doch den Grundstein für die Potsdamer „Sommer-Schuhmacher-Meister-Gesellschaft“. Dafür tritt aber sein Enkel Karl Ernst Paul Sommer (geb. am 26. Januar 1866) hinzu, da er ja auch schon seit einiger Zeit (er beging in diesem Jahr sein 23. Wiegenfest) Innungsmeister ist.

Quelle: Stadtarchiv Potsdam, Reg.-Nr. 1–3 / 728.


Mein Schwager und Schwiegervater, der Nowaweser Maurerpolier Carl Wilhelm Weltzer, stirbt am 27. Juli 89 mit 76 Jahren.


1890

Unsere Sommer-Töchter, die Schneiderin Hedwig Knoll und die Näherin Marie Steiner, stehen in einer freundlichen Verbindung mit der Kammerdame / Hofmeisterin (später Hofstaatsdame) Fräulein Claire von Gersdorff, die sich gemeinsam in dem Handarbeitskreis zur Hilfe für arme Kinder finden und Kleidung herstellen, wie auch flicken. Natürlich reden sie dabei allerlei, was über den üblichen Umfang von „Kinder, Küche und Kirche“ hinausgeht. Fräulein v. Gersdorff ist eine natürlich-lebhafte Frau, vielseitig interessiert, musikalisch, zeichentalentiert und spricht fließend französisch und englisch. Das Deutsche beherrscht sie selbstredend ganz vorzüglich. Fräulein v. Gersdorff ist gerade vier Jahre älter als Hedwig und zehn Jahre älter als Marie, jetzt also 48 Jahre alt. Als sie den Dienst bei der Kaiserin antrat, war sie 22 Jahre jung. Sie lebt mit den anderen beiden Hofdamen der Kaiserin, Oberhofmeisterin Gräfin Brockdorff und (der späteren) Hofstaatsdame v. Keller im Hofdamenhaus am Rande des Neuen Gartens.


Unser Jüngster, Sohn Max, beendet die Volksschule in der Nowaweser Priesterstraße, wird eingesegnet und beginnt das Schlosserhandwerk zu erlernen. Gleich anschließend wird er bei der Fa. Strecker in Potsdam eine Weiterbildung zum Elektromonteur durchlaufen, da ihn auch dieses noch junge Gewerks-Gebiet recht interessiert.


1891

Unser Sohn Paul wird in der Friedrichskirche am 25. April mit Luise Emma Krüger getraut.


Im Mitgliederverzeichnis der Schuhmacher-Innung zu Potsdam sind 188 Schuhmacher der Innung enthalten, darunter unter der Nr. 87: Sommer, Fritz; Nr. 92: Sommer, Franz; Nr. 138: Sommer, Paul, Nowawes und Nr. 143: Sommer, Paul Potsdam.


1892

Mein Oheim (Vaterbruder) Carl Sommer, der Mühlenmeister und auch Mühlenbauer

(* 18. Dezember 1803 in Buckow im Oderland) ist einen Monat vor seinem 89. Geburtstag in Nowawes, Lindenstraße 4a, gestorben. Einen Monat vor seinem Tode hat er sich alt und krank, aus Gerresheim bei Düsseldorf kommend, bei meiner Schwester Caroline Marie Bertha Weltzer, geb. Sommer, seiner Nichte, eingefunden, um sich hier pflegen zu lassen. Er war früher verheiratet mit Caroline Emilie Henriette Sommer, geb. Keyling, die zu Reppen im Kreis Weststernberg (Neumark) gestorben war. Aus dieser Ehe hat er einen erwachsenen Sohn.


1893

Einige Örtliche Zeitungsnachrichten:


Juli:

Zur Sommermode des Schönen Geschlechts: Einfachheit lautet jetzt die Parole. Alle kleiden sich jetzt in einfache Stoffe, die bisher den Backfischen vorbehalten waren. Als Schmuck vielleicht ein Volant, ein Band mit flatternde Enden. Für die Straßenkleidung ist Rohleinen beliebt. Leinen, Battist und Mousselin – die Kinderzeiten werden wieder wahr.


August:

Polizeiliche Belobigung: Der Schüler Richard Schindler hat am 10. August den Knaben Paul Lohse, beide zu Berlin wohnend, vor dem Tode durch Ertrinken gerettet.

Gewalt in der Schule: Eine Beschwerde liegt gegen den Lehrer Quast aus Nowawes vor. Eines seiner Schulmädchen liegt mit fingerdicken Striemen einer Prügelstrafe am Nervenfieber darnieder.

Die Segelregatta, die der Seglerverein gestern auf dem Jungfernsee abhielt, hatte unter der Ungunst der Witterung zu leiden. Es ging ein so heftiger Regen hernieder, daß man die Regatta zunächst verschieben mußte.

Am Bauplatz der Artilleriekaserne am Pfingstberg gab es gestern Bedrohungen der Bauleiter durch die Arbeiterschaft. Grund derselben war ein Unfall, bei dem Sand in die nicht abgesteifte Baugrube nachrutschte und zwei Arbeiter bis zum Halse verschüttete. Größere Sicherheitsvorkehrungen wurden von den Arbeitern gefordert. Diesem Verlangen kamen die Bauleiter aber nicht entgegen. Die Bauarbeiter machten Miene, das Baubureau zu stürmen, woran sie aber von der schnell eintreffenden Polizei gehindert wurden.


September:

Steckbrief! Gegen den Photographen Richard Schremmer aus Berlin, Naunynstraße 83, welcher sich verborgen hält, ist die Untersuchungshaft wegen Betruges verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das nächste Gerichtsgefängnis abzuliefern. (Es folgt die Beschreibung dieser Person).

