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Zur Ahnenliste „Janecke“ gehörend:


Pauline Elisabeth Käthe Janecke


* Berlin-SO (später Kreuzberg), 13. Oktober 1897 bis † Potsdam-Babelsberg, 12. Nov. 1978, 81 J.


Sie war kurze Zeit verheiratet mit dem Techniker


Wilhelm Paul Richard Kümmel


Das wollen wir, ihn ehrend, hier erwähnen.


Ein Beitrag zur Familienforschung und Heimatgeschichte


Zusammengestellt von Chris Janecke, Bearbeitungsstand: Januar 2024,

Eventuelle Ergänzungen von Lesern bitte an E-Mail: chris@janecke.name


Zu diesem Text gibt es einige Bilder – bitte hier klicken.

Es empfiehlt sich die Bilder zuerst ansehen, denn von diesen erhältst du eine Vorstellung

zu den im Text genannten Personen und Örtlichkeiten.


Bei der oben genannten Person handelt es sich um eine Tante = Vaterschwester des Autors.

Wenn du Interesse hast, mehr darüber zu lesen, was sich in dieser Zeit im Leben der Menschen abspielte, so sieh’ bitte auch in die Dokumentationen „Zeitgeschichte“ und „Zeitgenossen“.


Ein Zukunftswunsch:



Bewahret einander vor Herzeleid!

Kurz ist die Zeit, die ihr beisammen seid.



Wegweiser für die Beziehung zwischen der Hauptperson dieser Niederschrift, den früheren und den heute lebenden Personen dieses „Familienzweiges“.

Man kann diese Liste auch gern von unten (aus der Gegenwart) nach oben lesen.


Generation

Zeitraum


Namen des jeweiligen Ehepaares

08


Joachim Janeke oo (noch unbekannt)

07

1778 bis n. 1807

Andreas Christoph Janeke oo Catharine Margarethe Later

06

1807 bis 1887

Joachim Heinrich Janeke oo Catherina Elisabeth Betke

05

1839 bis 1912

Carl Friedrich August Janecke oo Dorothee Elisabeth Neumann

04

1869 bis 1950

Fünf Dittwaldt-Geschwister, darunter auch:

Pauline Klara Antonie Dittwaldt oo Karl Friedr. August Janecke

03

1897 bis 2003

Anne-Marie Sommer oo

Alfred Richard Janecke

dessen Schwester: Pauline Elisabeth Käthe Janecke

02

1945 bis

Der Autor dieser Niederschrift – Chris Janecke

01


Die Söhne des Autors

(zu näheren Angaben besteht ein noch gewünschter Datenschutz)


Zu den meisten der vorstehend genannten Ehepaare (und vielen weiteren) gibt es eigene Lebensläufe auf dieser Internetseite.


Die Kinder der Eltern

Wilhelm und Pauline Kümmel



Die Kinder der Eltern

August und Klara Janecke


Nr.

Lebensdaten der Kinder



Nr.

Lebensdaten der Kinder

1

Anna Kümmel

* Nowawes,17. August 1891



––

––––––

2

Wilhelm Paul Richard Kümmel

* Nowawes, am 16. Oktober 1895


Beruf: Techniker


1

Pauline Elisabeth Käthe Janecke

* Berlin, 13. Oktober 1897


Tätigkeiten: Putzmacherin (Hutgestaltung), Schneiderin, Bürotätigkeit,

Im Krieg: Hilfskrankenschwester


3

Wilhelm Kümmel

* Nowawes, am 22. September 1899




2

Alfred Richard Janecke

* Rixdorf bei Berlin, 01. Oktober 1900

Beruf: Techniker








–––––










Wilhelm Paul Richard Kümmel und Pauline Elisabeth Käthe Janecke





Generation: 03



Generation: 03

Name:


Kümmel

Janecke

Vornamen:


Wilhelm Paul Richard

Pauline Elisabeth Käthe

Deren

Eltern,


Gene-ration

04



Väter:


Webermeister

Wilhelm Kümmel

* Nowawes,

25. März 1861

Carl Friedrich August (der Jüngere) Janecke,

* Osterburg (Altmark), am 18. September 1869.

Verwalter, Fuhrherr, Buchhalter, Gastwirt, Geschäftsführer, Kaufmännischer Angestellter.


Mütter:

Pauline, geb. Schaich

* Nowawes,

16. August 1863


Pauline Klara Antonie Dittwaldt

Mutter zweier Kinder.

* Berlin, am 03. November 1872

Geboren:


Nowawes,
Turnstraße 43,
am 16. Oktober 1895, 2 Uhr am Nachmittag.


Berlin-Südost (späteres Kreuzberg), im großelterlichen, dem Dittwaldtschen Haus, Kottbuser Damm 34,

am 13. Oktober 1897, vormittags um ein Uhr.


Taufe:


Nowawes, Friedrichskirche, am 10. November 1895, Oberpfarrer. Dessin,

Die Paten:

1. Selma Kümmel

2. Frau Auguste Arnim

3. Marie Kümmel

4. Pauline Schaich

5. August Pfeigger


Quelle: KB Band 11, 1895, Nr. 320.

Berlin-Südost, in der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“, Zossener Straße,

am 03. November 1897, evangelisch.


Die Paten:

1. Eretier, Anweiser

2. Gustav Weiland, Restaurateur (Gastwirt)

3. August Zelm, Fuhrherr

Quelle: Taufbuch 1897, S. 263, No. 2091.


Als Erwachsene wendet sich Käthe der evangelischen Glaubensgemeinschaft der „Adventisten“ zu.


Schulbildung

Volksschule,

Berufsschule,

Kurse der Weiter-bildung zum Techniker

8-klassige Volksschule für Mädchen, „Charlottenschule“ in Potsdam,

Charlottenstraße.


Anschriften


Nowawes,

Turnstraße 43

1897 bis 1899: Berlin-Südost, Kottbuser Damm 34.

1899, Rixdorf bei Berlin, Steinmetzstraße 61 (=> spätere Kienitzstraße)

1899 bis 1903: Rixdorf, Jägerstraße 69 (=> spätere Rollbergstraße)

Kurzzeitig: in Britz bei Berlin, Werderstraße 53 (=> spätere Wederstraße 53)

1903 bis 1911: Neuendorf bei Potsdam, Wiesenstraße 20–22.

Ab 1.1.1912: Britz, Hannemann-Straße 32 a,

Ab September 1915: Nowawes, Mittelstraße 7–9

Ab 1917: Nowawes, Mittelstraße 22 (=> spätere Wichgrafstraße 22)

Ab Nov. 1926: Nowawes Mittelstraße 6 (Ehezeit) => aber bald wieder in der Mittelstraße 22.

Ab 1950–1978: Potsdam-Babelsberg, Pestalozzistraße 10


Tätigkeiten:


Arbeit als Techniker


Putzmacherin (Hutschmuck), im 1. Weltkrieg: Verwaltungstätigkeit in der Kaserne, Haushaltsführung + Bürohilfe, im Zweiten Weltkrieg: Rote-Kreuz-Schwester (geschulte Laientätigkeit), Schneiderei.


Eheschließung:


Standesamt Nowawes, am 06. November 1926, Nr. B 182 / 1926.


Trauung,

evangelisch

Nowawes, Friedrichskirche, am 06. November 1926,

Pfarrer Viktor Hasse. KB Reg.-Nr. B 51 / 1926.


Ehe-Scheidung

Trennung 1927.

Rechtskraft des Scheidungsurteils 12. Nov. 1930.


Lebensende:

Bestattet:

In zweiter Ehe: Potsdam-Babelsberg, am 20. Januar 1975,

79 Jahre alt.

Bestattet auf dem

Kirchhof Babelsberg.


Käthe starb an Altersschwäche in ihrer Wohnung am 12. November 1978. 81 Jahre alt.

StA Potsdam, C 1792 / 1978.

Bestattung: Friedgarten Babelsberg, Wichgrafstraße 29.


Ausgewählte Ereignisse des Lebens der Käthe Janecke


Vorbemerkung:

Der Text liest sich nicht so flüssig wie ein Roman. Es werden absichtlich immer wieder solche Begebenheiten wie Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle aus der unmittelbaren Verwandtschaft genannt, mit Namen, die dem Leser fremd erscheinen, die aber für die Familienforschung, für die Kenntniss der Familienzusammenhänge, ihre Bedeutung haben.

Im Lauf der Zeiten dieses Lebens der Käthe gab es wohl wesentlich mehr an Erwähnenswertem, als kurz beschrieben wird. Hier stehen nur einige Stichpunkte des Nachgeborenen, der nicht die gesamte Palette der Lebensereignisse überblickt. Dieser Inhalt kann aber erweitert werden, wenn Wissende sich mit Beiträgen beim Autor melden. Käthe Janecke hat der Nachwelt nichts schriftliches hinterlassen. Daher versucht der Autor in ihre Gedankenwelt zu schlüpfen und in ihrem Sinne zu schreiben. –

Nun aber geht es los:


1896

Käthes Eltern: August Janecke und Klara geborene Dittwaldt heiraten am 15. September 1896 in Berlin, drei Tage vor dem Geburtstag des Ehemanns. Trauung in der Emmaus-Gemeinde. Familienfeier zu diesem Fest, im Hause Kottbuser Damm 34, nahe der Hasenheide.


1897

Ich, die Käthe, werde im Hause meiner Großeltern, in Berlin-Südost, Kottbuser Damm 34, also im Dittwaldtschen Hause, geboren – gerade eine Stunde nach Mitternacht des 13. Oktober 1897. Meine Großeltern sind der Zimmermann und Gastwirt August Dittwaldt und Pauline, geborene Zinnow, ist seine Ehefrau.

Am 03. November des gleichen Jahres wird man mich in der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ taufen, also just am Geburtstag meiner Mamá.




