Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zur Ahnenliste „Janecke“ gehörend.


Fortsetzung: Chris Janecke, Lebenslauf, Teil 4. Die Jahre 1966 bis 1975


Bearbeitungsstand Juni 2019.


Zu diesem Text gibt es einige Bilder – bitte hier klicken.


1966 – mein 21. Lebensjahr. Das bedeutet: Am Ende des Jahres werde ich meinen den 21. Geburtstag begehen aber das dritte Lebensjahrzehnt hat bereits begonnen.


Was gibt es zum I. Quartal Wesentliches zu berichten?

Raumfahrt:

Mit der sowjetischen "Luna 9" gelingt am 03. Februar 1966 die erste "weiche" Landung eines irdischen Flugkörpers auf dem Erdmond.


Sozialpolitik

Die neuen sozialpolitischen Maßnahmen in der DDR legen fest, dass ab Ostern nur noch an jedem zweiten Sonnabend/Samstag gearbeitet wird. Die wöchentliche Arbeitszeit sinkt von bisher 48 Stunden auf 45 Stunden. In jeder zweiten Woche wird also am Sonnabend nur noch etwa von

7 Uhr bis 13 Uhr gearbeitet. Es entsteht der Spruch: Samstag nach Eins – macht jeder sein's. Und später kann, weil ja alles noch viel besser wird, der Spruch sogar um einen Wochentag vorziehend verändert werden.


Leipzig

März: Schon wieder geht es auch für mich nach Leipzig. Der vierte Ausbildungsabschnitt will uns begrüßen.

Och – die Organisationsstrukturen der Ausbildung wurden inzwischen verändert. Wir lernen jetzt nicht mehr an der Medizinischen Schule der Karl-Marx-Universität Leipzig, sondern an der Zentralen Bildungsstätte des Bezirks-Hygiene-Instituts Leipzig. Das hört sich nicht mehr ganz so vornehm an. Ist aber auch so gut und inhaltlich ohnehin das Gleiche. Das altehrwürdige Schulgebäude befindet sich auch noch in der Scharnhorststraße an gewohnter Stelle. Die Lehrkräfte sind auch dieselben. Die Schulleitung hat uns für diese Zeit Privatquartiere besorgt. Also wieder möbliertes Wohnen. Für mich bedeutet das: nicht mehr in den Uni-Baracken in der Marschnerstraße gegenüber dem Sportforum, sondern einzeln. Ich habe als Wirtin-Adresse bekommen: Frau Maria Friedemann, 7050 Leipzig-Thonberg, Holsteinstraße 40, fünf Treppen hoch. Die Zukunft zeigt mir, dass man es für mich gut getroffen hat. Frau Friedemann wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem Osten nach hierher umgesiedelt, hatte nacheinander zwei Ehemänner, die inzwischen verstorben sind und zwei erwachsene Kinder, deren Leben aber ebenfalls vor langer Zeit jeweils noch vor deren 25. Lebensjahr endeten. Frau Friedemann ist 73 Jahre alt und bewohnt allein oder richtiger – mit ihrem blauen Wellensittich "Bubi" die gemütliche Dachgeschosswohnung des gepflegten Hauses. Sie plaudert gern und viel aus ihrer Jugendzeit. Mein Zimmer kostet 30,- MDN (Mark der Deutschen Notenbank – in der DDR) Miete im Monat. "Ein Klacks" ist das. Unsere Abendessen nehmen wir in ihrer Wohnküche meist gemeinsam ein. Bisher hatte sie des Öfteren feine Messegäste. "West-Gäste" hatten für Frau Friedemann Mitbringsel-Vorteile aber nun ist sie eher froh, dass ihr ein schlichter DDR-Mitbürger die Kohlen hochbringt und die Asche wieder nach unten, einer der keine Scheu davor zeigt. Ich bin ihr erster

Für Frau Friedemann gibt es auch zwischendurch regelmäßige Abwechselungen. Dazu gehören alle drei Wochen die reihum stattfindenden "Kaffee-Kränzchen". Vorsicht! 50 Gramm Kosta-Kaffee kosten 3,50 Mark – aber der Kränzchentag ist Feiertag, da soll es "Blümchen" (Malzkafe) oder selbst der gute georgische Tee aus Grusinien nicht sein. "Kränzchen", zu denen der jeweiligen Gastgeberin stets eine kleine Aufmerksamkeit mitzubringen ist. Drei Witwen und ein Ehepaar – für den männlichen Teil, schweigend aber duldsam dem Geschnatter zuzuhören, ein eher anstrengender Akt. Ich höre nach einem halben Jahrhundert immer noch die Stimmen, wie sich die Nachbarinnen Frau Friedemann und Frau Gr. einigen: "Du schenkst die Blume (es waren in Wirklichkeit mehrere) und ich das Konfekt". Natürlich lernte auch ich diese heitere Versammlung zu den Zeitpunkten des Willkommens und des Abschieds kennen, ohne jedoch ein geladener Teilnehmer sein zu müssen.

Andere Redewendungen nahm ich auch gern an: "Reechen wär(n) mer kriechen" (völlig ohne kriechende Regenwürmer). Sie hatten "ä dichtsches Klick un hatten ihren Geichel dabei". "Ei for bipsch", ruft man da doch erstaunt aus! (Ich habe hier aber gewiss Rechtschreibfehler drin).


Frau Friedemann besitzt eine "Phonotruhe". Ein Möbelstück gewaltiger Abmessungen in dem sich das Radio (mit grünem "magischen Auge"), der Plattenspieler, der Fernsehapparat und der manuell zu betätigende Spannungsregler befinden. Dazu in demselben Schrank auch eine größere Sammlung eingestaubter Schallplatten. Frau Friedemann hat zu ihrem Bedauern schon lange keine Plattenmusik gehört, weil die eigene Hand stärker zittert, als es dem Tonarm beim Aufsetzen auf den Rillenanfang gut täte. Also nehmen wir vorerst eine Grundwäsche aller Klangträger vor und treffen dann eine geeignete abgestufte Wahl für die Untermalung unserer Abendessen. Als eindeutiger Favorit gilt momentan das Zwischenspiel aus "Der goldene Pavillon" aber auch "Eine kleine Nachtmusik" passt zum Abendmahl ganz vorzüglich. Das genussvolle Hören schützt zudem davor, auf weibliche Fragen sogleich mit vollem Mund antworten zu müssen.

Frau Friedemann ist in Fernsehsendungen ganz entzückt von Roy Black „Ganz in weiß mit einem Blumenstrauß“ – ein Supererfolg – aber auch den Gesang von Peter Wieland weiß sie zu schätzen einschließlich seiner gepflegten Frisur. Ja, sie ist eine lebensbejahende Kennerin dieser Materie.


Abends klemme ich auch mal das Fotoapparat-Stativ an den Fensterrahmen und lasse bei geöffneter Blende den Widerschein des Mondes seine Bahn über den Film ziehen. Auch der nachts beleuchtete Johann Sebastian Bach im Stadtzentrum oder die Autoschlangen am Hauptbahnhof sind als Nachtfoto-Motive willkommen.

Unten vor dem Haus steht eine EMW mit Beiwagen, die zu Familie L. gehört. Die Eltern und fünf quicklebendige kleine Rotschöpfe. "Wie die Orgelpfeifen", sagt Frau Friedemann. Ja, ja, alle Jahre wieder.


Im Verband der Konsumgenossenschaften wurde es in dieser Zeit (nur für eine kürzere Zeitdauer) als modern angesehen, die sozialistischen Werktätigen bereits morgens auf dem Weg zu ihrer Arbeit, vor der Zeit der offiziellen Ladenöffnung, mit Milch zu versorgen. Dazu wurden Warenschleusen eingerichtet – ein kleiner Laden am Eingang, innerhalb des Ladens. Eine Art von abschließbarem "Windfang". Dort konnte der Bürger eine Flasche Milch entnehmen und dafür 72 Pfennige in die "Kasse des Vertrauens" einlegen. Reichte der Platz für eine innere Warenschleuse nicht aus, so standen die Milchflaschenkästen auf der Straße vor der Verkaufsstelle. Das war zwar sehr sozialistisch-vertrauensvoll aber doch ein Unding, denn manch ein Hund hob dort wohl auch sein Bein. Flugs fertigte ich eine Zeichnung und ließ in einer Leipziger Schlosserei für eine verbesserte und erhöhte Zwischenlagerung ein fahrbares Milchkastengestell mit Abdeckplane bauen, das als "Muster für die republikweite Einführung" hätte dienen können. Es kostete mich etwa ein halbes Monatsgehalt aber das neue Frühversorgungssystem schlief generell bald wieder ein. Vielleicht lag es ja daran, dass das sozialistische Menschenantlitz treuer schien als die Hand, die eigentlich nicht nur das Getränk entnehmen, sondern auch die vertrauensvoll wartende Kasse füllen sollte.

Bei meinem Bäcker in der Oststraße stürzte neulich eine Glasflasche ab – zerbrach neben dem leckeren Kuchen in ungezählte kleine Splitter. Sie stand dort vorher im Laden, gefüllt mit süßem Marmeladen-Lockwasser, um die Wespen vom Kuchen fernzuhalten. Ich baute dem Meister ein neues Modell, undurchsichtig und deshalb nicht so unappetitlich, aus leichtem weißem Plast-Material im eigenen kippsichernden Ständer. Wenn diese Flasche mal umstürzen sollte, passiert nichts Schlimmes. Keine Glassplitter im Kuchen oder in der Bäckerhand. Für die Tiere allerdings hat sich kaum etwas geändert. Vielleicht kann das Modell Einzug in das Konditor-Gewerbe erlangen?

Ihr merkt es vielleicht schon: Zu jener Zeit beginnen die "wilden Jahre meiner Neuerertätigkeit".


Juni

In dem großen Häusergeviert unserer Wohnblöcke, also zum Hof hinaus, befinden sich viele Kleingärten und an den Rückfronten der Häuser ein umlaufender Weg. Auf diesem fand im Juni die pompös erscheinende Fronleichnamsprozession der katholischen Kirche statt. Da schien die uns umgebende Wohnlandschaft so richtich heilich.


Juli

Schon wieder ist ein halbes Jahr vorüber und somit auch der letzte = vierte Abschnitt der Ausbildung geschafft. Inzwischen haben wir die schriftlichen und mündlichen Abschlussprüfungen hinter uns gebracht und die große Hausarbeit ist fertig geschrieben.

Feierlich gestimmt erhalten wir das Abschlusszeugnis "Hygiene-Inspektor" mit der Staatlichen Anerkennung im August.

Im Hochsommer habe ich meinen Jahresurlaub. Ich bin eingeladen, einen Teil davon bei Heinz in Bad Schandau, An der Elbe 10, zu verleben. Einige schöne Tage, in denen wir viel unterwegs sind.

Als ich zurückkomme, geht es bald darauf zum Wochenend-Betriebsausflug in das Ostseebad Kühlungsborn.


GDSF – Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft

Eine große Propagandawelle hat uns erfasst. Wir sollen als Mitarbeiter des Rates des Kreises, als beispielhafte Vorbilder, in die Reihen der Gesellschaft für „Deutsch-Sowjetische-Freundschaft“ eintreten. Ich habe nichts gegen eine solche Freundschaft. Im Gegenteil: Ich bin sehr dafür mit Menschen aus allen Erdteilen freundschaftlich umzugehen. Muss ich aber deshalb irgendwelche Büroleute und Polit-Organisatoren mit meinen Beiträgen durchfüttern, deren Feiern finanziell ausstatten? – Das bleibt nebulös, unklar, weil es eben auf die Frage der Beitragsverwendung keine klare Antwort gibt. Bei sanften, wenn auch unnötigem Gesprächsdruck und der ausgezeichneten Argumentation „es machen doch alle", bin ich dann “unter der Gruppendynamik“ am 1. August Mitglied geworden – und hatte meine Ruhe, ohne dass jemals (bis zum Abzug der sowjetischen / russischen Truppen 1994) irgendwelche für uns Mitglieder organisierten freundschaftlichen Begegnungen zustande kamen.


Schulungsaufgaben

Schulungen halte ich ab und zu. Im Spätsommer habe ich eine Schulung für etwa 40 Verkaufsstellenleiter des Lebensmittel-Einzelhandels zu halten. Vorgegebenes Thema: >Das Lebensmittelgesetz der DDR<. Das hört sich trocken an aber gewürzt mit vielen Beispielen aus der Praxis für die Praxis wird es kurzweilig und leicht verdaulich, zumal wohl die meisten ihren schmaleren eigenen Arbeitsbereich sehr gut kennen, ich aber die Möglichkeit habe, auf Beispiele aus der gesamten Palette der Lebensmittelindustrie und des Handels zurückgreifen zu können. Auch ist mein eigenes Lernen in diesem Fach noch in frischester Erinnerung. Es kommt jedoch dabei leider zu einem "Zwischenfall". Ein älterer, ernster hagerer Herr ("Kollege", sagt man, "Herren" waren in der DDR abgeschafft) steht auf und fällt mir laut ins Wort. Es sei nicht zu akzeptieren, dass ich hier Begriffe aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem verbreite. Dieser Einwurf traf mich ganz unvorbereitet und mir war nicht klar, ob er helfend eine Korrektur anbringen wollte oder eine Provokation beabsichtigte. Deshalb fragte ich zurück, was er überhaupt zum Ausduck bringen wolle. Er sagte, ich spreche hier von "Reklame", es hieße bei uns aber richtig: "Sozialistische Werbung". Daran möge ich mich halten.

Ich dankte sehr kurz für den Beitrag und fragte die Teilnehmer, ob sich noch jemand zu dieser wichtigen Problematik äußern wolle. Es wollte niemand. Eisiges Schweigen, gespannte Erwartung über den weiteren Fortgang. Das gab mir einen Moment Zeit, mich selber zu fassen. So bat ich den Zwischenrufer doch einmal sein Exemplar des Lebensmittelgesetzes aufzuschlagen (das als Arbeitsgrundlage für die Schulung galt). – Er hatte dieses Arbeitsmaterial nicht bei sich. So bat ich einen mir Nahesitzenden die gerade behandelte Passage aus dem Gesetzbuch laut vorzulesen. Und so liest er laut "... ist es nicht statthaft, aus Gründen der Reklame, die Lebensmittel ..." (so, wie es eben an mehreren Stellen steht). Ich dankte und kommentierte den vorherigen Einwurf so, dass man durchaus in der DDR, wie gewiss auch in der Bundesrepublik von "einer Werbung der Kunden" sprechen könne. Wenn wir aber das geltende Recht der DDR zitieren, dann sei im Zitat auch die Terminologie / der Wortlaut des Gesetzes / des Gesetzgebers zu verwenden!

Ende meiner Antwort. Szenenbeifall gab es nicht. Die Teilnehmer waren still, schienen recht angespannt.

Da es sich bei dem Kollegen möglicher Weise nicht um einen Lebensmittelfachmann gehandelt hatte, sondern um einen Beobachter, der aufpassen und für Ordnung oder Unruhe sorgen sollte, nahm ich an, dass da vielleicht später noch "ein klärendes Gespräch" folgen würde. Es fand aber keins statt. Vielleicht nur deshalb nicht, weil es für mich mit 1:0 ausgegangen war – Puh! Noch mal gut gegangen. Schlecht wäre es gewesen, als Vortragender „den Kopf einziehen" zu müssen – solch einen Vorgang kann sich die nächste Generation heute, ein halbes Jahrhundert später, kaum noch vorstellen?


LDPD – Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der DDR

In diesem Sommer tue ich einen Politik-Schritt, der mir als ein größerer erscheint, bei dem ich aber die Wirksamkeit für mich und im eigenen Umfeld noch nicht einschätzen kann. Es gibt bei uns in der DDR als Parteien

Die Parteien bilden zusammen den „antifaschistisch-demokratischen Block“ innerhalb der „Nationalen Front“ der DDR. Die SED ist die Partei, die alle anderen Parteien und die Bevölkerung führt. Die SED, die DBD und eigenartiger Weise auch die NDPD, hängen besonders eng zusammen.

Die SED hat die weitaus höchste MItgliederanzahl und demzufolge wohl auch die stärkste Personenzahl aus dem früheren Regime unter ihren Mitgliedern, denn die Minderzahl der Mitglieder sind in der DDR geboren, die meisten bereits vorher, so wie es natürlich auch bei den Mitgliedern der NDPD der Fall ist.

Nach den ersten eineinhalb Jahrzehnten ihres Bestehens haben alle diese Parteien inzwischen ähnlich gute, vergleichbare Ziele. Etwas bürgerlich betont gibt sich die CDU (und nach außen hin etwas christlich) sowie die LDPD (diese der Freiheit im Namen).

Vielleicht, so denke ich, kann ich bei einer Mitgliedschaft in einer betont bürgerlich-freiheitsliebenden Partei mit größerem Rückhalt an mancher Stelle mehr erreichen, habe dabei das Bewahren der eigenen Überzeugungen, die relative Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung im Hinterkopf. Vielleicht kann ich

Meine zusammengefassten Vorstellungen: Problemlagen normal, also offen und ehrlich erläutern zu dürfen, die Denkergebnisse auch freiheitlich diskutieren können, und wenn als richtig erkannt, verbreiten, umsetzen, danach Handeln zu dürfen, sie mit Leben erfüllen.

Das sind so meine gewiss noch nicht völlig gereiften Gedankengänge, denn ich kenne ja das Parteileben mit seinen Aufgaben und eventuellen Vorzügen noch nicht von „innen“.

Nach solchen Überlegungen trete ich der LDPD bei.


Multi-Maschine

Das Waschgerätewerk im erzgebirgischen Schwarzenberg hat die Weiterentwicklung der Wellrad-Waschmaschine (WM 60) in die Geschäfte gebracht, die nun auf den Namen WM 66 hört. Dazu passt eine entsprechende Trockenschleuder (TS 66). In der DDR geht damit alles ganz fix und rationell. Die am längsten einstellbare Waschdauer beträgt 8 Minuten. Man kann also sagen "WM" gilt nicht nur für "Waschmaschine", sondern ebenfalls für "Weltmeister". Mit der Waschmaschine lässt sich aber nicht lediglich Wäsche bearbeiten. Ganz hervorragend ist sie ebenso geeignet zum Anwärmen des Babybadewassers aber auch als Einkochapparat für Obst und Gemüse nach dem Weck-Verfahren. Ebenso darf sie im "ambulanten Imbiss-Handel" vorzügliche Dienste in der Würstchenerhitzung leisten (sofern sich eine Steckdose in der Nähe befindet). Auch Maschinenbauteile in Schlossereien lassen sich in diesem Whirl oder Heizquirlbecken ganz ausgezeichnet waschen. Gewiss gibt es noch weitaus mehr Einsatzgebiete für dieses Multitalent.


Vorausschauend anmelden!

Zwar benötige ich kein Auto und habe auch kein Geld dafür, habe mich nun aber doch für einen Pkw „Trabant“ angemeldet, da die Wartezeit bis zur Auslieferung etwa 13 Jahre betragen wird. Wer weiß schon, was bis dahin für Bedarfsumstände eintreten könnten. Jetzt schreiben wir noch 1966. Mit der Lieferung der heutigen Bestellung wäre also voraussichtlich im Jahre 1979 zu rechnen.


Dezember

Eine freundliche Kollegin in unserer Poliklinik hat Kummer. Ein Sanitär-Rohrleger hat ihr in der Küche ein neues Waschbecken angebracht und die Abwasserleitung dafür verlegt. Seither riecht es in der Küche der reinlichen Frau ständig nach Klärgrube, nach fäkalen Faulgasen und sie hat anhaltende Kopfschmerzen und klagt über Unwohlsein. Weil das alles auch etwas mit Hygiene oder dem Gegenteil davon zu tun hat, erhalte ich den schönen Auftrag, mich darum zu kümmern.

Das Rätsel war schnell gelöst: Der Spezialist hatte versäumt, einen Geruchsverschluss = Traps = Syphon einzusetzen. Ich holte das ersatzweise nach und das Leben war wieder „im Lot“.


Am 11. Dezember begehen wir den „Tag des Gesundheitswesens“ im Rangsdorfer „Seebad-Casino“.



1967 – Mein 22. Lebensjahr



Halte Frieden.

Sei deinen Nächsten ein helfender Freund und (wenn's möglich ist) eine Freude.

Tue recht und scheue Niemanden.



Januar 1967 – Gedankliche Abschiedsvorbereitungen

In der Hygiene-Inspektion Zossen könnte für mich in den nächsten Jahrzehnten beruflich alles so weiterlaufen wie bisher. Das ist die beratende und prüfende Arbeit in den drei „Säulen“: Infektionskrankheiten/Infektionsschutz, Lebensmittelhygiene und Kommunalhygiene, sowie in den angrenzenden Gebieten dieser Sparten. Dazu häufig die ehrenamtliche, also kostenlose, abendliche Lehrtätigkeit in der Ersten medizinischen Hilfe, Gesundheitshelfer-Ausbildung und ähnliches mehr.

Auch im Finanziellen geht es mir gut: 1966 verfügte ich über das Jahres-Einkommen in Höhe der selten schönen Bruttosumme von 5.555,- MDN (Mark der Deutschen Notenbank der DDR), so steht es in meinem „Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung“. Das sind rund 463,- Mark Brutto im Monat. So sieht es noch schöner aus, als wenn ich das im Netto ausdrücken würde.

Doch ich will auch an spätere Zeiten denken. Vielleicht an das Versorgen einer Familie, denn Gedanken an die Grundlagen für eine Rentenhöhe bewegen mich begreiflicher Weise noch nicht. Ich denke aber auch an den mir so dringend erscheinenden Wissens- und Leistungszuwachs.

Ich muss also abwägen zwischen Treue und Anhänglichkeit gegenüber dem „Dienstherrn“ und dem Drang zum beherzten Voranschreiten. Ich muss Sinn und Nutzen weiterer Lernjahre einschätzen. Früher mussten die (Handwerks-)Burschen auf Wanderschaft gehen, in der Fremde vieles lernen, bevor sie selber eine Meisterschaft erlangen durften. Meine Antwort auf diese Eigenbetrachtung ist mir schon klar, denn ich weiß: Ich bin noch längst „kein fertiger Mensch“, habe „Appetit“ auf Bildung und Entwicklung. Es ist nicht wichtig, dass ich mir ein relativ ruhiges beschaulich-geordnetes Arbeits-Leben einrichte, es ist nicht interessant, mit Abstand und „von unten“ zu schauen, was „oben“ in der „Großen Welt“ passiert, sondern vor allem das, was ich erst noch lernen, wissen und anwenden sollte, scheint wichtig. Nicht über Versäumnisse und verpasste Gelegenheiten will ich später sinnieren, sondern mich über die volle erfüllende Schönheit der Arbeiten und des Lebens freuen. Zufrieden sein können mit eigenem Voranschreiten, was wiederum anderen mehr meiner Hilfe und Unterstützung bieten kann.


Ich komme mir allerdings auch undankbar vor, wenn ich an dem Barackenkomplex des Rates des Kreises Zossen vorbeikomme. Dort hat unsere Chefin ihren Dienstsitz. Unsere Kreisärztin, Frau Obermedizinalrätin (OMR) Dr. med. S., ist über meine Änderungsabsicht nicht begeistert, – aber gefasst – mit Einsicht. Insgesamt verständlich. Solche Personallücken muss sie ja dann wieder füllen, Leute werben, ausbilden lassen. Die Arbeit muss inzwischen trotzdem geschafft werden.