In Neuendorf hat eine Frau ihren Ehemann vorsätzlich getötet. Die Frau des Gärtners Fritz lebte mit ihrem 50jährigen Ehemann in Unfrieden, weil derselbe dem Trunke ergeben war. Nach einem neuerlichen Streit legte sich der Mann zu Bette. Die Wuth der Frau war noch sehr groß und so goß sie kochendes Wasser über den Schlafenden. Der Mann verstarb unter fürchterlichen Schmerzen im Nowaweser Oberlinhaus.

Als Blutersatz wurde erforscht, Kochsalzlösung zu verabreichen.

Statistik: Aus Berlin und Brandenburg wanderten im ersten Halbjahr 3.624 Personen nach Übersee aus.

Im ganzen Reich gibt es zum 23. Jahrestag des Sieges von Sedan große Feierlichkeiten.

Kapstadt: Es gab einen Angriff Einheimischer auf die deutsche Schutztruppe in Südafrika.


Oktober:

Ausweisung eines Ausländers. Der Weber Eduard Hiebel, 20 Jahre alt, aus Neuharzdorf in Böhmen, wird zum Ende des Monats ausgewiesen. Grund der Bestrafung: Er bettelte.

Im Park von Sanssouci hörte ein Wachmann in der Nähe der Orangerie Hammerschläge, wie auf Stein geführt, die aus einiger Entfernung an sein Ohr drangen. Da ein Act von Vandalismus zu besorgen war, ging der Mann dem Geräusch nach. Ein Mensch, der sich an einem Marmorbildnis zu schaffen gemacht hatte, verschwand flüchtend in der Dunkelheit. Die Verfolgung verlief resultatlos.

In Chikago findet die diesjährige Weltausstellung statt.

Die Cholera hält wieder Einzug in Deutschland. Vor der Benutzung von Wasser aus Flüssen, Kanälen, Gräben usw. wird gewarnt – vor unabgekochtem Wasser überhaupt.


November:

Am 4. 11. 93 nimmt der Kaiser an der Parforcejagd im Grunewald teil.

Den 26. Nov. registrieren die Apparaturen des Magnetischen Potsdamer Observatorium Wellen eines sehr fernen Erdbebens, südwestlich von uns gelegen (vielleicht in Kuchan / Persien), welches die Schreibgeräthe mit kleinen aber lebhaften Ausschlägen aufzeichneten.


Dezember:

Dem jungen Herrn Lehrer Stephan, der kürzlich zum Erzieher der Kaiserlichen Prinzen berufen wurde, ist diese Auszeichnung zu Kopfe gestiegen, so daß er wohl am Größenwahn leidet und vom Dienste befreit werden mußte. Sein Vater mußte den Bedauernswerthen vom Bahnhofe abholen.

Die Offiziere des 20. Regiments nahmen im Sommer per Dienstverpflichtung einen Kursus in der russischen Sprache. Nun erhalten die Unteroffiziere, von jeder Kompanie zwei, von Herrn Hauptmann v. Bülow eine solche Unterrichtung – an jedem Tage eine Stunde. Die vorerwähnten Offiziere nehmen jetzt dagegen den Tanzunterricht. Die Einübung der hoffähig gewordenen Gavotte steht auf dem Plan.

Es gibt eine politische Debatte um die Ladenöffnungszeiten zur Weihnachtszeit.

Ein Problem des Anarchismus: In Paris kam es zu einem Attentat.

In Kamerun gibt es eine Meuterei schwarzer Polizeisoldaten. Drei deutsche Schiffe werden abgesandt, um für Ruhe zu sorgen.

In Deutschsüdwestafrika sind schwere Kämpfe zu verzeichnen.

Kriminalstatistik: Im Jahre 1892 wurden 422.326 Straftäter gemeldet – ein Anstieg der Kriminalität wird beobachtet.


1894

Sohn Paul und Schwiegertochter Emma wohnen und arbeiten in der Lindenstraße 39, dem noch neuen Haus (1874 erbaut), das vor 20 Jahren an der Stelle eines kleineren Weberhauses errichtet wurde.

(Anmerkung: In diesem Haus wird auch Chris Janecke, der Verfasser dieses Beitrages, seine frühe Kindheit verleben. Zu jener Zeit wird die Anschrift dann aber Rudolf-Breitscheid-Straße 46 heißen).


Verschiedene Örtliche Nachrichten:


März:

Der bisherige letzte Zug der Potsdamer Wannseebahn soll durch einen allerletzten, der um 2 Uhr des Nachts verkehrt, abgelöst werden. Der bisherige Letzte ist dann der Vorletzte.

Die Leibgendarmerie des Kaisers, die bisher in Berlin stationiert war, wird zum Ende des Monaths in die ehemalige Garde-Husaren-Musterkaserne (erbaut von Hampel) am Luisenplatz ziehen.

Die bisherige Villa Ingenheim mit dem dazugehörigen Grundstück, welches sich bis zum Wasser der Havel hinunterzieht, soll verkauft werden, da Graf Ingenheim seinen Wohnsitz in Wusbaren nehmen wird.

Der 20jährige Knecht Hugo Preuß ist als Hauptschuldiger an den vielen hier stattgehabten Bränden ermittelt und in Sicherheit gebracht worden. Als Grund für die Brandstiftungen gibt der Bursche seinen Ärger an, daß Bauern ihn und einige seiner Genossen nicht an einem Vergnügen teilhaben lassen wollten, welches am Bahnhof Rehfelde stattfand.

