Paretz im Havelland – ein Spaziergang durch das historisch-moderne Dorf.
Zusammengestellt von Chris. Janecke. Mai 2023.
Leserhinweise werden gern gesehen.
E-Mail: christoph@janecke.name
Die älteste erhaltene Urkunde erwähnt den Ort Paretz im Jahre 1197. Die Ansiedlung von Häusern wird uns somit erstmals aus jenen Tagen überliefert. Anzunehmen ist, dass eine solche Siedlung aber bereits weitaus früher bestand. Mit „Po Reca“, also einem Ort, der am Fluss liegt, bezeichneten die Slawen das Fischerdörfchen.
Das Schloss
Ein Schloss gab es hier in alter Zeit nicht!
Just 600 Jahre nach der Ersterwähnung erwerben der Preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm (1770–1840) und seine Gemahlin, die 20-jährige Kronprinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776–1810), im Januar 1797 das Dorf und das landwirtschaftliche Gut Paretz mit allen Gebäuden, mit Mann und Maus. 85.000 Thaler zahlen sie dafür dem Vorbesitzer, dem Grafen Blumenthal.
Friedrich Wilhelm und Luise. Die beiden hatten sich vor etwa vier Jahren kennen- und lieben gelernt und im gleichen Jahr 1793 geheiratet.
Es gefällt ihnen in Paretz. Sie möchten dieses Gebiet gern für die Erholung in sommerlicher Freizeit nutzen. Dazu aber soll das bestehende Dörfchen nach ihren Ansichten gestaltet werden.
Der Kronprinz lässt das dort vorhandene alte Wohnhaus des Vorbesitzers abreißen. An gleicher Stelle entsteht der kronprinzliche, bald königliche Neubau.
Vom Bauherrn wird das künftige Gebäude gern „das Gutshaus“ geheißen, von seiner Ehefrau auch als das „Schloss still im Land“ benannt. Der Kronprinz mahnt den hervorragenden Baumeister, seinen Gebäudeschöpfer, mehrmals: „Nur immer daran denken, dass Sie für einen armen Gutsherrn bauen“ – kein Prunkschloss soll es werden. – Es entsteht, im wesentlichen binnen des Jahres 1797, ein schlichter aber bedeutender Bau in frühklassizistischer Form. –
An den Konzepten für das Schloss, die Umgestaltung der Kirche und den Neuaufbau des Dorfes, arbeiten neben dem Geheimen Oberbaurat David Gilly (1748–1808) auch der kunstverständige Hofmarschall Valentin v. Massow (1752–1817) und Martin Friedrich Rabe (1775–1856, preußischer Architekt und Hochschullehrer) gemeinsam.
Die Ausstattung mit Mobiliar für das Schloss ist in bester Gediegenheit gefertigt – vergleichbar mit Wohnungseinrichtungen des Berliner Bildungsbürgertums jener Zeit. In diesen Räumen wird das Königspaar also sehr gut bürgerlich leben und ansonsten volksverbunden, mit Interesse am Wohlergehen der Dorfbewohner.

Das Schloss, vom nördlichen Parkteil, dem „Kirchgarten“, gesehen.
Im Herbst 1797 stirbt, 53-jährig, der Vater des Kronprinzen: König Friedrich Wilhelm II. Somit steigt der Sohn nun vom Kronprinzen auf – zum König Friedrich Wilhelm III..
Er stellt sich für die Umgebung seines neuen Schlosses auch ein künftiges „Musterdorf Paretz“ vor. So wird nicht nur ein schlichtes Schloss errichtet, sondern die Kirche ebenfalls erneuert. Die Gebäude der bäuerlichen Wirtschaften werden ab 1800 nacheinander abgebaut. Die auf Kosten der Königlichen Schatulle errichteten Neubauten erhalten ein frühklassizistisches Aussehen. Diese Umgestaltung wird im Jahr 1803 abgeschlossen sein.
Die Zukunft wird wissen, dass diese intensive Planung und gelungene Ausführung, Grundlage und Beispiel für weitere etwa 900 folgende Dorfgestaltungen in der preußischen Landbaukunst sein werden.
Das Schloss dient freudvollen Sommeraufenthalten der königlichen Familie – aber nur für die wenigen Sommerhalbjahre 1797 bis 1805.
Wir wissen: 1806 floh die Königliche Familie vor der französischen Invasion und der Besetzung seitens der Truppen des Napoleon Bonaparte und konnte erst 1809 aus Königsberg und Memel zurückkehren. Am 20. Mai 1809 besucht Königin Luise den Ort Paretz zum letzten Mal, denn am 19. Juli 1810 wird ihr Leben im Alter von nur 34 Jahren auf dem Anwesen ihres Vaters in Hohenzieritz am Tollensesee enden.

