Beelitz in der Mark (Brandenburg)
Gemälde von Otto Thomasczek
Erläuterungen zu den Bildern und aktuelle Fotos von Chris Janecke
In diesen Tagen des schönen Sommers 1897 weilen wir, geehrte Bildbetrachter und Leser, in der Spargelstadt Beelitz an der Nieplitz. Die Stadt Beelitz liegt rund 25 Kilometer südwestlich von Potsdam an der Bahnstrecke von Berlin nach Wetzlar, die 1879 gegründet wurde.
Beelitz gilt als 900 Jahre alt. Erwähnt ist die Bezeichnung des Burgward-Sitzes mit Dorf wohl erstmals als „belizi“ in einer Urkunde des jungen Kaisers Otto III. (Regierungszeit 983 – 1002) betreffs der Übertragung der Rechte über den Ort an den Erzbischof Giselher zu Magdeburg. Das bedeutet: Zu jener Zeit war bereits eine Ansiedlung vorhanden. Es ist uns also nicht gegeben etwa an einer Geburtstagsfeier teilzunehmen. Wie weit zurückreichend der Ort schon bestand, ist uns jedoch nicht überliefert, das bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen.
(Genauso düster steht es um die Kunde zu Potsdam und Geltow, die der gleiche Herrscher einige Jahre zuvor als „poztupimi et geliti“ mit Haus und Hof, mit Mann und Maus, seiner lieben Tante, der Äbtissin von Quedlinburg, geschenkt hatte).
Viel der Zeit ist inzwischen verstrichen.
Etwa 3.300 Einwohner zählt heute, Anno 1897, das Städtchen.
Seit rund 35 Jahren wird hier in Beelitz auf leichten, schnell durchwärmten Sandböden der Anbau des edlen Spargelgemüses betrieben.
Bürgermeister ist der erst 35-jährige Herr Gustav Nürnberg. Ein trefflicher Mensch und preußischer Beamter. Unter seiner umsichtigen Leitung beförderte er bereits viele kommunale Neuerungen. Soziale Werke gedeihen gut, die der Stadt und ihren Bürgern zum Aufschwung verhalfen. Als ein Beispiel der mannigfaltigen Vorhaben sei hier an hervorragender Stelle die Beförderung der Ansiedlung der Beelitzer Heilstätten, des Waldsanatoriums genannt. Seit einem Jahr gibt es die Freiwillige Feuerwehr – auch eine der Ideen des Bürgermeisters. Sagt man.
Auf dieser Ansicht zeige ich das Panorama von Beelitz, eine „Perle der Zauche“. Markant – der Kirchturm der evangelischen Kirche Sankt Marien & Sankt Nikolai. Seit 1247 ist die Kirche ein Wallfahrtsort. Ziel der Pilger ist die Wunderblut-Hostie. Wir sehen den Sakralbau als eine spätgotische dreischiffige Hallen-Basilika. Bei dem gewaltigen Brand im Jahre 1478 wurde auch die Kirche sehr in Mitleidenschaft gezogen aber wieder instand gesetzt. Rechts vor der Kirche zeigt sich uns der mächtige Wasserturm.
Im unteren Bildteil die Wassermühle in der Mühlenstraße 35, am Mühlen-Fließ.
Natürlich hat Beelitz noch viel mehr zu bieten. Jetzt (1897) gibt es etwa 420 Häuser; am Krobshof stehen nochmals 11 Wohnbauten. Ziegeleien, Windmühlen, die Wasser-Getreidemühle, die Wassersägemühle sowie Brauereien und Brennereien geben den Einwohnern Arbeit und Brot.
Wichtig ist auch die Posthalterei, in dem Haus Poststraße 16, das 1789 errichtet wurde. Hier war auch der Halteplatz für die Postkutschen (im 20./21. Jahrhundert ist in diesem würdigen Gebäude das Heimatmuseum untergebracht).
Wenn wir auch heute beim Rundgang nicht all' das Wissenswerte erfassen, hier ein Rat:
Carl Schneider, der beflissene Heimatkundler, begann 1888 Material für die Beelitzer Chronik zusammen zu stellen. Das wurde höchste Zeit. Dank seines Bemühens und der großartigen Erfolge, können wir also bereits viel Interessantes in Ruhe nachlesen.
Die frühgotische Pfarrkirche wurde in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet. Die „Blutkapelle“ baute man 1370 an. Im Jahre 1889 wurde die Kirche nach neugotischer Ansicht umgebaut.
Der Beelitzer Geistliche ist seit 1885 Pastor Krückeberg.
Hier vorn (im unteren Bildteil) die Frau, die aus der Brauerstraße kommend über den Marktplatz pedalt, ist Frau Zienicke.