Lass dich nicht abhalten, wirkliches Leben zu suchen.

In dir und um dich. In Genuss und Verzicht.

In Arbeit und Freizeit. Mit Kopf und mit Herz.

Mit Schmerz und Freude. Allein und mit andern.

Du bist nicht allein auf deiner Suche.

Es gibt nichts Faszinierendes,

als einen wirklich lebendigen Menschen.


Du musst zu deinen Sehnsüchten finden, zu deinem Hunger nach mehr.

Zurück kannst du nicht. Stürze dich in die Zukunft, indem du jetzt überlegst, was du willst.

Was willst du? Gibt es ein Ziel in dir? Bist du beseelt von einer Sicht, von einem Weg,

von einer Zukunft? Hast du Hoffnung? Siehst du die Türen, die dich einladen?


"In all diese Gedanken hinein höre ich die Worte meines Freundes, meines Vorbildes:

Ich will, dass du ein Leben hast, ein reiches, volles Leben!

Erneut wage ich den Sprung ins Leben, ohne Absicherung und Vorbehalte."


Ulrich Schaffer




März 1967

Zum Ende des Monats März verabschiede ich mich im Kollegenkreise bei der Arbeitsbesprechung mit Kaffee und Kuchen. Adieu ihr Lieben alle miteinander.


Ich packe meinen Koffer und räume mein Zimmer im Dachgeschoss der Arbeitsstelle in

1634 Rangsdorf, Friedensallee 9.


April 1967

Als ich jetzt im April für einige Urlaubstage zu Hause bei den Eltern bin, klingelt unser Nachbar Herr Burkert bei uns – ob ich nicht mal nach seiner Frau sehen wolle, sie antworte ihm nicht. Sie war am Vorabend zu Bett gegangen und in der Nacht in ihrem 67. Lebensjahr unmerklich, ganz friedlich aus diesem irdischen Teil dieser Welt gegangen. Herrn Burkert richtig helfen, die Uhr des Lebens seiner Frau zurückstellen, kann ich verständlicherweise nicht, lediglich den Hausarzt hierher bitten und den Versuch unternehmen Herrn Burkert einige (ungeübt hilflose?) Trostworte zu geben.

Das Ableben seiner Frau verkraftet Herr Burkert aber nicht und er stirbt, körperlich ansonsten eigentlich gesund erscheinend, zwei Wochen später. Ehre dem Andenken dieser freundlichen Menschen.

Anna Burkert, geborene Vorwerk, * 03. Oktober 1900, † 02. April 1967

Adolf Burkert * 27. September 1897, † 18. April 1967



Das Leben anderer Menschen retten. Vorerst wieder erst einmal theoretisch – in den Lehrveranstaltungen. Denn wisse: Das Bild des Helfers wird getrübt – wenn er des Helfens nicht geübt.

Um die Inhalte meiner Lehrveranstaltungen in der Ersten medizinischen Hilfe noch anschaulicher zu gestalten, baue ich im April ein Gerät zum Üben der Wiederbelebung durch Atemspende sowie der äußeren Herzdruckmassage (ein Wiederbelebungs-Phantom).

Wir wissen ja: Bisher wurde das versuchsweise Belüften der Lunge und die Kompression des Herzens mit den Armbewegungen des Verletzten, ausgebreitet über den Kopf des Verletzten und anschließendes Zurückführen und Drücken der Arme auf den Brustkorb des Verletzten, in stetigem rhythmischen Wechsel vollzogen, eben so wie es deren Entwickler Holger Nielsen und Sylvester Broschmeier vorgegeben hatten. Nicht in jeder Situation, nicht bei jeder Verletzungsart ließ sich die bisher klassische Wiederbelebung anwenden. Das Neue: Atemspende von Mund zu Nase/Mund und äußere Herzdruckmassage mit den auf dem Brustbein übereinander gelegten Handballen des Helfers. Effektivere Luftzufuhr, verbesserte Herzkompression, geringere Anstrengung für den Helfer. Das bisherige praktische Defizit der neuen Methode: Man kann/darf sie nicht außerhalb eines Notfalls, nicht am gesunden Menschen üben. Es bleibt bisher bei bildhafter Darstellung mit Erläuterungen. Das aber hat jetzt bei mir ein Ende!

Dazu kaufe ich mir für 10,- MDN den Kopf einer Schaufensterpuppe aus Pappmaché von der HO-Werbeabteilung (Staatliche Handelsorganisation), setze einen Fahrradschlauch als Luftröhre ein. Eine Plastetüte dient als Lunge, überdeckt von einer Gummimatte (die mit ihrem Gewicht das Ausatmen bewirkt). Eine kurze Latte über einer Fahrradsattelfeder bildet das Brustbein – das Ganze verschraube ich auf einer Unterlage-Platte und bekleide es mit einem Pullover. Als "Luft-Brücke" zur Atemspende lassen sich auch die üblichen Tuben (nicht von Zahnpasta, sondern von Tubus hergeleitet) nach "Safar" und der "Medi BA 06" prima einsetzen. Natürlich reicht auch ein Taschentuch als Zwischenlage. Mein neues Schulungsmaterial, was wohl hier noch keine andere Lehrkraft hat – so auch das DRK nicht. Meine Weltpremiere in der DDR, sozusagen. Zumindest – soweit ich weiß.


April 1967

Meine Zeit in der Verkehrs-Hygiene-Inspektion des Medizinischen Dienstes des Verkehrswesens!

Vor dem Fortgang von der Hygiene-Inspektion des Kreises Zossen hatte ich mich beim Medizinischen Dienst des Verkehrswesens beworben, um mein Wissen und mein Tätigkeitsfeld erweitern und vertiefen zu können. Ihr wisst ja – zum Verkehrswesen gehört, außer den bekannten vorgenannten „Säulen“ der Hygiene-Arbeit, alles das, was so rollt, schwimmt oder fliegt.

In der Direktion Magdeburg könnte ich auf einem Arbeitsplatz im Bereich Dessau angestellt werden. Vorerst reist allerdings der Kaderleiter (Personalchef) Herr Ni. von Magdeburg nach Babelsberg, um das Elternhaus des 21-jährigen Bewerbers kennen zu lernen, zu prüfen, aus welchen sozialen Verhältnissen dieser junge Mann kommt. Das Ergebnis fällt positiv aus. Herr Ni. ist offenbar von meinen Eltern angetan und erfreut, dass er nicht nur einen fertigen Hygiene-Inspektor bekommt der Willens ist weiter zu lernen, sondern gleichermaßen jemanden mit der höchsten Lehrbefähigung des DRK. Er hat zwar im Magdeburger Arbeitskollektiv schon einen hauptamtlichen „Wanderprediger“, wie er sagt, aber wenn der mal ausfällt, Urlaub hat ... und alle Termine, in allen Territorien, kann dieser allein ohnehin kaum bewältigen. Herr Ni. betrachtet als Verwaltungsmann auch gleich interessiert dieses von mir gerade gebaute Übungsgerät zur Wiederbelebung, welches ich ihm als „Einstand“ mitgebe, weil er mit dem Auto da ist.


24. April 1967

Heute habe ich die Tätigkeit beim Medizinischen Dienst des Verkehrswesens (MDV) Direktion Magdeburg, Halberstädter Straße 47 aufgenommen.

Da ich nun schon „als älterer Hase“ beginne, bekomme ich 450,- MDN/Monat Bruttogehalt bei 45 Wochenstunden Arbeitszeit und 17 Tagen Jahresurlaub – ähnlich also wie in Zossen. Zum Anfang ist das geringfügig weniger, weil es im Tarifgebiet des Verkehrswesens andere Gehaltsgruppen, als vorher im Gesundheitswesen gibt. Da werden wohl so mindestens an die 320,- MDN als satter Nettobetrag für den monatlichen Lebensunterhalt und das Sparen herauskommen!

Hier, beim MDV, liegen die Schwerpunkte auf der Tätigkeit für die Deutsche Reichsbahn, für die Nahverkehrsbetriebe (Straßenbahn), den VEB Kraftverkehr (Busse), für die Binnen-Schifffahrt und hier eingeschränkt, weil ja der Raum Magdeburg aktuell keine direkten Hansestädte mehr hat, für die Hochseeschifffahrt und den Flugverkehr. Aber auch diese beiden letztgenannten schönen, für uns etwas am Rande liegenden Verkehrsträger werden zumindest zu den Praktika aufgesucht.

Die Gesamtausdehnung der MDV-Direktion Magdeburg ist identisch mit der Größe der Reichsbahndirektion und ist außerdem in verschiedene Inspektionsgebiete gegliedert.

Mein eigentlicher Sitz wird in Dessau sein.


Vorerst probieren der Kaderleiter (stets im weißen Kittel) und unser „Erste-Hilfe-Wanderprediger“ gemeinsam mit mir mein Wiederbelebungsgerät aus. Es wird beim MDV Magdeburg als offizielles Lehr- und Lernmittel eingeführt. Mein guter Auftakt.

Ein Blick in die Zukunft des Erlernens der Wiederbelebung: Bald wird dann das Deutsche Hygiene-Museum Dresden auch ein Übungsgerät auf den Markt bringen und viel später werden mir aus dem Westen (Schweden, also mehr aus dem Norden) ganz vornehme Geräte in ähnlicher Grundkonzeption meines Modells bekannt. Die sehen dann natürlich wesentlich besser aus als meine eigene Bastelei und werden ein Hundertfaches kosten. Solch ein Gerät werde ich 1990 käuflich erwerben – also dann schon in einer ganz anderen Zeitepoche, einem völlig anderen Abschnitt dieses Lebenslaufes – und außerdem auch in einem anderen Gesellschaftssystem.


Ich wohne vorerst in Dessau in der Sanitätsstelle des MDV, die im Sanitär- und Sozialgebäude der Deutschen Reichsbahn (DR) unmittelbar neben dem Hauptbahnhof untergebracht ist. Hier habe ich in dem schmalen Arbeitszimmer des Inspektionspflegers, für die nächtliche Nutzung eine noch schmalere medizinische Untersuchungsliege (Ihr kennt das: 60 cm breit, so wie in den sowjetischen Kasernen die Soldatenbetten als üblich gelten). Inspektionspfleger bedeutet, dass er kaum mehr den Beruf des Krankenpflegers praktisch ausübt, sondern für das gesamte Personal des Inspektionsbereiches die Arbeitseinteilung und Urlaubsplanung, Statistiken, Materialbestellung und das, was noch so anfallen mag, erledigt. Man könnte auch sagen: Er pflegt kaum Patienten, sondern mehr die Schwestern, die Krankenpfleger und das Büro.

Im Nebenraum steht der Schreibtisch, den ich mir zeitlich mit dem Inspektionsarzt teile, wenn dieser keine Sprechstunde hält. Die Doppelnutzung stört uns nicht, denn wir sind beide aufgeräumte Typen. Dieser Mediziner ist also ein Betriebsarzt für das territoriale Gebiet „der Inspektion“, eben einem der Bereiche der MDV-Direktion.

Drei Schwestern und ein Pfleger vervollständigen den Personalbestand der Betriebs-Sanitätsstelle

Meine übergangsweise neue Adresse lautet: Janecke, Bahnhof Dessau Hauptbahnhof, Sanitätsstelle, Post-Telefon: Dessau 7121, BASA -Telefon 378.

Ja, „BASA“. Schon wieder etwas völlig Neues. Das Telefonieren bei der Bahn ist interessant und einfach mit dem BASA-System (Bahnselbstwählanschluss). Auf einer kleinen DDR-Landkarte sind die Haupt-Orte mit ihren Vorwahl-Telefonnummern eingetragen. Einem „Pfad“ folgend, kann man alle Orte selber anwählen. Man benötigt nicht wie im „Zivilsektor“ das Fernmeldeamt, welches sonst jedes Gespräch vermittelt. Ich weiß ja wie schrecklich das ist, wenn unsere Eltern, so selten wie das vorkommt, mal nach Westdeutschland telefonieren wollen und ein Gespräch morgens beim Fernamt anmelden. Da kommt zuerst die Rückfrage: „Wie lange wollen Sie die Anmeldung laufen lassen?“ Man sagt dann z. B.: „Bitte, bis 24 Uhr.“ Entweder kommt bis dahin eine Verbindung zustande und man muss sich während dieser Wartezeit in der Nähe des Telefons aufhalten. Im anderen Falle löscht sich ein nicht erfüllter Gesprächswunsch um Mitternacht selbsttätig. Man gibt das Vorhaben auf oder versucht es am nächsten Tage erneut. Besonders nervend ist dieses Verfahren, wenn man kein eigenes Telefon hat und in der Schalterhalle der Post auf die Verbindung warten muss. Das gilt als das eher Übliche, denn das Land ist nicht zu stark mit privaten Telefonanschlüssen gesegnet. Und wie froh war man, wenn irgendwann der laute Ruf über die Warteschlange der Postkunden durch die Schalterhalle tönte: "Herr Meier, Ihr Gespräch nach München, Kabine 3, bitte sprechen Sie". Da waren alle laut darüber informiert, dass von nun an leise mitgehört / mitgeschnitten wurde.

Aber auch schon von Potsdam nach Berlin war solch eine Hand-Vermittlung ein aufreibendes Geschäft. Ja, in der DDR war es üblich Ansichtskarten zu versenden. Das ging nach meiner Ansicht unproblematisch.


Bedeutende Betriebe in Dessau sind ABUS-Metallverarbeitung, VEB Stahlbau, der VEB Gärungschemie, das Reichsbahnausbesserungswerk (Raw) und weitere. Ja, so ist es: Dessau riecht im Wesentlichen nach Gärungschemie. Die Stadt erscheint jung – viele Neubauten sind zu sehen, weil die Stadt im Krieg zu etwa 90% zerstört wurde. Als Bombenziel dienten vor allem die Junkers-Flugzeugwerke, aber „gestreut“ wurde über große Teile der Stadt.

Es ist viel Grün zu sehen, zum Beispiel auch dort, wo früher ebenfalls Häuser standen. Schon vor langer Zeit mahnte der deutsch-jüdische Philosoph Moses Mendelssohn (* 6.9.1729, † 4.1.1786), der hier in Dessau geboren wurde und später nach Berlin einwanderte, sinngemäß: „Wenn ihr die Geschichte einer Stadt ergründen wollt – misstraut den Grünanlagen!“

In der Zeit der Feierabende erkunde ich die für mich noch neue Stadt und deren Umgebung. Dessau-Törten, Mosigkau, Kornhaus, Oranienbaum, Wallwitzhafen, ... . Natürlich sehe ich besonders die Bauhaus-Architektur an. Bald fahre ich auch mit der Schmalspur-Dampfeisenbahn zum Gartenparadies Wörlitz. An den Wochenenden bin ich meist in der alten Babelsberger Heimat.


Mai und Juni 1967

Vorerst fahre ich täglich von Dessau nach Magdeburg, um dort in alle Dienstabläufe, insbesondere die vielen Reichsbahnvorschriften eingewiesen zu werden, beim Mitarbeiten hinzuzulernen.


Zum lieblichen Pfingstfest bereits habe ich völlig alleine den Nachtschicht-Einsatz auf dem Dessauer Hauptbahnhof. Es gilt ein waches, betreuendes Augenmerk auf die Züge zu haben, die die Jugendlichen aus allen Teilen der Republik zum Pfingsttreffen nach Karl-Marx-Stadt (früher Chemnitz) fahren – oder wie die dort Einheimischen es wohl eher aussprechen: in die Stadt der „drei O“ (Gorl-Morx-Stodt). Es handelt sich bei den Transportmitteln um „gedeckte Güterwagen“ mit Strohschüttungen als Sitz- und Liegeplätze. Weil die Wagen unzulässiger Weise als Güterwagen und nicht als Personenzugwagen gekoppelt sind, müssen vor der Weiterfahrt erst alle Gewindestangen der Spannschlösser jedes Wagens nachgeschraubt werden, bis Puffer an Puffer ruhen. Ihr wisst ja, warum das bei Güterzügen und Personenbahnen unterschiedlich zu handhaben ist. Den Hinweis auf das Einhalten der Dienstvorschrift und damit auch diesen nicht eingeplanten, längeren Aufenthalt in Dessau haben sie mir zu verdanken und sie waren offenbar geteilt froh darüber. Die Weiterfahrt mit ihren häufigen Stopps verlief dann komfortabler.

Aber zugegeben, nicht alles konnte ich bei diesem Zug-Verkehr in den gedeckten Güterwagen vom Bahnhof aus überwachen. – Reichlich neun Monate später habe es in der DDR einen größeren Babyzuwachs gegeben. Sagt man.


Jugendlied, zu diesem Anlass geschneidert von Kurt Demmler und dem Oktoberklub

(bisher hieß er "Hootenanny-Club") Berlin:


Was machen wir zu Pfingsten, wenn die Wiesenblumen blüh'n?

Wir fahren nach Karl-Marx-Stadt über Autobahn und Schien'.

Und das Blau uns'rer Fahnen ist das Sonntagshimmelblau,

ist das Blau des Ozeans und der Veilchenmorgentau.

Ist das Glänzen vieler Augen, das Gedränge einer Stadt,

die von Marx ihren Namen und ihr neues Leben hat.


Und so weiter und so fort.


Meine provisorische Unterkunft in der Sanitätsstelle am Hauptbahnhof kann ich nun aufgeben. Ich bekomme – aber nur übergangsweise – einen Platz im „Hotel“, das heißt, ich wohne jetzt in Roßlau unweit vom Güterbahnhof, im Sozialgebäude der Deutschen Reichsbahn (DR). Es erinnert mich so recht an unser Großbeuthener Lehrlingswohnheim. Dieses Haus, ein Bau aus den 1950-er Jahren, ist so eine Art Betriebshotel der Bahn. Hier darf ich für etwa sechs Wochen kostenlos wohnen, bis sich im Dessauer Stadtgebiet eine Unterkunft „für die Dauer“ findet. Ich lebe in einem hübschen Mansardenzimmer. „Steinholz“-Anhydrit-Fußboden, rotbraun gestrichen. Bett, Tisch, Schrank, Regal. Auf dem Nachttisch steht mein kleines, rot-beige-farbenes Radio „Ilmenau 480“. Täglich kommt die Reinigungskraft, obwohl ich wirklich nichts schmutzig mache. Das warme Abendessen wartet im großen Speisesaal der Betriebskantine – es ist für mich etwa so, wie es wohl damals "Gott in Frankreich“ angetroffen hatte.

Ja, Radiosendungen. Es ist Flower-Power-Zeit (die Kraft der Blumen). Ich höre abends meist den „Deutschen Freiheitssender 904“, der sich als geheimer Westsender ausgibt, aber bei uns in der DDR bei der Stadt Burg steht. (Das werde ich jedoch erst mehr als zwei Jahrzehnte später wissen). Die Sendungen sind mittelwellig sowie kurzweilig und von kurzzeitiger Länge. Man kann die Musik empfangen von 19.00 bis 19.30 Uhr und Wiederholungen von 21.00 bis 21.30 Uhr und von 22.00 bis nach 22.30 Uhr. Die Sendung beginnt stets mit den ersten Takten "Freude schöner Götterfunken" aus der „Ode an die Freude“, gefolgt von: „Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904, der einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht.“ Er sendet Schlager die es in der DDR nicht auf Schallplatten gibt und ist nicht von Überlagerungsgeräuschen gestört. Zuhause auf dem RIAS (Radio im Amerikanischen Sektor von Berlin) werden die Sendungen seitens der DDR stets von einer lautstarken Sinus-Schwingung gestört, so dass man von der Musik wenig hat. Das hört sich wie französisch an: Qui, qui, qui, ... – unablässig! Kurznachrichten gibt es während der Sendezeiten des „904“ und witzige oder "chiffrierte" Mitteilungen wechselnder Inhalte wie: „Achtung, Achtung, wir rufen die Kräuterhexe. Wir brauchen dringend Baldrian" oder: „Nachricht an Kalenderblatt: Es ist nicht alle Tage Sonntag“ oder etwa „Achtung, Achtung. Der Sandmann kommt heute später. Ende der Durchsage“. Die Sprecher reden in einer für uns ungewohnten Mundart (bayerisch, rheinländisch oder so). Solche "dringenden Meldungen" hatten, wie man später ab 1990 offenlegt, keinen Sinn, sondern sollten die westlichen Geheimdienste verunsichern.


Dieses Roßlauer Hotel-Leben wie "Gott in Frankreich" wird bald unterbrochen, denn es beginnt das Einführungspraktikum bei der Zentralen Leitung des Medizinischen Dienstes des Verkehrswesens, in Berlin, Leipziger Str. 125 (am U-Bahnhof „Thälmannplatz“). Das ist kurz vor der Grenze, Leipziger Platz / Potsdamer Platz – eine unwirtliche Gegend, völlig leeres, kahles Niemandsland zwischen Ost- und West-Berlin, wo bis 1945 das Berliner Leben pulsierte). Meist bin ich aber in der Direktion Berlin des Medizinischen Dienstes, in der Lottumstraße 5. In diesem Zusammenhang ist von mir als der Praktikumsarbeit 1. Teil, neben kleineren Themen eine Studie (mit viel Messtechnik) zu den Arbeitsbedingungen im Reichsbahnausbesserungswerk Berlin-Schöneweide zu erarbeiten. Recht interessant und umfangreich. Während dieser Zeit wohne ich in einem Zimmer bei Frau G. 1055 Berlin, Kollwitzstraße 99. Das Haus steht nahe am Senefelder Platz und ist mit der U-Bahn gut erreichbar.

Der 2. Praktikumsteil ist meine Arbeit für eine modernisierende Umgestaltung des Magdeburger Hauptbahnhofs. Eine spannende, kreative Aufgabe – aber nur auf dem Papier, wie sich später herausstellen wird. Die Geldmittel reichen nicht für einen weitgreifenden, verbessernden Um- oder Ergänzungsbau.


Juli 1967

Nun hat sich im Dessauer Stadtgebiet ohne mein Dazutun ein "festes" Untermietverhältnis für mich gefunden. Vermittelt hat es auf einen Aushang in der Sanitätsstelle, der Lokomotivführer Herr L., der im Süden von Dessau, in der Gutenbergstraße 8 lebt. Das ist eine reichliche halbe Stunde Fußweg vom Bahnhof entfernt, so man hurtig ausschreitet – aber es fährt auch eine Straßenbahn. Dem Ehepaar Le. gegenüber, also auf dem gleichen Treppenabsatz, wohnt die Witwe Friedel Stephan mit einem noch freien Zimmer. So werde ich zum „möblierten Herrn“ der Witwe und muss mein schönes Hotel in Roßlau aufgeben. Für das Zimmer ist es üblich, 30,- DDR-Mark im Monat Miete zu entrichten und es wird beim Einzugsgespräch nicht ausgeschlossen, bei sich entwickelnder beidseitiger Sympathie zueinander, die Abendmahlzeiten gemeinsam einzunehmen. "Also dann: bis heute Abend!"

