Potsdam, Nedlitzer Straße und Pfingstberg
Gemälde von Otto Thomasczek
Erläuterungen zu den Bildern und aktuelle Fotos von Chris Janecke
Die Garde-Feld-Artillerie-Kasernen im Jahre 1899
Allgemein bekannt ist es, dass Neuendorf früher das Gebiet war, in dem Landwirtschaft betrieben wurde, Nowawes hingegen der Ort der Arbeiter (vorzugsweise der Spinner und Weber) war, aber Potsdam seit langer Zeit die Kurfürstliche, seit fast 200 Jahren Königliche und nunmehr seit knapp drei Jahrzehnten auch Kaiserliche Residenz, somit eine Stadt der Beamten und des Militärs ist.
Heute wollen wir die Potsdamer Kasernen der 2. und 4. Garde-Feld-Artillerie besuchen.
Nun ja, dabei handelt es sich nicht um ein ausgesprochen interessantes Damenprogramm aber auf dem Wege dorthin, gibt es für die Augen zur Abwechselung durchaus manch' Erfreuliches. zu erblicken.
Diese Kasernen, derer es, wie Gott und Kaiser wissen, sehr viele in Potsdam gibt, liegen für die genannten Einheiten im Potsdamer Norden, eigentlich schon draußen vor dem Ort, wenn wir ihn in seinen alten Stadtgrenzen sehen wollen.
Treffen wir uns am besten in der Spandauer Straße, am Nauener Stadttor. Unseren nächsten Halt legen wir an der (wie es nur scheint) aus „hölzernen Blockhäusern“ bestehenden Kolonie ein, die 1825/26 einem russischen Militärdorf nachempfunden wurde. Die Siedlung erinnert an die Waffenbrüderschaft zwischen Preußen und Russen in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 sowie an die Freundschaft des Preußischen Königshauses (Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise) mit dem Zaren Alexander I. von Russland. Diese Russische Kolonie in Potsdam, trägt in ehrender Erinnerung den Namen des Zaren, der damals (1825) zu früh verstorben war: „Alexandrowka“. Weiter führt uns der Weg vorbei am Kapellenberg, auf dem ein russisch-orthodoxes Kirchlein für die vorgenannte Siedlung steht. Am Fuße des nächsten, etwas höheren Hügels liegt der gute Ort ewiger Ruhe für die Glieder von Potsdams jüdischer Gemeinde. Wir ersteigen diesen Hügel, den „Pfingstberg“ sowie dann das ab 1845 auf des Berges Plateau erbaute aber unfertig gebliebene Belvedere. Auf einer Wendeltreppe gelangen wir zur Aussichtsplattform und genießen den Rundblick über Potsdams wald- und wasserreiche Umgebung.
Unsere Blicke nach Norden gerichtet, erkennen wir die ersten Bauten der Kasernenanlagen.
Auf meinem Bild findet sich die Straße, also „unsere Straße“ der momentanen Betrachtung, am linken Bildrand im Mittelgrund, die „schräg nach oben rechts“ zu den Kasernen verläuft. Es ist die Nedlitzer Straße, die uns, wie der Name schon andeuten möchte, so etwa nach Nedlitz führt, hingegen aber auf direktem Wege nach Neu Fahrland.
Wen es aber nicht zu Kasernen und Exerzierplätzen zieht, kann sich nach dem Abstieg vom Belvedere gern der Parkanlage „Neuer Garten“ und dem „Heiligen See“ zuwenden.
Die Kasernen stehen, in unserer Laufrichtung gesehen, auf der rechten Straßenseite. Sie sind vor einiger Zeit (1892 bis 1895) aus rotbraunen Hartbrandziegeln errichtet worden und werden deshalb auch „die Roten Kasernen“ genannt. Vier große Gebäudekomplexe stehen traufseitig zur Straße, dazwischen aber auch drei Gebäude (Stabs- und Wirtschaftsbauwerke), giebelseitig der Straße zugewandt. Rechts der Mannschaftskasernen, also „im Hofgelände“, das Kammergebäude oder Zeughaus, die Bäckerei, die Remisen für Wagen und Geschütze, Lager, Werkstätten, die Reithalle sowie die Pferdeställe und der Wasserturm.
