Zuckerherstellung, Siederei-Arbeiter
Einige Hinweise zur Zuckerproduktion in Potsdam – einer Tätigkeit mit der auch August Weltzer beschäftigt war:
Ludwig Jacobs (1794 geboren in dem kleinen Dorf Roddahn bei Neustadt (Dosse) ist ein Unternehmer. Er zog 1826, 32-jährig, nach Potsdam. Er hat eine Familie mit später letztendlich elf Kindern. In der Bertinistraße 9 am Jungfernsee hat sich Jacobs auf einem Wohngrundstück etabliert und sich darauf von Ludwig Persius, einem Schüler von Karl Friedrich Schinkel, in den Jahren 1835/36 eine Turmvilla im florentinischen Stil erbauen lassen.
Ebenfalls im Jahre 1826 begann er mit dem Aufbau einer Zuckerfabrik am Ziegenmarkt, dem späteren Blücherplatz 1–5. Das war etwa dort (auf der Grasfläche hinter dem heutigen Neubau
-Block Burgstraße 3) nur wenige Schritte hinter dem Alten Rathaus, zwischen dem Havelarm Alte Fahrt
und der Burgstraße gelegen. Diese Fabrik nahm 1828 den Betrieb auf und wuchs schnell zu beachtlichen Beschäftigungszahlen heran. Im Jahre 1833 stellte man hier die erste Dampfmaschine in der der Stadt Potsdam auf. Modernste Technik – bereits etwa ein Jahrzehnt bevor die große Borsigsche Dampfmaschine in der Moschee
(an der Neustädter Havelbucht) die Fontänen und Springbrunnen des königlichen Schlossparks Sanssouci erstmals mit Wasser versorgte!
Schon 1827 galt Ludwig Jacobs als Neubürger in Potsdam als ein sozial denkender Arbeitgeber, als ein angesehener Bürger. Bald wurde er Abgeordneter, später Stadtrat und Stadtältester. Er beteiligte sich – nicht völlig uneigennützig – mit Initiativen an den Vorbereitungen des Eisenbahnbaus (erste Züge rollten hier 1838), stiftete für die Potsdamer Armenschule und für den Bau des Krankenhauses Bethanien am Mariannenplatz in Berlin, setzte sich beim Kampf gegen die Cholera 1831/33 ein. Ein finanziell gestütztes soziales Engagement, was er sich leisten konnte – galt er doch bald als der wohlhabendste Bürger der Stadt Potsdam. Auch für die Begnadigung des 23-jährigen Revolutionärs und Offiziers, des Rechts-Referendars Max Dortu (1826 bis 1849), der zum Tode verurteilt war, setzte er sich (leider vergeblich) ein. Max Dortu hatte einen seiner Söhne vor dem Tod des Ertrinkens retten können.
Die Belegschaftsstärke der Zuckerfabrik wuchs schnell. Wegen der körperlichen Schwere der Arbeit stellte Jacobs kaum sehr junge Männer und nur wenige Frauen ein. Die normale, damals durchaus übliche Arbeitszeit betrug 12 Stunden am Tag. In zwei Schichten gegliedert, lief die Produktion bei Hochbetrieb also rund um die Uhr
. Jacobs führte selbständig eine Art früher Betriebskrankenkasse in seinem Betrieb ein. Wegen des ständigen Schornsteinqualms der Torfheizung für die Dampfmaschinen, war seine Fabrikanlage allerdings im Wohngebiet nicht recht geschätzt, eher berüchtigt.
Die äußere Hülle seiner Fabrikanlage wurde auf Anordnung und nach dem Ermessen des Königs Friedrich Wilhelm IV., vom Baumeister Ludwig Persius in die Erscheinung einer mittelalterlichen Burganlage gewandelt, mit einem rund 38 m hohen Turm als Schornstein für die Dampfmaschine versehen und somit das Aussehen der Stadt weiter verschönert
.
Die Zuckerfabrik oder auch Zuckersiederei war nach den (später auf dem alten Rittergut zwischen Nuthe und der Alten Königsstraße gegründeten) Eisenbahnwerkstätten der zweitgrößte Arbeitgeber in der Stadt Potsdam. 1858 beschäftigte Jacobs 223 Männer und 2 Frauen.
1861 wurde Jacobs vom Regenten Wilhelm (dem späteren Kaiser Wilhelm I.) für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben und wurde vom Volksmund fortan der Zuckerbaron
genannt.
Das Leben von Ludwig Jacobs endete 1879. Seine Grabstelle befindet sich auf dem Alten Friedhof
an der Heinrich-Mann-Alle (der damaligen Saarmunder Straße). Einer seiner Söhne führte das Unternehmen mit sinkendem Erfolg weiter. Später wurden Grundstücksteile verkauft. Die Gebäude wurden am Ende des Zweiten Weltkrieges, im April 1945, durch Bomben und Artillerie zerstört.
Die Zuckerherstellung in wenigen Stichworten:
- Gründliches Waschen der Rüben. Zuckerrüben, ursprünglich von Franz Carl Achard (1753 bis 1821, hugenottischer Abstammung) aus Runkelrüben gezüchtet. Jener baute auf Gut Kunern an der Oder (Schlesien) im Jahre 1802 die erste Zuckerrübenfabrik der Welt.
- Zerkleinern der Rüben zu Kleinteilen (Zuckerrübenschnitzel)
- Auslaugen (Extraktion) des Rohsaftes (und damit der Saccharose) aus den Rübenschnitzeln
- Zusetzen von Kalkmilch
- Eindicken des gereinigten (filtrierten) Dünnsaftes durch Verdampfen
- Aufheizen des Dicksaftes im Kristallisator. Hierbei entsteht das
Magma
. - Raffinieren: Trennung der Kristalle von der Mutterlauge in Zentrifugen
- Trocknen des Kristallzuckers
- Eindrücken der Masse in die Formen der Zuckerhüte
- Entnahme der harten, haltbaren Zuckerkegel = Versandzustand.
Die Nebenprodukte: Kalk zur Ackerbodenneutralisierung, Rübenschnitzel zur Rinderfütterung, Melasse zur Weiterverwendung in anderen Zweigen der Lebensmittel-Produktion.