Der Blick vom Schlossgelände in den nördlichen Parkteil, „Kirchgarten“.
Im Herbst eines jeden Jahres, nachdem die Ernte eingebracht ist, lädt das Hochherrschaftliche Paar alle Dorfbewohner zum gemeinsamen Erntefest ein. Der Prediger gemahnt geflissentlich an, dass es sich um ein Erntedankfest handeln soll. – Zu den Lustbarkeiten, die am Nachmittag beginnen und sich in den Abend hineinstrecken, gehört der geschmückte Festumzug durch das Dorf. Ferner eine lobpreisende Ansprache zu fast jedermanns Erbauung – aber dann als Erlösung: Reichlich Speis' und Trank! Und nicht nur wie zu slawischen Zeiten hauptsächlich auf die reiche Ernte des Fischbestandes bezogen. Das Festmahl hält auch viele leckere Gaben für jedwedenen Geschmack bereit.
Doch damit nicht genug: Die frohsinnige Ausgelassenheit gipfelt in einem langanhaltenden Tanzvergnügen.

Das Schloss mit dem vorgelagerten Rasenrondell.
Der Schlosspark
Nördlich des Schlosses haben wir im überschaubaren Umland der Kirche eine naturanlehnend gestaltete Parkfläche. Hier bieten Kastanien, Maulbeerbäume, Pappeln und Platanen, Ulmen sowie auch Zedern ein abwechselungsreiches Bild des reichlichen Großgrüns. –
Im Vorfeld des Schlosses finden wir ein großes Rasen- und Blumenrondell, das den Weg zum Gebäude in zwei Halbkreiswege gliedert. Das Schloss wird von Gartensaal und Remise flankiert. Die Remise nimmt die Sammlung von Kutschen, Sänften und Schlitten aus den königlichen Beständen auf aber später auch Fahrzeuge weiterer hochrangiger adeliger Würdenträger. Untergestellt sind hier (heute) aber auch Spezialwagen, die dem Transport von Bäumen dienten, die auch für das Bewegen schwerer Pflanzkübel oder Feldsteinen geeignet sind; je nach Verwendungszweck sinnreich konstruiert.

Wir blicken aus dem südlich gelegenen Parkteil auf die Rückseite des besonnten Schlosses.

Blick von der Rückseite des Schlosses nach Süden. Die Parkanlage wird von einem kleinen Fließ, wenig sichtbar, begrenzt.

Der südliche Teil des Anwesens geht vom gestalteten Park gleichsam mählich harmonisch in das Umland mit seinen Wiesen und Gehölzen über.

Wiesenwege in das flache, natürliche Umland – aber mit einer Ausnahme: In diesem Parkteil, etwas links von der Bildsicht, nahe der Straße nach Ütz / Uetz, gibt es auch einen künstlich-künstlerisch gestalteten Hügel. Dieser ist unser nächstes Ziel.

Eingelassen in diesen Hügel ist ein halb im Erdreich versunkenes und fast zerfallenes Tempelchen, das uns daran erinnern soll, dass alles was wir schaffen, alles was wir erleben, der Vergänglichkeit anheim fällt. Der Tempel zeigt eine Tafel zur Erinnerung an teure Abgeschiedene – zutreffend vorerst auf den Bruder Ludwig des Königs, der im Dezember 1796 nur 23-jährig starb, dann an Königin Elisabeth Christine, Ehefrau des Friedrich II., die im '97-er Januar starb, hernach an seinen königlichen Vater, dessen Lebenskreis sich im Spätherbst des gleichen Jahres schloss.
Die Tempel-Tafel ist somit vielen, vor allem aber der Erinnerung an seine Königliche Gemahlin Luise gewidmet, deren Leben am 19. Juli 1810 in ihrer Jugend von 34 Jahren endete.
„Gedenke derer, von denen wir früh Abschied nehmen mussten.“


Die Büste Luises von Johann Gottfried Schadow hochkünstlerisch gefertigt. (Nicht in Paretz auffindbar, sondern in der Luisen-Gedenkstätte auf der Pfaueninsel).

