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Zur Ahnenliste „Janecke“ gehörend:

Notizen zum Leben des Arbeiters, Kutschers, Fuhrherrn

und späteren Gastwirts

Friedrich August Zelm

* Käthen (bei Nahrstedt, Altmark), 1840 bis † in Rixdorf bei Berlin 1903


und seiner Ehefrau


Marie Friederike Charlotte Jahnke = Janeke

Lebenszeit: * in Osterburg (Altmark) 1840 bis † Rixdorf bei Berlin 1911.


Ein Beitrag zur Familienforschung und Heimatgeschichte


Kontaktpartner für Fragen, Meinungen oder Ergänzungen: Chris Janecke,


E-Mail: christoph@janecke.name Bearbeitungsstand: Dezember 2019





Was ich dir wünsche bis zum letzten Herzensschlag?

Ein wenig Sonnenschein an jedem Tag.

Für deine Arbeit Heiterkeit und frische Kraft,

ein' frohen Sinn, der stets mit Liebe schafft.

Ein starkes Herz, in Treu und Glauben fest,

das frohen Mut sich niemals nehmen lässt.

Ein heiteres Kinderlachen – ungetrübt und

eine Seele, die die Deine liebt.


Charlotte Dyck




Das Ehepaar = Die Probanden = Die Eltern, Generation 05


Friedrich August Zelm oo Marie Friederike Charlotte Jahnke = Janeke





Vater:

Generation: 05 / Ahn:


Mutter:

Generation: 05 / Ahnin:

Die Bedeutung dieser

Familien-Namen:

Zelm. Eventuell von Celmer // Zelmer. Westpreußen (heute Polen) von Cele-mir (Wunsch + Frieden), siehe auch Celemaus.

Ableitungen von Kurzform Jan. -eke, -ecke, -icke ist Verkleinerungs-Suffix: „Der kleine Jan“, Johann, Johannes (hebr.) „Gott ist gnädig, hilfreich“ oder „Gabe Gottes“.


Name:




Zelm


Jahnke / Janeke

(in den Dokumenten unterschiedlich geschrieben)


Vornamen:




Friedrich August


Marie Friederike Charlotte



Deren

Eltern =

(Groß-

eltern)


Väter:



Johann Friedrich Zelm, Arbeiter in Osterburg (Altmark), Provinz Sachsen,

Im Haus No. 282“ lebt der Arbeiter Friedrich Zelm mit seiner Familie.

(Ja schön, aber wo ist das, nachdem die Hausnummern straßenweise neu vergeben wurden?)


Joachim Heinrich Janeke auch Jahnke geschrieben.

Handarbeiter und Briefträger in Osterburg.


(Gen. 06 / Ahn-Nr. 32. Er lebt mit

seiner Familie in Osterburg.


Mütter:

Dorthee Elisabeth, geborene Molle

in Osterburg (Altmark)


Catherine Elisabeth,

geb. Betke, 06 / 33, in Osterburg



Geburt:



In Käthen (bei Nahrstedt, Altmark), am 19. Juni 1840.

Friedrich August war der dritte, letzte von drei Söhnen des Elternpaares.


Osterburg (Altmark),

am 12. September 1840, um

8 Uhr am Vormittag. Charlotte ist das vierte von neun Kindern.



Taufe:





Osterburg, am 19. Oktober 1840, Pfarrer Curder. Die Paten:

1. Jungggesell' Tischler Blum aus Meseberg.

2. Jungfrau Dorothea Betke aus Meseberg,

3. Maurergeselle Johann Christian Becker aus Höwisch (oo Marie Elisabeth Janeke. Diese ist die Schwester des Kindsvaters Joachim Heinrich Janeke),

4. Jungfrau Dorothea Curts aus Düsedau und

5. Jungfrau Marie Arendt aus Flessau. Quelle KB 1840, Nr. 50.


Konfirmation:


am Sonntag Palmarum,

den 09. April 1854.


Beruf / Stand oder Gewerbe:




In Osterburg: Arbeiter

In Berlin: Kutscher, Fuhrherr,

später, etwa ab 1901 Schankwirt in Rixdorf bei Berlin.



Hausfrau und Ersatzmutter für zwei angenommene Kinder.


Wohnanschriften vor der Ehe:




Bereits vor der Trauung wohnt Friedrich August in Berlin und verdient dort als Kutscher seinen Lebensunterhalt.