Aus meinem Zimmer, das gleich am Treppenhaus liegt, schaue ich über die Straße auf eine baumumstandene Grünanlage. Also angelegt wurde sie wohl nicht extra und sie zeigt sich naturwild. Hübsch anzuschauen – aber auch hier gilt wieder der Mendelssohn'sche Spruch: „Misstraut den Grünanlagen!“, denn vielleicht sind dort im Krieg Menschen in ihren zerbombten Häusern umgekommen. Jetzt aber ist für das unbelastete Gemüt der Blick schöner, als würde er auf eine gegenüber liegende, graue Häuserwand gerichtet. Und mehr Sonne kommt ins Zimmer, als zu Vorkriegszeiten. Nebenan befindet sich das „gemeinsame Wohnzimmer“. Jenseits des Korridors liegen der Schlafraum der Witwe, Küche und Bad. Von dort aus schaut man über Gärten und wer sich weit nach rechts beugt, sieht auch den dicken Wasserturm.

Frau Stephan kam nach dem Krieg, nicht so ganz freiwillig, aus ihrer niederschlesischen Heimat hierher. Sie bekommt die Mindestrente, deshalb spinnt sie auch ab und zu. Es sieht etwa so aus, wie es damals bei Dornröschen zuging. Große Säcke fettiger, gelb-grauer Schafwolle stehen in der Küche, die sie auf einem hölzernen Spinnrad zum reißfesten Wollfaden spinnt, um damit die Rente ein wenig aufzubessern. Bei ihr sehe ich auch zum ersten Mal einen mit Gas „beheizten“ Kühlschrank. Aha! Eine Steckdose benötigt sie zum Kühlen der Butter nicht. Ich selber wähle wie seit Jahren die gute Margarine. Meine Stammverkaufsstelle die die Butterliste führt, in der ich als Bezugsberechtigter eingetragen bin, richtet sich nach dem Hauptwohnsitz und befindet sich in Babelsberg – für meine Einkäufe nicht gut erreichbar.


In dieser Zeit kaufe ich von meinen Ersparnissen in der Wilhelm-Pieck-Straße das tschechische Tonbandgerät “TESLA“. Die Aufnahme eines unserer Gespräche und die überraschende anschließende Wiedergabe in unserer Abendessentischgemeinschaft sorgen für kleinen Jokus. Und im Sinne der Nachhaltigkeit ist es gut, solche wertvollen Gespräche nochmals anhören zu können. Frau Wirtin erkannte auch deutlich "Hans Albers", in meiner Stimme, als vom Tonband erklang: "Ein Wind weht von Nord und fort muss die Reise geh'n. Mein Kind, sei nicht traurig ..." Aber ihre eigene Stimme erkannte Frau Friedel anfangs nicht. "Das bin doch nicht ich!" So fliegt auch mancher Scherz hin und her. Frau Stephan ist trotz ihres schweren Schicksals und ihrer Jahre "kein Kind von Traurigkeit".


Ansehen erwerbe ich mir bei den Hausbewohnern, indem ich ein langzeitiges Abwasserproblem des Hauses, das ewige Verstopfen der zu gering dimensionierten Abwasserleitung lösen helfe, die bautechnische Sanierung beim Rat der Stadt mittels „amtlichen Schreibens“ beschleunige. Die Maßnahme hat den gewünschten Sinn und Zweck erfüllt! Die neue Leitung wird verlegt und ein Kontroll- und Reinigungsschacht gesetzt. Keine fäkalen Rückstauungen mehr im Haus. Keine Verstopfungen mehr zu beseitigen. Keine neuen wiederkehrenden Kosten dafür. Keine Beschwerden mehr an die Stadtverwaltung – alle sind nun froh! So ist es recht! So gefällt es uns.


06. Juli 1967, der 54. Geburtstag unserer lieben Mutter! Ein Gedenktag.

Am Morgen des Donnerstag, den 06. Juli wollen wir Verkehrs-Hygiene-Kollegen uns von Magdeburg aus mit dem Auto auf den Weg nach Halberstadt begeben. Dort soll am kommenden Wochenende das 1. Zentrale Kultur- und Sportfest der jungen Eisenbahner der DDR stattfinden.

Unmittelbar vor unserer geplanten Abfahrt erreicht eine Eilmeldung die Direktion:

Kurz nach 8.00 Uhr gab es am Bahnhof Langenweddingen auf dem Bahnübergang, der Kreuzung der Bahntrasse mit der Fernverkehrsstraße 81, einen schweren Unfall. Es handelte sich um den Zusammenstoß zwischen dem beschleunigten Personenzug P 852 von Magdeburg über Halberstadt nach Thale und einem Minol-Tanklastwagen. Dieser war mit etwa 15.000 Litern Leichtbenzin gefüllt. Bei der Kollision entzündete sich das Benzin mit einer mächtigen Feuerwolke. Der Zug und das Tankfahrzeug brannten aus. Nach offiziellen Angaben starben 94 Menschen, davon 44 Schulkinder, die sich auf der Fahrt zum Harz in ein Ferienlager befanden. 54 Schwerverletzte überlebten das Unglück, teilweise mit den Folgen lebenslangen Leidens. Nach Schätzung von beteiligten Helfern könnte die Opferzahl wesentlich höher gewesen sein, als die Verlautbarte.

Zu dem Unglück war es gekommen, weil sich ein weit durchhängendes Telefonkabel der Post im Schrankenbaum verfangen hatte. Die Dringlichkeit der Änderung war bereits bekannt. Jedoch hatten die verantwortlichen Leitungskräfte noch nicht mit Aufträgen an die Handwerker reagiert. Es gab wohl noch „weitaus Dringenderes“ zu bedenken. Der Schrankenwärter wollte die Telefonleitung vom Schrankenbaum lösen, indem er die Schranke wieder ein Stück hoch kurbelte, mit der Absicht sie anschließend erneut zu schließen. Der Fahrer des Benzintransporters nahm jedoch offenbar an, dass mit dem Hochkurbeln die Strecke freigegeben sei. Er konnte nicht mehr befragt werden.

Einige von uns, darunter selbstverständlich auch ich, wollten sofort nach Langenweddingen, um an der Unglücksstelle zu helfen. Das Kollektiv der Dienststellenleitung saß zusammen und entschied nach einiger Zeit des Beratens, dass von uns niemand nach Langenweddingen fahren wird! Wie bitte? Die "Einzigen" die nicht zum Verkehrsunglück helfen fahren, sollten die Mediziner des Verkehrswesens sein? Wie ist das möglich und verantwortbar? Diese Entscheidung mag vielleicht irgendwelche Gründe gehabt haben – die uns nicht bekannt gegeben wurden. Stillschweigen über den Inhalt der Beratung! Für mich war diese Entscheidung unverständlich, stellte in meinem Empfinden einen mächtigen Bruch dar, den ich auch bei der Bildung meiner weiteren Ansichten über die Leitungskader nicht vergessen konnte! Ich Naivling bedachte aber nicht, dass den Genossen wahrscheinlich, wenn nicht von sich selbst, dann "von oben" die Hände gebunden worden waren, nicht mehr Augenzeugen hinzulassen, als vermeidbar.

Später erfahren wir, dass am schnellsten die Freiwillige Feuerwehr (vorerst ohne Löschwasser) am Unfall- und Brandort eintraf und bald erste Rettungskräfte, wohl zuerst Laienhelfer ... dann aber eine größere Truppe der Volkspolizei zur weiträumigen Absperrung, die Kriminalpolizei, vor allem die Staatssicherheit – was sollten wir also zusätzlich als weitere zivile Mitwisser und Störfaktoren dazwischen? Transparenz war nicht gefragt. Was soll dem Volk auch das Erkennen und Offenlegen fehlerhafter technischer Gestaltung, mangelnder Organisation nutzen, die Information über verbesserungsbedürftige Vorschriften, die Kenntnis über mangelndes Üben von Schnellmaßnahmen im Falle von Havarien oder Katastrophen, das Wissen um Nachlässigkeiten in der Bearbeitung wichtiger Aufgaben usw.? So etwas soll nun wirklich nicht extra publiziert werden.


Am Freitag gibt es dann erste vorsichtige Nachrichten über Zeitung, Rundfunk und Fernsehen. Mich reitet irgendwie der Teufel, dass ich nach dem ergebnislosen Telefonversuch zu den Eltern weitere Versuche des Telefonierens aufgab. So bestand vorerst bei den Eltern große Aufregung, weil sie im Ungewissen waren, ob vielleicht auch ich betroffen gewesen sei. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass die Eltern die Möglichkeit erwogen, auch ich könne in diesem verunglückten Zug gesessen haben. Ein offensichtlicher Gedanken-Aussetzer bei mir in diesem emotionalen Durcheinander. Das tut mir leid. Diesen Aussetzer haben mir die Eltern später verziehen.

Das Eisenbahner-Sportfest in Halberstadt wurde abgesagt.


Ein halbes Jahr später erscheint in der Auswertung des Unglücks die "Transportordnung für gefährliche Güter". Man hatte also anlässlich des Unglücks eine Reihe allgemeiner Defizite erkannt und zusätzliche Vorbeugemaßnahmen gegen eine Wiederholung festgelegt.


Viel später, die genaue Quellenangabe mit Datum konnte ich nicht mehr ergründen, erschien in der Zeitschrift "NBI" (Neue Berliner Illustrierte) ein längerer Artikel über komplizierte und erfolgreiche Hautverpflanzungen, sogar mit schrecklichen Bildern. Es ging dabei um Brand-Körperschäden, die relativ gut geheilt werden konnten. Ein Lob der medizinischen Wissenschaft! Ich erinnerte mich gleich lebhaft meiner Bio-Abitur-Prüfung „Alles über die Haut“.

Allerdings erfuhr ich viel später, dass diese Patientin, die in der NBI partiell gezeigt wurde, ein Opfer des Zugunglücks war. Wie mag ihr späteres Leben verlaufen sein? – Wir wissen es nicht.


Zu jener Zeit soll ich in der MDV-Direktion Magdeburg zum Lernen der etlichen Dienstvorschriften der Reichsbahn „mitlaufen“. Während dieser Zeit kann ich im Dienstgebäude, Halberstädter Straße 47 wohnen. Dort gibt es eine ungenutzte Dachkammer. Richtiger: zwei benachbarte Kammern – in der zweiten wohnt ein alter Mann.

Unter der Telefonnummer 3 37 61 oder BASA 975/5 64 37 App. 05 bin ich nun erreichbar.

Am gleichen Tage, nur wenige Stunden später:

Aus dem vorgenannten Vorhaben meines hier auf dem Dachboden Wohnens wird nun doch nichts, denn in dem einen, dem belegten Dachkämmerchen, starb just vorhin der Bewohner, mein potenzieller Nachbar. Ein fast gemeinsames Wohnen, wenn man es auch nicht gerade ein "Zusammenleben" mit dem langsam erkaltenden, noch nicht abgeholten Leichnam nennen kann, will man mir dann doch nicht zumuten.

Es wird aber ein schöner Lösungsweg gefunden – man stellt mir den Praxisraum des Gutachter-Arztes im Erdgeschoss, neben der Toreinfahrt, zur Verfügung. Somit haben wir, die beiden nach Feierabend einzigen noch verblieben Bewohner dieses Hauses, den ausreichenden Abstand von einer Etage, das erste Obergeschoss, zwischen uns.

Hier, im Ordinationszimmer, ist schon eine Weile nicht mehr praktiziert worden, ich störe hier niemanden und mich stört hier scheinbar ebenfalls niemand, weil der vorige Gutachter-Arzt, der Dr. Ri. ebenfalls vor längerer Zeit gestorben war und noch kein Nachfolger in Sichtweite ist. Nur seine Sekretärin, führt einsam und emsig die Geschäfte in ihrem Sekretariat. Man kann in diesem Praxisraum die verstrichene Zeit an der Höhe des Staubes abschätzen. Dieser steht wohl etwa ein halbes Jahr hoch. Also ein neues kuscheliges Heim für mich. Weiße Metallschränke, ein Schreibtisch, eine Personen-Waage und wieder eine Untersuchungsliege als Bett, mit so einer Art Armeedecke belegt. Fein.

Zum Verdauen dieser Gesamt-Begrüßungsereignisse gehe ich erst mal in die benachbarte Gaststätte, denke wehmütig an mein Zimmer bei Frau Stephan in Dessau, speise ein wenig zu Abend und „feiere diesen Magdeburger Neubeginn“ vorsichtshalber mit einem sechsstöckigen Boonekamp, bei dem die vielleicht etwas prüde Serviererin noch einmal nachfragt, ob sie meine freimütige Bestellung richtig verstanden habe.

Sodann begebe ich mich bald zur Nachtruhe. Diese währt nicht gar zu lange, denn gegen Mitternacht juckt mein Fell, der gesamte Körper, so fürchterlich, dass ich es in dieser Klause nicht mehr aushalte und hinaus gehe in die kühlende Nachtluft – wandere etwa zwei Stunden, durch Sudenburg bis weit vor die Tore der Stadt – bis hinaus nach Langenweddingen. Nicht aus Sensationslust. Zu sehen, zu fühlen in stillem Gedenken an alle Opfer des Zugunglücks. Es ist ohnehin alles weiträumig abgesperrt. Dort in der Gegend auch keinerlei Fahrzeugverkehr – alles gesperrt, um- und fortgeleitet.


Am jungen Morgen zum Arbeitsbeginn zählen die medizinischen Gutachter an mir 68 Flohstiche. Aber was ist das schon – im Prinzip bedeutungslos.

Die kleinen ausgehungerten Sechsbeinlinge hatten in diesem verlassenen Raum auf mich als eine heißbegehrte Nahrungsquelle geradezu gewartet, mich also kurz vor ihrem möglichen Verhungern erwischt. Ich habe sie mit meinem Kommen in dieser Nacht nicht enttäuscht und nehme still das Medikament AH 3 und wasche mich mit Kamillensaft.

Das also war der Tag und die erste Nacht in Magdeburg. In der nächsten Zeit komme ich morgens lieber wieder aus Dessau herangerollt. Das sind dann täglich etwa 2 x 70 km aber ich muss die Strecke ja nicht laufen und habe für die (für mich kostenlose) Dienst-Bahnfahrt immer ein gutes Buch dabei.


Nicht ständig halte ich mich in Dessau oder Magdeburg auf. Die interne Qualifizierung zum Verkehrs-Hygiene-Inspektor ist auf den Gebieten von Reichsbahn, Personen-Kraftverkehr (Busse), Städtischer Nahverkehr (Straßenbahnen, Busse), Binnenschifffahrt, Küsten- und Hochseeschifffahrt sowie Luftverkehr notwendig. Dabei lerne ich unter anderem von innen kennen:

Über alles Aufgenommene ist ein gründlicher Praktikumsbericht zu fertigen, dessen Auswertung

als Grundlage für das Prüfungsgespräch dient. Herr Dr. Ih. und Herr Dr. Po. sind die Prüfer. Herr St. der Beisitzer. Und das läuft alles recht gut. –


Die MDV-Direktion „Seefahrt“ in Rostock ist mir in schönster Erinnerung.

Ich wohne während des Praktikums im „Interclub der Seeleute“, in dem Rostocker Sträßlein „Am Wendländer Schilde“. Kontakte in der dazugehörigen Gaststätte meide ich, denn dort verkehren beruflich bekannter Maßen bei weitem nicht nur echte ausländische Matrosen.

Was aber nicht im Praktikumsbericht steht, was nicht ausgewertet und benotet werden kann, sind einige Anekdötchen als Würze der Tage. Es gehören dazu:


Der lustige Impfzwang

Im Rostocker Übersee-Hafen liegt ein kleineres griechisches Schiff mit einer international bunt zusammengewürfelten Mannschaft aber heute sind alle uniform ausgestattet angetreten, mit weißen Mützen und darauf sitzender blauer Bommel. Sauber angetreten, weil heute Impftag ist. Eigentlich vermeiden das die Schiffseigner möglichst, weil die Medizinbetreuung in der Fremde teurer ist als zu Hause. In diesem Falle ging es aber nicht anders, weil gegen die Cholera der Pflicht-Impfschutz nur ein kurzes halbes Jahr anhält aber die Dauer gar mancher Reise etwas länger währt. Einer der Matrosen zittert vor Angst wie Espenlaub. Dr. Becker, der Arzt im Rostocker Übersee-Hafen, ein Mann wie ein Bär, beginnt mit ruhiger Hand den Impfstoff den Matrosen nacheinander zu verabreichen. Da hält es den einen schlotternden Seemann nicht mehr. Er bricht aus der Warteschlange aus, ruft angstvoll und laut „No Vaccination, no Vaccination“ (keine Impfung, keine Impfung) – und rennt fort. In der Seefahrt wird bei dem sehr vielsprachigen Gemisch gemeinhin englisch geredet, wenn auch mitunter etwas gebrochen, langsamer und mit leichten Begriffen und in einfacherem Satzbau. Deshalb versteht man das als Laie oft besser, als hörte man einem Muttersprachler zu. Dr. Becker deutet dem Ausreißer stumm mit dem Zeigefinger hinterher und los geht die wilde verwegene Jagd der Seeleute, den Abtrünnigen auf dem Schiff einzufangen. Viele Matrosen mit lustig hüpfenden Mützenbommeln springen eilend über das Deck, was auch bald vom Erfolg des Ergreifens gekrönt wird. So bekommt auch dieser Deliquent seinen kleinen harmlosen Piekser mit dem Quantum des Impfstoffs. Die Akteure aber, also jenen, denen die Arbeit des Schmunzelns oblag und zu denen auch ich gezählt werde, erhalten in der Offiziersmesse „zur Entspannung der Situation“ vom Kapitän einen großen Kognak. Jeder einen.


Kritische Augen

Es sitzen zwei ältere Damen im Personenzug. Draußen läuft eine Bahnbedienstete vorbei, bekleidet unter anderem mit einer weißen Warnweste, diese benäht mit roten Streifen.

Kommentiert die erste Frau missbilligend: Na, Meechen mit die weiße Weste zwischen de dreckjen Schien?

Da klärt die zweite Frau sie auf: Na, weißt du Erna, das ist doch mehr so eine Art Tarnbekleidung, damit der Zug sie besser sieht.


Der Kurier – ein Kriminalfall?

Eine chice oder auch schicke Betriebsärztin vertraut mir ihren Koffer an. Ich möge diesen doch bitte mit nach Berlin nehmen. Es ist keine schwere Aufgabe, denn der Koffer ist zwar groß aber leicht – für eine Dame als Reisebegleiter aber nicht zumutbar, weil unschick, zu schäbig. Ein Reisebehältnis aus Vulkanfiber, das ist gepresste Zellulose mit Baumwollfasern, Tränk- und Bindemitteln, also eine bessere Spezialpappe, einfaches Aussehen, rotbraun, defekte Schlösser.

Ich also trage den Koffer durch Berlin spazieren. Plötzlich springt die defekte Zuhaltung auf und der Inhalt des Koffers fällt auf den Gehweg. "Was schleppt denn dieser Herr dort mit sich spazieren, was fällt denn da so verdächtig wirkendes heraus?"

1. Ein duftig-luftiges rosa Damennachthemd im Baby-Doll-Schnitt und

2. ein großer Apfel, etwa so aussehend, wie Schneewittchen ihn gerne aß, kollerte dort. Fort.

Wo aber mag die Trägerin dieser Kleidung, das Schneewittchen wohl sein?

So, so", man denkt sich sein Teil. War aber überhaupt gar nicht so.


Schönheiten

Im Fischkombinat Rostock-Marienehe führt mich die große blonde Verkehrs-Hygiene-Inspektorin. Fesch, in weißer Bluse unter dunkelblauer Marine-Uniform.


Franzosenkost

Irgendwann in jener Zeit wird die MITROPA (Versorgungsstätte für die Reisenden) im rechten Flügel des Dessauer Hauptbahnhofs modernisierend umgebaut und renoviert. Zur betriebsinternen Wiedereinweihung der Gaststätte bin auch ich eingeladen. Zum Festakt gehört ein gutes Essen – zu wählen aus einer Sonderkarte extra für diesen Tag gefertigt, für jene handverlesene Gesellschaft. Links neben mir sitzt der freundliche Chef dieser MITROPA-Einrichtung, Herr Re. Die Bezeichnungen der Gerichte – in französischer Sprache dargestellt – sind von mir nicht deutbar und so schließe ich mich einfach dem Speisewunsch meines wissenden Nachbarn an. Die Krönung der Speise ist eine große, sauer eingelegte Weinbergschnecke, die oben auf dem Gericht thront. Mit Verachtung, um sie kaum mit Zähnen, Zunge und Gaumen in Kontakt zu bringen, schluckte ich diese hinab. So ein Genuss denn aber auch. Sollte ich nun lieber einen Französisch-Kurs in der Volkshochschule belegen oder besser nur noch in deutsche Speisekarten blicken? Man hat nicht in jedem Fall die Wahl.


Ab 28. August 1967 gibt es neue und umfassende sozialpolitische Maßnahmen:

Schon am 03. Mai hatte der Ministerrat beschlossen, dass von nun an jeder Sonnabend arbeitsfrei sein solle, weil wir wohl an Produktivität den Westen überholt, wenn vorher auch nicht direkt eingeholt hätten. Bisher, seit Ostern des vergangenen Jahres, hatten wir an jedem zweiten Sonnabend frei. Am jeweils anderen Samstag wurde von etwa 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr gearbeitet. Die DDR ist, wie wir in der Tageszeitung lesen, nun das erste Land in Europa, in dem eine solche großzügige Regelung, bei vollem Lohnausgleich, gesetzlich vorgegeben ist. Das bedeutet auch eine weitere Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 43¾ Stunden. Dafür wird an den bisher freien Tagen: Ostermontag, Himmelfahrt, Bußtag und Reformationstag gearbeitet. Wer aber z. B. aus religiösen Gründen den gesamten Tag über feiern möchte, darf im Allgemeinen stattdessen Urlaub nehmen oder die Ausfall-Zeit vor- oder nacharbeiten.

Ferner wird festgelegt:

Ab 28. August wird der jährliche Mindesturlaub von 12 Tagen auf 15 Tage erhöht.

Neue Mindestlöhne werden generell eingeführt, die eine Erhöhung von 220,- MDN auf 300,- MDN (Brutto) im Monat bedeuten, sowie eine differenzierte Erhöhung der Einkommen, die bisher unter 400 MDN liegen. Des Weiteren erfolgt eine Erhöhung des Kindergeldes und auch eine Erhöhung der Mindestrente von 129,- MDN auf 150,- MDN monatlich.

Diese weiteren Maßnahmen seien mit der Stabilisierung der Wirtschaft und nur nach dem Errichten des „Antifaschistischen Schutzwalls“ (Mauerbau), der hermetischen Sicherung der innerdeutschen Staatsgrenze nach dem 13. August 1961 möglich geworden. Das seien Genüsse, wie sie kein anderer europäischer Staat seinem Volk bieten könne.


Oktober 1967

Wir Beschäftigten des Direktionsgebäudes treffen uns zu einem großen Arbeitseinsatz. Angesagt

ist das gründliche Reinigen der Fenster und der Neuanstrich der Holzrahmen der Fenster des

Hauses Halberstädter Straße 47.