Ein frecher Baum- und Strauchdieb wurde gefasst. Es handelt sich allerdings um einen wohlsituirten Glindower Obstzüchter, der in Glindow, Plötzin, Petzow und anderen Orten in fremden Gärten junge Obstbäume und Beerensträucher ausgrub. Er verschonte weder wohlhabende Nachbarn, noch blutarme Leute. In seinem eigenen Garten trugen sie dann reiche Früchte. Einen Überschuß des Raubgutes bot er auch veräußernd an Andere feil.

Angehörige des Garde-Jägerbataillons testeten Kinderluftballons, indem sie eine Postkarte an fünf Ballons banden. „Der ehrliche Finder“, Freiher von Eckardstein, fand die Karte am nächsten Vormittage in Reichenow bei Wriezen an einem Strauch. Sie hatte in der Nacht neun Meilen zurückgelegt.

Anmerkung: So etwas startete Familie Janecke ebenfalls 1993 zur 1000-Jahr-Feier der Stadt Potsdam. Die Post, in einem „windschlüpfrigen Plastic-Ei verpackt, legte an 2 Ballons hängend, in der Nacht eine Strecke von etwa 444 km nach Südosten zurück und wurde in Tschechien, in einem Garten bei Brno (Brünn) gefunden.


April:

Die SPD bekämpft zum Schutz der Arbeiterinteressen momentan die Berliner Brauereien. Man reagierte zum 1. Mai mit Aussperrungen.


Mai:

Friedrich Reindel, 69-jähriger Preußischer Scharfrichter (wohnhaft in Magdeburg), begeht das Jubiläum seiner 100-sten Hinrichtung (92 Männer und acht Frauen hatte er zu enthaupten). Das Richtbeil, das er frei aus der Hand schwingt, wurde um 1840 von einem Dorfschmied in der Altmark verfertigt. Es wird stets gut scharf gehalten. Er erhält pro Hinrichtung ein Salär von 100 Mark, plus 10 Mark Tagegeld und freie Eisenbahnfahrt dritter Klasse zum Einsatzort und zurück.


Der vom Prinzen Friedrich Karl gestiftete Ehrenpreis wurde zum zehnten Mal auf dem Wannsee ausgesegelt. Der Wettkampf brachte Records, wie sie auf der Havel noch nie erzielt worden.


Der Arzt Dr. Bodenhausen, ansässig in Nowawes, besitzt einen dieser neuen Motorwagen der Firma Benz in Mannheim, ausgestattet mit einem Benzin-Explosionsmotor, der dem Vehicel eine außerordentliche Schnelligkeit verleiht – also völlig ohne Pferd!


Juli:

Nowawes: Im Anschluß an das Oberlinhaus ist hier heute ein neues Kinderkrüppelhaus eröffnet worden. Die Kinder waren bisher provisorisch in zwei Weberhäusern untergebracht. Zur endgültigen Bezahlung des Baues fehlen noch 9.000 Mark. Der Vorsteher, Pastor Hoppe, nimmt jede Gabe dazu gern entgegen. Die Pflege und Behandlung der Kinder steht unter Leitung der Oberin der Diakonissen: Thusnelda von Saldern.


Statistik zu der Schlacht von Solferino, Franzosen gegen Österreicher, im Juli 1859 in Italien: Soeben veröffentlicht – es kam auf je 700 feindliche Schüsse 1 Verwundeter und auf je 4.200 Schüsse 1 Todter. In dem letzten deutsch-französischen Kriege jedoch, war „ein Fortschritt“ zu bemerken – da kam auf 1.300 Schüsse 1 Todter, das heißt, wenn eine Kugel je 30 Gramm wog, so waren statistisch 39 Kilogramm Blei nöthig, um einen Menschen zu tödten.


Beginn des Krieges in Korea. Streiks in den USA. Schweres Erdbeben in Konstantinopel.

Die Ausgrabungen in Troja gehen unter der Führung der Frau des Schliemann weiter. Wir erinnern: Heinrich Schliemann, der unermüdliche Archäologe, starb 1890 im Alter von 68 Jahren.


Oktober:

In der dunklen Jahreszeit nehmen die Milchdiebstähle wieder zu. Die Spitzbuben arbeiten mit unglaublicher Frechheit, indem sie auf die in aller Frühe über die Chausseen nach Berlin rollenden Fuhrwerke hinten aufspringen und Kannen oder gar Fässer den Kumpanen hinabreichen. Werden sie einmal entdeckt, weichen sie dem Peitschenhieb aus und verschwinden unerkannt im Dunkel des Waldes.


Der neueste Gassenhauer aus „Die Gigerlkönigin“ ist schon aus jedem Leierkasten, respective jedem Drehorgelinstrument zu hören: „Ich hab sogar im Schuh mein Monogramm, als echte Modedam'".


November:

3.11. Der Zar stirbt in Rußland. Er hat ausgelitten. Der Todt hat ihn von seinem entsetzlichen Leiden erlöst. Was wird nun der junge Nikolaus seinem unermeßlichen Reiche, was wird er Europa bringen?


Präriebrände in Nordamerika. 6 Menschen verbrannt. 1.000 Menschen bei Erdbeben in Südamerika umgekommen. Die USA löst ihre Probleme bei den Hinrichtungen mit dem „Elektrischen Stuhl“. Die letzte chinesische Feldarmee unterliegt am Jalufluß. Frau von Bismarck ist verstorben. Ein Erdbeben erschüttert Italien. Wir begehen den 400sten Geburtstag von Hans Sachs.


Der Kaiser und die Kaiserin besuchen am 01. 11. den Gottesdienst, der in den Potsdamer Kommuns des Neuen Palais gehalten wird. Um 10 Uhr empfängt der Monarch auf der Wildparkstation der Eisenbahn den Kronprinzen von Schweden. Am Abend besuchen die Majestäten das Opernhaus zu Berlin.