Osterburg, (Altmark),


Trauung:

(ev.-lutherisch)



Osterburg: Charlotte heiratet als Jungfrau am Sonntag, den 28. Januar 1866 in der Osterburger Nicolaikirche den Arbeiter und späteren Fuhrherrn Friedrich August Zelm (oder umgekehrt). Beide sind 25 Jahre alt. Es traute sie Diakon Rathmann. Quelle: KB Osterburg 1866, Seite 89, Nr. 5.


Das Paar zieht wohl nach der Trauung nach Berlin und nimmt später, etwa ab 1880, den Sohn von Charlottes Bruder Karl Friedrich August (d. Ä.), nimmt also ihren Neffen, an Kindes Statt an und mit in ihren Haushalt nach Berlin. In Osterburg waren die Wohn- und die Entwicklungsverhältnisse sehr beengt.

Das Kind heißt wie sein Vater ebenfalls Karl Friedrich August Janeke, (der Jüngere), Geboren in Osterburg am 18. September 1869. Er heiratet später Pauline Klara Antonie Dittwaldt.

Außerdem werden sie, die Pflegeeltern, noch ein fremdes „Geschwisterkind“, die Martha, annehmen. Sie wird etwa zwischen 1865 und 1873 geboren worden sein. Ihr ursprünglicher Familienname ist uns nicht bekannt gegeben.


Wohnanschriften, gemeinsame:




Irgendwann, wahrscheinlich nach der Hochzeit – Umzug von Osterburg (Altmark) nach Berlin. Die Berliner Adressbücher vermerken den Namen Zelm erst, als sie eine eigene Wohnung hatten:

- 1875: Berlin-Süd, Manteuffelstraße 5, (zwischen Köpenicker Straße und

Mariannenplatz) Fuhrherr.

- 1881 bis 1883: Berlin-Süd, Wrangelstraße 141 (an der Thomaskirche)

- 1883 bis 1884: Rixdorf, Wiesenufer 13 (späteres: Maybachufer)

- 1884 bis 1887: Rixdorf, Schinkestraße 14, Fuhrherr und Kohlengeschäft

- 1887 bis 1895: Planufer 94-95. Abriss des Hauses und Neubebauung

- 1894 (nur Verlagerung des Fuhrbetriebes: Rixdorf Steinmetzstraße 47, Eig.

- 1896 bis 1900: Steinmetzstraße 57. Eigentum. (spätere Kienitzstraße)

- um 1901: Steinmetzstraße 115 (Aufgabe des Fuhrbetriebes. Neu: Eröffnung

eine Schankwirtschaft (einfache Gaststätte).

- 1903: Tod des August Zelm

- 1906: Umzug der Charlotte in die Rixdorfer Richardstraße 7/8 (Gaststätte).

- 1911: Umzug Charlotte und Martha in die Rixdorfer Nogatstraße 2

(Gaststätte)

- 1911: Ableben der Charlotte Zelm, geborene Jahnke = Janeke.



Tod / Gestorben:

Bestattet:






Rixdorf bei Berlin, Steinmetzstraße 115, am 12. Februar 1903 um 8½ Uhr nachmittags an einem Herzleiden. Schankwirt, 62 Jahre alt.

Er hinterlässt die Ehefrau.

(Weitere Familienangehörige werden nicht aufgeführt, sind aber existent, wenn auch keine „eigenleiblichen“).


Bestattet am 16. Februar 1903, auf dem neuen Jakobi-Friedhof.


Kirchenbuch der Magdalenenkirche in Deutsch-Rixdorf, 53 / 1903 und Eintrag des Standesamtes Rixdorf,

Nr. 205 / 1903.

Zentral-Archiv Berlin. Suche Seite 114, Microfiche-Gruppe 2059.



Rixdorf bei Berlin, Nogatstraße 2, am 09. Dezember 1911 nachmittag 11¾ Uhr an Lungenentzündung.

71 Jahre alt. Witwe. Sie hinterlässt eine Tochter.

(Es handelt sich um das adoptierte Mädchen, die unverehelichte Martha, die auch den Namen Zelm trägt.)


Bestattet am 13. Dez. 1911 auf dem Jakobi-Friedhof.


Kirchenbuch der Magdalenenkirche Deutsch-Rixdorf/Neukölln

Nr. 382 / 1911 und Eintrag des Standesamtes III. 848 / 1911.