Weil aber die Zeit für einen Voranstrich und einen späteren Lackauftrag nicht aufgebracht werden

soll, werden beide Komponenten zusammengerührt. So ergibt es eine matte Alkydharz-Oberfläche

oder einen „Seidenglanz“. Sieht wieder frisch und sauber aus. Anderntags kann das Putzen der

Scheiben beginnen. Das alles festigt den Zusammenhalt zwischen den Leuten, weil solch

gemeinschaftliches Tun verbindet, natürlicher Weise auch mehr privates miteinander geplaudert

wird als an anderen Tagen.


Der Herbst bringt uns Kollegen einige Tage der fachlichen Weiterbildung in einem Ferienheim in

Friedrichroda, die von der Berliner Zentrale des MDV organisiert wird. Von Gotha aus

fahren wir mit einer Straßenbahn, die hier „Waldeisenbahn“ genannt wird, über Reinhardsbrunn

nach Friedrichroda. Bald hinter Gotha sehen wir den Großen Inselsberg, 916 m hoch. Trotz der

Lehrveranstaltungen kommt auch die Heimat-Kultur nicht zu kurz. So besuchen wir die

Marienglashöhle, als Heimat von Gipskristallen und besichtigen das Schloss Reinhardsbrunn.


November 1967

Ich bin mal wieder bei Maria Friedemann, in Leipzig zu Besuch. Bei Frau Friedemann hatte ich im Vorjahr während des letzten Abschnitts der Hygiene-Ausbildung gewohnt. Nun äußert sie den Wunsch, dass ich „mein“ Zimmer und den Korridor, bisher mit hellblauer Schlämmkreide gestrichen und mit geometrischen Figuren in kräftigen Farbtönen „geschönt“, doch bitte tapezieren möge, denn die Räume hätten es nötig und es wird bald eine neue Untermieterin erwartet. Ich wähle und klebe eine lindgrüne Tapete mit silbrigem Pünktchen-Muster und die Wände sehen erheblich besser aus als vorher. Angenehme Erinnerungen des hier Wohnens schleichen sich mir in's Gemüt ein. Derart anheimelnd wie jetzt, hatte es „zu meiner Zeit" noch nicht ausgesehen.


Dezember 1967

Unser Dessauer Kombifest zum Tag des Gesundheitswesens, verbunden mit der Weihnachtsfeier. Ein schöner Festabend für das Personal aller Sanitätsstellen im Bereich Dessau. Ich habe dazu eine kleine Festschrift gestaltet, einschließlich Kreuzworträtsel, geschrieben auf Vatis Maschine mit den kleinen Perlschrifttypen und dann im „blauen Spiritumdruckverfahren", im Westen „Ormig" genannt, vervielfältigt, so dass jeder der Kolleginnen und Kollegen ein Exemplar erhält.


An dieser Stelle möchte ich noch unsere Währung „MDN“ erläutern: sie heißt Mark der Deutschen Notenbank in der DDR, denn sie verabschiedet sich von uns in wenigen Tagen. Sie diente uns seit dem 01. August 1964 und endet am 31. Dezember 67. Nach dem Krieg war es noch die Reichsmark, dann kam die D-Mark, später die Mark und in Zukunft werden wir auch wieder eine Mark (oder hoffentlich mehrere in der Tasche) haben.


Durchschnittliche Preise in den Gaststätten der DDR in diesem Jahr.

Natürlich muss man diese Preise ins Verhältnis zu den Löhnen und Gehältern setzen.

Es kosten in der Gaststätte etwa:

Champignon-Creme-Suppe 1,35 MDN

Ochsenschwanzsuppe mit Brötchen 2,25 MDN

Hamburger Schnitzel mit Spiegelei, Kartoffeln, Gemüse 3,50 MDN

Forelle nach der „Müllerinnen Art“

mit Orangenbutter und Schwenkkartoffeln 6,00 MDN

1 Glas Brause vom Fass in der Gaststätte 0,12 MDN = 12 Pfennige


Jetzt folgen die Preise einiger weiterer Lebensmittel:

1 kleine Flasche Pils’ (einheimisches Pilsner Bier) 0,51 MDN

1 kleine Flasche Hell (einfaches Bier) 0,48 MDN

1 Mischbrot, „drei Pfund“ = 1.500 g 0,78 MDN

1 Weizenbrötchen (Schrippe) 0,05 MDN = 5 Pfennige

1 Roggenbrötchen (Schusterjunge) 0,03 MDN

1 Kuchenbrötchen (früher, vor 1945: Mannheimer) 0,06 MDN

ebenso „eine Scheibe“ von der Einbackstange. Wenn

jene nochmals gebacken würde, wäre es Zweiback =

Zwieback, eine „Dauerbackware“.

1 Knüppel (ebenfalls ein Weizengebäck) 0,08 MDN

1 Liter Vollmilch 0,72 MDN. Später, dann aus dem Plasteschlauch, werden die Kosten je Liter betragen 0,66 Mark


Auch Brausepulver ist sehr preisgünstig (etwa 10 Pfennig je Tütchen). Man braucht es nicht etwa erst in Wasser auflösen, sondern kann das Konzentrat gleich aus der Tüte mit dem angefeuchteten Finger auf die Zungenspitze bringen, wo es sich prickelnd auflöst. So taten wir es zumindest damals als Kinder. Die schwerste Entscheidung bestand in der Wahl zwischen grünem und rotem Pulver.


Was in diesem Jahr sonst noch so geschah –

in Gesellschaft und Politik

Im April starb in der BRD Konrad Adenauer im Alter von 91 Jahren. In West-Berlin Studentenunruhen, die von der Polizei, die teilweise beritten vorgeht, niedergeknüppelt werden. Aber auch Schüsse fallen. Demonstrationen richten sich gegen den Besuch des Schah Rhesa Pahlevi, der mit seiner momentanen Ehefrau Farah Diba zu Besuch ist. „Freies Persien“ – wird gefordert. Dabei wird der Germanistik-Student und Dichter Benno Ohnesorg von dem Polizisten Kurras, ohne Not-wendigkeit, erschossen. Nach 1990 wird man entdecken können, dass der Westberliner Beamte Kurras auch für die Staatssicherheit der DDR gearbeitet hatte.

In China stirbt sowohl der Sohn des letzten Kaisers Pu Yi, als auch „in dessen Herrscherfolge",

Mao Tse Tung, der Große Führer des Volkes aus der Kommunistischen Einheitspartei.

In den USA beginnt die Hippie-Bewegung (der „Blumenkinder“) gegen militärische Gewalt, gegen Umweltzerstörung, für ein Leben ohne soziale Spannungen.


Wissenschaft und Technik

Am 27. Januar in den USA – Raumfahrtkatastrophe mit Apollo 1. Drei Astronauten sterben. –

Der Brite Donald Campbell stirbt bei einem Rennbootunfall, als das Fahrzeug bei 500 km/h in der Luft(!) wegen zu starker, unbeherrschbarer Kraftwirkungen zerreißt.

Seit dem 25. August gibt es in der BRD das Farbfernsehen. Wir sehen noch gern s/w.


Medizin

Dem Chirurgen Dr. Christiaan Banard gelingt in Südafrika die erste Übertragung (Transplantation) eines Herzens von einem Menschen in einen anderen Menschen.


Alltag

In West-Berlin werden die Straßenbahnen abgeschafft, statt derer Busse eingesetzt.

In der BRD beginnt die Fernsehserie „XY ungelöst“. Eine Sendereihe, in der die Bevölkerung zur Mitarbeit bei unaufgeklärten Verbrechen aufruft.



1968 – Mein 22. Lebensjahr

1. Januar 1968: Währungsumtausch. Es gibt neues Geld mit der Bezeichnung: "Mark der DDR". Aber ach, auch jene Scheine werden wieder nach und nach aus dem Verkehr gezogen, ersetzt durch noch schönere mit dem Aufdruck: "Mark der Staatsbank der DDR".

März 1968

Ich hatte vor längerer Zeit in der Direktion eine Weiterbildung zum Arbeits-Hygiene-Inspektor (als Zweitberuf) angeregt, die mir gern genehmigt wird. Die Arbeitshygiene mit messtechnischer Erfassung von Zuständen und der ergonomischen Bewertung und Gestaltung, wird ja ohnehin aus Sicht des Betrieb benötigt sowie gewünscht und notwendiger Weise von mir nach dem Selbststudium auch jetzt schon in der Praxis wahrgenommen. Für die Delegierung zu dieser Qualifizierungsmaßnahme gibt es eine Zwischenbeurteilung (vom 27.02.1968) meiner bisherigen Tätigkeit. Diese Weiterbildung läuft als vierter Ausbildungsabschnitt des Berufes vom 04. März bis zum 31. Juli 1968 und findet mit den Messlehrgängen für Stäube, Licht/Beleuchtung, Schall/Lärm, Arbeitsklima, Toxikologie und Ergonomie am Lehrstuhl für Arbeitshygiene der Martin-Luther-Universität in Halle statt. Die weitere Theorie hören wir dagegen an der Bildungsstätte des Kreiskrankenhauses „Clara Zetkin“ in Weißenfels, Naumburger Straße. An der Saale hellem Strande. Die ersten drei Ausbildungsabschnitte darf ich getrost einsparen, weil ich ja als Erstberuf bereits den Abschluss des „Hygiene-Inspektor“ in der Tasche habe und dieser Schulbesuch noch nicht zu lange zurück liegt. So läuft das mit dem Abschluss meines zweiten medizinischen Berufes ungewöhnlich fix. So soll es sein.


Nun sage ich meiner lieben Dessauer Wirtin Friedel Stephan sowie dem Ehepaar L. „Adieu" und ziehe zur Witwe B. nach 4850 Weißenfels, Nordstraße, in der Nähe des Güterbahnhofs gelegen.


Wir, die Teilnehmer der Seminargruppe, essen mittags mit Abo-Marken im Weißenfelser „Feldschlösschen“ an der Bahn- und Saale-Doppelbrücke, Merseburger Straße 4, dort muss ich ohnehin jeden Tag zweimal vorbei gehen. Abends sind wir ab und zu mal im „Café Centra“, am Markt 12. Dort sitzt es sich sehr gut. Dieser Markt liegt südlich der Saale, inmitten der Altstadt. Das ist nicht weit von der Merseburger Straße entfernt.

Unser Schulungsraum liegt etwas unruhig, direkt an der Fernverkehrsstraße 87, der Naumburger Straße, im Südwesten der Stadt. Aber einen großen Teil der Zeit verleben wir ja sowieso in Halle, zu Gast in verschiedenen Gebäuden der Martin-Luther-Universität.


In dieser aktuellen Ausbildung werden wir in folgenden Fächern unterrichtet und geprüft:


Fach

Fach

Fach

Mathematik

Arbeitsphysiologie

Messlehrgang Stäube

Statistik

Arbeitspsychologie

Messlehrgang Licht und Beleuchtung

Physik

Arbeitshygiene

Messlehrgang für Schall, (Lärm) und Schallschutz

Chemie

Berufskrankheiten

Messlehrgang für Klima am Arbeitsplatz

Deutsch

Kommunalhygiene

Messlehrgang für Toxikologie

Didaktik

Technologie

(Berufspraktische Tätigkeit)

Gesetzeskunde

Organisation und Verwaltung

(Hausarbeit)


August 1968

Frisch gebacken als Arbeits-Hygiene-Inspektor komme ich von Weißenfels nach Dessau zurück. Der Inspektionssitz ist inzwischen verlegt worden. Wir sitzen nun nicht mehr beengt mit in der Sanitätsstelle am Hauptbahnhof, sondern in der Villa „Am Georgengarten 12“. In diesem vornehmen älteren Hause bekomme ich auch ein „privates Wohn- und Dienstzimmer“. Deshalb kehre ich auch nicht zu der Friedel-Stephan-Unterkunft in der Gutenbergstraße zurück, die auch sowieso inzwischen wieder belegt ist. In diesem Dienstgebäude „Am Georgengarten“ arbeitet ein Mediziner als Gutachter und Röntgenarzt. Ferner als aparte assistierende Schwester (später wird sie selber Doktorin der Medizin sein) und die Sekretärin sowie Frau Rosi als raumpflegende Hauswirtschafterin und ich. Auch der Inspektionsarzt kommt ab und zu Besuch. Der gute Herr Sanitätsrat. ist inzwischen in den Ruhestand eingetreten. Nachfolger ist ein sehr junger Arzt, der auf mich stets etwas „huschig“, oberflächlich wirkt, der recht flott ist, mit seinen hingeworfenen Anordnungen.

Noch eine Neuerung: Bisher waren wir aus unerfindlichen Gründen die „Inspektion

Aschersleben II“, jetzt (endlich) haben wir die naheliegende Bezeichnung: „Inspektion Dessau“.


Ich schlendere, schon allein als Arbeitsweg, täglich durch den Park, den Georgengarten, mit dem ehemals fürstlichen Schloss, dem Georgium, besuche die sich heute darin befindende Gemäldegalerie – das allerdings nicht täglich. Schräg gegenüber unserem Haus steht am Parkrand der „Ionische Tempel“. Auch der Tierpark mit dem fürstlichen Mausoleum gehört zu meinen Nahzielen.


Zur Zeit seines Geburtstages besucht mich mein 14jähriges Brüderchen in Dessau. Er wird von meinem Kollegenkreis gern „aufgenommen“. Wir besichtigten die Stadt, die Parkanlage und fahren auch mit der Dampfeisenbahn zum Wörlitzer Park.


Vom 18. August bis zum 31. August 1968 findet in Magdeburg-Süd auf dem Flugplatz die Weltmeisterschaft im Kunstflug statt. Die DDR ist der Gastgeber für die Welt! Natürlich sind wir als Vertreter des Medizinischen Dienstes auch dabei. Teilnehmer aus vielen Ländern starten mit ihren zumeist kleinen, bunten Maschinen.

Daten eines typischen Vertreters der Flugzeuge (also mit „Durchschnittswerten“): Spannweite der Tragflächen: 10 m, Länge: 8 m, Leistung 160 PS, Eigenmasse: 700 kg, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Maximale Steighöhe: 6.000 m. Es gibt dabei Tiefdecker, Mitteldecker, Hochdecker und Doppeldecker. Einmotorige und Zweimotorige Flugmaschinen. Einsitzer und Doppelsitzer. Noch sind nicht alle Flugzeuge aus Ganzmetall. Ältere Modelle weisen Teilbespannungen aus lackierten Stoffbahnen auf – wie „ganz früher", wie also vor etwa 50 Jahren sowieso üblich. Hat in dieser Zeitspanne doch eine enorme Entwicklung stattgefunden – ähnlich wie im Automobilbau und und und.

Am Eröffnungstag fliegt auch die Nationale Volksarmee der DDR (NVA). So startet von der etwas holprigen Grasfläche des Flugplatzes unter anderen auch eine sowjetische MIG 21 mit zusätzlichen Start-Raketen, um von einem solchen Platz (ohne Betonrollbahn!) überhaupt abheben zu können. Von der Startlinie aus, ist das Düsenflugzeug mit einer Masse von 9 t, bei ohrenbetäubendem Lärm bereits nach einer Rollstrecke von nur 200 (zweihundert) Metern in der Luft und im niedrigen nahen Vorbeiflug mit den Augen kaum noch verfolgbar. Diese MIG hat

7,15 m Spannweite der Flügel sowie eine Länge von 13,45 m. Die Bauhöhe beträgt 4,13 m und die maximale Geschwindigkeit 2.175 km/h, (> 2 Mach).

Ein südamerikanischer Pilot setzt mit seinem Maschinchen bei der Landung auf diesem Grasacker etwas hart auf, das Flugzeug „hüpft“ einige Male, kippt zum Glück aber nicht um. Jedoch hatte sich der Pilot dabei am inneren Kabinendach mächtig den Kopf gestoßen und stieg mit Gehirnerschütterung und einem verstärkten Nystakmus der Augen aus der Maschine. Folge einer Gehirnblutung. Wir kennen das ja.

Zu den Siegern der Weltmeisterschaft gehören: 1. Platz Madeleine Delacroix, 2. Platz Monika Fleck (DDR) und die DDR trägt auch einen Mannschaftssieg nach Hause. Sie hat es nicht weit.


21. August 1968

In diesem Jahr ist die politische Krise im tschechoslowakischen Bruderland so weit gereift, dass es zu einer revolutionären Bestrebung kommt, dem „Prager Frühling“ unter dem Parteivorsitzenden Alexander Dubcek. Auch Vaclav Havel wird als junger Revolutionär bekannt. Allerdings setzt auch hier das große Stocken beim Aufblühen „der Konterrevolution" ein, als die Rote Armee der UdSSR, das Bruderland nach einem Hilferuf aus Prag nun „rettet, fest umarmt“. Die gerufenen Panzer haben das letzte Wort, wo menschlicher Geist und Toleranz versagen. So wird „der Frühling“ jetzt im August niedergehalten, zerschlagen, im Blut erstickt. Die DDR war gern dabei, ihre NVA mitmachen zu lassen, doch das ließ (zum „Glück") wiederum die sowjetische Seite nicht zu. Jegliches freiheitswollende Tun in den Staaten des Ostblocks, den Staaten des Warschauer Vertrages, unterbindet die Sowjetunion gewaltsam, nach dem ihr vor knapp drei Jahrzehnten aufgezwungenen, opferreichen Großen Vaterländischen Krieg. So wie 1953 bei uns in der DDR, 1956 in Ungarn, so nun heute in der Tschechoslowakei.

Aber auch woanders brodelt es immer wieder: Studentenunruhen in Westdeutschland und in Frankreich gegen das Staatsgefüge.


Heute ist ein großer Lkw mit der Kohlenlieferung für das kommende Winterhalbjahr „an unserer Villa", Am Georgengarten 12, angekommen. Am Himmel hängen schwere Gewitterwolken. Jahr für Jahr musste die arme Frau Rosi und ihre Vorgängerin die vielen Tonnenlasten an Kohlenbriketts, mit zwei Eimern über die Kellertreppe nach unten tragen und dort einbunkern. Dieses Verfahren erstreckte sich jeweils über mehrere Tage und hat nichts aber auch gar nichts mit vernünftig gestalteter Arbeit zu tun. Besonders für eine Frau eine unzumutbare Belastung – zumal es ja auch anders geht. Zudem: Wenn alle Kohlen erst vom Regen nass werden und dann im Keller liegen, muss man auf eine Gefahr möglicher Selbstentzündung des feuchten Abriebs achten. Ich wünsche also der verdutzten Frau Rosi, die eine mühselige erste Sondertrageschicht vor sich sieht, einen schönen Feierabend, säge einen Stab der Fenstervergitterung aus, so dass die Schaufel gut hindurch passt und schaufele den gesamten Berg noch am Abend in den Keller. Zwischen Fenster und Gitter stellte ich von innen vorerst eine sichernde Platte und das Gitter kann man einfach und besser mit einem Schwenkscharnier und Vorhängeschloss umgestalten.

Ein gutes Gefühl, nachdem die Kohle diesmal so schnell in Sicherheit war, wie bislang noch nie. Die Frau Rosi war mir sehr dankbar dafür – eine einfache schnelle Lösung für immer.

Am nächsten Vormittag werde ich zum Inspektionsarzt bestellt. Fröhlich denke ich: Schulterklopfen für diesen freiwilligen Sondereinsatz und die praktizierte Neuerung – das ist doch nicht nötig. Doch mein Gedanke lief völlig falsch. Ich erhalte eine Rüge, weil ich das Dienstgebäude beschädigt habe und während der Feierabendzeit in Dinge eingreife, die nicht zu meinen vertraglichen Arbeitsaufgaben gehören. Der Medizindoktor hatte überhaupt nicht nach dem „Wie?" oder „Warum?" gefragt, mich nicht um meine Stellungnahme gebeten. Sein Kopf ist mit zwei sehr verschiedenen Ohren ausgestattet. Er glaubte, ohne zu denken, schnell und vernichtend urteilen zu müssen. Diesmal bin tatsächlich ich es, der verdutzt guckt. Ich muss mich fassen, kann dann über dieses akadämliche Verhalten nur grinsen und den Kopf schütteln und lasse wortlos den Doktor mit sich alleine stehen. Mein Grinsen war allerdings nicht überheblich oder hämisch, sondern eher traurig. Traurig, denn es gab ja in diesem kleinen „fast familiären" Kreis des Arbeitskollektivs noch den auslösenden „Zuträger", der nicht mit mir gesprochen, sondern „hinten herum" mich „denunziert" und das Thema negativ darstellend, beim Chef an die große Glocke gehängt hatte. Dabei wäre es gerade für ihn als Arzt seine ureigene langjährige Angelegenheit gewesen, zumindest in seiner unmittelbaren Umgebung für körperlich zumutbare, sozial verträgliche, gesunde Arbeitsbedingungen zu sorgen oder, weil er dazu nicht in der Lage war, sich zumindest vom Fachmann beraten zu lassen. Wieder so ein erneuter kleiner „Bruch".

Wir Menschen sind alle unterschiedlich. Das sozialistische Jugendlied von Hartmut König aus dem Jahre 1966: „Sag mir, wo du stehst", braucht man bitte nicht nur eng auf den darin angepeilten parteipolitischen Standpunkt beziehen, sondern ganz allgemein für das tägliche Leben eines Jeden. Wenn man es so sehen möchte. Ich zumindest möchte es so sehen und ausleben.


Bauhausarchitektur und technische Formgestaltung für Gebrauchsgegenstände des Alltags.

Hervorgegangen aus dem Werkbund, gründete Walter Gropius (1883 bis 1969) im Jahre 1919 in Weimar „Das Bauhaus“, die wohl bedeutendste Architektur-, Kunst- und Gestaltungshochschule dieser Zeit. Jene Einrichtung wurde aus Weimar vertrieben. Sie wurde dann 1925 in Dessau neu angesiedelt, später auch dort nicht mehr geduldet, wonach man eine Weiterführung in Berlin versuchte.

Die in ihrem Stil revolutionären Bauten, Flächen- und Formgestaltungen der Gegenstände für den täglichen Gebrauch, entstanden zwischen 1919 und 1932, wurden dann von der Diktatur des Nationalsozialismus stark eingeschränkt, was später zur Selbstauflösung der Geistes- und Schaffensgemeinschaft führte. Klare senkrechte und waagerechte Linien der Baukörper schaffen Ordnung und leichte Übersicht. Große Fenster lassen viel Licht in die Räume. Schnörkel und entbehrlicher Zierrat sind dieser einfachen, hohen Kunst fremd. „Die Form folgt der Funktion“, ein Grundsatz für die funktionell-ästhetische, geschmacksbildende Gestaltung.

Das Bauhausgebäude in Dessau, also die Hochschul- und Forschungsstätte, errichtete man nach den Vorgaben von Walter Gropius in den Jahren 1925/1926, ebenso wie die Meisterhäuser in der Ebertallee. Das sind Wohnbauten der Lehrer: Direktorenhaus (zerstört) und Doppelhäuser für die Familien Lásló, Moholy-Nagy und Lyonel Feininger, für Georg Muche und Oskar Schlemmer sowie für Wassily Kandinsky und Paul Klee. Die Gebäude gelten als bewohnbare Kunstwerke.