Furchtbare Panik nach Gasexplosion in der Kaserne des Garde-Jäger-Bataillons. Die anwesenden Herren Offiziere, die im Kasino gerade den Klängen der Bataillonsmusik gelauscht hatten, waren nach dem Knall in dichte Finsterniß versetzt und starr vor Schreck. Zwei der Betroffenen waren am ganzen Leibe mit entsetzlichen Brandwunden bedeckt. Wahrscheinlich war der Gasmesser, der sich hart neben dem Eingang zum Kasino in einem separaten Raume befindet, undicht, so daß es durch die brennenden Lampen zur Explosion kam. Thüren, Fenster und das Inventar wurden zertrümmert. Glassplitter der Fensterscheiben waren bis zum jenseitigen Trottoir geflogen. Man sandte sofort Boten in alle Windrichtungen, um ärztliche Hilfe zu holen, sandte nach Droschken zum Transport der Verunglückten zum Garnisons-Lazareth, alarmierte sofort die Feuerwehr, die Polizei und verständigte die Gasgesellschaft.


Aufsehenerregend auch eine Verhaftung in der Kaserne des Regiments des Garde du Corps in der Neuen Königstraße. Der Wachtmeister Nolting wurde festgenommen. Es habe sich um einen heimlichen Pferde-Mistverkauf a Fuhre zu neun Mark und andere Unregelmäßigkeiten gehandelt.

Gerichtsverhandlung: Der Maurergeselle Zimmermann hatte sich das kindliche Vergnügen gemacht, einen anderen in der Alten Luisenstraße beschäftigten Maurer mit Birnen zu bewerfen. Eine Birne aber ging fehl und traf fast den zufällig vorbeireitenden Sohn des Prinzen Albrecht, beziehentlich dessen Pferd, so daß das Thier scheute. Man glaubte zuerst an das Attentat mit einem gezielten Steinwurf aber eingehende behördliche Recherchen haben den bereits geschilderten Sachverhalt festgestellt. Zur Sühne des frevelhaften Uebermuthes beantragte der Amtsanwalt eine Woche Haft aber der Gerichtshof erkannte wegen groben Unfugs auf 15 Mark Geldstrafe oder ersatzweise drei Tage Haft.


Dezember:

Hauptmann Alfred Dreyfus,ein französischer Offizier jüdischer Abstammung, soll wegen angegebener Spionage zu Gunsten von Deutschland, vor ein französisches Gericht. (Erst in acht Jahren und vielen Kämpfen wird er rehabilitiert werden, da sich der Vorwurf als unrichtig erwies).


Sturmflut an der Nordsee.

Ein Aufstand von Koreanern wurde von Japanern blutig niedergeschlagen.

Auf Kuba wurde ein Aufstand gegen die Spanier entfesselt. In Ungarn bebte die Erde.


Am 08. Dezember: Der Reichstag ist am 5. Dezember, Mittag 11½ Uhr, im Rittersaal des Königlichen Schlosses in Berlin vom Kaiser mit einer Thronrede eröffnet worden.


12. Dezember: Wegen unredlicher Handlungen aber Furcht vor der Strafe hat sich der Husar Ehling aus dem Leib-Husaren-Regiment mit selbstmörderischer Absicht in einen Brunnen gehängt. Jedoch hatten das zeitige Abschneiden und die Versuche zur Wiederbelebung einen so günstigen Erfolg, daß er in den Arrest abgeführt werden konnte.


Ein Gewaltact wurde im Forst hinter dem Kirchhofe (Ravensberge) gegen eine Händlersfrau unternommen. Diese rief beherzt laut um Hilfe, was den Thäter einzuschüchtern vermochte und er die Flucht antrat. Dieser Vorgang mag zur Vorsicht mahnen, daß Damen in der Forst alleine Spaziergänge unternehmen, da vor einigen Jahren dort in den Ravensbergen sogar ein vollendeter Gewaltact vorgekommen ist. Die genaue Stelle ist bekannt.


1895

Zeitungsmeldungen verschiedener Art:

Februar:

Am 09. Februar kam der Rangierer Hild aus Neuendorf zu Schaden. Er wurde von einer Lokomotive erfaßt, die gerade in den Schuppen für den Kaiserlichen Hofzug einfuhr, und derartig gegen einen Pfeiler gequetscht, daß er besinnungslos, mit einem Beckenbruch ins Krankenhaus gebracht werden mußte.


Winterfolgen. Kälte und Schnee haben den Pferdebestand der Reichspost und der Omnibus- und Pferdebahngesellschaft arg mitgenommen. Hunderte von Thieren, vornehmlich in Berlin, sind erkrankt und stalllahm. Viel hat das Salzstreuen den Thieren geschadet.


Unterschlagung. Aus der Neuendorfer Fabrik von Adolf Pitsch wurde Meister Weißgerber entlassen. Er hatte es unterlassen, von dem ihm anvertrauten Gelde die Invalidenmarken für das Fabrikpersonal zu kleben und hatte dieses Geld unterschlagen.

Der Regierungspräsident zu Potsdam hat eine Polizei-Verordnung erlassen, welche bei Geldstrafe bis zu 60 Mark oder entsprechender Haft, verbietet, Luftballons unter Anwendung von Feuer aufsteigen zu lassen.

In Drewitz hat eine Frau ihren Ehemann mit der Geburt ihres gemeinsamen 18. Kindes beglückt. Nun werden weitere erwartet.