(Sinngemäße Abschrift) A


Geburts-Anzeige und -Eintrag Nr. 2527 / 1897


des Standesamtes in Berlin



Berlin, am 18. Oktober 1897


Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach durch Heiraths-Urkunde anerkannt,



der Geschäftsführer

Karl Friedrich August Janecke


wohnhaft zu Berlin, Kottbuser Damm 34,

evangelischer Religion, und zeigte an, dass von der


Pauline Klara Antonie Janecke geborenen Dittwaldt,

seiner Ehefrau, evangelischer Religion,


wohnhaft bei ihm, zu Berlin, in seiner Wohnung,

am 13. Oktober des Jahres 1897, vormittags um ein Uhr

ein Kind weiblichen Geschlechts geboren worden sei,


welches die Vornamen


Pauline Elisabeth Käthe


erhalten habe.



vorgelesen, genehmigt und unterschrieben


gez. August Janecke


Der Standesbeamte

In Vertretung


gez. Gerlach



Randbemerkung: Geheiratet in Nowawes Nr. B 182 / 1926.



Quelle: Schulze-Scan : A K Jan 1897-218 Sinngemäße Abschrift: Chris Janecke








Sinngemäße Abschrift des Eintrags von Geburt und Taufe „A“ des Kindes

Pauline Elisabeth Käthe Janecke

aus dem Kirchenbuch der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“, Berlin-Südost, Zossener Straße.

- Taufbescheinigung -


Ort / Jahr / Seite / lfd. Nummer


Berlin, 1897, Taufbuch Seite 263, No. 2091

Familienname und Vornamen (Taufnamen) des Kindes


Janecke, Pauline Elisabeth Käthe

Ort / Tag und Stunde der Geburt,

ehelich / unehelich


Berlin, am 13. October 1897, früh um 1 Uhr.

ehelich

Vater:

Zu- und Vornamen des Vaters, dessen Stand / Beruf / Gewerbe



Janecke, Carl Friedrich August,

Geschäftsführer

Mutter:

Zu- und Vornamen der Mutter, auch deren Stand



Janecke, geborene Dittwaldt, Pauline Clara Antonie

Wohnung der Eltern


Berlin-Südost, Kottbuser Damm 34

Ort und Tag der Taufe / Konfess.


Berlin, am 03. November 1897, evangelisch

Name des Predigers

(des Pastors / des Pfarrers)


-

Die Namen der Taufzeugen ....

... auch Kindspaten oder Gevattern genannt


1. Eretier, Anweiser

-


2. Gustav Weiland, Restaurateur

(Ehemann der Schwester Marie der Kindsmutter).


3. August Zelm, Fuhrherr

(Ehemann der Tante Charlotte. Sie ist eine Schwester vom Vater des Bräutigams, aus der Altmark stammend.)


Notizen im Kirchenbuch

(Randbemerkungen)


-

Anmerkungen des Abschreibenden




Erfasst aus dem Kirchenbuch von Christoph und Martin Janecke, in Berlin-Kreuzberg, am 24. Juni 1993.

Die (Klammererläuterungen) wurden vom Abschreibenden hinzu gesetzt.


1900

Am 01. Oktober wird in unserer neuen Wohnung: Rixdorf, Jägerstraße 69 mein Bruder geboren, der den Namen Richard erhält. Er wird mein einziges Geschwisterkind bleiben, sagt Käthe.


1902

Der stolze aber besorgte Vater: Unsere Tochter Käthe hat ein ansprechendes Äußeres: Zierlich, wie die Mutter und hübsch noch dazu (auch das so wie die Mutter) – aber sie gibt sich bereits überbetont selbstbewusst und zu eigensinnig – von wem sie das nur hat? – also von mir nicht.

Von mir auch nicht, echot Klara aus dem Nebenzimmer ... und die Großelternpaare sind auch zurückhaltende Leute.


1903

Wir ziehen in das Zweithaus der Großeltern in Britz, Werderstraße 53. Das liegt zwar „jwd“ *) aber Papá kann dort gut die Pferde und Wagen unterbringen. Dem Großvater Dittwaldt tat es leid, dass Papá nicht die gut geführte Gaststätte am Kottbuser Damm 34, im eigenen Hause, übernehmen und weiterführen will. Das Stehen hinter dem Tresen und in der Küche ist jedoch nicht Papás Lebensziel. Er hatte es mehr mit den Tieren und der Abwechselung und er braucht ein bisschen Freiheit, „etwas Auslauf“, wie er sagt. *) janz weit draußen


1904

Am 06. Juni stirbt mein Großvater August Dittwaldt in dem Hause, in dem ich vor 6 Jahren geboren wurde. Er hätte mein Leben länger begleiten sollen. Aber so ist es nun einmal – ich kann's nicht ändern.

Wir ziehen nach Nowawes-Neuendorf, Wiesenstraße 22, weil Papá hier der Verwalter eines Berliner Betriebsteils wird: „Neuendorfer Kalk- und Mörtelwerke“. Ein Grundstück, direkt an dem Flüsschen „Nuthe“ gelegen, von Wiesen und Erlenbruchwald umgeben. Ein idealer Tummelplatz für Kinder, wenn man von den Gefahren absieht, die sich aus dem Fluss und den Fahrzeugverkehr ergeben. Das Grundstück liegt nicht allzu weit vom pulsierenden Ortszentrum entfernt. Diese Stelle hat ihm mein Onkel Alfred Zocher, Ehemann der Schwester meiner Mamá, das ist meine Tante Alma, vermittelt.


1905

Am 19. März begehen wir ein Haus- und Hoffest mit guten Bekannten der Eltern, mit Beschäftigten der Kalk- und Mörtelwerke. Der Betrieb hat außer dem Grundstück Wiesenstraße 22, wo wir wohnen, auch noch den Betriebsteil für Baustoffe, Kohlen und Steinguterzeugnisse in der Potsdamer Straße 8/9 (spätere => Wilhelmstraße 14). Das ist direkt rechts neben dem Deutschen Wirtshaus der Familie Ulrich / Runge und reicht bis zur Charlottenstraße (das ist die spätere Glasmeisterstraße). Dort findet die Festlichkeit statt.

Mamá Klara merkt an: Käthe rauft zwar gerne mal mit Jungen, wenn's unumgänglich ist – meist weil oder auch obwohl diese natürlich „doof“ sind. Leider hat sie aber gar keine Freundin – das sähen wir lieber.

Käthe besucht von diesem Jahr an die Charlottenschule in Potsdam – ihr wisst schon: die Mädchenschule in der Charlottenstraße. Gesangsunterricht hat sie bei Wilhelm Kempff, senior.


1911

Großes Fest in der Charlottenschule. Diese Einrichtung begeht ihr 50-jähriges Bestehen.

Im Sommer darf nun Richard auch alleine Bootstouren mit unserem Punt unternehmen, den Papá im Spaß den „Sargdeckel“ nennt.

Der Chef unseres Papás ist nach Berlin gezogen und Papá wird ebenfalls nach Berlin beordert. Er soll dort der Buchhalter sein, obwohl er das gar nicht gelernt hat. Er wird sich hineinfinden. Aber: „Schon wieder ein Umzug?“, entsetzt sich Mamá. Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt.


1912

Aber nichts hilft. Schon wieder geht es los. Diesmal nach Britz bei Berlin und das am Neujahrs-Feiertag. Das Feierliche fällt aus! Ein Trost ist es, dass wir dort eine sehr schöne Wohnung in der Hannemannstraße 32 a bekommen. Das Haus ist noch fast ganz neu – aber schon mal trockengewohnt. Nach hinten ein kleiner Haus-Park (wenn auch kein Wassergrundstück), nach vorne kein direktes Gegenüber, sondern das weitläufige Krankenhausgelände. Die Orte: Britz, Buckow und Rudow werden bald zusammengefasst und heißen dann: Neukölln, natürlich nicht in Berlin, sondern im Kreis Teltow gelegen.


1913

Mamá ist mit Richard im Botanischen Garten in Zehlendorf, von dort schreibt er mir einen schönen Brief. Er kann das gut. Ich sage dazu wie eine Lehrerin: „Eins rauf, mit Mappe“.


1914

Es beginnt ein großer Krieg. Über uns am Himmel sehen wir oft Aeroplane und auch die großen Zeppeline ziehen vorüber.


1915

Mein Bruder wird am 14. März hier in Britz konfirmiert, in der alten Feldsteinkirche eingesegnet.

Wir ziehen erneut um – von der schönen Hannemannstraße nach Nowawes, Mittelstraße 7–9. Es ist ein Doppelhaus. Papá wird in der Lokomotivbaufabrik „Orenstein & Koppel“ gebraucht. Er bearbeitet dort Kaufmännisches im Bereich der Offerten – für die Angebote und den Verkauf von Lokomotiven in alle Welt. Mein Bruder Richard beginnt die Lehre in einer der Konstruktionsabteilungen des gleichen Lokomotivbau-Betriebes.

Ich werde vorerst beginnen „Putz“ zu lernen (nein, nicht putzen, wie Hausputz). Das bedeutet in Wirklichkeit nämlich, Hüte mit modischem Beiwerk zu gestalten. Na ja, zusammen mit anderen Frauen ... aber immer das Ein- und Unterordnen ... auch unter deren Gestaltungsansichten, das ist eine schwierige Angelegenheit. Immer das machen, was die Chefin sagt. Und erst mal die Gespräche in Frühstücks- und Mittagspausen. Keiner hört auf meine wichtigen Meinungen. Es ist für alle recht nervend. Lange halte ich eine solche Lehrzeit nicht mehr aus.


1916

Vater August: Auch, wenn wir wieder nach Nowawes gezogen sind, besucht Käthe gern alle Tanten, Onkel, (Muhmen und Oheime), Basen und Vettern in Berlin, hält den persönlichen Kontakt und lässt sich dort verwöhnen. Soll sie doch in Maßen, wenn sie bei der Tändelei mit den Vettern nicht ihre Aufgaben vernachlässigt. Ihre Vettern Georg W. und Kurt B. sind zwei Jahre älter als das Mädel.