Von diesem Tempel-Gedenkort der Stille führt uns eine gewundene Treppe wieder hinauf ans Sonnenlicht.
Im Hügel besteht des Weiteren eine Grotte. Die Wände der Grotte waren einst bekleidet mit perlmuttglänzenden Muschelschalen, Steingutbrocken, Glasstücken, auch mit Scherben von Spiegelglas – und in dieser Grotte lebten auch Pflanzengesellschaften, die sich in dieser Umgebung wohl fühlten.

Die Grotte im Hügel. Zur Zeit der Königlichen Nutzung stand über dieser Grotte ein hölzerner Teepavillon nach asiatischer Gestaltungsart, der jedoch in späterer Zeit verfiel – nur auf alten Bildern ist er uns erhalten geblieben.
Während der DDR-Zeit wurde der gesamte Hügel beseitigt, dem Erdboden gleich gemacht. Arbeiter und Bauern benötigen keine „Königskultur“.
Erst in den Jahren nach der „politischen Wende“ fanden Ausgrabungen statt und daraufhin, sowie mit Hilfe von Fotos, konnte eine Rekonstruktion des Verlorenen erfolgen. Mit dem Zusammenwirken der Finanzierung verschiedener Stiftungen war es möglich, diese Anlage für unsere Bürger wieder erlebbar zu gestalten.
Die Kirche

Es ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der ersten uns überlieferten urkundlichen Erwähnung des Ortes Paretz hier auch bereits etwa 1197 eine kleine Kirche stand. Somit hat das Fischerdörfchen Paretz wohl schon längere Zeiten vorher bestanden.
Der Kronprinz hatte die Absicht, bei der Neugestaltung des Dorfes auch die Kirche hervorragend zu berücksichtigen. An dem Konzept arbeiteten, wie schon erwähnt, David Gilly, Valentin v. Massow und Martin Friedrich Rabe. Die Umbau- und Erneuerungsarbeiten vom Feldsteinkirchlein zur Kirche im neuen Gewande neogotischen Stils, begannen im Juli 1797 und endeten im Frühjahr 1798. So schnell ging das damals – ähnlich schnell wie der Bau des Schlosses. Zur Zeit des Erwerbs des Dorfes befand sich der Kirchhof oder auch Gottesacker üblicher Weise und so auch hier, in der unmittelbaren Umgebung zur Kirche. Das noch bestehende Kreuz aus Kunstguss auf der Freifläche vor der Kirche wurde 1837 gesetzt und kann auch heute noch an den vormaligen Friedhofsstandort erinnern. Diese Anlage blieb zwar bis 1850 für Bestattungen genutzt aber das Königspaar setzte durch, dass ab 1800 davon abgesehen wurde, hohe Grabhügel zu setzen – und man sah: es ging tatsächlich auch ohne dieses überkommende Brauchtum. Im Jahre 1850 wurde der neue dreieckige Friedgarten ein Stückchen weiter nördlich angelegt und geweiht.

Der Blick in den Chor, zum Altar, also nach Osten, zeigt uns an der Giebelwand die Reste von Gemälden, die wohl aus dem 14. Jahrhundert stammen. Religionskundige Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei den Darstellungen rechts vom Altar um „Die Verkündigung Mariae“ und um „Die Geburt des Jesu von Nazareth, in Bethlehem“ handele. Im Gemälde links des Altars wird möglicher Weise „Jesus Christus als Weltenrichter“ gesehen. – Für den Laien bedarf es viel Aufmerksamkeit und noch mehr des freien Gespürs, um bestätigend zu ähnlich erhellenden Einsichten kommen zu können. –
Links die Lieder-Anzeigetafel, davor (hier nicht sichtbar) der Taufstein und links davon die Königsloge.
Die von uns deutlich erkennbaren Gewölberippen, dieses schöne Netzwerk, ist allerdings keine bautechnische Ausführung, sondern eine meisterhafte Malerei, deren beabsichtigter Illusion wir aufsitzen.
Die Fenster sind heute größer, als zur Zeit des Umbaus der Kirche, um mehr Helligkeit in den Raum zu lassen und das ist wohl tadellos gelungen.