Der Gärtner Prokat hat versucht, den Gerichtsschreiber des Amtsgerichts Löhr mit einem sechsläufigen Revolver zu ermorden. Dieser schlug jedoch mit seinem Spazierstock die Waffe beherzt zur Seite. Der Flüchtige Thäter wurde in der Brandenburger Straße durch einen Schutzmann festgenommen. Als Grund gab Prokat an, daß er den Verdacht hegte, seine von ihm separiert lebende Frau unterhielte einen verbotenen Verkehr mit dem Löhr. Deshalb wollte er alle drei erschießen. Die Anschuldigung stellte sich nach Befragung als unzutreffend heraus.


Rußland: Es verlautbart, daß der Zar keine Verfassung, keine demokratischen Veränderungen in diesem Land möchte.

Statistik zum Analphabetentum in Deutschland: Von 1.000 Bürgern können 15 ihre Heirathsurkunde nicht mit ihrem Namenszug unterschreiben. Es werden dann nach wie vor drei Kreuze geschrieben.

In Nordamerika wurde ein Eisenbahnzug von Räubern überfallen und ausgeraubt. Starke Kälte in Nordamerika. Minus 35 °C Kälte. Menschen sind erfroren. In New York liegt der Schnee 6 Zoll hoch. 3.000 Sozialdemokraten trafen sich in Mannheim zur Versammlung.


1896

Persönliches aus unserer Sommer-Familie: Meine gute Mutter Caroline, geb. Keilbach, stirbt am 10. September 96 in Nowawes, Lindenstraße 44 mit 87½ Jahren.

Am 5. Oktober heiratet unsere Tochter Marie, eine praktisch veranlagte, strebsame Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, den liebevollen, vom Gemüte her zart veranlagten, etwas schüchternen Weber Theodor Steiner. In Nowawes-Neuendorf, Mittelstraße 19 (später Wichgrafstraße 19a), einem halben Kolonistenhaus.


1897

Erste erfolgreiche Versuche der deutschen drahtlosen Telegraphie. Geleitet wurden diese Forschungsarbeiten von Herrn Prof. Dr. h.c. Ing. Slaby, von der Charlottenburger Technischen Hochschule, in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. h.c. Georg Graf v. Arco (geboren 30. August 1869, gestorben 05. Mai 1940, beerdigt auf dem Südwest-Friedhof der Berliner Synode in Stahnsdorf). Unser Sohn Max, 21-jährig, hat die Möglichkeit, mit Mechaniker- und Elektriker-Arbeiten daran teilzunehmen.

Die Telegraphieversuche gehen vom Campagnile der Sacrower Heilandskirche aus, etwa 1.300 m über den Jungfernsee zur Matrosenstation, der K. u. K. Schiffsanlegestelle "Kongsnaes" (des Königs Landzunge) hinüber, in der Schwanenallee Nr. 7, am "Neuen Garten" gelegen. Diese bauliche Anlage des Norwegers Holm Hansen Munthe ist erst im vergangenen Jahr fertiggeworden. Die Holzhäuser riechen noch ganz neu.

Am 27. August 1897 kann in Anwesenheit des Hohen Kaiserlichen Paares das erste Funk-Telegramm mit einem Schreibtelegraphen des Samuel Morse, aber eben völlig ohne Drahtverbindung, über den Jungfernsee gesandt werden. Es übermittelt als Botschaft den Satz:

"Die Welt am Ende des Jahrhunderts steht im Zeichen des Verkehrs".

Es ist schon ein tolles Erlebnis für Max und uns, hier mittendrin dabei gewesen zu sein, bei den Versuchen, bei der handwerklichen Ausgestaltung (jene auch mit Pannen und unter zeitweilig hoher Arbeits-Anspannung). Dabei gewesen zu sein, nicht ohne "Lampenfieber", bei der festlichen, gelungenen Vorführung vor dem Kaiserpaar. Eine große Ehre für ihn.


1898

Mein Bruder Paul Sommer (Potsdam) ist inzwischen Vorstandsmitglied der Schuhmacher-Innung. Zu dieser Zeit ist Herr Ribbe der Stadtdirektor.


1899

Meine rastlose Schwester Marie Weltzer, geb. Sommer, reist am 16. Juli, nach einem Jahrzehnt der Witwenschaft und der Betreuung einer Anzahl von Pflegekindern, nun im 66. Lebensjahr nach Werder an der Havel, Eisenbahnstraße 26, um dort endlich etwas Ruhe und Erholung zu finden. Sie hatte bisher ein recht aufopferungsvolles Leben, nachdem sie als sehr junge Frau sich der sieben Kinder ihres Mannes aus dessen erster Ehe annahm und dann auch noch einmal sieben eigene Kinder großgezogen hatte. (Noch ahnen wir nicht, dass sie in einigen Jahren ihren Wohnsitz nach Rixdorf verlegen wird).


Am 21. Oktober 99 heiratet Tochter Hedwig den Handelsmann und zweimaligen Witwer Friedrich Hermann Knoll, der ebenfalls wie wir in der Mittelstraße 9 wohnt, in der Nowaweser Friedrichskirche. Beide ziehen zur Mittelstraße 19.


1905

Am 29. Juli 1905 heiratet unser Sohn Max in Neuendorf die Anna Margarethe Runge. Sie wohnen in der Nowaweser Priesterstraße 68, wo er auch ein Elektrogeschäft eröffnet. Nun sind alle Kinder aus dem Hause. Dieser größte Teil unserer Lebensaufgabe ist geschafft.


1906

Meine gute Frau Elisabeth stirbt am 10. Februar in unserer Wohnung, Nowawes, Mittelstraße 9, nach 47 Jahren einer ordentlich geführten Ehe.

Zwar leben meine Kinder noch alle in Nowawes – ich aber ziehe nun im Alter von 74 Jahren noch einmal um. Und zwar in den Kreis Weststernberg, in die kleine Kreisstadt Reppen.