1917

Käthe: Ich befasse mich gern mit Fragen der Gesundheitspflege, Wundbehandlung (da habe ich viel von Papá gelernt, wie er von den Pferden erzählte). Kräuteranwendungen. Die Prinzipien des Pastors Sebastian Kneipp und vieles andere mehr – ich lebe vollwertig und halbvegetarisch.

Wir bekommen eine schönere und größere Wohnung. Die Umzugsstrecke ist kurz – von der Mittelstraße 7–9 zur Mittelstraße 22. Aber den Umzug müssen wir selbst organisieren, denn Vater ist ja als Soldat im Kriege: im 1. Garde-Dragoner-Regiment und dort als Train-Soldat (Zug-Soldat). Mit Pferden hat er die schweren Geschütze in die Stellungen der Frontlinien zu ziehen.

Zur Weihnachtszeit erhält er aber Kurz-Urlaub und wir fertigen ein Foto von ihm im Hof vor dem Schlafzimmer-Fenster der Eltern. Alle Lebensmittel sind rationiert. Kohlrüben essen wir in jeder Form zu jeder Gelegenheit – die meisten davon sind unpassend.


Auch ich bin für König, Volk und Vaterland – beim Militär in der Schreibstube der Kaserne angestellt.

Papás jüngerer Bruder, Onkel Wilhelm Janecke, schreibt aus dem Lazarett. Er ist im Krieg verletzt worden hat aber die Verwundung überlebt.


1918

November. Der Krieg geht zu Ende. Der Kaiser hat allen gedankt oder richtiger: Max von Baden hat es übernommen, in seinem Namen abzudanken.


Onkel Wilhelm Janecke, der in Osterburg Geborene, Zimmermann von Beruf, der vor dem Krieg zuletzt in Wittenberge wohnte, meldet sich nicht. Wir hören und lesen nichts mehr von ihm. Keinerlei Nachricht. Für uns ist er verschollen. Doch Halt! Er wollte doch schon lange nach Amerika auswandern und so hoffen wir, er sei glücklich ausgereist und führt dort ein gutes Leben.

Aber, dass er nun so ganz fort – ohne ein Lebenszeichen und Ad-tschüss zu grüßen ...


Vom Neffen Chris Janecke, dem Autor dieses Berichts, nachgetragen:

Leider blieb Wilhelm Janecke nach der Verwundung im Vorjahr (1917) und Wiedererlangung seiner Diensttauglichkeit nur vorläufig am Leben.

Er starb als Soldat (Kanonier) im Kampfeinsatz am 12. September 1918, zwei Tage nach seinem 48. Geburtstag und zwei Monate vor Kriegsende.


Quelle: Genwiki. Verlustlisten Erster Weltkrieg, Ausgabe 2099, 1918-09-12,

Seite 26.209, der Datenbank von wiki zugefügt 2014-07-04.


Niemand aus der Familie, aus der Verwandtschaft, erfuhr wohl etwas vom Soldatentod des Onkel Wilhelm. Das tatsächliche dramatische Lebensende des Wilhelm Janecke, ein Schicksal das er mit Millionen anderer Menschen teilte, wurde den Nachkommen des Familienverbandes wahrscheinlich nun erst jetzt, nach einem Jahrhundert, bekannt.

Wilhelm war eines der unzähligen Opfer, die sinnlos „auf dem Felde der Ehre für Kaiser, Volk und Vaterland fielen“ – aber eine solche Darstellung bedarf der Korrektur, um sich der Wahrheit zu nähern:

Es war keine Ehre auf diesem Feld. Es war ein Kampffeld unsinniger Aggression u. a. im überfallenen benachbarten Land. Es war kein Einsatz für unser Volk, etwa um heimatliche Werte zu verteidigen. Wilhelm und seine Kameraden fielen nicht einfach,

sie wurden erschossen, zerfetzt von den verzweifelten Verteidigern ihrer französischen Heimat. –


1920

Der „geheime“ Autor Chris meldet sich wieder zu Wort: Wenn hier im Dokument statt „Käthe“ auch mal „Käte“ oder „Käti“ zu lesen ist, so handelt es sich nicht um ein Versehen, nicht um Schreibfehler. Die gereifte Namensträgerin selbst, fand die Schreibart des Vornamens („was sich die Eltern da im vorigen Jahrhundert so ausgedacht hatten“) zu altmodisch und modernisierte das „h“ oft fort. – „Käti“ ist dagegen erlaubt – gern gehört.


Und, wenn auch ihr eine nähere Vorstellung von mir haben möchtet - so etwa sehe ich, Käte, aus:

- Körpergröße - etwa 1,60 m oder ein wenig mehr

- Körperform - als „Backfisch ansehnlich“, später auch aber dann doch eher zierlich zu nennen.

- Kopf- und Gesichtsform - unauffällig / wohlgerundet

- Nase und Kinn - klein

- Ohren - hübsch, ansonsten eher unauffällig, mit angenehmen kleineren Muscheln

- Mund - wohlgestaltet, Lippen: gefüllt

- Haartracht - naturgegebene leichte Welle

- Haarfarbe - schwarz

- Augenfarbe - grünbraun gesprenkelt

- Augenbrauen - natur-betont

- Besondere Kennzeichen - Kurzsichtigkeit, aber mit angenehmer Korrekturhilfe

Summa Summarum: - Ganz passabel, wohl recht ansprechend, nicht wahr?


1921

Am 15. September begehen unsere Eltern den Tag ihrer Silberhochzeit. Mamá ist 48 Jahre jung und Papá wird in drei Tagen sein 52. Lebensjahr vollenden.

Mein Vetter Kurt studiert inzwischen gemeinsam mit Wernher Bauer in Tübingen Philologie, sein Bruder Johannes B. ist Gutsinspektor in Zehlendorf und die Brüder Georg und Bruno Weiland sind im Bankfach tätig.


1922

Unser Onkel Max Dittwaldt zieht mit seiner Frau Gretel von Deutsch Eylau nach Königsberg – weit mehr als 10 Bahnstunden weg von uns. –

Eigentlich wollte ich ja in diesem Jahr die Kunst des Radfahrens erlernen aber die beiden jungen Männer die mit mir üben sollten (oder es gerne wollten – also jene konnten es schon), lachten einfach über mich, als es mir mit dem Halten des Gleichgewichts nicht sogleich gelang. Das machte mich wütend – ich bin doch schließlich auf solche Burschen nicht angewiesen – und habe dieses Vorhaben aufgegeben.


1923

Die große Inflation. Unser Geld wird immer weniger wert. Viele Menschen verlieren ihre Arbeit und damit Lohn und Brot, oft auch Haus, Hab und Gut. Es kosteten bisher und jetzt:


Ausgewählte Artikel

1914

Geldeinheit: Pfennig(e)

1922

Geldeinheit:

Mark

1923, im November

Geldeinheit:

Milliarden Mark

Brot, 1 Pfund (500 Gramm = ½ Kilogramm)

14

24

260

Fleisch, 1 Pfund

90

1.200

3.200

Butter, 1 Pfund

140

2.400

6.000

Kartoffeln, 1 Pfund

4

80

50

Zucker, 1 Pfund

24

450

250

Hühnerei, 1 Stück

8

180

80

Fassbier, 1 Glas, 0,3L

13

60

150

Streichhölzer, 60 Stück

1

20

55


Das „Währungskarussell“ dreht sich immer schneller, Löhne zahlte man erst wöchentlich, dann täglich (z. B. aus dem Wäschekorb), weil das Geld nun schon wenige Stunden später nahezu wertlos wurde. Die tägliche Neufestsetzung der Preise für Lebensmittel und andere Güter erlangt „Normalität“. Die Anti-Wucher-Polizei geht um.

Im Dezember 1922 wurde 1 US-$ mit 7.350 Deutschen Mark aufgewogen. Am 20. November 1923 kostete 1 US-$ dagegen 4,2 Billionen Deutsche Papiermark.

Danach kam der Währungsschnitt: 10 Milliarden der bisherigen oder besser gesagt, der momentanen Deutschen Mark, sind neu 1 Rentenpfennig oder Goldpfennig wert.


1924

Ich fahre wieder nach Berlin, „mit einer großen Neuigkeit“. Bisher nutzten wir die Dampfeisenbahn. Von jetzt an fährt die elektrische Schnellbahn oder auch Stadtbahn, wir sagen nur kurz: S-Bahn.


1925

Ich bin frisch verlobt. Mein Verlobter ist der Techniker Richard Kümmel. Ein feiner Mensch. Ein stiller, zurückhaltender Mensch.

Sein Vater ist der Webermeister Wilhelm Kümmel, der in der Turnstraße 43 wohnt. Sein Großvater wiederum hieß Carl Friedrich August Kümmel, genauso wie unser Vater mit Vornamen. Kümmel kannte ich bisher nur von der Berliner Schanktheke. Der hiesige Kümmel, senior war geboren am
02. Januar 1823 und starb aber schon am 30. Juni 1900. Mit „schon“ meine ich, dass dieses traurige Ereignis, was uns alle ereilen wird,
bereits 26 Jahre her ist und ich ihn deshalb nicht mehr kennenlerne. Er war die ewige Zeit von sage und schreibe 49 Jahren verheiratet und starb mit 77 Jahren und 5 Monaten nach einem Schlaganfall. Die Kümmels kamen schon vor 1790 aus Sachsen hierher, als der Ort Nowawes noch ziemlich neu, noch keine vierzig Jahre alt war. Und die ersten ihrer Sippe nach der Namensgebung bauten wohl Gewürze an oder handelten mit diesen. In Thüringen und auch in Sachsen soll Kümmel ja gut wachsen.