Sinngemäße Abschrift des Eintrags der

Trauung / Copulation / Eheschließung „B“

Friedrich August Zelm oo Marie Friederike Charlotte Jahnke = Janeke

aus dem Kirchenbuch des Ortes Osterburg in der Altmark


Ort / Jahr /Seite / lfd. Nummer

Osterburg, 1866 / Nr. 5

Familienname und Vornamen des Bräutigams

Zelm, Friedrich August

Stand / Beruf / Gewerbe des Bräutigams

Kutscher in Berlin

Konfession des Bräutigams

evangelisch

Alter des Bräutigams, sein Geburtstag belegt oder berechnet

25 Jahre. Geboren am 19. Juni 1840 (belegt)

Wohnort des Bräutigams

Berlin

Bemerkung (ob er schon verehelicht gewesen und wie die Ehe getrennt ist)

(nein), ledig

Familien- und Vornamen seiner Eltern sowie deren Stand und ob sie noch am Leben sind.

Vater: Der hiesige Arbeiter Friedrich Zelm

(Beide Elternteile leben.)

Mutter: Elisabeth, geborene Moll



Familienname und Vornamen der Braut

Jahnke, Marie Friederike Charlotte

(später aber auch wieder Janeke und Janecke)

Stand / Beruf / Gewerbe

der Braut

(Haustochter)

Konfession der Braut

evangelisch

Alter der Braut, ihr Geburtstag belegt oder errechnet

25 Jahre. Geboren in Osterburg, am: 12. September 1840 (belegt)

Wohnort der Braut

hier (in Osterburg wohnend),

Bemerkung (ob sie schon verehelicht gewesen und wie die Ehe getrennt ist)

(nein), Jungfrau

Familien- und Vornamen ihrer Eltern sowie deren Stand und ob sie noch am Leben sind.

Vater: Der hiesige Briefträger Joachim Heinrich Jahnke

(Beide Elternteile leben.)

Mutter: Catherine Elisabeth, geb. Betke

Aufgebote

in Osterburg und Berlin, Dom. 1, 2, 3 nach Epiphanias

Ort und Tag der Trauung

Osterburg, Nicolaikirche, am 28. Januar 1866

Trau-Spruch

(nicht erwähnt)

Prediger / Pastor / Pfarrer

Diakon Rathmann vollzog die Trauung

Notizen im Kirchenbuch

-

Anmerkungen des Abschreibenden

-




Die an Kindes Statt angenommenen Kinder (Generation 04 ) von

Friedrich August Zelm oo Marie Friederike Charlotte Jahnke = Janeke


Anmerkung: Der Name des Kindes, das die Ahnenfolge in gerader Linie zu den jüngsten Probanden des Familienzweiges „Janecke“ weiterführt, ist fett gedruckt.


Nr.

Familienname:


Lebensdaten der Kinder


1.



Familienname: Zelm

Irgendwann, vermutlich zwischen 1870 und 1880


nimmt das Ehepaar Zelm das Mädchen Martha an Kindes Statt an. Sie wird adoptiert und heißt nun Martha Zelm.

(Das entnehmen wir aus der Sterbeanzeige von Charlotte Zelm, geborene Jahnke = Janeke.

Die Herkunft des Mädchens, ihr ursprünglicher Familienname und persönliche Daten sind nicht erwähnt, bleiben uns unbekannt.)



2.


Familienname: Janecke

Zieh- u. Pflegesohn“

Carl Friedrich August

Janecke (d. Jüngere)



Geboren in Osterburg (Altmark), Melkerstraße 10 am

18. September 1869.

Er ist ein Neffe der Charlotte, Sohn ihres Osterburger Bruders. Zu Hause in Osterburg waren die häuslichen Verhältnisse sehr beengt und August darf ab 1880 bei ihnen in Berlin wohnen und aufwachsen.

(Nur aus diesem Grunde bin ich, der Schreiber Chris Janecke nicht in der Altmark, sondern hier im Berliner Raum geboren worden.)


Der Pflegesohn Carl Friedrich August Janecke plaudert in seinen Notizen über seine neue Heimat:


1880, ich bin 11 Jahre jung

Ein tiefer Einschnitt in meinem doch noch so jungen Leben: Ich siedle zur Vaterschwester, meiner Tante Marie Friederike Charlotte (geborene Jahnke = Janeke) und ihrem Mann, Onkel Friedrich August Zelm über, die seit 1866 in Berlin leben. Ja aber warum eigentlich, fragt man sich. Die Wohnverhältnisse in Osterburg sind bei uns Janekes in der Melkerstraße 10 sehr beengt. Richtig ist es auch, dass Tante und Onkel Zelm, die ja seit 14 Jahren keine eigenen Kinder bekamen, jemanden aus der Verwandtschaft umsorgen wollen, damit aus ihm in der Großstadt „was Rechtes wird“. Da komme ich ihnen gerade recht. So bin ich denn „zum gegenseitigen Vorteil der Großen“ einfach als Pflegekind „verborgt“, was mir in den ersten Tagen ganz unheimlich ist, so völlig fort von Eltern, Geschwistern und Freunden in einer großen fremden Stadt, obwohl ich es hier gut habe, schöner ausgestattet, als zu Hause. Tante und Onkel sind lieb und freundlich zu mir. Sie stammen ja ebenfalls aus Osterburg – so sind wenigstens nicht alle Bindungen gekappt. Und dann ist da ja auch noch die Martha, die sie ebenfalls angenommen haben. So sind wir hier zu viert.

Tante Charlotte, sie hatte am 12. September 1840 ihren nullten Geburtstag, ist das vierte von neun Kindern meines Großvaters Joachim Heinrich Janeke (Gen. 06 / Ahn-Nr. 32) und seiner Ehefrau Catherine Elisabeth, geb. Betke, (06 / 33) und somit die große Schwester meines Vaters Carl Friedrich August Janeke (der Ältere), der am 14. September 1842 geboren wurde. Tante Charlotte hatte am Sonntag, den 28. Januar 1866 in Osterburg den Arbeiter Friedrich August Zelm geheiratet (oder umgekehrt) und war dann mit ihm nach Berlin gezogen. So wohnen Martha und ich denn bei Tante und Onkel „an Kindes Statt“, jetzt 1880, in Berlin-Süd (Bezeichnung ab 1920: Stadtbezirk Hallesches Tor, später: Kreuzberg, dann SO 36) in der Manteuffelstraße 5, also zwischen Wrangelstraße und Köpenicker Straße. Das liegt nicht weit entfernt vom Krankenhaus Bethanien am Mariannenplatz sowie den Bahnhöfen „Kottbusser Tor“ und „Görlitzer Bahnhof“. (Manteuffel hört sich übrigens schlimmer an, als „es“ ist. Es handelt sich um den Namen einer uralten Adelsfamilie. Zu dieser Sippe gehörten Verwaltungsbeamte, Minister, Generäle und sogar Pastoren! Der Namensgeber für diese Straße war der Freiherr Theodor v. Manteuffel. Er war von 1850 bis 1858 Preußischer Ministerpräsident). Zur Schule brauche ich nur einige Schritte um die Ecke, zur Wrangelstraße 128-133, gehen. Die 80. Gemeindeschule von Berlin, ein rotes Klinkergebäude, ist noch fast ganz neu. Sie wurde in den Jahren 1870 bis 1872 erbaut, ist also sogar jünger als ich. (Der Herr Friedrich Heinrich Ernst Wrangel, nach dem man diese Straße benannte, lebte von 1784 bis 1877 und war von seiner Profession Generalfeldmarschall). Mit Kriegen hatten sie es wohl schon immer.

Zum Kennenlernen der Stadt und zum leichteren Einleben unternehmen Onkel und Tante mit uns per Pedes und auch mal mit dem Fuhrwerk eine Erkundung der Hauptstadt, ungefähr so, wie ich Euch vor geraumer Zeit von der Turmlaterne der Nicolaikirche meinen Geburtsort Osterburg zeigte. Ach so, Fuhrwerk, ja. Ich hatte wohl bisher noch nicht erzählt, dass Onkel August uns mit „den Früchten“ aus seiner Tätigkeit als Fuhrherr ernährt. Das zu berichten ist wichtig, deshalb hole ich es hier nach. Und ich unterstütze ihn auch nach meines Leibes und Kopfes Kräften.

Was gibt es aber hier in Berlin zu sehen? – Dinge, die ich in Osterburg kaum erahnt hätte:


1881 bis 1882 ...

... leben wir nebenan in der Wrangelstraße 141, ebenfalls nahe am schönen Mariannenplatz.

Onkel August Zelm ist immer dafür Spaß zu haben und auch selber solche freundlich-harmlosen Späße zu bereiten: So findet jeder im Berliner Adressbuch des Jahres 1881 unsere stolzen Einträge:

Mein Alter steht nicht hinter diesem Spaß. Ja, so hält mir der Onkel lockend mein Ziel vor Augen: Den Besitz starker, treuer, kluger Pferde. Unabhängigkeit von Vorarbeitern oder Firmenbesitzern. Freude an der Arbeit – aber noch besuche ich ja das 2. Schuljahr (das 8. begann ich vor sechs Jahren) – da kann ich ihm auch schon oft tüchtig helfen und mein Brot mitverdienen, denn ich will ja in der Fremde meinem Elternhaus keine Schande bereiten.