Die gläserne Mosaik-Malerei im gotischen Spitzbogen-Fenster der Apsis zeigt den Heiligen Mauritius, dessen Name auf die Mauren zurückgeht. Mauritius war ein Heerführer, deshalb hier in seiner Rüstung abgebildet. Wegen seines christlichen Glaubens wurde er aber verfolgt und musste später sogar den Märtyrertod erleiden. Die Glasmosaik-Malerei wurde im Jahr 1539 geschaffen und überdauerte als Original die Zeit bis heute.
Der Blick in den Chorraum

Hier links und rechts hinter dem Altar, nochmals die Gemälde, wohl aus dem 14. Jahrhundert, deren Reste bei der Restaurierung unter mehreren Übermal-Schichten freigelegt wurden und in diesem Stand sichtbar erhalten bleiben sollen.

„Der Altar“ oder „der Abendmahlstisch“
Das dreigeteilte Altargemälde (Tryptichon) aus dem Jahr 1806 zeigt uns „Die Einsetzung des Heiligen Abendmahls“.
In der Mitte: Jesus Christus mit Matthäus, dem schreibenden Evangelisten, und Johannes dem Jüngsten der Apostel.
Links Petrus „der Fels“, mit den Schlüsseln und der Schriften-Mappe. Rechts: Paulus, „der Kleine“, mit dem (hoffentlich geistigem) Schwert.
Die Bildmitte und der linke Teil stammen von dem Berliner Maler Karl Wilhelm Wach (1787–1845), der rechte Teil von Wilhelm v. Schadow (1789–1862), Sohn des hochbegabten Berliner Grafikers und Bildhauers Johann Gottfried Schadow.
Zur originalen Ausstattung des Altars gehörten zwei vergoldete Altarleuchter, die jedoch bei einem Einbruch-Diebstahl 1979 gestohlen und seither nicht mehr gesehen wurden.

An der rechten Seite die Kanzel und dahinter, weiter nach rechts, die zeitweilige Guts- und Offizianten-Loge für Pfarrleute und die Amtsträger des Dorfes, die heute hierin nicht mehr Platz nehmen.
Der Kronleuchter gehört zur Erstausstattung – damals hatte man diesen allerdings mit Wachs-, später wohl mit Stearinkerzen bestückt.

Die Loge gegenüber der Kanzel war allein der Nutzung durch das Königspaar Friedrich Wilhelm III. und seiner Gemahlin der Königin Luise vorbehalten – ein wenig separiert vom gelegentlichen Husten, oder auch den die Predigt gelegentlich begleitenden Seufzern aus der Gemeinde. Hier lauschte man ungestört Gottes Wort, vom Geist und Mund des Predigers in unsere gewohnte Sprache übersetzt und erläutert. Der kleine Raum bietet reichlich zwei Stühlen und einem Garderobenständer Platz, für die Teilhabe des Königspaares am Gottesdienst in der Nähe und auf Augenhöhe mit dem Prediger.
Gegenüber der Königsloge befindet sich, wie erwähnt, die Loge für Amtsträger der Pfarre und des Gutes. Später wurde der Raum offiziell und ausschließlich zur „Sakristei“ des Pastors erklärt.

Königin Luise von Preußen um 1795, Rötelzeichnung von Johann Gottfried Schadow, als Ablichtung ausgestellt in der Königsloge der Kirche Paretz. Das Original, ungetönt, liegt bei der Akademie der Künste Berlin.