Die Geschäfte von Orenstein & Koppel sind rückläufig, obwohl Papá fleißig daran arbeitet, viele Lokomotiven zu verkaufen. Eine hässliche Überraschung zu Weihnachten: Sowohl Papá, als auch Richard werden entlassen, sind arbeitslos. Unser Vater klebt Marken und Richard bereitet sich darauf vor, in das kalte Wasser einer beruflichen Selbständigkeit zu springen.


1926

Käti: Am 01. Mai eröffnet mein Bruder Richard, nicht ohne Bauchschmerzen, seinen eigenen kleinen Betrieb – und Braut-Vater August Janecke denkt über die bevorstehende Eheschließung seiner Tochter etwa in dieser Art nach:

Wenn’s nur gut geht. Wir sagen nicht umsonst: „Das Käthchen mit’m Zopp, hat ein Rädchen in dem Kopp“ und manchmal dreht es sich eben recht eigensinnig in diesem Dickkopf und auch will sie mit jenem oftmals partout durch die Wand. Mit nur wenigen Leuten kommt sie auf Dauer ohne Zusammenstöße klar. Nun, gut – man soll nicht unken, noch dazu, wenn der recht passable Richard Kümmel diese Portion Mut aufbringt ... eine Sorge weniger bei uns.

Das junge Glück hat eine Wohnung in der Mittelstraße 6, über der Gaststätte „Billardheim“ bekommen (also eine Treppe hoch, die Tür geradezu); schräg gegenüber unserer früheren Wohnung im Doppelhaus Nr. 7–9. Kaufmann Schötz ist der Eigentümer, der monatlich ihre Wohnungsmiete kassieren kommt.


Auf der hinteren Umschlagseite der Hochzeitszeitung ist zu lesen:


Achtung!

Um späteren zu großem Andrange

vorzubeugen und damit jeder einmal

drankommt, bitten wir alle, welche

Lust haben bei unseren Sprösslingen Pate zu

stehen, sich baldigst in die nachstehende

Liste einzutragen.


- Käte und Richard -


Gern haben sich in die Liste eingetragen:


Nr.

Name

Wohnort


Nr.

Name

Wohnort

1

A. Rich. Janecke

Jüngerer Bruder der Braut

Nowawes,

Mittelstraße 22


10

Klara Janecke

Mutter der Braut

Nowawes,

Mittelstraße 22

2

Anna Oldag,

gen. Golda – sagte gern etwas über die Zukunft voraus

Potsdam,

Drevestraße 4


11

Alma Zocher

Tante = Jüngste Schwester der Brautmutter

Düsseldorf,

Hermannstraße 4

3

Richard Oldag

(Schlosser und Lokomotivführer)

Potsdam

"


12

Max Dittwaldt

Einziger Onkel der Braut, Bruder von Klara und Alma

Königsberg

(in Preußen)

4

Günter Oldag

Potsdam

"


13

Gretel Dittwaldt

geb.Goeritz, Maxens I. Ehefrau

"

Bachstraße 25a. E

5

Margarethe Kümmel

Potsdam


14

Richard Kümmel

Bräutigam, Techniker,

Mitglied Deutscher Turnerbund

Nowawes

Mittelstraße 6

6

Wilhelm Kümmel, d. Jü.

Tischler-Meister

Potsdam


15

Käthe J Kümmel

Braut, bis 5. Nov. Mittelstr. 22

Nowawes,

Mittelstraße 6

7

Pauline Kümmel

Mutter des Bräutigams

Nowawes,

Turnstraße 47 a


16

Erna Zeeck

Besitzerin der Hündin >Senta<

Nowawes

8

Wilhelm Kümmel, d. Ält.

Vater des Bräutigams, Weber-Meister

Nowawes

Turnstraße 47 a


17

-


9

August Janecke

Vater der Braut

Nowawes

Mittelstraße 22


18

-



Welch' eine gute und schöne Liste sehen wir vorstehend. Sogar das Brautpaar (14 und 15) bewarb sich darum, Taufpaten bei ihren eigenen späteren Kindern zu werden. Dieses Vorhaben ist ganz wunderbar. Aber die Zukunft und wir – wir wissen ja inzwischen darum, dass es in dieser Ehe zu keinem Kindersegen kam. – Eine solche Krönung des Lebens tritt viel später noch ein, bleibt der zweiten Ehe des Richard Kümmel mit der Erna vorbehalten. –

Nun ja, es war so, dass der Bruder von Käthe, A. Richard, diese Hochzeits-Gazette gestaltet hatte, das junge Ehepaar zumindest auch mit jener noch nicht vertraut war, die Überschrift der Liste wohl im Trouble gar nicht gelesen hatte, sondern das Blatt eher als Anwesenheitsnachweis auffasste.

(Das in der Liste Kleingedruckte wurde vom Autor erst ein Menschenalter später hinzugefügt.)


1927

Ein kurzes, etwas schwieriges „Glück“, dem bald die Trennung folgte. Käti, eben noch Frau Kümmel, kommentiert sinngemäß:

Die freundlichen Adressbuch-Redakteure folgten 1927 treu dem Bescheid, den ich, Käti, ihnen erteilte. Sie ließen also als Wohnungsinhaberin drucken:

Janecke, Elisabeth, Fräulein, Mittelstraße 6.


Neu gemachte Identität. So ist es recht! Punktum! Käthe Kümmel nicht und als Ehefrau dienend oder diese vielleicht überhaupt nicht erwähnt, weil Richard Kümmel der so genannte Haushaltsvorstand ist? Pahh! Das ist nicht drin!

Er ist auch nicht mehr! – Er ist auch nicht mehr hier – wird besser gar nicht mehr erwähnt. –

Dort, aus der Nr. 6 zog aber auch ich bald wieder aus und zurück zu den Eltern zur Mittelstraße 22 und denke nun darüber nach, wie ich den Kümmelnamen tatsächlich wieder loswerden könnte.–


So sagte denn auch Vater August: – Hoppla, wie traurig – uns’ Kätchen hat’s mit’m Kümmel nicht ausgehalten. Oder auch umgekehrt. Beide gehen schon wieder solo, nunmehr entspannt, ihre Wege, das heißt, die Tochter kehrte zu uns zurück. 1929 wird dann nach dieser bereits langgeraumen Zeit dieser notwendig-nachweislichen „Trennung von Bett und Tisch“ der Ehe-Scheidungstermin sein. Das Urteil wird 1930 rechtskräftig und dann im Dezember des gleichen Jahres nimmt Käthe, und diesmal notariell und offiziell, ihren Mädchen-Familiennamen wieder an. Zeitgleich lässt sie dann auch die hervorgekramte „Elisabeth“ in der Versenkung verschwinden.

Nun, etwas Gutes können wir der Rückkehr abgewinnen: Klara ist öfter krank und Käthe versteht das Pflegen der Mutter besser als ich, besonders mit der Kocherei und auch mit dem Wäschekram.


Von Käthes Berliner Mutter Klara Janecke, geborenen Dittwaldt, stammte der einprägsame Satz:

Den Janeckes is det Jlück nu wirklich im Hintern erfror’n“. (Schauen wir auf das liebliche Bild von 1901 – wer hätte gedacht, dass derartige Worte aus solch einem Munde entfliehen könnten?)

Klara mochte damit „Pechsträhnen“ bezeichnen wollen, derer es genug gab, wie beispielsweise

- ihre zweite, so schwierige Geburt, bei dem das Kind mechanisch Schäden erlitt, die

versuchsweise chirurgisch-operativ gemildert wurden,

- Schwierigkeiten in der Erziehung mit dem stets gern alles und jeden dominieren wollenden

Töchterchen, worüber lebenslang zu klagen sein wird,

- Verletzungen des Ehemanns im Ersten Weltkrieg (auch ihr Schwager Wilhelm Janecke kam aus

dem Kriegseinsatz – Erster Weltkrieg – als Soldat nicht zurück nach Hause, blieb in Frankreich),

- die nun bei allen guten Vorsätzen so schnell gescheiterte Ehe der Tochter,

- Totalverluste des Ersparten in der Inflation 1923.

- Arbeitslosigkeit in der Zeit der Weimarer Republik, ab 1926.

- Klaras Verwandtschaft (sowohl Eltern, als auch der Mann ihrer großen Schwester Marie) hatte es

nach dem Aufgeben der Angestelltenverhältnisse und dem Betreiben eigener Gaststätten zu

einem gewissen Wohlstand gebracht – bei den Janeckes blieb der Wirtschaftshaushalt eher am

unteren Limit. Aber der Ehemann August Janecke wollte sein weiteres Leben auch nicht hinter

dem Ausschanktresen im Bierdunst verbringen.

- Dafür gab es der Wohnungsumzüge einige, wenn „lukrative Arbeitsangebote“ lockten.

- Oder vielleicht war der Ausspruch von Klara auch mal für eine ganz häusliche Situation (in Bezug

auf das eigene Eheglück) gedacht? –


Wer weiß das schon. Wir waren weder als Zeitzeugen noch als Mäuschen dabei. Wir haben darüber nicht zu befinden. Das alles, solche Klippen im Lebensstrom, traten ja in ähnlicher Weise in ungezählten Familien auf.


1928

Käti: In Düsseldorf stirbt meine liebe Tante Alma Zocher, der ich äußerlich sehr ähnele, mit gerade 52 Jahren. Sie war die jüngste Schwester von Mamá


1929

Das Große Börsenkrachen am 24. Oktober, in Neu York, ein echt schwarzer Freitag, leitet den Beginn der Weltwirtschaftskrise ein, die sich auch bei uns stark auswirken wird.


1931

Vater August erzählt: Richard Kümmel heiratete, ebenfalls in Nowawes, im Jahr 1931 die gute Erna Jeziorski. Richard sieht also Pastor Viktor Hasse in gleicher Trau-Funktion nun wieder. Sie wohnen in der Wallstraße 59.

Später: Diese Ehe soll dem Vernehmen nach recht glücklich sein.