Anmerkungen: Bereits einige Jahre später, um 1890, entstehen in der Wrangelstraße am Standort der bisherigen 80. Gemeindeschule, dort schon wieder neue, weitaus größere Schulbauten. Dieses vorgenannte Wohnhaus Wrangelstraße 141, neben der Thomaskirche, steht seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. So kann ich Euch nicht mehr zur Besichtigung einladen.


1883

Im August werde ich eingesegnet, evangelisch konfirmiert. Der feierliche Akt findet in der Sankt-Thomas-Kirche gegenüber vom Krankenhaus Bethanien am Mariannenplatz statt. In der Gruppe der Konfirmanden bin ich, Carl Friedrich Janecke, am 30. August der 31. Knabe in diesem Jahr, der von Pastor Kirmss eingesegnet wird (die Mädchen werden extra in gesonderter Liste gezählt).

Nach Beendung meiner Schulzeit ziehen Tante Charlotte und Onkel August mit uns fort von Berlin, in das benachbarte Rixdorf, zum Wiesenufer No. 13 (später in Maybachufer umbenannt). Es wohnen hier: E. Jaffé, Holzhandlung; Müller, Holzanweiser; Borowski, Zimmermeister; Zelm, Fuhrbetrieb. Alles Berufe im blühenden Bauwesen der Gründerzeit, die sich gegenseitig prima ergänzen. Nach diesem vorher erwähnten Jux steht mein Name in den folgenden Jahren leider nicht mehr im Adressbuch, weil ich ja keine eigene Wohnung habe, die das rechtfertigen würde.


1884

Schon ein Jahr später (also jetzt, in diesem Jahr) ziehen wir ein Stückchen weiter, schräg gegenüber in die Schinkestraße 14, Ecke Wiesenufer, wo der Onkel auf dem Nachbargrundstück nun so nebenbei noch eine Kohlenhandlung zur willkommenen Erweiterung des Fuhrgeschäftes als „zweites Standbein“, betreibt. Ich rate ihm dringend, dass es bei dieser Materialart gut wäre, wenn er sich noch für den Ankauf zweier Rappen entschiede und vielleicht für einen Schornsteinfeger als Kutscher. Ich solle ihm nicht so naseweis kommen, sagt er lachend zu diesem dunklen Thema und zu meinem schwärzlichen Humor. Ja, ja, der große und der kleine August kommen ganz gut miteinander aus. Hier, in der Schinke, bleiben wir bis 1887 wohnen.

Anmerkung: Der Namensgeber für die Straße, Johann F. Schinke, 1826 bis 1875, war der überwiegend beliebte Dorfschulze, also Bürgermeister von Deutsch-Rixdorf und wird mit dem Straßennamen geehrt und in der Erinnerung „wach gehalten“, obwohl er ein General nicht war.


1887

In diesem Jahr stirbt am Sonntag, den 10. April meine liebe Großmutter Catherine Elisabeth Janeke, geb. Betke, die 1811 in Meseberg (Altmark) geboren wurde und am 29. Mai 1836 in Osterburg, mit Joachim Heinrich Janeke aus Höwisch Hochzeit hielt. Nur fünf ihrer neun Kinder erlebten das Erwachsenenalter, zu denen auch mein Vater und Tante Charlotte Zelm gehören. Die Großmutter hat eine Lebenszeit von 76 Jahren erreicht. Der Osterburger Diakon Rathmann spricht tröstende Worte, als wir sie am 13. April beerdigen und registriert unsere Trauerfeier, als die 24. Osterburger Beerdigung des Jahres im Kirchenbuch. –