Weitere Beispiele der Bauhausarchitektur finden wir in der Elbufergaststätte „Kornhaus“, in der Siedlung Dessau-Törten, im Hause Fieger, im Gebäude der Konsum-Genossenschaft, im Stahlhaus und auch im früheren Arbeitsamt.


In diesem gedanklichen Sinne, wenn auch vom interessierten Laien nicht so ausgefeilt, entwarf ich 1962 während des 10. Schuljahres, genau drei Jahrzehnte nach der Auflösung der meisterhaften Bauhausarbeit, mein „Haus eines Tierarztes“.

Was ich heute noch nicht weiß: Viel später werden von mir eine Anzahl von Entwürfen technischer Produkte folgen. Mit meiner Weiterbildung in der Technischen Formgestaltung, das sind Seminare der „Kammer der Technik“ 1979 bis 1982, wird dazu das Grundwissen vermittelt. Zu meinen Lehrern werden Frau Prof. Petroff-Bohne aus der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und Herr Alfred Hückler im Auftrage des Staatlichen Amtes für Industrielle Formgestaltung gehören. Dabei wird es sowohl um Form- als auch um Flächengestaltung gehen. Wir allerdings üben dann an der Oberfläche kratzend, einfach und anschaulich, für uns als Laien leicht verstehbar.


Ein Blick in die Zukunft der Stadt Dessau: Im Jahre 1996 werden die Häuser der Bauhausarchitektur zum Bestandteil des Weltkulturerbes erhoben, in die UNESCO-Liste aufgenommen. Im Jahr 2007 werden die kriegszerstörten Bauhaus-Meisterhäuser an der Ebertallee neu in der ursprünglichen Form wieder-erstanden sein ... und auch ich werde sie besuchen und mich ihrer erfreuen. Dankbarkeit empfinden.

Die beiden Nachbarorte Dessau und Roßlau werden sich zu einer Stadt „Dessau-Roßlau“ verbunden haben. Die Bahnstation Dessau-Wallwitzhafen wird dann aufgelöst sein.


Dezember 1968

Erneut gibt es eine mehrtägige zentrale Weiterbildung des MDV über Themen von Komplexer Hygiene, Arbeitshygiene und technischer Sicherheit im Verkehrswesen. Diesmal ist der Tagungsort eine schöne, ältere Villa bei Altenhof. Das Grundstück liegt direkt am Werbellinsee, zwischen Joachimsthal im Norden und Eichhorst im Süden. Alles, die Fortbildungsveranstaltungen, die Mahlzeiten, die Natur, die Unterkunft, wirklich alles ist prima. Ebenso das Wetter in diesen Tagen. Morgens Raureif, ansonsten strahlend blauer Himmel von dem die Sonne lacht. Im Zuge einer „Wette“, wer sich denn trauen würde, weil der See doch „sehr zum Bade einlädt“, springe ich am Vormittag in der Großen Pause kurz in die kühlen Fluten und schwimme eine kleine Runde. Jemand, der es mir gleich getan hätte, fand sich leider nicht, doch mir hat es gut getan. Es wurde jedoch vorher keine Prämie als Wettziel vereinbart, das heißt, es wurde um nichts gewettet – es brachte mir „den Spaß an sich".


Was ansonsten noch geschah – in Gesellschaft und Politik

Am 04. April 1968 wurde in den USA der farbige Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King während seiner Ansprache von einem Rassisten erschossen.

Am 09. April gab sich die DDR eine erneuerte Verfassung.

Am 04. Juni wurde in den USA , fünf Jahre nach seinem älteren Bruder, dem Präsidenten John Fitzgerald, nun auch der Senator Robert Kennedy von einem Attentäter erschossen.

Grauenvolle Massaker der Amerikaner in Vietnam. Ho Chi Minh aus Nordvietnam wird zur verehrten Symbolfigur der Verteidigung und des Friedens dieses sinnlos geschundenen Landes.

In West-Berlin wird Rudi Dutschke bei einer Demonstration durch Schüsse schwer verletzt.

Es bildet sich in der BRD die linksorientierte „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF).

Am 27. Oktober gründet sich in der BRD die DKP, weil die KPD 1956 verboten wurde.

Der Schah von Persien Rhesa Pahlewi ist mit seiner Familie ins Exil nach Rom geflohen.

Die großen Nachrichten über unsere Welt sind wieder überwiegend schrecklichen Inhalts.


Wissenschaft und Technik

Im Dezember 1968 umrundet die Apollo 8 mit drei Astronauten 10 x den Mond. Dabei wird die erste Sprechfunkverbindung aus dem Weltall zur Erde (über etwa 220.000 km Entfernung) erfolgreich erprobt. Mit den Farbaufnahmen können die Menschen erstmals die Erde in blau/weiß und gelb/braun sehen, so wie man sie aus dem Weltall eben sieht. Wir DDR-Bürger stellen uns das lebhaft aus den schwarz/weißen Zeitungsbildern sehr farbig vor. Apollo 8 kehrt gut und planmäßig zur Erde zurück.

Juri Gagarin, der erste Mensch der Neuzeit der sich im Weltall aufhielt, verunglückt bei einem Testflug tödlich.


Bauen“ in Potsdam

Beginnend am 19. Juni 1968, wurde die Ruine der Potsdamer Garnisonkirche, auf Befehl des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht, in Etappen gesprengt. Eine Anzahl deutscher und internationaler Proteste gab es im Vorfeld. Der Stadtarchitekt und der Leiter der Bauaufsicht gaben ihre Zustimmung, wohl ohne Äußerung von Bedenken.

Auch in der Külzstraße, der früheren „Breite Straße“, werden zahlreiche Häuser gesprengt. Die Külzstraße soll als künftige Magistrale ein neues Gesicht des sozialistischen Potsdams zeigen.

Zu diesem Ensemble wird am Havelufer das 17-geschossig hohe Interhotel gehören, dass derzeitig an der „Langen Brücke“ gebaut wird.


Alltag

Der griechische Multimilliardär Aristoteles Onassis heiratet am 20. Oktober 1968 die 39-jährige Witwe Jaqueline Kennedy. Die Zukunft wird wissen, dass diese Ehe mit ihren künstlichen Hinauszögerungen, vier Jahre halten wird.


In die Kinos kommt der DEFA-Musikfilm „Heißer Sommer“. In den Hauptrollen Chris Doerk und Frank Schöbel. Mit locker zusammenhängender Handlung, mit Balletteinlagen und einer Reihung vieler netter Lieder. Er wurde im vorigen Jahr zwischen Leipzig und der Ostsee gedreht.


Die weibliche Jugendmode erhält Vliesett-Kleider. Das Material ist kein Gewebe, sondern besteht aus „wirr gelegten" Baumwollfasern, mit Latex gebunden. Es kann sich somit nichts selbständig auflösen, man kann es einfach mit der Schere zurechtschneiden und braucht die Schnittkanten nicht zu sichern / nähend zu säumen.


1969 – Mein 23. Lebensjahr

Zum 01. Januar erhalte ich vom MDV eine mächtige Gehaltserhöhung. Brutto bekomme ich jetzt 571,- Mark monatlich. Das ist alles ganz schön und zufrieden bin ich auch mit dem Wohnraum, mit fast allen Kollegen, mit der Stadt Dessau und ihrer Umgebung. Hier könnte man Wurzeln schlagen. Doch irgendwie kann das trotzdem nicht bis zum Lebensende so weiterlaufen. Ich fühle, mir fehlt noch viel, ich bin kein fertig ausgebildeter und gereifter Mensch ... und es droht die Routine ständiger Wiederholungen im Arbeitsalltag Einzug zu halten. Die medizinischen Problemstellungen könnte ich nun doch auch stärker von der technischen Seite „beleuchten“, um der Vielfalt, um „einer 360°-Rundumsicht“ ein Stück näher zu kommen. Nicht nur prüfen, bewerten, beraten, Mängel kritisieren, Zustände beanstanden – sondern bereits früher eingesetzt, selber von vornherein praktisch gut gestalten! Das scheint die logische Fortsetzung der Aufgabenkette oder auch eine voranschreiende Rückkehr zu deren Anfängen zu sein.

Ich muss also dazu wieder die einfache Entscheidung treffen: stehenbleiben oder nach freier Wahl auf erweiternde Horizonte zugehen, die wichtig für das Leben scheinen, inzwischen gereifte Gedanken verfolgen und diese auch verwirklichen.


Der Genosse Wladimir Iljitsch Uljanow, auch genannt Lenin, stützt mich posthum stark beim Durchstreifen meiner Gedankenwelt. Er wurde seinerzeit nicht müde rufend zu mahnen, zu fordern und zu fördern: „Lernen, lernen und nochmals lernen!"

(Er aber sagte es in russischer Sprache und schrieb es kyrillisch).

Ich will also meinen bescheidenen Beitrag leisten und – ihn ehren.


Und in noch etwas weiter zurückliegender Zeit gab Johann Wolfgang v. Goethe zu bedenken:

Handeln ist leicht, Denken schwer. Nach dem Gedachten handeln ist manchmal unbequem.

Die Höhe reizt uns, nicht die Stufen. Den Gipfel im Auge, wandeln wir gerne in der Ebene.“


Goethe hatte offene Augen und seine Erfahrungen. Ich, als junger Laie, will diese gern annehmen und es besser machen, möglichst nicht unter die gleiche Kritik fallen, sollte er mal wieder ...



Die MDV-Leitung war und ist von der Absicht meines Veränderns allerdings begreiflicher Weise nicht genauso begeistert wie Lenin es gewiss gewesen wäre. Das verstehe ich und werte es als gutes Zeichen.

Ich hatte in Berlin eine Stellensuchanzeige in der Zeitung aufgegeben und erhielt auch einige Angebote. Betriebe dürfen selber keine Suchanzeigen/Arbeitsangebote in die Zeitungen bringen, weil das einer Personal-„Abwerbung" von einem anderen Betrieb gleichkommen würde.

Am interessantesten schien mir die Zuschrift des VEB Kraftwerksanlagenbau in Berlin-Pankow. Also nehme ich einen Tag Urlaub, stelle mich in Berlin vor und bekomme auch sofort (unter Vorbehalt) die ausgeschriebene Stelle für einen betrieblichen Arbeitsschutz-Inspektor. Für 720,- Mark (Brutto) Monatsgehalt. Welch ein erneuter Aufschwung! 150,- Mark mehr – wer hätte das gedacht? Nun gut, ein künftiger Aufenthalt in Berlin wird sich auch teurer stellen, das gleicht sich dann wieder aus.


Habe tatsächlich nur ich aktiv gesucht oder warum wurde solch eine begehrte Stelle in der Millionenstadt nicht schon vor meinem Versuch besetzt – hat die Stelle auch mich gesucht, etwa vorerst auf mich gewartet? – sich mir auf jeden Fall angeboten!



Was du wirklich willst, hat dich schon lange gewollt,

sonst klappt das gewünschte Zusammenspiel nicht".


Ulrich Schaffer



Der oben angedeutete Vorbehalt: Für eine nahe Zukunft in Berlin benötige ich neben der Arbeitsstelle, als deren Voraussetzung, eine Aufenthaltsgenehmigung (später in eine Zuzugsgenehmigung wandelbar). Diese ist eine Grundlage, um in Berlin überhaupt wohnen zu dürfen und als Voraussetzung bedarf sie auch eines Führungszeugnisses, „eines polizeilichen Leumunds der Unbedenklichkeit dieser, meiner Person". Man kann also nicht einfach so nach Berlin ziehen. Nur der Beschäftigungsbetrieb, wenn dieser eine Berechtigung dazu besitzt, kann eine solche Aufenthalts-Genehmigung beantragen, nicht die Privat-Person. Da lädt sich also auch der Betrieb einigen organisatorischen Krempel auf, der ihm erspart geblieben wäre, wenn sich ein in Berlin wohnender Mensch für diese Stelle beworben hätte.


Am 13. April 1969 hat mein kleiner Bruder seinen Konfirmations-Sonntag. Von unserer Familie, mit ihm als Hauptperson des Tages, werden einige Erinnerungsfotos gefertigt.


Am 15. Mai verlasse ich die schöne Arbeitsstelle des Verkehrswesens in Magdeburg / Dessau, in der ich es relativ so sehr gut habe, um erneut „ins kalte Wasser neuer Anforderungen zu springen". Vorerst habe ich die Absicht meine Kenntnisse auf das Gebiet des Gesundheits- und Arbeitsschutzes sowie der Brandsicherheit auszudehnen und dann ein Fernstudium auf dem Gebiet der „Gesundheitstechnik in Gebäuden“ mit (Heizung, Lüftung, Sanitärtechnik – also u. a. Gas, Wasser, Abwässern) aufzunehmen. Das ist mit dem Bisherigen verwandt und verwoben, auch als aufeinander aufbauend und sich ergänzend anzusehen. Irgendein „Bruch“ ist nicht zu erkennen – nur sinnvolles Wachstum, stürmische Weiterentwicklung.


Meine Jahre im Kraftwerksanlagenbau: 16. Mai 1969 bis 25. April 1975. Ich beginne in Berlin im

VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau, Teilbetrieb Kernkraftwerksbau, Görschstraße 45 / 46. Die betriebliche Arbeitsschutzinspektion ist jedoch in einem älteren aber renovierten Haus in Pankow, Mühlenstraße 77 untergebracht. Wir sind eine angenehme kleine Drei-Personen-Arbeitsgruppe. Der Leiter, die Sekretärin und nun bin ich dazu gekommen. Zu Schwerpunkten unserer Arbeit gehört die Beratung zu den Bauprojekten, zu den darin vorgesehenen Einrichtungen, die Tätigkeit in der Schutzgütekommission und die Abstimmungen auf der Großbaustelle in Lubmin bei Greifswald.

Am Anfang schaffe ich mir einen Überblick über die gängige Arbeitsschutzliteratur und besorge bisher nicht Vorhandenes aus dem Handel für Gesetzblattsammlungen und anderen Vorschriftenwerken in der Berliner Neustädtischen Kirchstraße, nahe am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße gelegen und aus der Bibliothek. Da ist während der Feierabendzeit wieder viel Stoff zu verarbeiten, eigene Kurzübersichten zu fertigen auch im Gehirn abzuspeichern und mit der Praxis verbindend weiterzuentwickeln ... und das, was ich bisher aus meinen bisherigen Berufen weiß, ist eine wundervolle Ergänzung, eine große Bereicherung und die sparsame Bibliothek unserer Abteilung wächst zusehends an.

Zuerst wohne ich übergangsweise in Berlin-Wilhelmsruh, Wallhallastraße 3, in einem möbelierten Zimmer. Das ist im Stadtbezirk Pankow in einer Gartengegend zwischen den Bahnhöfen Wollankstraße (Ost) und Gesundbrunnen (West), also zwar im Herzen Deutschlands aber auch wieder einmal direkt an der Nahtstelle zwischen den Staaten des Warschauer Vertrages und dem Einflussbereich der NATO. Dieses Zimmer hat mir der Betrieb vermittelt. Mein Zimmernachbar ist Physiker im gleichen Betrieb.


Wir fahren im Juni für einige Tage dienstlich nach Lubmin. Hingebracht werden wir mit dem „Wolga" (3 Vorwärtsgänge, 1 Rückwärtsgang, einfach und kraftvoll, notfalls konnte man auch mit dem 2. oder gar dem 3. Gang anfahren. Ihr kennt vielleicht noch diesen Wagen, dessen Tachometer für guten Tageslichteinfall auf das Messgerät, mit einem durchsichtigen hellblauen Kuppelsegment überwölbt ist. Für die ausgedehnten Strecken auf der Baustelle steht uns dann ein Motorrad zur Verfügung. In Lubmin lerne ich den Ingenieur für technische Sicherheit kennen, der in den Kraftwerksbetrieben schon vom Rheinsberger Beginn an dabei ist. Zu den Übernachtungen sind wir im Arbeiterwohnheim in Greifswald mit Rundum-Verpflegung. Imposant und ungewohnt, wie sich am Morgen Hunderte von Arbeitern von den Greifswalder Wohnheimen durch die Straßen zum Bahnhof „wälzen“. Vom Bahnhof Greifswald fährt ein Doppelstockzug zur Baustelle. Dieser ist doppelt so lang, als gewöhnlich. Mittagessen auf der Baustelle in riesigem Kantinensaal. Hell und freundlich ist es darinnen, das Essen trotz der Massenabfertigung sehr gut und die Gesamtsituation stets vom „heran gewindeten" Baustellensand belastet.


Ich bin gerade erst einen Monat im Betrieb, schon werden mein Chef und ich vom BGL-er, dem Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung, angesprochen, ob ich nicht vielleicht bereit und abkömmlich wäre, im Monat Juli eine Gruppe im Kinderferienlager zu betreuen, es würden dringend noch einige geeignete Kräfte benötigt. Mag ich geeignet sein? Ich bin prinzipiell bereit und vom Betrieb ließ es sich ebenfalls einrichten. Nun denn:


Frohe Tage im Kinderferienlager „Glück auf“, 7. bis 22. Juli 1969, beim Ort Ferchesar. Ich fahre also von unserem Betrieb als Betreuer mit ins Kinderferienlager. Das Ferienlager ist ein Gemeinschaftsobjekt mehrerer Betriebe. Es sind daran beteiligt:



Nach Ferchesar geht es! Noch nie gehört! Wo liegt denn das? Schon bei dem ersten Kontakt mit dieser interessanten Aufgabe, unseren Kindern einige frohe Ferientage zu gestalten, muss ich also vorerst selbst einmal dazu lernen, mich orientieren. – Aha, in der Nähe von Rathenow, am Hohennauener See. Wie schön. Nicht im Ort, einem früheren Fischerdörfchen, sondern „eingebettet in der Wildnis“, zwischen Wald und See gelegen. So richtig fernab jeglichen Berliner Trubels, des Verkehrsgetöses und aller Abgase. Erholung pur wird uns erwarten, leider begrenzt auf zwei Wochen.

Es ist der erste Durchgang dieses Jahres, gleich nach dem Beginn der „Großen Ferien“. Somit ist dort für dieses Jahr noch alles „jungfräulich, unberührt“, alles gepflegt, Spielzeug repariert bzw. erneuert, das Gelände geharkt.

Die Eltern haben im Voraus für ihr Kind eine Mark pro Tag für Betreuung, Beköstigung „und die Kultur“ entrichtet, 14,- Mark für zwei Wochen eingezahlt. Dem fröhlichen Beginn steht also nichts mehr im Wege.


Das Eintreffen der Kinder am Sammelpunkt in Berlin geschieht schön pünktlich, das Verstauen der Koffer problemlos und auch das Einsteigen in den Bus – ohne große sichtbare Abschiedsschmerzen, die etwa eines Trostzuspruchs bedürften, wenn sich auch einige herzliche Abschiedszeremonien zeitlich etwas strecken. Schwer ist es gewiss, sein liebes kleines Kind einfach fremden Händen anzuvertrauen. Die Kinder sind in der Altersspanne zwischen 6 und 14 Jahren anzutreffen.

Die Busfahrt von Berlin nach Ferchesar ist kurzweilig. Einige Kinder kennen sich schon vom Vorjahr oder weil verschiedene Eltern im gleichen Betrieb tätig sind. Doch auch andere haben sich nach „erstem Beschnuppern“ bald viel zu erzählen. Nur eines der Mädchen hat leider ein wenig Reisebeschwerden, so eine Art Seekrankheit. Das ist aber nicht so sehr schlimm, denn wir haben Tüten und „Startbonbons“ dabei – doch als unser Bus bald an dem Wegweiser vorbeirollt, der auf die Straße nach dem Dörfchen „Kotzen“ weist, kann sich mancher ein Loswiehern mit den entsprechenden Faxen nicht verkneifen.


Der Bus biegt von der Landstraße auf einen Sandweg, durchquert ein Waldgebiet und – schwupps – schon sind wir am Ziel. Wie lange brauchten wir? Na, wohl kaum 2½ Stunden. Eine recht kurze Fernreise. Am frühen Nachmittag treffen auch die jungen altmärkischen Kinder aus Stendal ein. An diesem ersten Tag gibt es ein schlichtes Begrüßungsmahl, die traditionellen Brühnudeln, weil man ja nicht wusste, wann die Busse wirklich genau eintreffen werden und sich „mehrteilige Speisen" nicht so günstig über längere Zeit ansehnlich und warm halten lassen. Dieses Thema wird von einigen Älteren bald noch einmal aufgewärmt, als die Kinder hören, dass ein Stück weiter am See der Ort „Wassersuppe“ liegt. Nicht nur die weiblichen Küchenkräfte sorgen für das leibliche Wohl, sogar einen männlichen Wirtschaftsleiter haben wir, der das Beschaffen von Obst, Gemüse, Fleischwaren und – Brühnudeln organisiert.


Anschließend werden die Kinder in Gruppen aufgeteilt. Das obliegt der Lagerleiterin vom ZGI. Der stellvertretende Lagerleiter ist von Erdöl / Erdgas aus Stendal – und jeder Gruppenleiter erhält nun „seine eigenen Kinder“.

Bei der Art der Inbesitznahme der Doppelstockbetten seitens der Kinder, kann man schon gewisse Vorlieben, auch zögerndes Verhalten oder Ellenbogengehabe feststellen, – für den Gruppenleiter eine hilfreiche Einstimmung, um seine Schäfchen schnell kennenzulernen und zeitig manches zu nivellieren, damit es auch für eher Zurückhaltende schön wird, damit niemand zu kurz kommt.


Erst mal ist Zeit, nur das Nötigste aus den Koffern auszupacken, denn die Schrankkapazität ist recht knapp bemessen. Fast jedes Kind hat alles was es benötigt mitgebracht. Sollte aber etwas fehlen, so ist es schnell besorgt, denn wir haben ein treu dienendes Auto, einen IFA F 8 - Kombi, unseren Versorgungs- und notfalls auch Krankenwagen, mit dem wir auch mal nebenbei ein Stück Seife oder eine Tube Zahnpasta aus Rathenow „heranschleppen“ können.


Nach dem Auspacken und Einrichten besichtigen wir erst einmal das Gelände. Es ist zwar rund 17.000 m² groß aber gut überschaubar. Die große Grasfläche ist mittels Holzlattenzaun eingefriedet und geht an drei Seiten der Grundstücksbegrenzung in ein Waldgebiet über. Nur an einer Längsseite befindet sich ein Sandstrand und davor blinkt der See. Sogar einen breiten Anlege- und Angel-Steg mit Rettungsboot haben wir.

Auf der Grasfläche stehen die Bungalows, also Wohn- und Schlafbaracken. Es gibt auch einen Sanitäts- und Krankenbungalow. Jene beiden Häuschen sind das Reich unserer richtig erfahrenen Krankenschwester, die von den Gruppenleitern, die ja zum Teil eine Sanitäterausbildung besitzen, im Bedarfsfall unterstützt werden kann. Es wird sich aber zeigen, dass sie nicht zu viel mit chirurgischen Handlungen oder gar schwierigen Infektionskrankheiten zu tun haben wird, so dass sie sich auch anderen äußerst wichtigen Themen zuwenden kann.