In Käthes polizeilichen Personalausweisen wird zu lesen sein, dass sie ledigen Standes sei (nicht etwa geschieden, sondern Fräulein, fast wieder Jungfrau) und auch das Standesamt im nächsten, dem sozialistischem Gesellschaftssystem bescheinigt ihr 1978 posthum, dass sie nicht verheiratet gewesen sei – und das traf ja für die längste Lebensspanne auch tatsächlich zu.


1933

Am 25. Februar stirbt viel zu früh unsere liebe Mamá Klara, leider krank und auch erblindet im
61. Jahr ihres Lebens. Wir besuchen oft ihr Grab im Friedgarten an der gegenüber liegenden Straßenseite der Wichgrafstraße.

Käthe führt also, wie schon seit langer Zeit, den nun reduzierten gemeinsamen Haushalt mit Vater August und Bruder Richard weiter.


1936

Mit den Haushaltsmitteln sieht es recht knapp aus. Ich, Käti, werde stundenweise etwas hinzuverdienen und arbeite in der Schneiderei Mülling, in der Lindenstraße 36.


1938

Papá wird im neuen Adressbuch der Stadt als „Ruhegeldempfänger“ ausgewiesen, also nun offiziell als „oller Krauter“ geführt. Er zählt somit als Arbeitsloser nicht mehr.

Der Ort Nowawes bekommt ab 01. April (das ist kein Scherz) den neuen Namen Babelsberg, heißt also nun genauso wie das Schloss und der Schlosspark. Der ursprüngliche, der bisherige Ortsname war der Regierung zu slawisch, zu un-arisch.

Die Nationalen-Sozialisten wollen in ihrem „1.000-jährigen Dritten Reich“ alles Ausländisch-Undeutsche ausmerzen – auch in der Sprache. Stellt Euch nur vor – unser „Billardheim“ hier in der Straße (in der Etage darüber lag meine Ehewohnung, wollen wir kein weiteres Wort dazu verlieren), würde dann eventuell „Gasthaus zum Stoßtisch“ oder ähnlich heißen. Gegen so etwas bin ich ja prinzipiell. Und man würde das Abendmahl dort auch nicht mehr mit einem den Appetit anregenden Aperitif beginnen, sondern einen schlichten „aecht teutschen Vortrunk“ beim Ober bestellen. – Na gut, später wird man auch das Restaurant neben dem Haus des Augenchirurgen so einladend „Zum Starstecher“ nennen aber das hat doch eben völlig andere Ursachen, hat nichts mit der Politik zu tun.

Wir alle müssen nun auch den Nachweis unserer reinen Deutschblütigkeit erbringen, kurz „Arischer Nachweis“ genannt. Wir müssen also amtlich belegen, dass wir weder Zigeuner, noch mosaischer Abstammung sind. Das wird für viele Menschen sehr schwer werden und Folgen haben, die wir heute nicht ermessen können.


1939

Die Stadt Babelsberg wird am 01. April nach Potsdam eingemeindet und heißt als Ortsteil von nun an: Potsdam-Babelsberg.


1941

Am 11. März stirbt in Berlin, Düppelstraße 20, Onkel Gustav Weiland, Ehemann meiner Tante Marie, geborene Dittwaldt.

Mein Bruder heiratet nun nach langer Verlobungszeit die Anne-Marie Sommer. Ich wurde leider nicht als Zeugin auf dem Standesamt hinzugebeten. Es waren statt meiner Person dort dabei: Pfarrer Viktor Hasse und der Tauf-Patenonkel der Braut, Ferdinand Pehlke, Stadtbauinspektor.

Zu den Gästen der Hochzeitsgesellschaft gehören: Betty und Ferdinand Pehlke, Elisabeth, geb. Reichmuth und ihr Ehemann Viktor Hasse (Pfarrer in der Friedrichskirche), sein Bruder Hans Hasse, der Organist Christlieb Albrecht mit seiner Frau, der Lehrerin Elfriede, geborene Michel, dann ich, die Käte als Schwester des Bräutigams, Paul Muster (Architekt in Potsdam), unser Vater August Janecke, Luise Hasait geborene Surau, (Tante der Braut), Margarethe geborene Runge und ihr Ehemann Max Sommer (Eltern der Braut), Onkel Max und Gertrud (geborene May) Dittwaldt aus Königsberg, Emma Hönow (Schulkameradin der Braut), Anton Bernhart, Hedi und Annegret Giese. Weitere schrieben oder schickten Telegramme, wie die Tanten Marie W. und Hedwig B. aus Berlin.

Das ehemalige Brautpaar, also das frisch gebackene Ehepaar, zieht (auch mit dem beruflichen Geschäft) in die Lindenstraße 39. Die Wohnung im Parterre rechts im Haus Mittelstraße 22 ist nun für Vater und mich zu groß. Es wird aber im 1. Obergeschoss, direkt über der großen Hausdurchfahrt bald eine kleinere Wohnung frei, in die wir bald wechseln. Irgendwie kommt mir das mit der Schwägerin trotz der langen Vorbereitungszeit etwas in die Quere – ich hatte mich doch fest darauf eingestellt, ganz für die beiden Männer dazusein, mich aufzuopfern und nun kam von außen so ein junges Ding dazwischen. Man muss sich umorientieren. Das junge Ehepaar rafft seine Ersparnisse zusammen und kauft für mich eine neue Zimmereinrichtung.


1942

Ach ja, endlich Urlaub: Ich bin für einige Zeit in Krombach (Sudetenland über Zittau). Hier gefällt es mir sehr gut. Ich wohne in der Pension „Brettschneider“. Viele Urlauber, so auch ich, gehen zu den Mahlzeiten in eine gemeinsame Beköstigungsstätte. So ist es organisiert. Ich schreibe den Lieben Daheim über herrliche Luft, stundenlanges einsames Wandern, freundliche Bekanntschaften mit anderen Urlaubern, ausreichende Essenportionen ... wie sie inzwischen kriegsbedingt in Babelsberg schon unüblich sind. –

Richard merkt an: Natürlich müssen wir Käti schnell die neuen, nun gültigen Lebensmittelmarken für Fleisch, Brot, Fett, Nährmittel, Kuchen und Zucker nach Krombach schicken, damit es mit der Versorgung möglichst auch so bleibt. Hoffentlich kommen diese wertvollen Papierabschnitte an. –

Hier in Krombach“, so schreibt das Käthchen, „freut man sich noch sehr über ein fröhliches
>Grüß Gott<. Man ist gleich vertrauter untereinander. „Heil Hitler“ gilt nur als ein offizieller „Mussgruß“. –

Vater August meint: Wie wahr aber auch wie leichtsinnig von dem Kinde, dieses Erleben dem Brief als so genanntes „Postgeheimnis“ anzuvertrauen. –


Vater August Janecke bringt auf der Geburtstagskarte für seine Tochter im Oktober auch wieder seinen immerwährenden Herzens-Wunsch für das neue Lebensjahr unter: „Mehr Ruhe und Besonnenheit! “– solche frommen Anliegen begleiten Käthe schon ihr Leben lang – verhallen wohl eher im Weltall. Was wollen wir gegen die Gene tun? Nicht jeder der Wünsche geht in Erfüllung.


Käthe: Ruhe haben oder Ruhe halten – was soll's? – ich könnte ja auch ins Kloster gehen. – Na ja, man soll's nicht gleich übertreiben. Verschieben wir die Entscheidung noch. Oder sich zumindest als Diakonissen-Laien-Schwester und ewiges Fräulein in der Oberlin-Klinik aufopfern. – Ich hab's sogar versucht. Nach gründlicher Prüfung teilten sie mir aber mit, dass leider kein für mich geeigneter Platz frei sei – ob das alles so der Wahrheit entspricht? –

Ich hab's: ich kann doch noch mehr Gutes tun. Ich werde DRK-Schwester. Im Lazarett werden immer tatwillige Helferinnen gesucht und Vater und Bruder brauchen mich ja nicht den ganzen Tag. So finde ich mich zeitweilig in einen geteilten Dienst hinein. Als „Wahrzeichen“ bekomme ich die schöne emaillierte DRK-Brosche zum Anstecken. Weiße Schürze – weißer Kragen – weiße Haube, sind selbstverständlich! Huch, da bin ich ja unversehens wieder „unter der Haube“.

Natürlich habe ich auch verschiedene weitere Versuche unternommen mich anderen beruflich anzuschließen, z. B. in der Schneiderei Mülling, weil ich ja recht gute Erfahrungen auf diesem Gebiet habe … aber das ging nur wenige Tage. Das Einordnen ist doch eine ungleich schwierigere, oft ungerechte Sache, als besser selber die Bestimmerin zu sein. Ich könnte mich auch selbständig machen, zum Beispiel als Schneiderin oder Hutgestalterin – zwar habe ich viele, sehr viele gute Kenntnisse aber eben keine Ausbildungszeugnisse, die als Voraussetzung gelten und dann sowieso der ganze Buchführungsschreibkram, der daran hängt, Nee,– das wäre doch nicht meine Sache.

So haben wir uns geeinigt, dass ich bei meinem Bruder in Lohn und Brot, Arbeiten als Lichtpauserin selbständig ausführe. Aber ich sage euch mal – solch eine Zusammenarbeit in einem Dreiergespann ist eine schwere Aufgabe: Leicht und schnell und demzufolge oft, kann ein falsches Wort zur unrichtigen Zeit zu Spannungen und Miss-Stimmungen führen und ich mache mir nun mal immer Gedanken über jedes Wort von anderen. Manchmal. Es ist keine leichte Zeit und diese dauert lange.

Recht betagt stirbt unsere liebe anhängliche Hündin „Lumpi“.


1943

Meine Schwägerin Anne-Marie ist hochschwanger. Jetzt, im Januar, habe ich sie des Nachts bei totaler Kriegs-Verdunkelung zum Babelsberger Krankenhaus begleitet. Beide tasteten wir uns zwischen den Häuserwänden und den Linden stolpernd entlang. Zu dieser Zeit fehlte gerade „die himmlische Beleuchtung“. Kein Mond. Auch keine Zielmarkierungen von Flugzeugen zu unserem Glück.