Diese Relieftafel schuf der begnadete Berliner Grafiker und Skulpturengestalter Johann Gottfried Schadow (1764–1850) im Jahre 1811 aus Tonmineral. Das Werk trägt den Titel: die „Apotheose der Königin Luise“. Es stellt die erhabene Herrlichkeit der Königin Luise dar, die im blühenden Alter von nur 34 Jahren, nach zehn Kindsgeburten 1810 leiblich starb und nun in Himmlische Gefilde auffährt, um sanft in die Ewigkeit einzutreten. Sie wird begleitet von den Gestalten der Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung und Treue. Im Himmel bereiten ihr Engel den Empfang und geben ihr wohl weiteres Geleit. – Im unteren Teil des Reliefs sehen wir, im antiken griechischen Geschmack dargestellt, den Todesengel, der die Lebensfackel, das Licht der Luise, auf dem Erdenreich löscht. Lesen kann man auf der kreisförmig dargestellten Fläche des Erdballs: „Hohenzieritz den 19. Juli 1810 vertauschte sie die irdische Krone mit der himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glauben und Treue – und in tiefer Trauer versanken Brennus und Borussia“ (Brandenburg und Preußen). Diese großartige Denkmal-Arbeit schmückt seit 1820 die Westwand der damaligen Königsloge in der Kirche, gegenüber der Kanzel. (Das Original ist mit einem Holzrahmen geschmückt und von diesem etwas geschützt.)

Der Blick zur Königin der Instrumente, der Orgel, also nach Westen.

Im Jahre 1864 baute die Potsdamer Firma von Ludwig Gesell die erste Orgel in die Paretzer Kirche ein.

Diese schlichte Holzbank am Spielschrank bleibt dem Organisten vorbehalten. Auf diesem Möbelstück saß auch der kindliche Wilhelm Kempff während einer Pause am Schulwandertag und brachte vor dem erstaunten Pastor, seinem wissenden Lehrer und den Mitschülern seiner Klasse ein kleines Orgelkonzert zu Gehör. Das große Instrument ist zu jener Zeit vier Jahrzehnte alt. Wilhelm Kempff hat bereits den Weg beschritten, später ein weltbekannter, ja, weltberühmter Pianist, Organist und Komponist zu werden.
Anmerkung: Am Ende dieses Beitrags steht ein Link, der dich zu Wilhelm Kempffs Leben führt.

Zwei Fenster mit farbiger Glasmalerei verdienen unsere uneingeschränkte Beachtung:

Das Bild trägt die Umschrift: „Oboedientia“, was soviel bedeutet wie >Gehorsam<. Es ist eine stete Erinnerung zu dieser Tugend, an die Betrachter gerichtet. Das Original stammt aus dem 12. Jahrhundert – hier zu sehen aber eine gut gelungene Kopie, 1965 entstanden.

Diese Abbildung soll das Antlitz Jesu Christi darstellen – das Original ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert – und für uns zur Ansicht wurde 1956 diese Kopie gefertigt.

Vorn mittig die Apsis mit dem Mauritius-Fenster, links die frühere Gutsloge und rechts die Königsloge.
Der Friedgarten

Der „neue“ Friedgarten lädt uns zu einem Besuch ein.

Das Abschieds-Gebäude / das Mausoleum der Ziegelei-Besitzer- Familie Müller. Heute ist es die Friedhofskapelle.
Wilhelm Müller war am 25. September 1829 in Glindow geboren worden und kam später nach Schmergow. Als Ziegeleibesitzer Johann Friedrich Wilhelm Müller heiratete er am 01. März 1853 die Schmergowerin Albertine Elise Bertha Thien, dort am 8. Mai 1833 geboren.
1863 siedelte diese Familie Müller von Schmergow nach Paretz über, denn auch hier war ein Tonvorkommen entdeckt worden. Anfang des Jahres 1863 hatte Wilhelm Müller vom Paretzer Schulzen Hübner (Ortsvorsteher) und dem Bauern Hintze einige Flurstücken Land gekauft und beantragt, darauf ein Ziegelei-Anwesen nahe dem Tonvorkommen bauen zu dürfen:
- ein geräumiges Wohnhaus für die Familie des Ziegeleibesitzers
Müller (spätere Paretzhofer Straße 45, Rosenvilla)
- ein Wohnhaus für die Familie des Brennmeisters – über
Jahrzehnte war das Herr Dantzmann (Paretzhofer Str. 47)
- einen Stall für die Tiere
- ein Gebäude für zwei Doppel-Brennöfen
- vier Trockenschuppen für Ziegel
Das Bauvorhaben wurde genehmigt und noch im gleichen Jahr 1863 wohnte die Familie Müller in der neuen Rosenvilla und die Fabrikations-Anlage für Ziegel ging in Betrieb. Alles lief ebenso schnell, wie im Jahrhundert davor beim König. Damals war's.