Jetzt bin ich 18 Jahre alt und mache mir Gedanken über meine berufliche Zukunft. Vier Jahre lernte ich bisher bei Onkel August den sachgerechten Umgang mit den Pferden und den Kunden und wurde in den Grundlagen des Wirtschaftens unterwiesen. Wenn ich einmal reich wär’ – Geld hätte für eine vornehme Kutsche, würde ich gern Vergnügungsfahrten anbieten, vielleicht vornehmlich für Damen, wie es hier in Berlin bereits im Jahre 1822 Simon Kremser tat. Das wäre noch viel einfacher und sauberer – wenn dann auch genügend Kunden kämen. Nun gut – für die nächsten Jahre werde ich weiterhin mit Onkel August zusammenarbeiten. Für die Pferde wünschte ich mir sehnlich Ohrenschützer; ist es doch ganz schön nervenaufreibend, wie stark die eisenumreiften Holzspeichenräder auf dem Kopfsteinpflaster tanzen und dabei lärmen. Allerdings kann ich mich trotz dieser Erkenntnis nicht rühmen, eine Änderung durchgesetzt zu haben. Erst im Jahre 1904 wird der Vollgummireifen erfunden werden und dann dauert es noch einmal eine Weile, bis er sich durchgesetzt haben wird. Und als diese Neuerung dann leidlich bekannt wird, erscheint schon der aufpumpbare federnde Luftreifen auf dem Plan – eine weitere wesentliche Verbesserung – solange die Luft im Reifenschlauch drin bleibt.

In diesen Jahren (ab 1887) wohnen wir weiterhin in Südost, nahe der Stadtgrenze von Berlin zu Rixdorf nun aber im Hause Planufer 94/95, Parterre (verlängertes Wiesenufer). Hierin leben: Freiberg, Fuhrherr; Mosolf, Fuhrherr; Schönknecht, Fuhrherr; Franz, Schmied; Lier, Witwe und Zelm, Fuhrherr. Ihr könnt ermessen, es wird gar manches durch die Stadt gefahren und die Konkurrenz um gute Aufträge ist groß – und dabei will auch noch jeder Auftraggeber sparen.

Von hier wird jedoch für alle diese Bewohner ein erneuter Umzug unausweichlich sein, denn das Haus wird im Jahre 1896 abgebrochen und an dieser Stelle ein repräsentativer Neubau errichtet. Das weiß heute aber noch niemand von uns Betroffenen. Erst die Zukunft setzt die Leute davon in Kenntnis.

Herr Berliner (also, so heißt der Emil wirklich mit Nachnamen) bringt ein Grammophon zum wiederholbaren Abspielen von so genannten „Schallplatten“ auf den Markt. Bisher kannte ich nur Schlachteplatten. Seine erhebliche Masse beträgt mehr als nur einige Gramm – solch eine Vermutung wäre unrichtig. Das Varieté „Wintergarten“ wird eröffnet.


1894

Mein Onkel August Zelm hat seinen Fuhrbetrieb nunmehr in die Steinmetzstraße 47 verlegt (später wird diese Straße in Kienitzstraße umbenannt). Für uns gibt es also immer wieder neue Eindrücke. Er ist bereits Eigentümer dieses Hauses und besitzt sogar schon einen der neumodischen Telephonanschlüsse: Rixdorf No. 58! So kann Tante Charlotte mit ihrem Charme Aufträge annehmen, sogar während wir unterwegs sind. Onkel August beherrscht dieses wirtschaftliche Rechnen vorzüglich. Zu Pfingsten werden wir wieder einen schönen gemeinsamen Ausflug unternehmen. Diesmal soll’s nach Pankow geh’n; in die Schönholzer Heide.In Frankreich wird eine Apparatur zum „Vorführen laufender Bilder“ vorgestellt, der „Kinematograph“ ist sein Name.


1896

Mein geschäftstüchtiger Onkel August Zelm hat inzwischen auch das Haus Steinmetzstraße 57 erworben. Hier wird er auch bis zum Jahre 1900 wohnen. Knapp vier Jahre – für ihn, den Umtriebigen, eine lange Zeit. Wollt Ihr mal mit ihm telephonieren, so lasst Euch, wenn das Frollein vom Amte sich mit „Hier Amt, was beliebt?“ meldet, von ihr einfach mit Rixdorf No. 58 verstöpseln.


Viel neues hat sich inzwischen getan. Ich bin nun schon seit geraumer Zeit nur noch zu Besuch bei Tante Charlotte und Onkel August. Martha aber lebt noch bei ihnen. Ich wohne inzwischen im Hause Kottbusser Damm 34. Im Hause Dittwaldt, bei den künftigen Schwiegereltern.