Dort war früher meines hier in Nowawes verstorbenen Oheim Carl Sommer (der jüngere Bruder meines Vaters) Ehefrau, eine geborene Keyling gestorben. Sommer-Nachfolger unserer Verwandtschaft leben dort noch. Ein Sohn, etwa meines Alters, mit seiner Familie.

Das landschaftliche Gebiet um Reppen ist im Gegensatz zu Potsdams Umgebung als eher etwas schlicht zu bezeichnen – von Feldmarken umgeben. Was tut's?



Notizen zur Chronik von Reppen, Neumark, im Kreis Weststernberg

... nach 1945: Rzepin, Polen



Bezeichnungen: 1329 Newen Reppin, 1335: Nyen Ruppin, 1441: Nyen Reppen.


Geografische Lage: Etwa 22 km östlich von Frankfurt (Oder), am Westufer der hier von Nord nach Süd zur Oder fließenden Eilang, im Talgrund zwischen mäßigen Sandhöhen liegend. Der Boden besteht demzufolge aus ärmlichen Heidesanden.

Reppen wurde vermutlich erst nach dem „Poleneinfall“ von 1326 als fester Ort angelegt.

Der Grundriss des Ortes ist fast rechteckig. Es gibt 3 fast gerade Längsstraßen, 4 Querstraßen,

4 Quergassen, einen großen Marktplatz und 3 starke Wälle an den Landseiten.


1329

Der Markgraf bestätigt der Stadt Grenzen und Einnahmen.

1566

Der Ort wird von der Pest* heimgesucht.

1598

Pest

1600

Pest

1613

Pest

1631/32

Pest mit 700 Toten im Ort

1656

Pest mit 400 Toten

1800

Im Ort leben nur noch 33 Ackerbürger. Es gibt 36 Braustellen, Tuchmacher, mehrere kleine Wollspinnereien, Schuhmachereien, die Kartoffelstärke-Fabrik, 5 Sägewerke und eine Torfgräberei/-stecherei.

1879

Die Pfarrkirche St. Katharina wird vollendet.

1883

Das Rathaus wird als Backsteinbau errichtet.

1895

Der Ort beherbergt 4.556 Einwohner.

1905

Im Ort leben 4.530 Menschen.

1906

Etwa in diesem Jahr zieht Karl Johann Friedrich Sommer nach Reppen (eventuell dort bei „Sommer“ wohnend). Auch sein Onkel Carl Sommer (* Buckow 1803, Mühlenmeister) oo Keyling lebte zeitweilig in Reppen. Jener hatte dort einen Sohn mit Familie, wohl ungefähr in dem Alter, wie Karl Johann Friedrich Sommer.

1909

Am 28. Juni stirbt der Witwer Karl Johann Sommer in Reppen.

1925

Der Ort hat einen Aufschwung erhalten. Nun leben hier 5.180 Personen.


Anmerkung zur *Pest. Was damals als Pest bezeichnet wurde, könnte auch die Cholera gewesen sein. Der mikrobiologische Nachweis konnte noch nicht geführt werden.

Für die Menschen, die an der Krankheit starben, machte das aber keinen so großen Unterschied.


1909

In diesem Jahr könnten Elisabeth und ich das Fest der Goldenen Hochzeit begehen, wenn sie mir nicht schon vorausgegangen wäre.

Am 28. Juni sterbe ich in Reppen in meinem 78. Lebensjahr und folge ihr somit. In Nowawes hatte ich meinen Wohnsitz ordentlich umgemeldet, (dass ist eine Annahme von Chris J.) weil / so dass dort im Standesamt oder in der Friedrichskirche nichts mehr über mein Ableben nachzulesen ist. Polizeiliche Melderegister werden nicht mehr geführt oder sind nicht erhalten.

Die Zukunft wird wissen, dass Deutschland sowohl in fünf Jahren einen großen Krieg beginnen wird, infolge dessen vier Jahre später das Kaiserreich zerfällt. Aus der Geschichte wird aber nichts Wesentliches gelernt, denn aus Sicht des heutigen Jahres steht bereits in 30 Jahren der Zweite Weltkrieg an. Zu dessen Ende, 1945, werden die Grenzen verschoben, Reppen wird polnisch und heißt dann Rzepin. Der Hass auf die Deutschen ist groß – selbst die deutschen Kirchenbücher werden verbrannt und die deutschen Grabdenkmäler auf dem Friedhof zerstört. Ihr werdet also in diesen Quellen, die dann versiegt sein werden über die Sommers und die Keylings nichts mehr nachlesen können – was auch immer Ihr für die Familiengeschichte sucht.


Damit habe ich aber nichts mehr zu tun, denn ...




Es ist ein glücklicher Teil unseres Lebens, dass wir sterben dürfen. Es geht ja nichts verloren. Vieles, was wir gedacht und versucht haben, lebt in anderen weiter.


Dietmar Schönherr













Und so etwa hat wohl der standesamtliche Eintrag über mein Ableben ausgesehen, der aber eben wohl nicht mehr existiert:



C


Sterbe-Anzeige und -Eintrag Nr. - / 1909


des Standesamtes in Reppen (Neumark, Kreis Weststernberg)

_____________________________________________________________________________


Reppen, am 29. Juni 1909



Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,


der Persönlichkeit nach auf Grund seines Zeugnisses


über die ––– Prüfung anerkannt,


der N.N.,


wohnhaft in Reppen und zeigte an, daß


Karl Johann Friedrich (genannt Fritz) Sommer


77 Jahre alt, evangelischer Religion,


wohnhaft in Reppen bei dem Anzeigenden,


geboren zu Potsdam, am 13. November 1831,




    Sohn des Schuhmachermeisters Johann Friedrich Sommer

    und seiner Ehefrau Caroline Wilhelmine, geborene Keilbach,

    beide zuletzt wohnhaft in Nowawes und dort verstorben,


zu Reppen in des Anzeigenden Wohnung


am 28. Juni 1909 verstorben sei.


Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben


gez. N. N.


Der Standesbeamte


In Vertretung gez. (Unterschrift)




Quelle: Eigendarstellung


Ein Nachtrag:

Nicht völlig klar ist uns viel später Nachgeborenen, warum unser Vorfahre Friedrich Sommer nach Reppen umzog. Fast alle Familienangehörigen, von denen wir bisher durch die Ahnenforschung Kenntnis erlangt haben, leben im Raum Potsdam. Und trotzdem löst er sich von hier. Soviel ist klar: Er fuhr nicht nur besuchsweise nach Reppen, sondern hat sich wahrscheinlich bei Kirche und Polizei in Nowawes abgemeldet. Keine Spuren von Nachrichten über sein Ableben stehen im Kirchenbuch oder sind beim Standesamt zu finden. Und Unterlagen (Kirchenbuch und Standesamt Reppen) sind ja nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen dort auch vernichtet worden.

Wer oder was zog ihn im Alter von 74 Jahren so mächtig dorthin, ihn, der wohl sein gesamtes bisheriges Leben in Potsdam und Nowawes verbracht hatte? Wohin zog er dort (Anschrift)? Möglicher Weise zu Sommer-Nachkommen seines Onkels (Bruder seines Vaters), des Müllers Carl August Sommer und dessen Frau Caroline Emilie Henriette Sommer, geborene Keyling? Carl Sommer war aber bereits 1892 in Nowawes gestorben seine Frau schon früher hier in Reppen. Diese hatten einen Sohn, der natürlich ebenfalls Sommer hieß, über den uns aber nichts bekannt ist. Von dessen Existenz wissen wir nur aus dem standesamtlichen Sterbeeintrag, Nowawes, zu seinem Vater Carl. Die Kinder von Friedrich (Hedwig, Paul, Marie und Max Sommer) hätten uns darüber wohl noch etwas berichten können – aber sie starben ja vor der Geburt des Chris Janecke, dem Familienforscher. Jener Sommer-Sohn in Reppen, also ein Cousin des Friedrich, kann etwa ähnlich alt wie Friedrich Sommer gewesen sein (zu dessen Eltern das folgende Datenblatt!)

Baute Friedrich im Alter dort in Reppen nochmals einen eigenen Hausstand auf oder wohnte er, eher anzunehmen, bei der Reppener Sommer-Familie mit ein?


Auf dem Friedhof in Reppen finden sich auch keine Spuren. Die deutschen Grabsteine wurden nach 1945 gründlich beseitigt, stellten wir bei einem Besuch in Reppen fest (siehe Nachwort „Zeit ist vergangen“.)





Das dritte Kind von

Johann Friedrich Gottfried Sommer und Johanna Charlotte Wegen

in Buckow am Schermützelsee (Oberbarnim / Oderland)



Generation 06

Generation 06


Name:


Sommer



Keyling


Vornamen:


Carl August



Caroline Emilie Henriette

Deren Eltern

(Großeltern):


Vater: Sommer, Johann Gottfried

Mutter: Wegen, Johanne Charlotte




Ihre Eltern und ihr eigener Geburtstag sind uns unbekannt.

Zur Kenntnis nehmen konnten wir lediglich vorerst, dass es gemäß Einwohnerverzeichnis der Stadt Reppen (Neumark) einen invaliden Feldwebel, Boten und Exekutor beim Stadtgericht namens Keyling gab.


Quelle: Landeshauptarchiv Potsdam, Einwohnerverzeichnis Reppen, 1829.


Geburt


Buckow am Schermützelsee (Oberbarnim) im Oderland, am 18. Dezember 1803.



Taufe:


am 26. Januar 1804. Taufzeugen:

1. Strumpfwebermeister Johann Friedrich

Nötzel,

2. Junggeselle Johann Plötze,

3. Junggeselle Johann Wegen,

4. Jungfrau Friederike Schmidt,

5. Jungfrau Elisabeth Sophie Mest,

6. Frau Charlotte Justine Schultze, geb.

Gallaun.


Quelle: Kirchenbuch Buckow, 1803, S. 356, Nr. 38.



Beruf: / Stand:


Müllermeister / Mühlenmeister, aber auch als Mühlenbauer erwähnt. (Anmerkung: Grundsätze zum Mühlenbau und der Mühlenreparaturen gehörten ohnehin zur Meisterprüfung eines Müllers).



Hausfrau und Mutter eines Sohnes.


Wohnanschriften

vor der Ehe:



Buckow,

weitere noch unbekannt



Reppen?



Trauung / Eheschließung:


Wo und wann, ist wegen des Kirchenbuchverlusts (Reppen Neumark, Kreis Weststernberg) noch unbekannt.



Wohnanschriften

während der Ehe:


Buckow wohl nicht. Unter anderen Orten vielleicht auch in Reppen?


Wohnanschriften

im Witwerstand:


Die vorletzte Adresse: Carl Sommer wohnt 1892 in Gerresheim bei Düsseldorf.

Die letzte Anschrift: Ab 17. Oktober 1892: Nowawes, bei Potsdam, Priesterstraße 9.


Müde, alt und vermutlich auch krank, traf er bei seiner Nichte Caroline Marie Weltzer, geborene Sommer ein, um sich dort pflegen zu lassen.




Tod / Gestorben:


Am 15. November 1892, um 1½ Uhr am Nachmittag, einen knappen Monat nach seiner Ankunft starb Carl hier in Nowawes, mit 88 Jahren / 10 Monaten / 28 Tagen.