Dann gibt es den appetitlichen Küchentrakt mit Speise- und Kulturraum, ferner die Ausleihstelle für kleinere Spielsachen und größere Spielgerätschaften, sowie die Sportartikel und Bücher. Der lange Toiletten- und Waschwagen, ist in zwei Abteile getrennt.

Auf diesem Gelände, sowohl auf dem Gras, als auch in einer Sandfläche gibt es ein Volley- und Völkerball-Areal, ein kleines Fußballfeld, Schaukeln, Wippen und Klettergerüste.


Am Lagertor hält sich, solange dieses offen steht, zeitweilig ein kleines Empfangskomitee, genannt „die Lagerwache“, auf, um eventuelle Gäste, wie auch Lieferanten und Postboten willkommen zu heißen und jene zu leiten, damit sie sich auf dem Gelände nicht verirren.

Am Tag nach der Ankunft schreiben wir den Lieben Daheim und lassen sie wissen, wie es uns hier gefällt. Natürlich wurde bereits „offiziell“ mit der Rückkehr der Busse, in den Betrieben Bescheid gegeben, dass alle Kinder gut und gesund im Ferienlager angekommen seien.


Viel Post bekommen die Kinder in den nächsten Tagen. Die Postverteilung ist jedes Mal eine spannende, Freude auslösende Aktion. Selbst ein Bote der Post kommt per Moped mit einem Brieftelegramm hier heraus. Wohl nur für ein Kind hapert es mit dem Post. Da setzen wir Großen uns hin und schreiben einen hübschen, lustigen Brief – wenn es auch nur ein Ersatz ist.

Nach drei Tagen kommt der mobile Landfilm zu uns. Der Kollege Filmvorführer hat alles im Auto: Projektor, Lautsprecher, Leinwand, Leitungsgewirr. Das alles baut er draußen auf, denn das Wetter ist schön – und seine Leinwand ist höher, als die Baracken es sind. Nach dem Abendessen stellen wir dann draußen die Stühle auf und warten noch, bis es ausreichend dämmert, denn die starke Projektorlampe soll ja der Sonne keine Konkurrenz sein. Bald schon läuft „das Filmwerk“ an.


Die Zeit solch eines Durchgangs, so zeigt es sich, ist eine viel zu kurze – so aber können möglichst zahlreiche Kinder in die Ferienlager fahren. Die Stunden des Tages sind schnelllebig und kurzweilig. Nach Waschen und Frühsport: um 8.00 Uhr Frühstück, Mittagszeit um 12.00 Uhr, Ruhezeit, eventuell Lesen, ein kleines „Kafe“-Mahl. Freizeit bis zum Abendessen um 18.00 Uhr. Abendwäsche, Vorlesen einer Geschichte, Nachtruhe im Allgemeinen (bis auf festliche Anlässe mit Ausnahmen) um 20.00 Uhr.

Für die Großen dann Besprechung: Auswertung des Tages mit seinen Schönheiten und erkannten Problemchen, Vorstellen der Vorhaben für den nächsten Tag seitens der Gruppenleiter, dann die eigene kurze Urlaubsstunde. Bald schlafen, denn unsere Kinder sind zeitig munter und verlangen ihr Recht. – Die Tage rasen nur so dahin.


Stets gern genutzte Wassersportgeräte sind die prall aufgepumpten, großen Schläuche von Lkw-Rädern. Auch das Floß, eine große hergerichtete Flachpalette, ist oft voll besetzt mit dem gern zur „Insel", der schwimmenden Plattform übergesetzt wird. Nur das Rettungsboot ist als Spielzeug ein Tabu. Die Rettungsschwimmer sind bei allen Wasserspielen dabei aber haben zum Glück nichts zu tun, was Ihrer Bezeichnung Ehre machen würde. So aber ist es besser.


Nach einer Woche begehen wir das Neptunfest. Schwester L. zum Beispiel, gestaltet jetzt mit den Mädchen Röcke aus Krepp-Papier und Schilf und auch entsprechende Hüte. Gemeinsam basteln sie Muschelketten zum Unterstreichen ihrer natürlichen Schönheit und gar manch weiteres Zubehör – was man zum Neptunfest eben dringend benötigt, um als Nymphe zünftig auftreten zu können. Bei den männlichen Piraten zeigt sich die Ausstattung weitaus schlichter.

Neptunus hat bei der Festvorbereitung reichlich damit zu tun, den Dreizack zu fertigen, Tang für den Kopfputz zu ernten und ein widerliches Getränk, so eine Art Schluckimpfung für bestimmte der erwachsenen Täuflinge zu brauen, ohne es tunlichst vor der Verabreichung selber abzuschmecken. Größere Mengen Rasierschaums muss er schlagen, das hölzerne Rasiermesser schärfen – „alle Hände voll“ hat also auch er zu tun. Zum Beginn des Festes kommt Neptun mit seinen Begleitern, die dann später die Zwangs-Täuflinge einfangen, von weit her aus dem See an Land geschwommen, bis er dann triefend und mit Seetang behängt, inmitten unserer Versammlung auf dem Thron Platz nimmt. Die Täuflinge, aber nur jene, die die Taufprozedur auch überstehen, erhalten über diesen Akt eine Urkunde, auf der selbstverständlich der ihnen verliehene neue Name erscheint. Auch Orden werden verliehen, auf denen der wichtige Anlass der Vergabe oder nach dem „Denkzettelprinzip“ eine auffällige Eigenschaft oder anatomische Besonderheit des geehrten Empfängers erwähnt ist.


Unsere Ferienbuch-Bibliothek wird ihren Anforderungen gerecht. Gern wird sie genutzt aber vermutlich geringer, als wenn wir schlechtes Wetter hätten. Wenig Regen, nur einmal ein kräftiges Gewitter, so dass die Kinder meist draußen umhertollen können und an den Abenden „hundemüde“ sind, kein Nörgeln, kein Streiten – eine harmonische Gemeinschaft.

Ein Sportfest ist angesagt, der Tradition folgend, mit Weit- und Hochsprung, auch Volleyball und Tauziehen, kleinen turnerischen Kunststücken die manche Kinder eingeübt haben und nun vorstellen möchten. Darunter auch sehr beachtlich: Die „Große menschliche Pyramide“. Natürlich ist auch hier für jeden der Teilnehmer ein kleiner Preis vorgesehen und für die Besten eine Ehrenurkunde.


Unsere Exkursionen durch Wald und Feld bieten zahlreiche interessanten Aspekte ... und manchmal erkennt man an den klugen Erläuterungen der Kinder, in welchen Berufen die Eltern, in welchen Betrieben sie tätig sind. Doch wir wollen den Wald nicht unbedingt abgraben, um einen geologischen Schnitt oder „Horizont der Erdkruste“ anzulegen, nicht verschiedenste Silikate unter Spezial-Mikroskopen betrachten und hier in diesen Ferientagen auch weder nach Erdöl bohren noch ein Kraftwerk errichten ... wie es eher den Eltern dieser Kinder eigen ist. Das muss nicht sein. Die Kinder brauchen nur einfach unbeschwerte Schulferien. – Aber trotzdem sind derartige Gespräche schon spannend. Nun, ich selber halte mich im Wesentlichen an die Biologie, an Pflanzen, Tiere und den Menschen der mit jenen umgeht, bleibe also damit auf hinreichend „sicherem Terrain“.


Und noch einmal zieht es den Landfilmmann mit seiner Lichtspielkunst zu uns. Es scheint ihm in unserer Mitte zu gefallen. Wenn's man gut geht. Schwere Wolken hängen über uns und es tröpfelt bereits. Aber wir merken: Keine Sorge – verzieht sich wieder.


Leider viel zu früh folgt das Abschiedsfest mit vielfältigen Kulturbeiträgen, späterem Festessen, Erzählen, dem Singen von Volksliedern mit Gitarrenbegleitung und Lagerfeuer. Förster und Feuerwehr wissen Bescheid, Wildschweinbraten über dem Feuer steht nicht auf dem Programmzettel.

Schleicht sich schon hie und da eine leise oder stärkere bittersüße Wehmut ein? Haben sich doch in diesen Tagen schon zarte Bande entwickelt, die das Schicksal der unerbittlich ablaufenden Zeit, schon wieder trennen will. Große Versprechen und Ehrenworte werden da und dort abgegeben, sich bald zu schreiben und sich demnächst vielleicht sogar wiederzusehen – denn die Entfernungen sind ja nicht groß – ist unser Land doch eher klein.

Kaum jemand hat wohl in den zurückliegenden Tagen unseres gemeinsamen „einsamen“ Aufenthaltes, die Großstadt, ihren Trubel und ihre Ablenkungen wirklich vermisst.

Zuerst verabschieden wir in Ferchesar alle Stendaler herzlich und winken deren Bus nach, der jedoch schnell hinter der ersten Biegung des Weges vor unseren Blicken im Wald entschwindet.


Ja, es scheint mir, die Stimmung auf unserer Rückfahrt ist anfangs etwas gedämpft – doch bald, im heimatlichen Berlin, begrüßen sich Kinder und Eltern mit großem Hallo, sinken sich nach soo langer Abwesenheit verschiedentlich in die Arme, und haben sich viel zu erzählen.


Der leere Bus fährt los. Alle Kinder sind mit ihren Eltern nun fort, eilen zur Straßenbahn, zur U- und S-Bahn, wohl nur wenige zum eigenen Auto, gehen vielleicht zu einem Begrüßungsfestschmaus.

Und uns fehlt etwas – wir bisherigen Gruppenleiter bleiben allein zurück, plötzlich bar jeglicher Verantwortung – ohne unsere Kinder – eine merkwürdige Stille inmitten der lauten Stadt – .

Erst morgen wird uns der Alltag mit seinen Anforderungen wieder eingefangen haben.


Die Kinder aber sind weiterhin in den „Großen Ferien“ – noch eine unendlich erscheinende Zeit. Mögen sie diese Wochen so recht genießen.


––––––


Das "Apollo 11" Programm. Im Juli fliegen drei amerikanische Astronauten auf den Mond – die ersten Menschen auf unserem kleineren Nachbarplaneten – und kehren gesund wieder zurück.


Am 1. September beginnt für mich das fünfjährige Fernstudium an der Ingenieurschule für Bauwesen in Erfurt. Zu den Konsultationen brauchen wir aber nicht nach Erfurt, sondern haben hier in Berlin-Oberschöneweide, in der Wattstraße, eine Außenstelle als „Konsultationspunkt". Das Studium wird mich also bis zum Sommer 1974 begleiten, mit fast täglichem Lernen in den Abendstunden nach der Arbeitszeit und an den Wochenenden. Das betrifft die Unterrichtsfächer:


Fach

Fach

Fach

Marxismus-Leninismus

Sozialistische Arbeitswissenschaften

Physik

Russisch

Sozialistische Betriebswirtschaft

Technische Physik

Mathematik

Methodologische Grundlagen der Ingenieurtätigkeit

Technische Systeme

Elektronische Datenverarbeitung

Gebäudelehre

Technologie

Deutsch / Kulturpolitik

Technische Stoffe

Gestalten, Bemessen, Bewerten technischer Anlagen


Im Herbst sind wir drei der kleinen Arbeitsschutzgruppe im Berliner Kabarett "Distel" zu Gast.

Im Oktober berief mich die Betriebsleitung zum nebenamtlichen Hauptbrandschutz-Beauftragten und vom kommenden Jahr an, werde ich die Aus- und Weiterbildung der betrieblichen Gesundheitshelfer übernehmen, was sich für den Betrieb günstiger und zeitlich flexibler gestaltet, als wenn sie zu den Mindest-Schulungen zum DRK im Stadtgebiet gingen. Auch kann ich den Stoff besser mit Beispielen aus der betrieblichen Praxis würzen. Dieses Gestalten ist aber nur möglich, weil ich über die Lehrbefähigung des DRK verfüge und mit dem Deutschen Roten Kreuz im Stadtbezirk organisatorisch eng zusammen arbeite.


Im November kann mir der Betrieb „eigenen Wohnraum" zuweisen: Ab 20. November 1969 wohne ich in Berlin-Buch, ziehe in das Einfamilienhaus „Städtische Siedlung 40“ (die später in „Siedlungsstraße“ umbenannt wird). In diesem Haus wohnen nach meinem Einzug drei Mietsparteien: Die freundliche, alleinstehende Witwe T., schwerhörig und stark vergesslich. Sie ist die älteste und ehrwürdige der drei Mietsparteien. Dann lebt dort die nette Krankenschwester U. aus dem Klinikum, die aber leidensbedingt ausschließlich in der Krankenhausweißwäsche-Reparaturnähstube tätig ist und nun komme ich dazu, erstmals mit eigenen Möbeln. Meine Schwester wollte mich bei der Auswahl meiner ersten Möbel unbedingt beraten. Es ist ein dreiteiliger Kleiderschrank mit Aufsatz (also raumhoch), ein auszieh- und höhenverstellbarer Tisch, zwei Sessel und ein „Sideboard“, wie das heute so heißt, also eine Anrichte auf der man nichts anrichtet, weiß, mit dunkelgrüner Kunststofffront. Wir kaufen die Möbel gemeinsam in der Schönhauser Allee, nahe dem U-Bahnhof Senefelder Platz. So opfert meine Schwester für mich einen ihrer wertvollen Urlaubstage und lernt meine guten Mitbewohnerinnen auch gleich kennen.

Am Tage vor dem ersten Feierabend in diesem Hause gibt es eine kleine Panne. Die gute Mieterin, Frau T., ist zu recht sehr vorsichtig. Sie schließt die Haustür gern von innen ab und lässt den Schlüssel stecken. So kann man mit dem eigenen Schlüssel nichts ausrichten. Nach langer Klingel- und Wartezeit öffnete sie dann doch und fragt mich erstaunt: „Junger Mann, was möchten Sie denn bitte hier?“ Ich erinnere sie daran, dass ich jetzt doch auch hier wohne, womit sie sich erneut herzlich gern einverstanden erklärt und mir, auf ihre Uhr schauend, generös eröffnet: „Ja dann werde ich uns man erst eine Mehlsuppe bereiten.“ So also werden in Berlin Freundschaften für's Leben geschlossen. Das alte Schloss besagter Haustür von Zeiss-Ikon stellt sich als gut einbruchshemmend dar. Es gehört ein langer Schlüssel dazu, mit doppelseitigem Bart, den man erst völlig durch das Schloss hindurch schieben, diesen dann „leer“ um 90° drehen muss, ihn zurück ins Schloss hineinzieht, um hernach schließen zu können. Eine ausgefeilte Technik. In diesem Hause lebt es sich also ziemlich sicher, auch ruhig und recht harmonisch.


Die Arbeitsschutzfachleute der einzelnen Teilbetriebe des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau werden ab 1. Januar 1970 örtlich zentralisiert. Mein Arbeitsplatz zieht deshalb vorerst von Pankow nach Friedrichshain um, nach 1017 Berlin, Hans-Beimler-Straße 91–94. Das Eckhaus an der Kreuzung, hinter der die Greifswalder Straße beginnt. Das liegt in der Nähe des Märchenbrunnens. Dort in der Nähe hatte im vorigen Jahrhundert zeitweilig mein Urgroßvater Franz Runge mit seiner Familie gelebt. Vor dieser Zusammenfassung des Personals oder Auflösung unserer bisherigen Miniabteilung schrieb mir unser Chef zum Jahresende '69 eine ganz ausgezeichnete Beurteilung für den relativ kurzen vergangenen Zeitraum, denn er zieht nicht mit um, geht wieder in sein ursprüngliches Fachgebiet.

Kurz vor der Auflösung unserer Abteilung liegt aber noch mein Geburtstag und meine beiden Kollegen schenken mir ein kleines Kaffeeservice für zwei Personen mit zartem rosa Rosendekor. Na, solch ein Aufwand, nur wegen mir.

In dem nun größer werdenden Kollegenkreis in der Hans-Beimler-Straße kann man sich aber ebenso wohlfühlen, ist mein erster Eindruck.


Das Jahr 1970Mein 24. Lebensjahr.

Was gibt es denn Neues außer der veränderten Arbeitsstellen-Anschrift?

Beispielsweise: Das süße Berliner Wappentier. – In den Berliner Lebensmittelgeschäften gibt es jetzt Bienenhonig in durchsichtigen Plaste-„Flaschen", in der Form eines stehenden Bären. Dagegen hat die Milch ihre Flaschen verlassen und wird jetzt in einem kurzen Schlauch aus weicher Plastfolie angeboten. Ganz schön wabbelig beim Eingießen. Bald gibt es dazu aber Aufnahmebehälter in den man den „Kurzschlauch" hineinstellt. Damit handhabt sich die Prozedur des Entleerens leichter.


Ich habe mir einen neuen Wecker gekauft. Er ist etwa so klein wie eine Streichholzschachtel und hat kein Läutewerk, sondern einen nervend anhaltenden Batterie-Piepton. Hübsch anzusehen ist diese Quäkhupe und platzsparend, falls ich mal wieder umziehen muss.


Meine Eltern haben altershalber das (innerhalb der Wohnung liegende) Geschäft aufgegeben. Der Raum wird renoviert und meine Schwester, die noch Daheim lebt, erhält dieses herausgeputzte größere Zimmer. Eine kleine Einweihungsfeier gibt es dazu. In dieser Zeit gehört ein Umtrunk mit „Apricot Brandy" dazu. Später ändert sich der Geschmack etwas und Kiwi (Kirsch-Whisky) wird der kleinen Auswahlreihe angehören. Ein Jahr später macht dann, zumindest in der Berliner Region „Timms Saurer", ein Gebräu mit Zitronengeschmack, das Rennen.


Die gute Frau T., unsere älteste Mieterin der gedrittelten Wohnung in der Städtischen Siedlung 40 ist kürzlich gestorben. Ihre Nichten lösen den Haushalt auf, können aber nicht alles verwerten. Wir Zurückbleibenden dürfen uns daher nunmehr verlassene Artikel aus der Habe zur ewigen guten Erinnerung wählen. Ich greife zu einem Kaffeepott, der ihr vielleicht weniger am Herzen lag aber gewiss gut Magen und Blase füllte und ein Tomatenmesser, das mich wahrscheinlich bis an mein eigenes Lebensende begleiten wird. Ich werde somit „fast ewig“ ihrer gedenken.

Eine Weile dürfen wir, die nun vereinsamte Doppelmietspartei, noch hier wohnen, dann erhalten wir Post vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Pankow, Abteilung Wohnraumlenkung, die für uns Zuweisungen anderen Wohnraums innerhalb des Stadtbezirks einleitet, denn eine größere Familie soll in dieses Reihenhäuschen einziehen. Die Schwester U. erhält ein Zimmer in einem Einfamilienhaus bei einer ihr fremden Familie zugewiesen. Ich bekomme es günstiger. Man weist mir eine kleine separate Wohnung im Dachgeschoss eines Hauses mit sechs Mietsparteien zu. Mini-Korridor, Toilette, Küche und Wohnzimmer mit schrägen Wänden. Meine erste eigene Wohnung! Traumhaft!

Aus diesem Grunde wohne ich nun vom 29. Februar 1970 an, in 1114 Berlin-Blankenburg, Rhönstraße 9. Der Hauswirt / Hausbesitzer ist der Rentner Herr Fritz M. Seine Frau heißt Friedel. Herr M. kommt am Anfang jeden Monats die Miete kassieren. Die Monatsmiete beträgt 18,- Mark. Er ist selig darüber, dass ich ihm stets 20,- Mark gebe. Es hätte durchaus auch ein höherer Betrag festgelegt sein können (vielleicht 28,- Mark, dann wären es für jeden Quadratmeter dieser kleinen Wohnung 1,- Mark oder 30,-Mark – für jeden Tag des Monats ebenso 1,- Mark ) aber nein, die Mieten sind vom Staat festgesetzt – darauf hat der Vermieter, der Eigentümer des Hauses, keinen Einfluss.

Die etwas größere Nachbarwohnung, auch Zimmer, Küche und Toilette, steht momentan ebenfalls frei – aber bald zieht dort ein junges Ehepaar ein.

Ganz früher waren wohl mal beide heutigen Wohnungen ein Wohnraum, denn meine Küche ist ohne Wasseranschluss und auch die Toilette scheint nachträglich aus einer Abstellkammer gezaubert worden zu sein.


Noch vor dem Einzug beginne ich die „nackten" Dachbodenräume gründlich zu bearbeiten.

Ausgangs des Winters, im Vorfrühling 1970 treffen sich sieben Arbeitsschutzleute aus Kraftwerken und dem Anlagenbau der DDR, um in Klausur die Maßnahmen zur weiteren Erhöhung der Sicherheit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Kraftwerken festzulegen; Maßnahmen, die über den bisherigen Standard der DDR-Gesetzgebung hinausreichen. Zu der dreitägigen Beratung treffen wir uns in dem neuen Braunkohle-Kraftwerk Thierbach, dass noch nicht mit voller Leistung am Energienetz ist. Das Kraftwerk Thierbach liegt rund 20 km südlich von Leipzig beim Ort Kitzscher zwischen Espenhain und Bad Lausick. Von einem Bach mit Tieren, vielleicht Rehen, sieht man hier aber nichts. Es dominieren die Gebäude der vier Kraftwerksblöcke, die 95 m hohen Kühltürme, der zentrale 300 m hohe Schornstein. Die Technik der Anlagen kam hauptsächlich aus der Sowjetunion.

Unser Ziel ist es, bei dem unterschiedlichen Alter unserer Kraftwerke und der je nach Hersteller verschiedenartigen Technik, Grundsätze für das Erreichen einer vergleichbare Qualität aufzustellen. Viele Einzelprobleme und Lösungsansätze packen wir zum Abschluss in ein Programm für die Arbeit auf einem gleichhohen Niveau in den einzelnen Kraftwerks-Betrieben.


Ein weites Feld besteht in der Unterstützung anderer Projektanten für das Erarbeiten der Schutzgütenachweise für ihre Leistungen. Wir wissen ja: Jedes Ergebnis oder Erzeugnis hat seine Funktionsqualität, seine Materialeignung , ..., so auch die Güte des Schutzes für die Arbeitskraft. Auch hier gilt es, optimal zu gestalten und diese Qualität in einem ausführlichen vorgegebenen Fragespiegel mit Antworten nachzuweisen.


Wieder im Wohnhaus, Rhönstraße 9: Nachdem es etwas wärmer geworden ist, so dass frische Farbe die Chance hat zu trocknen, rege ich bei der jungen Familie Ma. an, ob wir uns die Arbeit, das Treppenhaus zu malern, gemeinsam übernehmen wollen, weil Herr M. aus den geringen Mieteinnahmen kein Geld dafür hat. Eine Überarbeitung scheint dringend nötig und wünschenswert. Weder der schmuddlige dunkelgrüne Sockelanstrich wirkt einladend, noch darüber die ergraute, wohl von Möbeltransporten zerschrammte Leimfarbe. Es fehlt lediglich der Initiativ-Anstoß. Zusammen erledigen wir das Renovieren und das Treppenhaus erstrahlt nun in einem sonnigen Gelb. Wir fühlen uns wohl. Wir, das sind das Hauswirts-Ehepaar M., zwei alleinstehende Rentnerinnen, Familie Ma. und ich ... und bald ein neu hinzuziehendes Ehepaar.


