Steglitz bei Berlin (ab 1920: Berlin-Steglitz)
Gemälde von Otto Thomasczek
Erläuterungen zu den Bildern und aktuelle Fotos von Chris Janecke
Otto Thomasczek plaudert:
Wo finden wir Steglitz? Der Ort Steglitz liegt auf dem Wege zwischen der Preußischen Sommer-Residenz Potsdam und dem Winter-Regierungssitz Berlin.
Der Ort schaut auf eine lange Geschichte zurück. Bereits im Jahre 1197 wird der Namensgeber erwähnt: Henricus de Stegelitz und 1375, im Landbuch des Kaisers Karl, ist Stegelitz bereits als Ort erfasst. Als Besitzer werden zu jener Zeit „die Herren zu Torgow“ (Zossen) genannt. Durch die Gemarkung von Steglitz fließt das kleine Flüsschen Bäke. Seine Quelle liegt im Gebiet des Steglitzer Fichtenberges. Die erste Preußische Kunststraße (statt des bisherigen Sandweges) führt von Potsdam - auch durch Steglitz - nach Berlin.
1860 stehen im Dorf vier Öffentliche Gebäude, 26 Wohnhäuser und 56 Wirtschaftsbauten. Eine Seidenhaspelanstalt ist hier angesiedelt, die Wattefabrik und Getreidemühlen.
Seit 1869 fährt die „Anhalter Bahn“ unmittelbar am Ort vorbei.
Die Kirche wurde in den Jahren von 1876 bis 1880 errichtet.
Jetzt, um 1897, gibt es bereits 860 Häuser und rund 21.400 Einwohner. Steglitz ist heute ein Dorf nicht mehr, sondern ein respektabler, ein städtischer Vorort von Berlin.
Im Süden grenzen an die Steglitzer Gemarkung die Orte Lankwitz und Lichterfelde, im Südwesten Zehlendorf. Dahlem schließt sich im Westen an. Nordwestlich zeigt der Pfeil unserer Windrose nach Wilmersdorf. Nach Friedenau geht man in den Norden. Nordöstlich von Steglitz liegt Schöneberg und gen Osten gehend, kommen wir nach Tempelhof.
Das Rathaus Steglitz
Für die Baustelle erwarb man 1896 das Grundstück an der Ecke Schloss-Straße/Grunewald-Straße. Das feierliche Setzen des so genannten Grundsteins erfolgte am 13. September 1896.
Der prächtige Bau wurde in den Jahren 1896 - 1898 im neugotischen Stil errichtet. Für die Umfassungsmauern wählte man den roten Backstein. Die Nutzung kann bereits eineinhalb Jahre nach Baubeginn, mit der feierlichen Einweihung am 22. März 1898 beginnen.
Wichtig: Im Untergeschoss des Rathauses befindet sich der Ratskeller. In dieser Gaststätte wird Karl Fischer im Jahre 1901 die „Wandervogel“-Bewegung ins Leben rufen, der sich vor allem die bürgerliche Jugend anschließen wird.
Die „geistigen Väter“ des Rathauses sind die Architekten Heinrich Reinhardt (* 19. September 1868 in Offenbach am Main, + 19. Juli 1947 in Berlin) und Georg Süßerguth (* 29. Januar 1862 in Göttingen, + 30. März 1947 in Berlin). Beide lernten sich beim Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg (bei Berlin) kennen und gründeten im Jahre 1894 ein gemeinsames Architekturbüro, was sehr erfolgreich arbeitet und viele Aufträge für Repräsentationsbauten erhält.
Zu den Großbauten dieses Architekturbüros gehörten bereits:
- 1894 – 1896
- Die Paulskirche in Magdeburg
- 1895 – 1900
- Das Rathaus in Elberfeld bei Wuppertal
- 1896 – 1898
- Das Rathaus für Steglitz bei Berlin
Zu den künftigen Aufträgen von Reinhardt und Süßerguth werden gehören:
- 1898 – 1900
- Das Rathaus in Köthen (Anhalt)
- 1898 – 1901
- Das Rathaus in Dessau (Anhalt)
- 1899 – 1905
- Das Rathaus für Charlottenburg bei Berlin
- 1900 – 1906
- Der Hauptbahnhof der Stadt Hamburg
- 1909
- Torbauten und Trauerhalle für den Hauptfriedhof in Frankfurt (Main)
- 1909 – 1911
- Das Rathaus Treptow bei Berlin
- 1910 – 1913
- Das Rathaus Spandau bei Berlin
- 1911 – 1914
- Das Marineamt im Berliner Tiergarten.
Der Wasserturm
In der Nähe des Rathaus-Standortes, auf dem Weg zu dem entstehenden Botanischen Garten, erhebt sich ein Hügelchen, stolz Fichtenberg geheißen. Etwa 68 Meter beträgt wohl dessen Höhe. Der geneigte Betrachter sieht jedoch keinesfalls diese Meterzahl, denn die Wissenschaft berechnet sie vom Meeresspiegel aus. Hier darf nur weniger denn die Hälfte als sichtbar erwartet werden. Einen „Trost“ gibt es für die Augen: Auf diesem Fichtenberge steht seit 1886 ein gewaltiger, 40 Meter hoher Wasserturm, vom Architekten und Landesbaurat Otto Techow
(* Brandenburg 1848, + Berlin 1919) entworfen, der ja in der Nähe, in seiner „Villa Anna“ lebt.
Hier im Bild auch die berühmte Seufzer-Bank. Darauf nahmen schon mal nicht völlig vom Glück beseelte Verliebte Platz und in missverständlicher Weise selbst Halodris, die einen über den Durst getrunken hatten.
Otto Techow studierte an der Berliner Bauakademie. Im Jahre 1884 baute er sein eigenes Heim „Villa Anna“ (benannt nach seiner Ehefrau Anna v. Maltitz). 1886 erarbeitet Techow den Entwurf für das Steglitzer Gymnasium und den Wasserturm auf dem Fichtenberg. Die Wichgrafsche Webschule in Nowawes entsteht auch in seinem Geist und zeichnerisch von seinen Händen. Damit wäre die Aufzählung eigentlich aber noch längst nicht beendet. Ab etwa 1900 ist er beim Oberpräsidium der Provinz Brandenburg als Baurat tätig. Techow ist Mitglied der Steglitzer Freimaurerloge „Bruderbund am Fichtenberg“. Auch ist er Mitarbeiter der Baukommission des Teltow-Kanals unter dem Landrat Ernst v. Stubenrauch.
Einige Worte als Nachtrag:
Mit dem Errichten des Botanischen Gartens wurde 1897 begonnen. Zu drei Vierteln liegt der Garten auf dem Groß Lichterfelder Gebiet, ein Viertel nutzt Landfläche der Gemarkung Dahlems. Die Gartengestaltung obliegt Herrn Engler; die Bauten entwirft der Architekt Koerner. Ab 1903 wird diese Anlage der Wissenschaft und auch dem staunenden Publicum zur Verfügung stehen. Erst 1910 wird dieses Gartenreich als vorläufig fertig gelten.