Der Arzt notierte für das Standesamt in Nowawes im Sterbe-Eintrag Nr. 247 / 1892, am 16. November 1892, zum Ableben des Carl August Sommer:

Er starb an Altersschwäche mit Lungenlähmung (Atemstillstand).

Er hinterlässt über 130,-- Mark.

Er hinterlässt einen großjährigen Sohn (dessen Name und Anschrift werden nicht erwähnt).

Bestattet am 18.11.1892 im Friedgarten der Friedrichskirche, Nowawes, Mittelstraße.

Reg. Nr. 207 / 1892.



Caroline offenbar in Reppen im Kreis Weststernberg (Neumark) zeitlich vor ihrem Ehemann verstorben.


Deutsche Kirchenbücher aus Reppen gibt es seit 1945 für das polnische Rzepin nicht mehr. Vernichtung.



Das Kind von

Carl August Sommer oo Caroline Emilie Henriette Keyling


Das Ehepaar Sommer hatte mindestens einen Sohn, dessen Vornamen, Geburt, Beruf und Aufenthaltsorte uns aber nicht bekannt sind.


Geboren vermutlich etwa zwischen 1825 und 1835, eventuell in Reppen, Kreis Weststernberg, in der Neumark. Name vielleicht: Carl ... ... Sommer.




Zeit ist vergangen.

Rzepin 1993: Am Montag, den 28. Juni 1993, das ist der 84.Todestag des Karl Johann Friedrich Sommer, begeben sich seine Nachkommen Chris Janecke und dessen Sohn Martin auf den Weg ins polnische Nachbarland, in der früheren Neumark.

Der Bahnhof liegt außerhalb des Ortes.

Der Ort vermittelt eher den Eindruck einer Ackerbürgersiedlung, als den einer geschlossenen Stadt, der früheren Kreisstadt des Kreises Weststernberg.

Einzelne alte, repräsentative Bauten stehen noch an der Hauptkreuzung, so das frühere Kreiskrankenhaus, heute als Schule genutzt und als Internat des Lyceums. Ein Platz, den man als Marktplatz bezeichnen könnte, wird bestimmt von den Bauten des Krankenhauses und der Kirche. Hier finden sich auch mit Häuserzeilen geschlossene Straßenzüge, zumeist zweistöckig bebaut. Ansonsten vermittelt der Ort mit seinen in den Gärten liegenden Häusern (auch einzelnen Villen) eher einen Siedlungseindruck, schon wenige Straßen „vom Zentrum“ entfernt, eher dörflich anmutend – ein krasser Gegensatz zu den unweit entfernt stehenden alten Repräsentationsbauten.


Über die heutige Einwohnerzahl des Ortes können wir bei Bewohnern nichts in Erfahrung bringen. Die Verkaufsstellen, zum Teil in leichten Kiosk-Bauten untergebracht, machen einen sehr schlichten Eindruck. Frische Lebensmittel sehen wir kaum. Ein reichhaltiges Angebot gibt es an Waschmitteln, Videofilmen, Konserven, Haushaltgeräten und Spielzeug. Auf einem großen Trödelmarkt werden heute Waren aller Art feilgeboten. Ansichtskarten vom Ort gibt es aber nicht, weder neue noch alte, geschweige denn, einen Stadtplan oder Literatur über Rzepin/Reppen.

Am Imbiss-Kiosk essen wir „Hot Dogs“, Spieß mit Wurst- und Speckscheiben, dazu Brötchen. Die Portion der schlichten Mahlzeit kostet 7.000 Zlotych, das entspricht etwa 0,70 Deutsche Mark (ab 2002 wird man die Kosten dieser Mittagsmahlzeit mit etwa 35 EURO-Cent beziffern) – aber auch diese Preise werden sich dort in Polen gewiss bald ansteigend ändern.


Wir aber sind ja auf der Spurensuche: Zum Friedhof führt uns ein ansteigender Zugangsweg, flankiert von großen, alten Bäumen, zwischen denen man mehrere Ruhebänke aufstellte. Hier rasteten auch wir in stillem Gedenken. Der Friedhof stellt sich uns zweigeteilt dar. Offenbar hat man ihn bereits zur Zeit seiner Entstehung so geteilt angelegt, die Hälften mittels einer halbhohen Mauer getrennt. Eine Hälfte ist heute ausschließlich mit Gräbern polnischer Verstorbener belegt. Auf diesem genutzten polnischen Teil steht ein einfacher Abschieds- und Gedenkraum, indem gerade der Sarg und nur wenige Sitze für Trauergäste Platz finden.

Die andere Hälfte bietet den Anblick eines Wildparks, große Bäume mit viel Unterholz überschatten diesen Teil. Die früheren deutschen Grabhügel sind (meine Vermutung: bald nach dem Kriegsende 1945 ... 1948) eingeebnet worden. Grabsteine, deren Beschriftung Auskünfte geben könnten, sind nicht mehr anzutreffen. An den Innenseiten der Friedhofsmauer befinden sich Nischen für Grabmal-Tafeln und darin wenige Bruchstücke, nicht sauber entfernter Reste früherer deutscher Grabplatten. Auf einer einzigen in die Mauer eingelassenen (zerstörten) dicken Glasplatte ist gerade noch lesbar: „Karl Lange, gest. 1909“. Eine ähnliche, auf der vielleicht stünde „Fritz Sommer, gest. 1909“ finden wir leider nicht. Möglicher Weise kannten sich die beiden Männer aber sogar? Wer weiß das schon? Wir finden also auch keine weiteren Namensvettern – und treten nach diesem Ausflug die Heimreise ins Brandenburger Land und in die Jetzt-Zeit an.



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