In diesem Monat August bin ich in der Großen Ferien Betreuer von Kindern im Kinderferienlager „Philipp Müller" in Altenberg. Mit zwei Bussen fahren wir in Berlin los. In Altenberg angekommen, sehen wir ein riesiges Objekt für etwa 400 Kinder, in dem sich unser Betrieb unter vielen anderen Einrichtungen eingemietet" hat. Es ist als Pionierferienlager deklariert, was schon am bewimpelten Appellplatz erkennbar ist. Die Kinder können, wenn sie wollen „in Zivil" gehen; von den erwachsenen Gruppenleitern ist zum An-erkannt-werden, das rotblaue Halstuch eines Freundschaftspionierleiters zu tragen. Na gut, wärmt angenehm.

Hier ist die Lage aber nicht so günstig wie in Ferchesar mit der Anordnung des Objekts zwischen Wald und See. Das diesjährige Ferienlager liegt an der Dresdener Straße, der Fernverkehrsstraße 170. Wer dieses Gelände mal als geeignet ausgesucht haben mag? Vielleicht gab es zu jener Zeit hier nur Pferdekutschen. Da müssen wir bei Spaziergängen streng Obacht haben.

1958 war ich hier nebenan in Schellerhau im Kindererholungsheim. Schöne Erinnerungen. Wem sollte ich davon erzählen? – etwas vorschwärmen? – Niemandem. Aber ich hatte von damals immerhin noch die Vorstellung zu den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung, kam hierher also nicht in die Fremde.

Sämtliche Kinder werden gemischt, dass heißt, nicht jeder betreut die Kinder seines Betriebes, sondern jeder hat welche aus dem Norden, dem Süden, dem Osten der Republik und aus dem östlichen Westen. So, in den nächsten Tagen finden wir uns in dem großen Haufen zwischen den vielen Baracken und mit den gestaffelten, also Schicht-Essenszeiten zurecht, unternehmen viel, stellen uns unser eigenes Programm zusammen und machen wir wie immer „unser Ding" in kleineren Gruppierungen. Bald nach dem Beginn dieser Zeit gibt es für die Gruppenleiter eine gründliche Brandschutzeinweisung, auch mit praktischen Löschübungen mit Wasser hohen Drucks und der dazu gehörenden einfachen Feuerwehrtechnik.

Der Kahleberg ist mit 905 m Höhe die höchste Erhebung des Erzgebirges. Wir besuchen das Freibad an den Galgenteichen, gehen in das Bergbaumuseum, betrachten den großen 300 Jahre alten und etwa 200 m tiefen Einsturztrichter, genannt die Pinge oder auch Binge. (Diesen freundlichen Konsonantentausch treffen wir im sächsischen Sprachgebrauch des Öfteren an).

Wir durchlaufen auf Stegen das Georgenfelder Hochmoor, singen, spielen, turnen, malen, schreiben. Jahreszeitlich passt es auch mit dem sehr fleißigen Sammeln von Blaubeeren = Heidelbeeren = Schwarzbeeren. Viele Kinder sammeln sich abends um unsere anmutige Gruppenleiterin C. die auf ihrer Gitarre Volkslieder spielt und viele Teilnehmer mitsingen. ... „Ade, nun zur guten Nacht“. Zu meiner Gruppe gehört auch Gudrun aus Ronneburg, der Region der strahlenden Abraumkegel des Wismut-Uran-Bergbaus der sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft. Hoffentlich bleibt sie gesund und hat ein langes glückliches Leben vor sich.


Gern hätte ich den Kindern noch den Glockenturm in Bärenfels mit dem Meißener Porzellan-Glockenspiel als ein kleines Bauwerk aber als große Seltenheit gezeigt, – das war für eine Fußwanderung und die Anwesenheit zu den Mahlzeiten „im Objekt" zu weit – man kann nicht alles haben. Aber am 4. Juli 2011 werde ich mich dort noch einmal allein, „privat" von den Friedensglocken verabschieden. Das weiß ich aber momentan noch nicht.


So geht auch diese Ferienlagerzeit schon wieder zu Ende.


Was sonst noch geschah:

Mit Mutti besuche ich als eine Seltenheit das Kino „DEFA 70“ in der Babelsberger August-Bebel-Straße. Gezeigt wird das Musical-Filmwerk „My fair Lady“, prächtig dargestellt von Paul Hubschmidt als Prof. Higgings und Karin Hübner als Elisa Doolittle.


Das Jahr 1971 mein 25. Lebensjahr

In diesem Jahr wechsle ich mit dem Fortschreiten des Fernstudiums "Heizung, Lüftung, Sanitärtechnik" planmäßig innerbetrieblich in die Projektierung von Kraftwerksanlagen.

In diesem Arbeitsgebäude, Görschstraße 45–46 steht im Saal des Erdgeschosses die erste zentrale Rechner-Anlage, der ZRA 1.

In diesem Saal stehen viele Blechschränke, untereinander mit ungezählten Kabeln verbunden. In jenen Schränken heizen eine Unmenge von Dioden und Trioden. Gibt man vorne am Eingang die Aufgabe 1+1 ein, so kann man fast verfolgen, wie das Problem die Schränke durcheilt und seiner Lösung entgegengeht, die nach einiger Zeit, am Ende des Saales, eine „Zwei“ als Ergebnis bedeutet – aber natürlich erst, nachdem der Lochstreifen dechiffriert worden war, denn der Rechner kennt ja zwar „1“ und „0“ aber eben nicht „2“. Dieses Verfahren wurde später liebevoll-spöttisch „Elektrische Datumsverarbeitung“ benannt. Der innigste Traum der EDV-Spezialisten war ein kühler Raum, nur in der Größe eines kleinen Wohnzimmers, in dem eines Tages solche Leistungen vielleicht möglich würden. Ja und es wurde! Noch zu meiner Zeit im Kraftwerksanlagenbau wurde in Greifswald ein sowjetischer Rechner vom Typ BESM-6 aufgestellt. Es blieb für mich geheim, was diese Abkürzung bedeuten wollte. Später kam ein noch kleinerer Robotron 300 hinzu, der schon fast in ein Nowaweser Weberstübchen hinein gepasst hätte. Ich hingegen habe für mein kleines 1x1 im Projektierungsbüro einen soliden Tischrechner im Format von etwa 40 x 40 cm, also etwa der Größe einer Reiseschreibmaschine, der mir treue Dienste leistet. Es ist ein "ELKA 53" und leuchtet mit roten Zahlen, selbst wenn die Ergebnisse richtig sind. Wenig später gibt es sogar einen Taschenrechner "Konkret 100", der uns bei den vier Grundrechenarten unterstützen kann. Er wird im VEB RFT-Elektronik Mühlhausen zusammengeschraubt.

Bald wollte man sich nicht mehr damit rühmen, dass die DDR die größte Mikroelektronik hat.

Bemerkenswert scheint, wie schnell die Entwicklung voranschritt, die Geräte leistungsfähiger und dabei kleiner wurden.


Denker und Technischer Autor sind nun in diesem Arbeitsgebiet meine Grundtätigkeiten. Hier ist mein Arbeitsschwerpunkt das Kraftwerk Nord II in Lubmin. Es werden die Etappen:

Dazu gehört das Entwerfen und Projektieren spezieller gesundheitstechnischer Anlagen für die Arbeitskräfte. Wasch-, Dusch,- Umkleideanlagen. Lieferbeziehungen für alle Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände herstellen. Das Konzipieren und Einrichten der betrieblichen Station für ärztliche Hilfe, Organisieren des Transports der Arbeitskleidung zur Wäscherei des Lehr- und Versuchskraftwerks. Dort im Kraftwerk finden auch Erfahrungsaustausche statt. Das Lehr- und Versuchs-Kernkraftwerk Rheinsberg bei Menz nahm am 09. Mai 1966, also vor fünf Jahren den Betrieb auf. Es ist das erste Kraftwerk dieser Art in Gesamtdeutschland ... drei Wochen später folgte aber schon das erste Atomkraftwerk der Bundesrepublik. Wir werden später erfahren, dass dieser Rheinsberger Energieversorger nach der „politischen Wende" bis zum Jahr 2012 abgebaut wird. Die Natur wird das Gelände wiederbekommen, der See nicht mehr vom Kühlwasser gewärmt werden.


Verschiedene Abstimmungen mit dem Deutschen Modeinstitut der DDR in der Brunnenstraße und mit mehreren sächsischen Textilherstellern führten zur Gestaltung der besten und zweckmäßigsten Arbeitsschutzbekleidung im Kraftwerk. Die Entscheidung fällt für Kombinationen, mit Druckknöpfen geschlossen, aus sandfarbenem sanforisiertem, also bereits „vorgekrumpftem" Gewebe.

Ebenso pflege ich die Zusammenarbeit mit Kollegen des VEB Kombinat MLW: Medizin-, Labor- und Wägetechnik in Dresden/Leipzig.

Als Qualitätsmaßstab für eigene Leistungen und beim Prüfen der Arbeitsergebnisse anderer, war stets der "Weltstandsvergleich" schriftlich zu führen. Den Vergleich des eigenen Erzeugnisses mit dem technischen Höchststand in der Welt zu führen hatte aber so seine Schwierigkeiten, denn zum Vergleich standen uns lediglich verschiedene Zeichnungen für ein sowjetisches Kraftwerk unbekannten Standorts zur Verfügung. Keine Vergleichsmöglichkeiten mit einem westlichen Land. Also dachten wir uns zusätzlich aus, was man als erstrebenswertes Optimum/Maximum gestalten könnte wenn ... die mögliche technische Entwicklung, die Materialsituation ... und machten anschließend vielleicht einige begründbare Abstriche, die nicht weiter ins Gewicht fielen, denn wir waren schließlich erfolgreich darum bemüht, tatsächlich das Beste zu produzieren.

Die Autorenkontrolle hat zum Inhalt, auf der Baustelle zu prüfen, ob das was man vorsah, auch tatsächlich so gebaut worden war, die Ausrüstungen tatsächlich wie vorgegeben geliefert und angeordnet wurden, zu beobachten wie sich das Ganze im späteren Kraftwerksbetrieb bewährte.


Mir ist klar: Man darf sich nicht nur hauptberuflich und mit nur einem Themenkreis beschäftigen, der Geist soll sich auch auf anderen Gebieten tummeln, damit es zu hinreichender Abwechselung kommt: Hier ein Beispiel – Bei einem meiner Nachbarn, einem Schlosser in der Rhönstraße, lasse ich mir nach eigener Konstruktionszeichnung und meiner Materiallieferung einen Bewegungstrainer zusammenlöten. Ein Beweglichkeits- und Muskeltrainer bei rheumatischen Erkrankungen, Lähmungen, für die Physiotherapie zum Training nach orthopädisch-chirurgischen Eingriffen. Im Sitzen wahlweise mit Armen, Beinen oder von diesen gemeinsam anzutreiben.


Eines meiner weiteren Feierabend-Vorhaben ist die Konstruktion eines Gleit-Doppelrumpfbootes für den Wasserrettungsdienst. Bisher werden Verletzte aus dem Wasser geborgen, indem man sie über die hohe schmale Kante der Bootswandung, der Reling, aus dem Wasser ins Boot zerrt. Das ist für einen bereits Verletzten eine schlimme Belastung. Mit einem speziellen Katamaran hingegen könnte man eine Krankentrage tief unter Wasser absenken, den Verletzten im Schwimmzustand bereits im Wasser darauf lagern und dann schonend auf die große Plattform des Bootes heben, die ein konventionelles Rettungsboot ja nicht hat. Das wäre auch für die MMM, die „Messe der Meister von Morgen“ unseres Kombinatsbetriebes ein hervorragendes Exponat, eine DDR-Erstmaligkeit gewesen aber ich habe die Kosten für ein Muster nicht selbst aufbringen und auch keine Sponsoren für finanzielle Mittel bekommen können, bis hinauf zum Ministerium für Jugend, Körperkultur und Sport – für ein Vorhaben, bei dem ich neben dem ideellen Nutzen der Lebensrettung keinen „rücklaufenden Nutzen" für den Sponsor in Mark und Pfennig ausweisen kann. So bleibt das Vorhaben im Stadium der Dokumentation stecken. Schade, dann also kein „Aushängeschild".


In der Feierabendzeit dient mir oft ein Rundgang durch den Pankower Bürgerpark zur Erholung.


Was gab es sonst noch?



In der DDR-Textil-Mode wird das Produkt „Baumwollsilastik" eingeführt.

Im Herbst lerne ich bei Bekannten meine spätere Ehefrau kennen.

Einen Sohn hat sie bereits – und ich die kleine Wohnung. Nun ja, ich will ja nicht angeben, die Betonung bei „Wohnung“ liegt tatsächlich auf „klein" ... ist schon für drei Personen ziemlich klein. Noch im Herbst haben wir einen gemeinsamen Urlaub in Thüringen, in Großbreitenbach.


Mein 26. Lebensjahr – das Jahr 1972

Außer der Pflichtteilnahme am permanenten SED-Parteilehrjahr (als Nicht-SED-Mitglied) im Betrieb, bestehen von der LDPD aus Mitgliederversammlungen im Wohngebiet, verbunden mit Schulungen zu politischen Fragen. Etwa zu der Zeit, als der Parteifreund B. verstarb, wurde ich gebeten die Schulungstätigkeit in der kleinen Berliner Wohngebietsgruppe zu übernehmen. Das war nicht schwierig, denn dazu habe ich zur Vorbereitung das Referentenmaterial und parallel dazu sogar die vorgenannte Schulung im Betrieb. Allerdings war es mir ein Anliegen, zu den eher langweilig erscheinenden Inhalten eigene Gedanken zur Diskussion zu stellen und auf Tagesfragen einzugehen, die die Mitglieder tatsächlich interessierten, die aber noch nicht „abgesegnet" in gedruckter Form vorlagen. Das lief, wenn es auch eine weitere Zeitbelastung neben dem Fernstudium darstellte, vorerst ganz erfreulich, ... bis mir vom Kreisverband der LDPD deren Kenntnis darüber vermittelt wurde, dass ihnen zu Ohren gekommen sei, dass ich von den vorgegebenen Gesprächsthemen abweiche oder teilweise und unabgestimmt darüber hinaus gehe. Die Meinungsbildung habe sich nach dem schriftlichen Material, und damit nach den Abstimmungen mit der Partei der führenden Rolle, (der SED) zu richten. Alle sind dabei recht freundlich zu mir aber eher farblos, bürokratiegebunden und „nach oben hin" hörig. Ich dagegen sehe eine vertrauensvolle Arbeit mit den Menschen besonders darin, dass man die Fragen und Probleme die von Teilnehmern in die Diskussion gebracht werden nicht abwürgt, unbeantwortet lässt, sondern Meinungen kameradschaftlich austauscht soweit das Wissen reicht, sich über mögliche Problemlösungen unterhält, auch wenn jene nicht in dem „engen Hohlweg“ des vorgegebenen Referentenmaterials liegen. Meine Hoffnungen auf eine „Rückenstärkung" und auf die gewünschte Möglichkeit, eigene Gedanken frei äußern und in freier Unterhaltung diskutieren zu können, erfüllte sich bereits in diesem wesentlichen Punkt nicht.

Diese wertvolle Erkenntnis hatte ich früher nicht, doch es war relativ wichtig sie selbst zu erfahren.


Am 7. / 8. April 1972 heiraten H. und Christoph. Bürgerliche Eheschließung im Standesamt Berlin-Friedrichshain, Warschauer Straße und kirchliche Trauung in der katholischen Kirche Sankt Antonius, in Potsdam-Babelsberg.

Der Berliner Fotograf des Standesamts war sehr hilfreich für ein gutes Gelingen. Man sieht es an den Bildern. So führte er nach dem ersten Bild die Regie mit den Worten: „Junge Frau jehn Se ma lieba 'n paar Stufen höher, damit man Se uffm nächsten Foto ooch sieht" und „Junger Mann auch 'n Stück höher – aber bloß die Hose, damit der Korkenzieher raus jeht".

Nach der Eheschließung können wir versuchsweise „ganz frech" einen Antrag bei der Wohnungswirtschaft des Stadtbezirks Pankow auf die Zuweisung größeren Wohnraums stellen. Obwohl: „Was wollen Sie? Sie sind doch versorgt." Natürlich warten wir nicht jahrelang auf ein fertiges Angebot, sondern ich bin aktiv auf Wohnungssuche. Es heißt: Wer der Abteilung Wohnraumwirtschaft beim Rat des Stadtbezirks mindestes drei leerstehende Wohnungen nachweist, hat den Anspruch darauf, eine in der erforderlichen Größe angemessene Wohnung zu bekommen. Ich tigere also an vielen Abenden auf Leerstandsuche durch die Straßen von Pankow und Prenzlauer Berg.

Dabei klebe ich wohl hunderte Tauschangebote auf Zetteln in Hausflure an die Info-Tafeln. Ich weise viele Wohnungen nach, die keine Gardinen und kein Namensschild zeigen und mir kurze Gespräche mit Bewohnern bestätigten, dass diese Wohnungen schon lange nicht mehr ... aber ganz oben wohl mit Dachschäden ... vielleicht wegen starker Schäden nur als Ausbauwohnung in Eigeninitiative ... bekommen haben wir davon keine ... aber dankbares Entgegennehmen der Such-Ergebnisse und langzeitiges Hinhalten wurde von der Verwaltung fleißig geübt.


Unsere Abteilung unternimmt im Frühsommer einen Ausflug in den Spreewald. Sehr gelungen.

Ein schöner Tag.


Plötzlich ein neuer Wohnungsfinde-Lichtblick: Wir bekommen Besuch von der alleinstehenden Köchin Erna R. Sie hat eine 3-Zimmer-Wohnung im 4. Obergeschoss, in der Nähe des Gaswerks. Sie kann nicht mehr die vielen Treppen steigen, will sich als Alleinstehende wegen des Aufwandes mit dem Wohnraum verkleinern und möchte gern im Grünen wohnen. Das passt alles ganz wunderbar. Auch die staatliche Wohnraumwirtschaft ist mit dem einfachen Wohnungstausch gerne einverstanden und genehmigt diesen. So kündigen wir unsere bisherigen Mietverhältnisse. Wir finden auch zwei Speditionen, die am gleichen Tag zu gleicher Stunde das jeweilige Umzugsgut in den entgegengesetzten Richtungen transportieren werden. Weil die gute Erna allein ist und etwas langsam, helfe ich ihr beim Packen ihrer Habe. Auch bei uns läuft alles ganz reibungslos, so dass wir am Umzugstage mit dem Lkw vor ihrem Haus eintreffen. Leider treffen wir dort aber auch auf ratlos-schimpfende Möbelträger der anderen Spedition bei deren Zwangspause. Die Erna-Wohnung war verschlossen aber andere Mieter wussten: „Frau R. ist momentan in Herzberge".

Ich brauchte nur noch die beiden Speditionen zu entlohnen und nach der Rückfahrt mit vollem Möbelwagen, unsere kleine Wohnung wieder einräumen. War das ein fröhliches Wiedersehen mit der bisherigen Hausgemeinschaft.

Später konnte ich bei meinem Besuch in der Klinik in Erfahrung bringen: Frau R. hatte sich das also mit dem Umzug noch einmal sehr kurz vorher überlegt aber uns leider nicht verständigt und auch nicht die Spedition informiert, sondern war den kurzen Weg zu einem Nervenarzt gegangen, der ihr eine Überweisung in die Klinik in Berlin-Lichtenberg, Herzbergstraße ausstellte. So war sie dort bar jeder Sorge und Verantwortung, weil zeitweilig als nicht voll geschäftsfähig angesehen. Und die Finanzverpflichtung gegenüber den Speditionen? Immer der Auftraggeber. Wer bestellt – der bezahlt – ich hatte für Frau R. sowohl die Kosten des Umzugs, als auch das Organisatorische übernommen. Wie sagt doch der weise Dichter? Außer Spesen nichts gewesen.

Aber:

Aus dem Wohnungs-Kontingent des Betriebes konnten wir im November für die erst künftigen vier Personen eine Zwei-Raum-Neubauwohnung im Zentrum auf der Berliner Fischerinsel erhalten. Erstbezug. Luxus pur. Danke an alle Beteiligten! 1020 Berlin Fischerinsel 4. Wohnung auf der 5. Etage. Acht Wohnungen sind es auf jeder Etage, 2 x 4, dazwischen die beiden Aufzüge). Das Haus ist gerade erst fertig geworden. Es riecht noch ganz frisch nach den Anstrichstoffen. Die Wohnungen sind mit fensterlosen Einbauküchen, aber lichtdurchlässiger „Durchreiche" zum Wohnzimmer ausgestattet, so dass ich meinen kleinen Küchenschrank nicht mehr brauchen kann.


Irgendwann zog unsere Projektierungs-Abteilung innerhalb von Pankow, von der Görschstraße 45/46 in die Baracken der Ötztaler Straße - Ecke - Mühlenstraße um. Auch hier sitzt es sich sehr schön. Die Baracken sind gleicher Bauart, wie jene damals beim Rates des Kreises Zossen.


Anfangs der 1970-er Jahre gibt es weitere Sozialpolitische Maßnahmen in der DDR als Belege des weiteren Aufschwungs:


1973Mein 27. Lebensjahr

Am 12. Mai heiratet meine Schwester. Beim Polterabend war ich nicht dabei, um meine Ehefrau nicht so lange alleine zu lassen, denn sie durchlebt die letzte Phase ihrer Schwangerschaft – aber unser Bruder hat dort allerhand geholfen und dann mitgefeiert.

Beim Eheschließungszeremoniell im „Kulturhaus Hans Marchwitza“, dem ehemaligen alten Rathaus, am noch älteren Alten Markt in Potsdam, sah ich aber kurz zu.


Am 29. Mai wird im Pankower Entbindungsheim „Maria Heimsuchung“ unser Kind geboren.

Kein für die Gebärenden besonders einladender Name, denke ich als Laie (ich weiß zu wenig).


In Berlin werden „unsere" Fischerinsel und viele andere Flächen in der Stadt neu gestaltet. Die alten Fischerinsel-Häuser reißt man ab. Die kleinen Bagger T 174 und ähnliche Geräte arbeiten lärmend Tag und Nacht am Zerlegen der historischen Gebäude, denn es soll bis zu den Weltfestspielen, die Ende des Monats Juli beginnen, alles noch fertig herausgeputzt werden. Wir schlafen deshalb im Hochsommer bei geschlossenen Fenstern mit Gehörschutzstöpseln.


Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin –

das X. Festival vom 28. Juli bis zum 5. August 1973.

Die Hauptstadt der DDR befindet sich in einer ungewöhnlichen Feststimmung. Einige Tage vor dem Beginn wird noch an vielen Stellen Rollrasen ausgelegt. So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen. Etwa 8 Millionen Teilnehmer bevölkern die Straßen und Plätze, ungefähr 25.000 Delegierte aus anderen Ländern, viele aus Entwicklungsländern, befinden sich unter ihnen. Bühnen mit bunten Programmen, Liedervorträge der Singeclubs, ungewohnt freimütige Diskussionen. Planschen im Alex-Brunnen, Campen und Schlafen auf öffentlichen Grünflächen – ohne Einschreiten der „Staatlichen Organe" – aber deren mildes Lächeln dazu. Alles so ganz anders als sonst. Berlin, der Teil Hauptstadt der DDR", gibt sich für eine Woche weltoffen.