Das Paretzer Ziegelei-Ehepaar Müller hatte acht Kinder:
Albert Wilhelm, * 1854 // Bertha Hedwig Therese, * 1857 // Hedwig Therese Alwine, * 1859 // Hermann Julius, * 1861, oo mit Marie Anna Elisabeth Auguste Kuhlmey, Tochter des Kaufmanns und Mühlenmeisters Karl Friedrich Kuhlmey. // Louis Paul Emil, * 1863 // Anna Pauline Mathilde, * 1865 oo mit Rudolf Lender, Chemiker und Kapitän // Alfred Richard Arthur, * 1869–1885 // Otto Julius Franz, * 1872.
Wilhelm Müller hatte im Jahre 1887 diesen Abschiedsraum mit Familiengruft aus Brennlingen seiner Paretzer Ziegelei errichten lassen. – Wilhelm Müller starb am 16. Mai 1888 im 59. Lebensjahr. Seiner Frau Albertines Lebenskreis hatte sich bereits am 24. Mai 1886 im Alter von 53 Jahren vollendet. Seine Ehefrau und er selber waren wohl die ersten, die in der Gruft ihre letzte Heimstatt fanden. Weiterhin ruhen dort möglicher Weise: Alfred Richard Arthur Müller, † 1885 (falls umgebettet) // Albert Wilhelm Müller, † 1914 // Hedwig Therese Alwine Müller (unverheiratet), 1931.

Das Kreuzrippengewölbe des Innenraums erinnert uns an einen mit Sternen übersäten Nachthimmel. Die Holztafel im Fußboden ist herausnehmbar. Durch diesen Ausschnitt wurden die Särge in die Gruft hinabgelassen. –

Im Kellergeschoss stehen fünf Holzsärge, die von Zinksärgen als eine weitere äußere Hülle umschlossen sind. Die Zinksärge tragen keine Personenkennzeichnungen, sind aber wohl alle mit Angehörigen der Familie Müller belegt – eine naheliegende Vermutung.
(Anmerkung: Dem Fotografen Chris. J. bot sich leider nicht die Möglichkeit, den Raum für einen hinreichend würdigen Eindruck aufzuräumen und zu reinigen. Vielleicht lässt sich das nachholen.)

Einer der Söhne der Vorgenannten: Hermann Julius Müller fand seine letzte Ruhe an der westlich orientierten Mauer des Friedgartens, am Königsweg. Dort auch Personen der Familie Kuhlmey, darunter wahrscheinlich seine Ehefrau Marie Anna Müller, geb. Kuhlmey. Das Tonvorkommen und so auch die Ziegelherstellung war stark rückläufig und so starb der frühere Ziegeleibesitzer im Jahr 1929, während der Weltwirtschaftskrise, als Kleinrentner.

Oft gehen Leben und Sterben mit Schmerzen einher.
Mitunter wird eine unlösbare Verbindung zur Last.
Manchmal findet man eine willkommene Stütze.

Nochmals die Kirche. Vorn die ehemalige Gutsloge mit dem Glasbild im Fenster, vermutlich Propheten darstellend (hier nicht zu sehen).
Das Dorf
Die alte uneinheitliche teils recht verschlissene Bausubstanz der Häuser, die man 1797 vorfand, wurde um 1800 Haus für Haus abgebrochen. Bis 1803 ließ der König auf seine Kosten moderne Häuser errichten, die die Ansprüche der Bewohner besser erfüllten und auch dem beabsichtigten Eindruck eines Herrschaftlichen Musterdorfes gerecht wurden. Man legte somit einen bereits vorhandenen Ort schrittweise völlig neu an, ungewohnt harmonisch gestaltet.
Kommt man auf kürzestem Weg von Potsdam über Ütz / Uetz nach Paretz, so beginnt das Musterdorf an den beiden Torhäusern, die die Eingangssituation zum Ort kennzeichnen.