Am Montag, den18. Januar kommt zwischen zwei Fliegerangriffen meine Nichte auf diese Welt.

Am lieblichen 13. Juni wird das Kind in der Friedrichskirche von Pfarrer Mehlhase getauft. Die Taufpaten sind: 1. Christlieb Albrecht, 2. Margarete Baensch, 3. Max Dittwaldt, 4. Hedwig Giese,
5. Luise Hasait, 6. Käthe Janecke. Für eine richtig geordnete Reihenfolge fehlte es offenbar an etwas feinfühlender Aufmerksamkeit, denn ich bin schließlich mit ihr am Nahesten verwandt. Ich sehe da die unausgesprochene Aufgabe für mich, der Kleinen immer mal was Nettes zum Ankleiden zu zaubern.

Am 8. Juli schreibt Onkel Alfred Zocher, dass sie in Düsseldorf, Hermannstraße 4, ausgebombt wurden, nun ohne alles dastehen aber selbst mit dem Leben davon kamen.


1944

Meine Schwägerin Anne-Marie hatte eine Fehlgeburt. Ein Junge. Bei ihrer Belastung ist das ja wohl auch kein Wunder.


1945

In den späten Abendstunden des 14. April, kurz vor Mitternacht, wird das Potsdamer Stadtzentrum rings um das Schloss und den Alten Markt zerbombt. Der Stadtteil Babelsberg bleibt bis auf eine geringere Anzahl von Streutreffern verschont. Für die Betroffenen aber macht das keinen großen Unterschied.

In Berlin stirbt am 26. September, nach einem Stolper-Sturz-Unfall auf der Straße, ganz plötzlich meine liebe Tante Marie Weiland, geborene Dittwaldt.

Im November das erste Lebenszeichen nach Kriegsende von Onkel Max Dittwaldt und Trudel. Sie sind nach der Flucht aus Königsberg über die Ostsee letztendlich in Lüneburg hängengeblieben. Auch sie völlig verarmt aber lebend – mit wachen Gedanken, in die Zukunft gerichtet.

Am 23. November endet das Leben des Schlossers und Elektrotechnikers Max Sommer, dem Vater meiner Schwägerin.

Kurz nach Weihnachten, am 29. des Monats bekomme ich nun auch einen Neffen. Er sieht bisher aber so gar nicht meinem Bruder ähnlich. Jener hat blassblaue Augen, dieser Kleine aber grün-gelb-braun gesprenkelte. Es ist bitterkalt und durch die kriegszerstörten, notdürftig mit Pappe und Zeitungen verklebten Fenster des Kreiss-Saales und der Mütterzimmer pfeift der Wind.


1946

Wir gedenken des Pfarrers der Friedrichskirche, Viktor Hasse. Mein damaliger Traupfarrer. Anne-Marie und Richard waren mit ihm sehr verbunden.

Er starb am 19. März mit nur 61 Jahren, nach mehrfachen Internierungen im Dritten Reich, die seiner Gesundheit sehr zugesetzt hatten.

Pfingsten wird dieses vorerwähnte Bürschlein unserer Familie getauft. Burschi wäre also ein passender Name. Die Eltern nennen ihn jedoch Christoph. Einfach so. Wieder nichts weiteres zum Auswählen. Die Zusammenkunft findet in Wohnung und Hausgarten von Anne-Maries Mutter, Margarethe Sommer, in der Priesterstraße 68 statt. Feier? – Na ja, nachkriegsgemäß kärglich. Der gute Wille und einige von den Gästen beigesteuerten Lebensmittelmarken machen was daraus.


Wäre unsere Mutter noch am Leben, würden wir heute, am 15. September die Goldene Hochzeit der Eltern begehen. So aber wird es ein stilles Gedenken.


1948

In ihrem 77. Lebensjahr stirbt am 15. Februar Tante Hedwig Borries geborene Dittwaldt, Mamás zweite Schwester aus Berlin-Zehlendorf, Zinnow-Weg 7. Ihr Mann wurde schon vor zwei Jahren abberufen. Der Kreis der Verwandten wird zunehmend kleiner und dieser kleine Kreis lebt fast ausschließlich in den Westzonen Deutschlands – kaum mehr Kontaktmöglichkeiten. Keine Familientreffen mehr.


1949

18. September. Vater August erzählt: Die Kinder haben anlässlich meines 80-sten Geburtstages eine herrliche Fahrt in offener Kutsche durch den goldenen September zum „Forsthaus“, am Templiner See vorgesehen. Dort mit „fürstlichem Mittagessen“, ha, ha, na eben im Rahmen der Lebensmittelkartenversorgung – aber das, nebenbei bemerkt, ist ja nur äußerlich.

Ganz besonders freue ich mich darauf, noch einmal Kontakt zu den Pferden zu bekommen. Das „Warum“ bespreche ich natürlich recht ausführlich mit Christoph, denn er wird ja schon bald vier Jahre alt und ist recht verständig.

Schade nur, dass ich die Tiere heute nicht selber führen darf, sondern mich in die Rolle eines Passagiers schicken muss. So sehe ich von etwas weiter hinten über die elegant wogenden Rücken auf die frischgekämmten Halsmähnen und die gespitzten samtigen Ohren. Ein schöner Tag!

Am 03. November dieses Jahres geht das Leben der Mutter meiner Schwiegertochter, Frau Anna Margarethe Sommer, geborene Runge, zu Ende. Sie stirbt im Alter von 69 Jahren nach kurzem Aufenthalt im Babelsberger Krankenhaus. Am 07. November wird sie an der Seite ihres Mannes, der seit dem November 1945 auf dem Friedhof an der Goethestraße ruht, beigesetzt.


1950

Es stirbt am 02. Februar nun auch der eben noch erzählende Großvater August Janecke. Er geht aus dieser irdischen Welt, friedlich in seinem Zimmer genau über der Durchfahrt, im Hause Babelsberg, Wichgrafstraße 22, einschlafend.

Unsere Worte, seinem Sinne nachspürend: Es braucht kein weiter Weg mehr zurückgelegt werden, denn schräg gegenüber im Friedgarten der Friedrichskirch-Gemeinde wird er nun seine letzte Ruhe finden, dort, wo seit 1933 bereits seine Ehefrau Klara liegt. *)

Am Montag, den 06. Februar findet sich gegen 14.00 Uhr eine Gemeinschaft zusammen, um ihm „das letzte Geleit“ zu geben. Es begleiteten ihn zur Ruhestätte – zusätzlich zu seinen Kindern: Herr Tietze, Anna Mittelstädt, Anna Rust, Frau Grabow, Anna Kirchhoff, Albert Reinhardt, Gustav Dessau, das ist der Vorarbeiter aus dem Maschinenhaus im Schlosspark Babelsberg, und dessen Ehefrau; dann Charlotte Trinks – die Tochter des Paul Fix, „Neuendorfer Eiswerke“ in der Wiesenstraße; dann Karl Braunstein und seine Frau, aus der Karl-Gruhl-Straße 12 (vormals Wallstraße); Johannes Ewert (Patenonkel von Christoph), Luzie Barth (Schulfreundin von Anne-Marie), Familie Blümel, Frau Kabelitz, Betty Pehlke, Hermann Kloppe und seine Frau Rosemarie (geb. Deutsch) sowie Johanna Füssel, Tochter von Ranglacks, die letztgenannten aus der Wichgrafstraße 18; Christlieb Albrecht und seine Frau Elfi aus der Karl-Liebknecht-Straße 27, Herr Schimmer, Max Lüscher – unser Hauswirt und natürlich Herr Pfarrer Iskraut, der Schwager von Pfarrer Viktor Hasse, der ja schon vor vier Jahren gestorben war. Während dieser Zusammenkunft des Abschieds von irdischer Last, werden die Kirchenlieder „Lobe den Herren“ und „Stern, auf den ich schaue“ gesungen. Diese Lieder wählte Sohn Richard aus.

Pfarrer Wolfgang Iskraut erinnert an einige Stationen des Lebens, spricht den letzten Segen und notiert später alles sorgfältig und kurz im Kirchenbuch unter der Nr. C 15 / 1950. Ja, in diesem kalten Winterhalbjahr sterben viele auch aus dieser Gemeinde. In der Ruhestätte im Friedensgarten erinnert an die Menschen unserer Familie der Namenzug „Familie Janecke“, in einen schlichten Feldstein graviert.

Noch immer ist der gleiche Standesbeamte, Herr Richter, im Babelsberger Rathaus tätig, der das Ableben unter der Nummer C 46 / 1950 registriert. Damit hat nun alles seine Ordnung, für Opa August hat alles ein ruhiges Ende gefunden, doch das Leben wird von den Kindern, den Enkeln und Urenkeln in eine hoffentlich friedlichere, sonnige Zukunft weitergetragen. –

*) Anmerkung: Neue gemeinsame Grabstelle, Nr. „E 49“ der Registratur.)


Käti: Die Wohnungsnot ist groß – es ergibt sich daraus, dass ich vom Rat der Stadt, Abteilung Wohnraumlenkung wider Willen, eine andere Wohnung, eine kleinere zugewiesen bekomme. Das ist etwa als „zwangsweise“ zu verstehen. Diese befindet sich in der Pestalozzistraße 10 und besteht aus Zimmer, Küche, Toilette, Speisekammer und einem kleinem Korridor (dem Türverteiler-Raum) – überschaubar und gemütlich aber eben weniger gut-bürgerlich, als in der Wichgrafstraße mit zwei Zimmern.