Potenziellen Störfaktoren begegnete man vorsichtshalber im Voraus entgegenkommend, indem mehr als 2.700 DDR-Bürger, die man als „negativ" einschätzte, schon an deren Wohnungstür und bei Bahn- und Straßenkontrollen abfing, sie gar nicht erst nach Berlin reisen ließ und weit über 2.000 DDR-Bürger nahm man, ohne einen konkret gegebenen Anlass, zeitweilig in Vorbeugehaft.

So friedlich sah es in Berlin außerdem aus, weil die allgegenwärtige Staatssicherheit völlig >auf du und du< im Blauhemd der FDJ erschien. Als Jugendfreund oder als Freund der Jugend – je nach Altersgruppe.

Die ausländischen Delegierten werden vermuten, das sei bei uns immer so und nur geschützt hinter einer mit Sprengkörpern versehenen Mauer können Großzügigkeit, Toleranz und die Freiheit aufblühen, so schön wie sonst nirgendwo auf der Welt.

Zu den neuen, schnell bekannten Liedern gehört Fröhliches vom Oktoberclub:


Ja, ja, wir treffen uns auf jeden Fall Sommer '73 zum X. Festival"

und auch

die Gänsehaut- Melodie der Hymne von Reinhold Andert:



Wir sind überall, II: auf der Erde:II

leuchtet ein Stern, leuchtet mein Stern.


Leuchte mein Stern auf jedem Hut,

in jedem Herz, in jedem Haus,

Leucht' roter Stern – gib mir Mut,

leuchte mein Stern, weit hinaus.


Wir haben gedacht, II:auf der Erde:II

uns zu vertraun, nur uns zu traun.

Wir haben gedacht II: uns die Erde:II

wohnlich zu baun, besser zu baun.


Wir bleiben dabei II:auf der Erde:II

muss Frieden sein, muss Frieden sein.



Die Melodie einfach erlernbar und eingehend.

Der Text – man kann einfach mitsingen oder auch über manches nachdenken:


Textinhalt (sinngemäß)

Gedanken

Junge Menschen sind überall auf der Erde.

Ja, das ist eingängig. Ich sehe es auch so.

Leuchte mein roter Sowjet-Stern (?)

Nun, möglich – ein Adventsstern war nicht direkt angesprochen.

Leucht' roter Stern – gib mir Mut

damit bei uns alles so wird wie in der Sowjetunion? Das bedeutet wieder >Von Freunden lernen<. Unsere Nationalhymne rät zusätzlich dazu: Und der eignen Kraft vertrauend, steigt ein frei Geschlecht empor."

Mein roter Sowjetstern – erleuchte jede Kopfbedeckung (Hut, Mütze, Tschapka)

und doch vor allem das, was darunter steckt?

Durchleuchte rot die Häuser, lass' die Herzen rot erglühen.

Ja.

Wir haben gedacht, nur uns zu vertrauen.

Aber wem von den Unsrigen? Nur uns allen und keinem anderen? Das könnte schief laufen.

Besser als in der Vergangenheit und besser als in den nicht-sozialistischen Ländern wollen wir die Erde bebauen.

Moralisch und wirtschaftlich ganz ausgezeichnet.

Hohe Ansprüche soll man an sich stellen und auch verwirklichen. Das Bisherige ist uns bekannt. Wir sind auf dem Weg und wollen sehen, wohin der Vorschlag in der Praxis führt.

Auf der Erde muss Frieden sein.

Wir sind dafür! Es ist ein frommer Wunsch, der von den Machthabern immer wieder gebrochen wird. Zu diesem Wunsch kann man nur >Ja< sagen und möglichst etwas beitragen, dass er wahr wird, damit er dann wahr bleibt.

Das Leben des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht endete am 1. August 1973. Das weiß aber bisher kaum jemand. Die Verlautbarung darüber wird bis nach dem Ende der Weltfestspiele aufgeschoben. Man munkelt, dass des Ulbrichts letzte Worte auf dem Totenbette etwa gewesen sein sollen: >Wegen meines Ablebens sollen die Weltfestspiele in Berlin nicht abgebrochen werden<. Offenbar hat das auch niemand beabsichtigt. Somit bestand äußerlich wie immer ein harmonischer Einklang in der Regierung.

Nach dem Ende der Weltfestspiele wird die sterbliche Hülle des vormaligen Vorsitzenden, eingesargt, auf der Armee-Lafette hinter dem Lkw W 50 auf einigen großen Berliner Straßen zum Zwecke des Abschied-Nehmens durch die Reihen der Spalier-Stehenden eilen. Auch ich war abgeordnet und hatte meine Finger am Puls der Zeit. Das „würdig rasante Tempo" durch die Karl-Marx-Allee hatte dann bereits der „Ziehsohn" und Nachfolger, Erich Honecker mit seinen Mannen vorgegeben. Ja, schnelllebig ist die Geschichte. – Auch für diesen Erben und Nachfolger, den angelernten Dachdeckerhelfer, den zentralen FDJ-Sekretär und Freund der Jugend sowie späteren Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Staatsratsvorsitzenden und Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik, pp., wird seine Zeit ebenfalls nicht gar zu prächtig enden.

Aber bitte, daran war ja nicht mehr der Genosse Ulbricht schuld!


Ich merke deutlich, dass meine Mitgliedschaft in der Liberaldemokratischen Partei mein Leben nicht bereichert, sondern mich moralisch belastet und höchst überflüssig ist. Dieser Eindruck liegt an mir, denn niemand will mir etwas Böses. Irgendwann bitte ich im LDPD-Kreisvorstand um einen Gesprächstermin und äußere den Wunsch meines Austritts, der auch schon schriftlich formuliert ist, weil diese Arbeit keinen wirklichen Wert für meine freiheitlich demokratische Gesinnung enthält.

Es wird versucht gesellschaftspolitisch zu agitieren, was aber leider an den von mir aufgezeigten Problemen vorbeigeht und eher in gewohnte Phrasen mündet. Resignierend gibt man auf – mit dem Schluss-Satz: „Der Parteifreund Janecke ist uneinsichtig. Er beugt sich nicht unserer politischen Argumentation, sondern er diskutiert nur, um zu diskutieren. Na ja, auch gut.

Ein Schluss mit dem Ergebnis, dass ich mich wieder freier fühle, als in der liberalen, der „freien“ Partei. Sie ist nicht frei. Ich ja, relativ.

Wäre ich aber ein Mitglied der SED gewesen, hätte ich gar nicht austreten können, dass hätte sich die Parteiführung nicht gefallen lassen. Jene hätte mich bei einem solchen Anliegen/Antrag hinausgeworfen, sie hätten mich ihrerseits ausgeschlossen.

Von dieser Zeit an gelte ich, wie damals, als ich zur Konfirmation ging, obwohl ich eine stets aktive und positiv-freundliche Kraft darstelle, als Träger eigener Gedanken und somit als „politisch unzuverlässig". Ich weiß nicht, ob sich eine Notiz darüber in meiner Kaderakte befindet, die von Betrieb zu Betrieb, „von der Wiege bis zur Bahre“ mit mir wie mit jedem von uns, durch die Betriebe wandert oder ob die Blockparteien ihre Austritte auch an die SED zu melden hatten – ich weiß es wirklich nicht. Es hatte mich auch nicht mehr interessiert. Ich werde nur in den nächsten Jahrzehnten merken – ich bin nie mehr hinsichtlich eines neuerlichen Parteieintritts angesprochen worden. Man ließ mich in Ruhe. Und das ist gut so.


Parallel zu der eigentlich gegenwärtigen Arbeitsaufgabe an der Gestaltung der „Personenschleuse“ im Kraftwerk, erarbeite ich ein Musterprojekt für den Platzbedarf und die Ausstattung von Personenschleusen mit Wasch- und Umkleideanlagen, Einrichtungen zur Dekontamination und der Station für medizinische Hilfe.

Es ist ein Baukasten-Werk mit vielen Listen, Tabellen, Diagrammen, Zeichnungen und mit ausführlichen flexiblen Erläuterungsberichten. Mit deren Hilfe soll es weniger aufwendig möglich sein, ähnliche künftige Anlagen, unterschiedlicher Größe, ohne erneute Grundlagenarbeit, sehr einfach zusammen zu stellen. Dieses Vorhaben war vor den erfahrenen Spezialisten unserer Abteilung zu verteidigen und das lief ganz ordentlich.

Damit grabe ich mir in vollem Wissen aber auch den Bestand meines schönen Arbeitsplatzes selber ab, ich rationalisiere sein Erfordernis selber hinweg. Einmal noch werde ich mein jetzt vorgestelltes Ergebnis dem Praxistest unterziehen, indem ich dieses Muster demnächst bei der Projektierung für das vorzusehende Endlager für Abfälle anwende. Das wird dann mein dicker Ordner der Ingenieur-Abschlussarbeit sein.

Anschließend, für die Vorbereitung der Kraftwerksblöcke Nord III bis VI braucht dann, etwas vereinfacht gesagt, ein kundiger Bearbeiter meine Arbeit „nach dem Baukastensystem" nur noch aus der Schublade ziehen.

Und in der Zukunft werden wir wissen: Knapp drei Jahrzehnte später erfolgt die Stilllegung, wird der Rückbau der Anlagen beginnen, die wir gerade errichten. Jene aber, die vorerst auf dem Papier bestehen oder gar erst in den Gedanken vorhanden sind, werden nicht mehr gebaut. Nichts dieser Art ist von Dauer. Fürs Leben waren diese Denkprozesse trotzdem nicht vergebens.


Mein 28. Lebensjahr – 1974

So, im Frühjahr finden nun die Prüfungen im Fernstudium statt. Die Abschlussarbeit ist fertig – ein prall gefüllter 8 cm Ordner. „Fünf Jahre verstrichen" – sagte nicht nur der Maler. Fünf Jahre Abendarbeit älter – wo ist die Zeit geblieben? Hinter uns. Es kursiert das Sprüchlein: „Gestern wusste ich noch nicht wie das Wort >Ingenieur< geschrieben wird und heute bin ich selbst einer".


In diesem Jahr gehört auch das theoretische und handwerkliche Gestalten einer „Transportablen Skafanderschleuse", mit zwei Modellbauern des Betriebes, zu den Aufgaben. Es wird ein kleines „Schmuckstück", das von den zuständigen staatlichen Stellen abgenommen wird und in diesem Jahr die Ausstellungen der „Messe der Meister von Morgen" durchläuft. Die Skafanderschleuse hat den Zweck, im radioaktiven Kraftwerksteil vor einem Raum aufgestellt zu werden, in dem z. B. ein Schlosser (im Skafander = Vollschutz-Druckluftanzug steckend) seine Arbeit verrichtet hatte. In der transportablen Schleuse kann er sich im/mit Skafander duschen, diesen ablegen, kann mit dem Zählrohr auf eventuelle radioaktive Kontaminationen überprüft werden und sich frisch einkleiden.

Damit wird vermieden, dass die Flure des Kraftwerks auf dem Weg bis zu einer stationären Wasch- und Umkleideanlage verschmutzt werden und aufwendige Reinigungsarbeiten erfolgen müssen.

Man kann sich das auch etwa so vorstellen, wie man es viel, viel später für das Einrichten von Krankenstationen für gefährlichste Infektionskrankheiten (EBOLA) usw. anstrebte/einrichtete.


Neben den Polit-Schulungen im Betrieb haben wir auch die Pflicht-Teilnahme am abendlichen Weiterbildungslehrgang „Reaktorphysik". Die Thematik mag für einen gestandenen Physiker, der sich ganztags mit dieser Problematik befasst, ein Mittelleichtes sein. Ich aber will freimütig gestehen, dass ich nach dem Arbeitstag sehr daran zu knabbern hatte, diesem Stoff leidlich folgen zu können. Dort wurden keine netten Geschichten erzählt, sondern die Wandtafel am laufenden Band mit für mich sehr komplizierten mathematischen Formeln und Berechnungen gefüllt, gelöscht, wieder gefüllt.

Und bei dieser mathematischen Schnell-Überforderung gingen meine Gedanken noch dorthin spazieren: Funktionieren diese Prozesse immer alle einwandfrei und sind sie auch in der Praxis so elegant-zuverlässig beherrschbar, wie in der mathematisch gekonnten Darlegung an der Tafel? Lassen sich eventuelle Abweichungen und Störfälle im Kraftwerk tatsächlich so unproblematisch handhaben ... und wenn ein mit Fehlern behafteter Mensch mal versehentlich nicht das Richtige tut?

Und was wird mit den Abfällen, Rückständen ... ich dachte an die Wismut-Abraum-Halden des Uran-Erzes bei Ronneburg. Dagegen sind unsere Kraftwerksabfälle zwar bisher eine relativ geringe Menge und hoffentlich werden sie sicher genug eingelagert, denn auch diese strahlen ja zum Teil gefährlich viele tausende Jahre. Das betrachten und bestätigen gleichfalls wissende Geologen und verantwortungsbewusste Physiker.

Unsere Kohle ist leider auch nicht umweltfreundlich. Die Skandinavier und verschiedene andere Gebirgsanlieger haben den Vorteil die Wasserkraft nutzen zu können. Irgendwo las ich mal eine Notiz über „frei verfügbare Energie", fast kostenlos – für alle. Auf dem Gebiet soll Nikola Tesla bereits im vorigen Jahrhundert geforscht haben, hatte aber wohl seine umsetzbaren Erkenntnisse mit ins Grab genommen, weil seine Zeit abgelaufen war. Ich denke, wenn die allgemeine Entwicklung soweit ist, wenn „die Zeit reif" dazu ist, werden auch andere gelehrte Köpfe die Thematik aufgreifen und erfolgreich weiter daran arbeiten können, falls die Verwirklichung der alten Gedanken im Einklang mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten steht.


So, für heute ist die Unterrichtsstunde zu Ende.


Mein 29. Lebensjahr – 1975

Nach meinem wiederverwendbaren Musterprojekt, wird für weitere Anlagen ähnlicher Art keine volle Personal-Stelle mehr benötigt weil vieles schneller und einfacher bearbeitet werden kann, so dass ich zusätzlich andere Arbeiten übertragen bekomme.


Inzwischen bedürfen auch die Eltern etwas mehr Unterstützung; mein Vater ist jetzt 74 Jahre alt.

So entschieden wir uns von Berlin nach Potsdam zu ziehen.


In den Schulferien bin ich letztmalig vom Kraftwerksanlagenbau im Kinderferienlager als Betreuer einer Gruppe. Wir sind in Rostock, in der unmöbelierten Schule in der Goethestraße.

Mit den Kindern besuchen wir unter anderem den Zoo, unternehmen eine Hafenrundfahrt beginnend an der Schiffsanlegestelle Kabutzenhof, dann die Stadtbummel. Ein Besuch in Warnemünde mit dem „breitesten goldenen Strand" fehlt nicht, auf einer Schnitzeljagd durch die Rostocker Heide befinden wir uns ebenfalls. Der Besuch des Botanischen Gartens steht auf dem Programm. Zwischendurch natürlich die Kleinaktivitäten im Objekt des Ferienlagers mit Schreiben, Spielen und so weiter.


Eine große Potsdamer Wohnung bekommen wir im Dreier-Ringtausch sofort in der Hans-Thoma-Straße. Für unseren wunderschönen langen Balkon fertige ich massive Blumenkästen aus gut erhaltenen alten Fußboden-Dielen, die ich vor dem Füttern eines fremden Ofen retten konnte. Die ersten Bewohner der Kästen heißen: Petersilie, Tagetes und Kapuzinerkresse.

Die Parkanlage „Der Neue Garten" ist von nun an unser nahest gelegenes Erholungsgebiet.


Nur mit der richtigen Arbeitsstelle klappte es nicht gleich. So bin ich nach dem Wohnungseinzug und aufgrund eines Hilferuf-Aushangs an einer Kindergartentür, vorerst Hausmeister im Kindergarten in der Gutenbergstraße (also beim Rat der Stadt, Abt. Volksbildung). Mein dortiges Tun bereitet mir, den Kindern und dem übrigen Personal viel Freude. Eine sehr dankbare Arbeit! Nur soll diese ja nicht lange währen. Ich nutze die Zeit dort um auf dem Potsdamer Arbeitsmarkt erfolgreich fündig zu werden. Mein Einstandswerk zum bevorstehenden Kindergarten-Fest ist es, einen gebrauchten, noch schönen Kinderwagen als mobilen Eis-Verkaufsstand herzurichten und das Grünland, zum Teil wegen Brennessel-Bewuchses gesperrt, schnell wieder nutzbar herzurichten. Mir wurde auch später bei Spaziergängen noch oft grüßend „Onkel Hausmeister“ zugerufen.


Bald erhalte ich eine Stelle im VEB Stadtbau, in der Bauhofstraße 2–8, dort allerdings nicht erneut in der Projektierung, sondern in der Planung von „Wissenschaft und Technik für den Bereich Baureparaturen", also Effektivitätserhöhung durch Einführung neuer Technik. Dazu gehören neue Kleinmechanismen, neuartige Werkzeuge, darunter auch eigene kleinere Entwicklungen, verbesserte Arbeitsverfahren, die Beurteilung von Neuerer-Vorschlägen aus dem eigenen Betrieb und auch die Bewertung von Ergebnissen anderer Betriebe im Sinne des Prüfens auf Nachnutzbarkeit für uns. Fertigung von Bedienanleitungen. Betreuer von MMM Vorhaben, der „Messe der Meister von Morgen". Mit-Ausgestalter und Standbetreuer auf Bauausstellungen, als Vertreter des Betriebes oder der übergeordneten „Erzeugnisgruppe Baureparaturen" und so weiter. Auch das ist für mich ein umfangreiches, gutes und interessantes Arbeitsgebiet.


Im Winterhalbjahr: Der freundliche Hausmeister des Stadtbau-Betriebes bringt sehr zeitig morgens mit der Schubkarre die Kohlen-Briketts in die einzelnen Etagen, schüttet sie in große Kästen die im Flur stehen. Dort können wir uns zum Beheizen der Arbeitsräume (Kachelöfen) selbst bedienen. Weil es morgens zu lange dauert, bis die Kachelöfen die Räume erwärmen, heizen wir am Nachmittag. Dann ist es auch im strengen Winter schon morgens ausreichend warm.

Zu Mittag wird im Gewölbekeller des Gebäudes gespeist. Die Mahlzeiten kosten zwischen

0,70 Mark und 1,10 Mark.

In dem Nachbargebäude unseres Betriebes, Bauhofstraße - Ecke - Hoffbauerstraße, ist unsere Patenschule 3 (in der historischen Gewehrfabrik) ansässig, mit der uns verschiedene gemeinsame Veranstaltungen verbinden.



Einige Hinweise zu unserer Patenschule 3 und dem Betriebsgebäude des VEB Stadtbau


Die heutige Schule in der Hoffbauerstraße ...

wurde ursprünglich als die älteste und größte Königliche Gewehrmanufaktur in Preußen gebaut. Zwischen 1722 und 1850/52 fertigte man dort Gewehre aber auch Hieb- und Stichwaffen für das Heer, bis diese Produktion nach Spandau verlegt wurde. Die kaufmännische Leitung des Königlichen Unternehmens oblag im 18. Jahrhundert den Berliner Bankiers David Splittgerber und Gottfried Adolf Daum.

In der Manufaktur verdienten auch zahlreiche Handwerker ihr Brot, die vorher, in ihrer Kindheit, Zöglinge des Militär-Waisenhauses waren.

In der Zeit nach 1852 baute man das inzwischen leerstehende Fabrik-Gebäude um, so dass es ab 1866 als Kaserne für das „1. Garderegiment zu Fuß" genutzt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Gebäude repariert und als Schulgebäude eingerichtet. Die Straße „An der Gewehrfabrik" erhält den Namen „Hoffbauerstraße".


Das heutige Betriebsgebäude des VEB Stadtbau.

Wegen der räumlichen Beengtheit in der vorgenannten Kaserne kam in der Bauzeit von 1876 bis 1878 ein großes Erweiterungsgebäude am Lustgarten und später 1884 bis 1885 ein weiteres Bauwerk in der Priesterstraße hinzu. In diesem Gebäudekomplex war ab 1921 das Infanterie-Regiment Nr. 9 untergebracht. Es ist die „Semper-Talis-Kaserne". (Die Benennung bedeutet: „Immer der Gleiche" ... bezogen auf den Soldaten, das Soldatentum, egal in welchen wechselnden politischen Machtverhältnissen). Eine recht schwierige Aussage, meine ich. In diesem Regiment dienten auch viele zumeist adelige Offiziere. Mindestens 13 von ihnen gehörten dem Widerstand gegen Hitler an: „die Männer des 20. Juli 1944". Dieses Datum – einer der vielen Attentatsversuche auf Hitler. Zu jenen Offizieren gehörte auch Henning von Tresckow.

Nach 1945 wurden die stärker beschädigten Gebäude repariert und der „Bauhof" zog hier ein, ab 1952 als „VEB Stadtbau" bezeichnet.

Die Priesterstraße (hier amtierte der Pfarrer der Hof- und Garnisonkirche im Haus zwischen den Kasernengebäuden), wurde nach dem Krieg in Bauhofstraße umbenannt. Nach 1990 wird sowohl der Baubetrieb aufgelöst sein und die Straße den Namen „Henning-von-Tresckow-Straße" tragen.




Was sonst noch geschah: Von der Wissenschaft und dem Militär zum Alltag:

Vor den Miethäusern stehen an den Straßen Holzkübel, in denen Küchenabfälle für die Schweinefütterung gesammelt werden. Leider werden diese, besonders wichtig im Sommerhalbjahr, nicht oft genug abgeholt, so dass sich darin eine bakterienstinkende Jauche ansammelt, die keinen tierischen Appetit anregt. Auch gibt es Leute, die dorthinein andere unverdauliche Abfälle oder gar gefährdende Fremdkörper hineinwerfen.


Aus deutschem Liedgut im Schlagersektor gibt es unter anderem: „Deine Spuren im Sand“, Udo Jürgens mit „Griechischer Wein“ und der eher traurige Beitrag „Rocky“.


Die Klaus-Renft-Combo (1958 bis zum 22. September 1975) wird von den „DDR-Organen" wegen ihres systemkritischen Liedgutes verboten. Die Mitglieder der Gruppe hätten die Gefühle und die Ehre der Arbeiterklasse verletzt. Einigen Musikern wird wohl die Ausreise in die BRD nahegelegt.


Das Jahr 1975 neigt sich hier seinem Ende zu.



Liebe Leserinnen und Leser,


mein Bericht über das Leben dieses Menschen ist derzeitig eine Baustelle.

Diese gelesene Teilstrecke endet hier am Ende des Jahres 1975.

Es ist beabsichtigt, diesen Lebenslauf weiter aufzuschreiben.

Späteres Weiterlesen wird also möglich sein, sobald die Fortsetzung erfolgte –

ich gebe dann Bescheid.


Freundlich grüßt

Chris Janecke, Potsdam, am 01. April 2017