Am 15. September heiraten wir, also das Klärchen (Klara Dittwaldt) und ich (miteinander), im Berliner Standesamt IV. und in der evangelischen Kirche der Emmaus-Gemeinde, die am Görlitzer Bahnhof, Am Lausitzer Platz steht. Als Trauzeugen haben wir meinen Onkel August Zelm (inzwischen 56 Jahre alt) und Vater / Schwiegervater August Dittwaldt (59 Jahre alt) ohne erhebliche Schwierigkeiten feierlich gewinnen können. Da sind wir nun drei Augusts zusammen. Es hätte nur gefehlt, dass auch Klara mit Zweitnamen Auguste heißen würde – dem ist aber nicht so. Ihre Eltern hatten sich damals für Pauline entschieden. Hilfsweise hätten wir zumindest im August heiraten können aber nun wurde es eben der Monat September – man soll nichts überhasten, Ähnlich war es ja bei mir damals mit Namen und Geburtsmonat bestellt. Ich erhielt den Namen August, obwohl ich erst im September geboren wurde. Unsere Eheschließung wird beim Standesamt als No. 713 / 1996 registriert und anschließend wird der nächste Teil des Tages in der geschmückten schwiegerelterlichen Gaststätte Kottbusser Damm 34, festlich begangen. Das bedeutet den geschäftlichen Totalausfall, denn alle anderen sonst üblichen Gäste haben heute Ruhetag (oder sitzen etwas fremd bei der Konkurrenz). Was aber tun die Eltern nicht ihrer Tochter zuliebe. Das ist gewiss noch mehr, als meine Liebe erschaffen kann.

Über die Liebe könnte ich noch manches erzählen, über unsere Kinder die dann folgen – aber das lest Ihr bitte im Lebenslauf „Janecke oo Dittwaldt“. Hier stehen ja „Zelm oo Janeke“ im Vordergrund.


1901

August Zelm lässt nun mit 61 Jahren seinen Fuhrbetrieb „langsam auslaufen“ und hat in der Rixdorfer Steinmetzstraße 115 (die später Kienitzstraße heißen wird) eine Gaststätte (als Eigentümer) übernommen behält aber seine Wohnung Steinmetzstraße 57. Es geht ihm gesundheitlich leider durchaus nicht bestens. Der Wechsel, eine günstige Altersvorsorge, etwas mehr Gemütlichkeit, scheint ihm aber zu bekommen. Natürlich ist seine Frau, meine Tante Charlotte am Wirtschaften in der Gaststätte sehr stark beteiligt. Sie ist sogar die tragende Säule des Geschäfts; auch sie ist 61 Jahre alt.


1902

Mein guter Onkel August Zelm ist in diesen Tagen in seinem 63. Lebensjahr ziemlich unerwartet gestorben. Er hatte noch so vieles vor mit dem neuen Betrieb. Tante Charlotte will aber die Gaststätte weiterführen, so sie ihr nicht über den Kopf und ihre Kräfte wächst.






(Sinngemäße Abschrift) C


Sterbe-Eintrag Nr. 205 /1903


des Standesamtes in Rixdorf

_____________________________________________________________________________


Rixdorf, am 14. Februar 1903


Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach, durch Militairpapiere anerkannt, der


Fuhrherr August Janecke


wohnhaft In Britz, Werderstraße 53

und zeigte an, daß der


Schankwirt Karl Wilhelm August Zelm *1


62 Jahre, 7 Monate und 23 Tage alt, evangelischer Religion,

wohnhaft in Rixdorf, Steinmetzstraße 115,

geboren zu Köthen, Kreis Gardelegen *2 , verheiratet mit


Marie Friederike Charlotte geb. Janecke,


Sohn des Arbeiters Zelm, Vorname unbekannt *3

und dessen Ehefrau, geborene Moll, Vorname unbekannt *4

beide zu Osterburg verstorben,


zu Rixdorf in Gegenwart des Anzeigenden,

am 12. Februar 1903, nachmittags um 8½ Uhr, verstorben sei.



Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben


gez. August Janecke


Der Standesbeamte

gez. Unterschrift




Anmerkungen zum Inhalt des Sterbe-Eintrags:


* 1: Unser Verstorbener hieß zeitlebens Friedrich August Zelm. Es ist anzunehmen, dass dem anzeigenden und trauerndem früheren Ziehsohn (33 Jahre alt) die richtigen weiteren Vornamen momentan nicht einfielen. Sie redeten sich doch gegenseitig sowieso stets nur mit ihren Rufnamen „August“ an.


* 2: Hier ist nicht Köthen zutreffend, sondern das kleine Dorf Käthen, s.-ö. von Bismark (Altmark).


* 3: Der Vater, ein Arbeiter in Osterburg, hieß Johann Friedrich Zelm.