Gegenüber, auf der linken Seite der Straße, das Gebäude mit dem vornehmen Offizierskasino.
Links der Straße schließt sich das Bornstedter Feld an. Bei dieser Bezeichnung ist es unrichtig, wenn Gedanken an bäuerliches Tun aufkämen. Bei diesem Feld handelt es sich um einen ausgedehnten Exerzierplatz für die Soldaten.
Einige Blicke in die Zukunft:
Die amerikanischen Brüder, Fahrradmechaniker und Flugpioniere Orville und Wilbur Wright (geboren 1867 und 1871) führen 1909 mit einem Doppeldecker hier auf dem Bornstedter Feld den ersten hier gesehenen Motorflug vor. Bis zu 275 m zieht der kleine aber schwere Motor den Aeroplan hoch in die Lüfte. Kronprinz Wilhelm zeigt den Mut, eine Runde als Fluggast mitzufliegen. Das wäre etwas für unseren Otto Lilienthal gewesen!
Potsdam Nord, die Kasernen an der Nedlitzer Straße 2a
Diese Kasernen sahen die Kaiserliche Armee, die Reichswehr/Wehrmacht und von 1945 bis 1994 dann auch die Rote Armee der Sowjetunion als Nutzer.
Schon bald danach begann die schrittweise Sanierung der Kasernen und des Bornstedter Feldes von allen militärischen Hinterlassenschaften.
Erstmals in der Geschichte der Anlage begann eine zivile Nutzung.
Das Bornstedter Feld, der riesige teils bodenverseuchte Übungsplatz, war wenige Jahre später saniert und diente als Landschaftsgarten für die Bundesgartenschau 2001. Heute ein Volkspark.
Doch nun zurück zu unserem Spaziergang im Jahre 1899 durch die Nedlitzer Straße:
Wollen uns die Füße noch weiter tragen, so können wir zur Stärkung in den Gasthof einkehren, der sich am Verbindungskanal zwischen dem Weißen See und dem Lehnitz-See befindet. Nach dieser Erholung empfiehlt es sich am Ufer des Jungfernsees zur Stadt zurückwandern.
Wählen wir jedoch wieder die Nedlitzer Straße für den Rückweg, so bietet uns sich dieses Bild:
Linker Hand säumen wie bekannt die Roten Kasernen die Nedlitzer Straße. Nach rechts schweifen unsere Blicke über das Bornstedter Feld. Der Hügel in der Ferne ist der Ruinenberg mit dem großen Wasserbehälter für die Wasserspiele des Parks von Sanssouci. Auf dem dahinter liegenden nächsten Hügel, dem Weinberg, steht das Schloss Sanssouci.
Die hinten in Bildmitte querstehenden langgestreckten Gebäude gehören ebenfalls zum Militär. Sie begrenzen das Bornstedter Feld in dessen Ausdehnung nach Süden. Rechts die Kaserne des 1. Garde-Ulanen-Regiments. Links nochmals eine Kaserne der Garde. Dazwischen („hinter dem Baum“) das Lazarett. Die Zukunft weiß, dass am Ende des Ersten Weltkrieges die Ulanen-Regimenter aufgelöst werden, da deren klassische Ausstattung mit Pferd, Säbel und Lanze nicht mehr zeitgemäß ist, um gegen die neu entwickelten Maschinengewehre und Panzerfahrzeuge erfolgreich anzustürmen. (Na gut, Karabiner gibt es für sie auch schon). In der linken Kaserne wird in einigen Jahren die neue Maschinengewehrabteilung untergebracht sein.
Schaute auf dem vorigen Gemälde rechts hinter dem Wasserturm ein Teil des Gebäudes vom Zeughaus hervor, so sehen wir es hier nun in voller Größe. Der Wasserturm steht nicht mehr.