Und eine klitzekleine Gartenfläche, wohl etwa 5 x 4 m gehört noch dazu. Dort füllen das begrenzte Platzangebot: Ein Tisch mit vier Klapp-Stühlen. Ein schmaler, kleingehaltener Fliedergroßstrauch. Eine Beetkante mit Kapuzinerkresse, gegenüber Cosmea, in Farbvarianten. Zu Sommer-Festtagen auf dem Kaffeetisch mit der selbst bestickten Decke und den Sammeltassen: Eine Schale mit Pantoffelblumen. Und in der Kanne entweder Tee oder Kafeersatzextrakt.


1951

Christoph sagt: Tante Käthe sieht jetzt gänzlich anders aus. Bislang nutzte sie als willkommene Sehhilfe ihren Kneifer – andere Leute sagen Zwicker, Käthe aber sagt: „Mein Glaas“. Dieses also zwickte sich auf ihrer Nase fest. Weil die Kurzsichtigkeit ungewöhnlicher Weise sogar im Alter zunahm, wurden die Bikonkav-Gläser immer schwerer und die Nase hatte einen immer stärkeren Kneifdruck auszuhalten, bis das überhaupt nicht mehr ging. Nun trägt sie ganz modern und entspannt das übliche Zweibügelkassengestell, das sich angenehm auf den Ohrmuschelknorpeln abstützt. Eine wahre Erholung zwar – aber sie sieht nun eben ganz anders aus. Fast so wie jede andere Frau mit Korrekturhilfe. –


In den Jahren der Nachkriegszeit und auch noch viel später nähte Käthe für die Nichte und den Neffen mit Hingabe und geschickten Händen so manches Kleidungsstück, oft nach ihren eigenen Vorstellungen und Entwürfen, meist aus Sekundärstoffen, die eine andere Person bereits langzeitig als Kleid oder Anzug getragen und letztendlich abgelegt hatte, und die nun aber völlig neu in Erscheinung traten.

So fertigt sie für die Nichte in diesem Jahr ein lindgrünes Kleid, bestickt mit Margeriten und für den Neffen einen dunklen Anzug mit weißem Bubikragen. – Der 1. Mai war in der DDR nicht nur der „Kampf- und Feiertag aller Werktätigen“, sondern in diesem Jahr auch der Tag des 25-jährigen Bestehens des Familienbetriebs von Richard Janecke. Zu jenem Anlass wurde ein Familienfoto gefertigt, auf dem die vorgenannten Kleidungsstücke „fast für die Ewigkeit“ festgehalten wurden (im Bildanhang vorgestellt). Im gleichen Jahr wird der erste Besuch der Kinder in der Berliner Staatsoper sein. „Hänsel und Gretel“ stehen – sowohl auf dem Programmzettel, als auch auf der Bühne. Zu diesem Opern-Besuch bekommt Christoph von Tante Käthe einen hellgrauen Opernanzug genäht, der vorher eine Hose des gestorbenen Opas war. Er hätte das gute Stück gern länger getragen und in Ehren gehalten, doch dieser Neffe wuchs zu schnell.


1955

Chris: Meine Schwester hat Tante Käthe zum Geburtstag ein Wandbild geschenkt. Es ist der schöne selbst handkopierte und tuschierte Scherenschnitt zweier filigran und edel wirkender Rehe. Dieses Bild wurde gebührend geehrt und zierte bis zu Käthes Lebensende die dem Fenster gegenüberliegende Zimmerwand.

Zum Weihnachtsfest soll Käthe, die ja allein mit ihrem Stieglitz lebt, wieder bei uns sein. Es ist kalt und viel Schnee gefallen. So kann sie sich das Laufen des Weges sparen, denn wir Kinder holen sie wie üblich, wenn es möglich ist, mit unserem Rodelschlitten ab. Nun, dabei würde sie die Zügel nicht wie üblich in der Hand haben und ob es mit dem Aussehen, ihrem Ansehen vielleicht schadet? So sagt sie kurz überlegend zu diesem Vorhaben: „Na ja, in der Nacht sind alle Katzen grau“, denn wir holten sie am späten Nachmittag ab, als es schon dunkel war.


1956

Richtig zeitlich in das Geschehen eingeordnet sind die folgenden Sätze wohl schon, aber Neffe Christoph wird die beschriebene Auswirkung des Vorkommnisses, ihre Tragweite, erst reichlich zwei Jahrzehnte später erfassen.

So erzählt er einfach, noch unbefangen, drauflos: Meine gute Tante Käthe zeigt mir sehr gerne die alten Fotoalben aus ihrer Jugendzeit. Natürlich immer wieder die gleichen, die altbekannten. Es kommt nichts neues mehr hinzu.

Interessant waren die antik anmutenden Vorkriegs-Farb-Ansichtskarten mit Hügelgruppen oder gratigen alpinen Bergmassiven mit ihren eingedruckten Namen. Sowas hat man heutzutage in unserem Land noch nicht gesehen. Ansonsten: von netten Basen und vor allem von lustigen Vettern war die bildliche, somit die gebildete Rede, von würdigen Muhmen und den dazugehörigen Oheims oder Oheimen. Zu sehen war da viel grau, etwas schwarz und auch weiß und darin eingebettet mir völlig unbekannte Größen oder es waren Bildchen mit menschlichen Antlitzen darauf, so groß wie die sprichwörtlichen Stecknadelköpfe – auf braunen Pappseiten von je vier schwarzen Fotoecken gehalten, mit Seidenpergament-Schutzblättern in der üblichen Spinnengewebe-Gestaltung bedeckt.

Kurz: das Wenigste davon schien geeignet, ein Jungenherz höher schlagen zu lassen.

Viele Fotos, wie leider so häufig anzutreffen, waren ohne Namen des / der Abgebildeten, ohne Angabe des Foto-Anlasses, ohne Ortsbenennung und ohne Datum. Wozu auch? Man kannte sich doch schließlich! Tante Käthe hatte noch alle Daten im Kopf und schwelgte in den Erinnerungen. Für mich als Jungen hingegen war das Anschauen der selbst gefertigten Bilderbücher eine wahre Geduldsprüfung, eine arge Pein. Mir gab es wenig. Ich kannte von den Leuten niemanden. Die einen hatten am Bodensee, die anderen im Ruhrgebiet gelebt – Örtlichkeiten, für uns (in der DDR) wohl schwerer erreichbar als der Mond. Die Bilder konnten mir nichts mehr sagen, auch – weil die lieben Konterfeiten schon lange wieder die Erde verlassen hatten, zumindest deren Oberfläche.

Natürlich blieb der Tante Käthe auf Dauer das leicht undankbare, mangelnde Interesse ihres Neffen nicht verborgen, was sie traurig stimmte.

Es war gewiss in irgendeinem Winter. Eines unguten Tages waren dann diese Alben, für die sich niemand mehr interessierte, nicht mehr da. Sie waren fort – diese Unikate. Einfach so. Aber unwiederbringlich. Käthe hatte wohl eine warme Stube und ihr Kachelofen sah recht unschuldig aus. – Niemand brauchte später viel aufräumen. Das sahen wir nach Käthes Lebensende. Sie hatte gut aufgeräumt – und ich fühlte mich daran sehr mitschuldig.

Im Jahre 1978 begann ich mich für die Ahnenforschung in der eigenen Familie zu interessieren.

Was würde ich heute für die bildhaften Führer durch die Vergangenheit der Verwandtschaft geben, solche unwiederbringlichen Bilddokumente, welch ein Schatz – könnte dieser heute nochmals in meinen Händen sein. – Weil's aber nicht kann sein hat mich der Vorgang zumindest gelehrt, alle Bilder mit den erforderlichen Texten zu versehen, so dass auch ein anderer, ein Nachkomme, etwas mit solch einem Erbe anfangen kann.

Hin und wieder beschleicht mich natürlich der Zweifel, ob diese viele Mühe, dieser Arbeitsumfang erhalten bleiben wird, ob es mal jemand anschauen wird oder gar weiter führt? – oder ob es ähnlich ausgehen wird wie bei mir und Käthe (sel.). Es liegt dann nicht mehr in meiner Hand.


1958

Chris merkt an: Auch in diesem Jahr hat Tante Käthe wieder am 13. Oktober Geburtstag. Weil sie soviel allein ist, möchten ich ihr ein Radio zur Unterhaltung schenken. Ich habe allerdings kein größeres finanzielles Polster als Grundlage für eine solche Anschaffung. Ich sprach darüber aber nicht mit Tante Käthe, sondern mit Herbert. Er ist als großer Radiobastler der Herr über eine reichliche Alt-Materialfülle. Einen „Schaub-Junior“ könne er mir zu einem Geringstpreise ablassen. Er pinselt also innen Staub fort, lötet hier und da ein wenig, und ich schwinge an- und abschließend fleißig den Lappen über das stattliche braune, bald hochglänzende Holzgehäuse. Wunderschön auch das runde, von innen beleuchtete Milchglas-Skalenfenster. Wie ein Vollmond schaut es uns freundlich an und zeigt viele der weltweit verteilten Radiostationen an. Welch ein prächtig-stolzes Geschenk. – – –

Hm, hm, hm. Leider kam das nicht so gut an. Tante Käthe wurde ja immer schwerhöriger und deshalb gibt das Radio ihr auch nicht viel – eher ihren Nachbarn durch die Mauern. Sie muss aber die Sprache nicht so laut einstellen – schon allein die alten vertrauten Weisen könnten ihr etwas geben, wenn mal welche kommen und sie sich ausruhend vor's Gerät setzen würde.

Zwar hat sie eine elektrische Hörhilfe aber mit dieser kommt sie nicht klar. Umgebungsgeräusche werden stets lauter vermittelt, als sie es verträgt, ein lautes Rückkopplungspfeifen läßt sich mitunter vernehmen, lässt sie eher an den Wasserkessel, als an einen Hörgenuss denken. Doch worauf es eigentlich ankommt, dem gegenüber sind ihre Ohren leider fast taub.