* 4: Die Mutter Dorothee Elisabeth Moll_, verehelichte Zelm, wird in den meisten Kirchenbuch-

Einträgen als „Molle“ geführt. So auch bei der Beurkundung von Geburt und Taufe.


1906

Meine Tante Charlotte ist umgezogen. Im Telephonbuch könnt Ihr sie jetzt finden unter:

Zelm, Charlotte, Gastwirtin, Rixdorf, Richardstraße 7–8, Tel. Rixdorf 1141. Das große Miethaus, indem die Gastwirtschaft untergebracht ist, steht gegenüber der (späteren) Berthelsdorfer Straße.


1911

Meine gute Tante Charlotte Zelm ist mit Martha (sie ist nach wie vor unverehelicht) noch einmal umgezogen. Sie leben nun in Rixdorf, Nogatstraße Nr. 2, Telephon Rixdorf 9138. Es ist das Eckhaus zur Rübelandstraße. Das sind nur reichliche fünf Fußminuten von der bisherigen Richardstraße entfernt. Es ist eine ruhige Gegend. Später wird dort, wenige Schritte weiter, der schöne Koernerpark angelegt, aber das erlebt sie nicht mehr, denn noch in diesem Jahr stirbt sie mit 71 Jahren.

Tante Charlottes Leben endet in der Nogatstraße 2, am 09. Dezember 1911 nachmittag 11¾ Uhr. Sie stirbt an Lungenentzündung. Anzeigender beim Pastor ist der Sargtischler Fischer, Anzeigende beim Standesamt ist die Martha. Bestattet am 13. Dezember 1911 auf dem Jakobi-Friedhof.






(Sinngemäße Abschrift) C


Sterbe-Anzeige und -Eintrag Nr. 848 / 1911


des Standesamtes in Rixdorf, Kreis Teltow








1









2




3



4



5

6


Rixdorf, am 11. Dezember 1911


Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

durch Adoptionsvertrag anerkannt,


die unverehelichte Martha Zelm, ohne Beruf,

wohnhaft in Rixdorf, Nogatstraße 2 und zeigte an, daß


die Schankwirtin

Marie Friederike Charlotte Zelm, geborene Jahnke,


verwitwet, 71 Jahre alt, evangelischer Religion,

wohnhaft in Rixdorf, Nogatstraße 2,

geboren zu Osterburg, Kreisstadt,


als Tochter des Arbeiters Joachim Heinrich Jahnke

und seiner Ehefrau Catharina Elisabeth Betke,

beide verstorben, letzter Wohnort unbekannt,


zu Rixdorf, Nogatstraße 2,

am 09. Dezember 1911, nachmittags um elf dreiviertel Uhr verstorben sei.


Die Anzeigende erklärte, von dem Sterbefalle aus eigener Wissenschaft unterrichtet zu sein.


Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben


gez. Martha Zelm


Der Standesbeamte,


in Vertretung, gez. Herz


Die Übereinstimmung mit dem Hauptregister beglaubigt,


Rixdorf, am 11. Dezember 1911

Der Standesbeamte,

in Vertretung, gez. Herz



Erläuterungen von Chris Janecke zu den Rand-Ziffern auf der Rückseite / dem Folgeblatt.




zu 1: Das kinderlose Ehepaar Zelm aus Osterburg, lebt in der Zeit nach 1866 in Berlin. Nach langen kinderlosen Jahren hatten sie den Neffen August Janecke, meinen Großvater, zu sich nach Berlin genommen und des weiteren die Martha (ihr ursprünglicher Familienname ist unbekannt) an eigenen Kindes Statt angenommen.


zu 2: Rixdorf im Kreis Teltow wurde 1920 zu einem Teil von Berlin-Neukölln eingemeindet.


zu 3: Unser Familienname tritt sowohl in amtlichen Dokumenten und in Kirchenbüchern in verschiedenen Schreibvarianten auf. Nach mehr oder weniger deutlicher Aussprache und auch vielleicht mäßig tauglichem Gehör wurde der Name aufgenommen, aufgeschrieben. So kam es zu Janeke, „hyperkorrekt“ auch zu Ganeke, zu Jahnke, später zu Janecke ... und dabei blieb es.


zu 4: Joachim Heinrich Janeke war auch Briefträger, also Postzusteller.


zu 5: Der Wohnort des Ehepaares Janeke war Osterburg in der Altmark.


zu 6: Die entsprechende Bezeichnung der Uhrzeit ist heute: 23.45 Uhr.




- Ende -