Die beiden Torhäuser flankieren die Zufahrtsstraße zum Dorf und schaffen eine Eingangssituation.
Allerdings wäre es wohl zu des Königs Zeit nicht angängig gewesen, den Blick auf dieses Ensemble des gestalteten Dorfeingangs mit allerlei Eigenbauten zu verstellen.

Die gleichen Torhäuser, diesmal vom Dorf aus, von der Dorfstraße her, gesehen.


Der Gasthof ist (damals) eine gute Speisewirtschaft gewesen, die auch Übernachtungsplätze bereithielt – in der Ausstattung selbst für Höhere Herrschaften, für Besucher des Königspaares, geeignet. Das Betreiben dieses gastlichen Hauses ließ sich die Familie des Hofgärtners David Garmatter, als einen willkommenen Nebenerwerb nicht nehmen.

Die vormalige Königliche Schmiede in der Gestalt eines >Gotischen Hauses<, ist die heutige Gaststätte des Ortes.

Das gleiche Gebäude von der Giebelseite. Ein wahrhaft repräsentativer Bau für das Versehen der Pferde mit Hufeisen und für das Herstellen und Reparieren landwirtschaftlicher Gerätschaften – auch diese Arbeitsstätte in der Qualität der Ausführung der Schlossgestaltung in nichts nachstehend.

Die Kirche von der Südseite. –
Die Häuser der Bewohner lagen fast ausnahmslos an der Dorfstraße, der Hauptstraße, der heutigen Werderdammstraße.
Der Werderdamm am Ende dieser Straße dient dem Hochwasserschutz.
Neben den Wohnbauten finden wir in dieser Straße auch
- Die Gutsscheune, dahinter ...
- einen der drei Eiskeller,
- das Spritzenhaus der Feuerwehr,
- die Mehlwaage und zwischen den letztgenannten Einrichtungen
- den Verschlag für die Feuerleitern.
- Gegenüber auf der anderen Straßenseite das Haus des Schulzen
(des Ortsvorstehers) mit den davor gesetzten Überdachung auf Holzsäulen, als „Wahrzeichen“ seiner amtlichen Würde. (Heute nicht erhalten.)

Vorn rechts im Bild: Die Gutsscheune für die Vorratshaltung des Gutsbetriebes.

Das Verwenden von Kühleis
In der früheren Bevölkerung wurde üblicherweise kein Eis zur Kühlung von Lebensmitteln genutzt. Dieser aufwändige Brauch zog erst mit der Hohen Herrschaft hier ein. Drei Eiskeller wurden in Paretz angelegt, von denen einer erhalten blieb und dankenswerter Weise saniert wurde.

Die Eiskeller wurden aus Ziegeln gemauert, meist doppel- oder mehrfachwandig und die Zwischenräume mit Sand gefüllt für eine möglichst effektive Kältedämmung. Das Eis sollte ja vom Winter über den Sommer bis zum nächsten Winterbeginn seine Eigenschaften behalten, nicht völlig zu Wasser werden. Aus gleichem Grund hatte der Zugang zwei Türen hintereinander, die dem Strömen der Luft entgegen wirkten.

Der Eislagerraum. (Anmerkung: Die Schautafeln gehören nicht zum Thema Eiskeller.)

Informationssschild zur Eisgewinnung im Zugang zum Paretzer Eiskeller.
Die Eisgewinnung war eine Arbeit, hauptsächlich in den Monaten Dezember-Januar-Februar verrichtet, wenn das Eis im See oder auch im langsam fließenden Fluss dick und tragfähig genug war, um gefahrlos begangen und bearbeitet zu werden. Das Eis sollte also mindestens 10 cm dick sein. Die Arbeitsgänge:
- Pferde ziehen den Eishobel über die aufliegende Schneedecke,
ziehen diese ab und glätten damit die Oberfläche.
- Die Pferde ziehen anschließend den „Eispflug“ über das Eis. Die
Pflugschar ritzt bei diesem Arbeitsgang Markierungsrillen in das
Eis.
- Mit den Eissägen werden die Männer tätig und durchtrennen das
Eis mit den langen Handsägen gemäß der Rillen-Kennzeichnung in
lange Blöcke.