Obwohl: Sie wird es nicht müde, aufklärend zu betonen: „Du weißt, ich höre sehr gut, nur verstehe ich manchmal ein bisschen schlecht, Versteh!“

So wurde das schöne Radio in die Ecke verbannt und irgend eines unguten Tages verschwand der nutzlose Staubfängerkasten gänzlich aus dem Blickfeld. Ich hätte ihn notfalls sehr gern zurück genommen (und dann selbst ein schönes Radio gehabt) aber geschenkt ist nun mal verschenkt.


1960

Die folgenden Sinnsprüche sind wohl zum Teil als Übernahmegut von Käthes Berliner (aber dann auch in Nowawes wohnenden) Mutter Klara aufzufassen. Verschiedene Sprüche waren in der damaligen Zeit auch verbreitet, also keine eigene „Erfindung“, doch einige Eigenschöpfungen von Käthe mögen ebenfalls dabei sein:


Der Anlass / die Bedeutung


Spruchweisheit dazu:

Käthes Standpunkt: Egal was die anderen wollen, egal was sie sagen, egal was passiert, wir machen es doch so wie wir es uns denken.


    Christoph! Lass’ die Heiden toben.

Wenn Käthe etwas gewahr wurde, dass sie ziemlich unüblich fand ... sagte sie:

Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt.


Oder: Das ist ja ein Ding aus dem Tollhaus.


Die sind wohl verrückt geworden oder sie haben wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank ...

Die sind wohl mit’m Klammerbeutel jepudert.(Früher wurden Wäscheklammern häufig in einem Stoffbeutel aufbewahrt.)


Das ist Unsinn!


Det is Mumpitz!

Eine ungewöhnlich gute Idee, ein fast genialer Einfall ... wurde honoriert mit den Worten:


Das ist ja ne Idee, wie'n Pfund Wurscht.

Etwas Verbohrtheit, an einer wohl falschen Überzeugung festhalten, Sturheit, Starrsinn ... kommentierte sie mit solchen Worten:

Das ist ja eine fixe Idee.

(Fix nicht im Sinne von schnell, sondern von fixiert – am Falschen festhalten.)


Das ist ein unwürdiges Verhalten ...


Das is ja unter aller Kanone.

Über die schlechte Qualität eines Produkts:

    Det hält von Zwölfe bis Mittag.

Das ist für dich tabu. Lass' die Finger davon:


Da jehste nich bei.

Gute Leistungen werden belohnt mit den Worten ...

Eins rauf, mit Mappe!

Früher war es in der Schule so, dass der gute Schüler einen Platz (rauf) in Richtung Lehrertisch (Katheder) wechseln durfte. Natürlich mit seiner Schultasche.


Hilfreicher Trost / Zuspruch!

Zum Beispiel bei Verletzungen des Kindes, wenn es sich mal mit dem Messer „ins eigene Fleisch“ geschnitten hatte.

Eh' die Katz 'n Ei leecht, is allet wieder jut.


Oder aber: Unjeschicktet Fleisch muss wech!


Nur ruhig Blut. Nichts überstürzen.

Halt dich etwas zurück:

Immer sachte mit den jungen Pferden – (eigentlich im richtig falschen Jargon: immer sachte mit die jungen Pferde“).


Eine Glaubensfrage


Wer’t gloobt, wird seelich.


Das ist ja sehr wenig.

Das trägt ja die Katz' auf'm Schwanz weg.


Ist etwas schief gegangen, dumm gelaufen:

Nu stehste da, wie d' Kind beim Dreck.

(So etwa wie ein „begossener Pudel“)


Mit Schwung und Elan, mit „links“ erledigt:

Das machen wir wie die Franzosen – einfach mit 'nem Schisselaweng.


Über das Kind mit blasser Gesichtsfarbe:

Du siehst ja aus wie Weißbier mit Spucke.


Wenn sich ein Problem nicht zufriedenstellend lösen ließ, aber unter das Thema ein Schluss-Strich gezogen werden sollte:


Verrückt und drei macht Neune.

Ähnlich wie vor stehend aber nicht ganz so selbstbewusst burschikos, sondern mit einem Unterton des Resignierens:


    Versteh’s wer will.

Das ist doch logisch, es bedarf keiner weiteren Erläuterung, ... es erklärt sich von selbst ...


    Det is doch klar wie Kloßbrühe oder

    det is doch klar wie dicke Tinte.

Ironisierte Bewunderung des noch ein bisschen Schwachen:


    Na, du bist ja schon so kräftich, wie’n starken Mann sein Hosenknopp.

Großes „Gewese“. Viel Lärm um nichts.

Etwas als unakzeptabel Erscheinendes.


    Das ist ja wohl Mumm durch Fez.

Du erkennst und beachtest die Grenzen nicht, die dir zu deinem Guten gesetzt sind.

Du schlägst schon wieder über die Stränge

(wie das junge Pferd, das nach hinten auskeilt und sich dabei in den ledernen Zugriemen verfangen könnte).


Wenn der Mensch staunt oder sich unsicher ist, weil er die Umstände noch nicht voll erfasst hat:


Da kiekste, wie der Pup inne Laterne.

Das ist ja nun das Allerletzte. Das setzt allem die Krone auf. Das schlägt dem Fass den Bo ...


Det jibt dem Dreck die Backpfeife.

Das kommt gar nicht infrage.

Es kommt überhaupt nicht in Betracht.

Das kommt mir nicht auf’s Tapet!

Det kommt mir nich inne Tüte.


Nicht zweckentsprechend gekleidet.

Es will bedeuten: zwar schon mit Hose – aber nur im Hemd, ohne Jacke erscheinend.

Bei diesem Wetter kommst du per Taille?


Oder schöner: Bei dis Wetta ...


Unwahre Geschichten, Aufschneiderei.


Das sind doch wahrhaftige Räuberpistolen.

Waren vor dem Kuchenbacken Reste aus einer Teigschüssel „auszukratzen“ diente dazu nicht der Löffel.


Dazu nimmste kein' Löffel, sondern den krummen Lorenz (den gekrümmten Zeigefinger).

Christoph, kannst Du mir mal so 'was basteln? Ja, genau, das! So soll es sein!

Und wenn es dann fertig war:


Man – das hält ja bestimmt 'ne Ewigkeit. Das soll doch keinen Elefanten aushalten, sondern nur Deine alte Tante.

Gewiss hatte Käthe zumindest einen Teil dieser Aussprüche von ihrer Mutter Klara Janecke geborene Dittwaldt übernommen – erwähnte ich bereits. Deren Ehemann August Janecke wandte solche Sprüche überhaupt nicht an; ebensowenig der Sohn, Bruder der Käthe, A. Richard Janecke, (und somit der Vater des Autors dieser Zusammenstellung). Jener legte besonderen Wert auf gutes Hochdeutsch in deutlich artikulierter Aussprache.

Chris erinnert daran: „Mein Vater Richard sprach nie („nachlässig“) in der Mundart der Menschen von Berlin und Umgebung. Wenn Klassenkameraden von mir bei uns zu Besuch waren, neigte er bei deren undeutlicher Aussprache, harmlosen „Straßen“- Kraftausdrücken, grammatikalischen Schnitzern oder dergleichen eher dazu, recht deutlich nachzufragen („was, bitte, hast du da gerade gesagt?“) oder zu korrigieren, (im Park Babelsberg steht kein Flatter-Turm, sondern der Flatow-Turm!) was mir stets unangenehm war. Gut, dass mein Vater solche späteren Zeitgenossen wie
z. B. Udo Lind. nicht mehr kennengelernt hatte.


1961

Heute Essens-Ganztagsversorgung bei Käthe. Habe mit dem großen Handwagen eine schöne Menge Holz vom Brennstoffhandel (früher aus der Fultonstraße, danach aus der Benzstraße) geholt und gehackt. Kiefernholz! Lässt sich ganz ausgezeichnet spalten und duftet wundervoll.


1964

Chris: Inzwischen besitze ich ein Motorrad, „Lizenzfertigung“ von BMW, aus den Eisenacher Motorenwerken, also eine EMW R 35/3. Natürlich muss ich das gebraucht erworbene, zwölf Jahre junge und in Details neu gestaltete Fahrzeug auch Käthe vorstellen, doch allein dabei bleibt es nicht.

Im Alter von 66 Jahren ist Käthe das erste mal in ihrem Leben Motorrad gefahren und oh, welch ein Wunder, nahm sie entgegen jeder Befürchtung, gleich freiwillig den hinteren Sitzplatz ein.


1966

Käthe: Ich ziehe nochmals um. Es ist aber nicht weit. Genau unter mir wurde gerade die Parterre-Wohnung frei. Im Alter ist der Weg zum Kohlenkeller und vor allem zurück dann nicht so beschwerlich, wenn der Kohlenvorrat für den die Enkelkinder sorgen, mal vorzeitig alle ist. Auch brauche ich mich nicht groß umzugewöhnen – es ist alles so wie oben. Fast.

Nur die Eiseneinfassung der „Kochmaschine“ (eine Kombination von Gas- und Kohleherd) – wie konnten die Leute diese nur so verrosten lassen. Jeden Tag schmirgele ich sie 3 bis 5 Minuten und siehe da: nach einiger Zeit sieht sie aus wie geradewegs neu aus der Fabrik gekommen, nur ist sie nun etwas dünner. Bei mir wird sie mit einem Hauch von Öl gepflegt und dann nachpoliert.


1978

Jedes Leben und demzufolge auch jeder Bericht darüber, findet einmal sein Ende.

So schloss sich der Lebenskreis der Käthe Janecke am 12. November 1978 im Alter von
81 Jahren.

Sich endlich mal richtig vom Weltgetümmel ausruhen welch ein Glück!

Ihren Ruheplatz fand Käthe in der kleinen Gedenkstätte im Friedgarten an der Wichgrafstraße, in der bereits ihre Eltern ruhen.


Friede sei mit ihr.



Ende dieses Einblicks in den Lebenslauf von Käthe. –