Auch dieses zum Kasernen-Areal gehörende Zeughaus oder Kammergebäude wurde zwischen 1892 und 1895 errichtet. Mittig ist auf dem Dachgeschoss ein gewaltiger, langgestreckter Sandsteinquader gelegt, aus dem sich ein Obelisk erhebt, der die Königlichen Initialen trägt: „FR“ und „Anno 1773“. Das „FR“ steht für Friedericus Rex, König Friedrich II. Der Obelisk trägt auf einem Kissen die goldene Königskrone. Jeweils eine Skulpturengruppe flankiert den Obelisken. Es handelt sich vermutlich um Transportsoldaten mit Pferden, welche unter anderen Aufgaben auch die Kanonen in die gewünschte Gefechtsstellung ziehen oder aber um berittene Soldaten, die siegreich in den Gefechtsstand der Geschütze zurückkehren.
Georg Friedrich Boumann schuf diese Sandsteinskulptur. Diese Skulptur stammt aus einer alten Kaserne in Berlin, die 1773 errichtet wurde. Im Zuge des späteren Abbruchs jenes Gebäudes, setzte man die Skulptur zum weiteren Erhalt hierher nach Potsdam um.
Heute dient auch dieses Gebäude der Wohnnutzung.
Das Belvedere und der Pomonatempel auf dem Pfingstberg
Das Paar König Friedrich Wilhelm III. und seine Gattin Königin Luise unternahm oft Ausflüge in die nähere oder auch weitere Umgebung von Berlin und Potsdam. 1804 spazierten sie auch zu dem hauptsächlich mit Eichen bestandenen Hügel an dessen Hang sich der Potsdamer Jüdische Friedhof befindet. Die anmutige Umgebung mit dem Ausblick auf die Wald- und Seenlandschaft entzückte besonders die Königin. Da dieser denkwürdige Ausflug just zur Zeit des Pfingstfestes stattfand, so wurde der Eich- oder Judenberg zur freundlichen Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag, fortan Pfingstberg geheißen. So sagt man.
Der erste Sohn des Herrscherpaares, Friedrich Wilhelm IV. plante, etwa ein Jahrzehnt nachdem er selber König geworden war, auf der Kuppe des Pfingstberges ein Schloss nach italienischem Geschmack zu errichten. Die Planung und Ausführung legte er in die Hände der Baumeister Friedrich Stüler, Ludwig Persius und Ludwig Ferdinand Hesse.
Der Innenhof der Anlage ist im Wesentlichen von einem Bassin ausgefüllt, dessen Wasser die Springbrunnen im „Neuen Garten“ versorgt.
Finanzielle Gründe trugen dazu bei die Fertigstellung zu verhindern. Auch die bis zum frühen Lebensende fortschreitende Erkrankung des Königs, war dem Vorhaben nicht förderlich. So wurde die Schlossanlage bald nach dem Ableben des Königs in einem bescheidenerem Rahmen beendet.
Während der Zeit der DDR wurde die Anlage jahrzehntelang nicht genutzt. Der Bau war verschlossen und dem Verfall preisgegeben.
In der „Vorwendezeit“ ab 1988 und auch danach arbeiteten die Bürgerrechtsgruppe „Arbeitsgemeinschaft Pfingstberg“ und auch Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung“ an der Beseitigung des Wildwuchses der Umgebung, um die Voraussetzung für eine Sanierung zu schaffen.
Nach der politischen Wende übernahm der Hausherr, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Koordinierung der Sanierung, die von 1996 bis 2003 währte. Verschiedene namhafte Firmen waren daran beteiligt, auch Mitglieder der Arbeitsgemeinschaften. Die finanzielle Grundlage bildeten Sammlungen, Spenden, allen voran der Eigentümer der Versandhauskette Otto.
Dem großen Belvedere gegenüber steht der kleine Pomonatempel (Pomona ist die griechische Göttin der Früchte), der im Jahre 1801 errichtet wurde. Dieses Bauwerk ist die erste architektonische Konstruktion von Karl Friedrich Schinkel (1781 – 1841), die er im Alter von erst 19 Jahren entwarf.
Dieser Tempelbau war während der DDR-Zeit verfallen; auch als Steinbruch genutzt. Er wurde in den Jahren 1992 und 1993 wieder errichtet.
Auf der Rasenfläche zwischen diesen Bauwerken finden viele Veranstaltungen statt – auch bei Kaffee und Kuchen – unter dem Motto: „Kultur in der Natur“.