Ein altes Foto zeigt das Sägen des Eises. Es hängt zur Information im Zugang des Eiskellers.
- Pferdefuhrwerke bringen die Eisblöcke vom See zum Eiskeller und
lassen diese durch das bodennahe Fenster und über die
Holzrutsche hinab in den Eiskeller gleiten, nehmen also nicht wie
wir den Weg durch den hier sichtbaren Personen-Zugang.
Im Eiskeller werden die Eisblöcke nicht auf dem Fußboden, sondern auf Balkenrosten gelagert. Unter den Lagerbalken bleibt ein Luft-Freiraum zum Fußboden, um einen Kontakt des Eises mit Schmelzwasser zu vermeiden. Tropfwässer werden abgeleitet.
Zwischen Eisblöcken und der gemauerten Wand hält man einen Abstand, der zur Kältedämmung mit Stroh ausgestopft wird. Jeden der Eisblöcke übergießt man mit Salzwasser, bevor der nächste aufgelegt wird, damit diese ohne Lufträume aufeinander liegen und zusammenfrieren, so dass die bisherigen einzelnen Eisplatten einen einzigen großen Eisblock ergeben.

Die Hauptstraße des Ortes – die Werderdammstraße.

Hier sehen wir vorn links das Gebäude der Mehlwaage und hinten das Spritzenhaus, das nicht zur Arztpraxis, sondern zur Feuerwehr gehört. Dieser grundsolide feste Bau konnte auch notfalls als ein Gewahrsam für fast ausschließlich männliche Arrestanten dienen aber das war wohl nur selten erforderlich. Beide Gebäude wurden mit einem Verschlag verbunden; zur Aufbewahrung der hölzernen Leitern gedacht.
Um 1900, wurde statt des Holzverschlages eine verbindende Mauer mit einer witterungsschützenden Überdachung gestaltet, eben so, wie wir es heute noch sehen.

Das ziemlich sichere Spritzenhaus.

Weitere Königliche Häuser für bäuerliche Bewohner des Musterdorfs in der Werderdammstraße.


Nun sind wir fast am Ende der Hauptstraße des Dorfes angelangt und es sind nur noch wenige Schritte bis zum namensgebenden schützenden Deich.
Ebenso sind wir am Ende unseres gemeinsamen Spaziergangs angelangt und der Autor dieses Beitrages wünscht allen Interessierten einen schönen Aufenthalt in Paretz. – Es gibt viel zu sehen – manches mehr als hier nur angedeutet wurde.
Literaturangabe. Verwendet wurden die Schriften:
- „Paretz - Historischer Führer“, zusammengestellt / hergestellt in
der Druckerei Andreas Lauterberg, Ketzin / Havel, 2002 / 2020,
- „Die Dorfkirche Paretz“, DKV-Kunstführer Nr. 493 sowie
- eigene Erkundungen des Autors.
Links zu weiteren Internet-Beiträgen desselben Autors:
- Die Musiker-Familien Kempff in Jüterbog, Potsdam und der Welt
- Sehenswürdigkeiten in der Altstadt von Jüterbog
- Notizen zur Geschichte der Stadt Jüterbog
- Der wackere Schmiede-Meister in der Stadt Jüterbog
- Hans Kohlhase – ein tragisches Menschenschicksal
- Potsdam, Parkanlage „Neuer Garten“
- Potsdam, Park Babelsberg
- Berlin-Wannsee,die Pfaueninsel
- Bilder zur Colonie Nowawes bey Potsdam, 1750 bis 1850
- Bilder der Colonie Nowawes bey Potsdam, 1851 bis nach 1950
- Bilder der Colonie Nowawes bey Potsdam, Teil 3: Neuendorf