Sie hat es oft „brandeilig“ – unsere Hebamme Karoline Auguste Albertine Zienicke, geb. Schulze. Sie stammt aus Jüterbog aber versieht hier seit Jahren treu ihren Dienst an Frauen, Mädchen und kleinsten Kindern. Sie war die erste Besitzerin eines Velozipeds in Beelitz und rollt damit wohl noch schneller zu den Frauen, als es im Vergleich, der Kameradschaft der Freiwilligen Feuerwehr zu den Brandherden möglich ist. Sucht sie nach getaner Arbeit ihr Heim auf, fährt sie über den Marktplatz bis zu dessen Ende, also am Rathause vorbei und biegt dann nach links in die Grünstraße ein. Im Hause No. 1 wohnt sie – aber das kennt ja jedes Beelitzer Kind.
Die Zukunft wird wissen, dass die nimmermüden Hände dieser fleißigen Mitbürgerin vom
10. Dezember 1919 an, für immer ruhen werden.
Als „Erstes Haus am Platze“ gilt das Hotel und der Gasthof der Familie Wehner.
Es es eine unter den sieben Gaststätten in der Stadt.
Hatten wir soeben das Kinderheim betrachtet, so komme ich jetzt gern' auf den Ausschnitt der Häuserzeile in der Beelitzer Straße zurück, den ihr im oberen Bildteil saht.
Es sind Villen, die den Anblick dieser Straße wesentlich prägen.
Am oberen Bildrand habe ich in der Schriftleiste die dargestellten Häuser bezeichnet. Es handelt sich (von links nach rechts geschaut) um die Bauwerke:
- Die Villa von Heno
- Die Beelitzer Molkerei
- Die Bildhauerei von Harz
und - Das Restaurant von Gustav Jung.
(Herr Jung möchte bald mit dem Bau eines Hotels beginnen).
Flanieren wir von der Villa Heno in der Vorstadt wieder in Richtung des Stadtmittelpunktes, so gehen wir vorbei an der Molkerei und an der Bildhauerei.
Gegenüber mündet der Weg „Siechenholz“ und in der Nähe finden wir auch das hohe Gebäude der Schulanstalt.
Vorbei geht's am Restaurant von Gustav Jung. Sodann kommen wir auf der bisherigen Straßenseite zum Kinderheim, zu dem ein zweckmäßiger Spielgarten gehört. Bald folgt die Post und genau an der Ecke Berliner Straße, sind wir wieder an der Hauptkreuzung mit der Berliner Straße, an der das Restaurant von Wehner steht.
Ein kurzer Blick auf Elsholz, in den Jahren 1897, 1945 und 2012
Gemeinsam möchten wir gern den hübschen kleinen Ort Elsholz besuchen!
Wir reisen auf der Chaussee, die von der Kaiserlichen Sommerresidenz Potsdam nach Leipzig im Sächsischen führt, etwa 25 Kilometer in südwestlicher Richtung. Linker Hand der Landstraße, bei rüstigem Gang nach etwa einer halben Stunde hinter Beelitz, erreichen wir Elsholz. Wir könnten jedoch auch mit dem Zuge ankommen. Von Berlin aus auf der Wetzlarer Bahnstrecke in Richtung Jüterbog. Der Bahnhof Elsholz befindet sich etwas separat vom Dorfe gelegen.
Elsholz ist ein Straßendorf mit einem anliegenden Anger. 64 Häuser stehen im Ort.
Soviel Platz wie den Gehöften zugemessen ist, nimmt noch einmal das Gartenland ein.
Wiesen und Weiden umgeben das Dorf – aber selbstverständlich nehmen die Flächen der Äcker den größten Teil der Gemarkung ein.
Der Ort blickt auf eine längere Vergangenheit zurück. Eine alte Urkunde erwähnt ihn bereits im Jahre 1337. Keine Gründungsurkunde. Das Dorf hatte also offenbar bereits schon früher bestanden, worüber uns nur die hinreichend genaue Wissenschaft fehlt. Der Name des Ortes weist darauf hin, dass die Ansiedlung in einer feuchten Niederung liegt, in der typischer Weise die Erlen, auch als „Elsen“ bekannt, beheimatet sind. Hier lebt man also gut am Elsengehölz, am Erlenwald.
Rast halten wir im Gasthof Seehaus. Im Hochparterre befinden sich die Gasträume und die Wohnung der Wirtsfamilie, in der oberen Etage ist der große Festsaal eingerichtet. Das ungewöhnlich wuchtige Doppelportal verbindet das Gasthaus mit dem Nebengebäude. Jener unverputzte Giebelbau gehört, ebenso wie zwei Scheunen im Hof, zum Eigentum des Gastwirts.
Blicken wir aus der Gaststube, besser noch oben aus dem Festsaal, so bildet gegenüber Eulenburgs Haus für uns einen Blickfang. Des Eulenburgs Wohnstätte ist ein schönes altes Fachwerkgebäude mit einem Windfang vor der Eingangstür.
Zu dem Besitzer des Eulenburg-Hauses, der Mitte des Jahrhunderts auf dem Anwesen lebte, sei mir eine wichtige Anmerkung gestattet: Der menschenfreundliche Landwirt Eulenburg heilte neben seiner bäuerlichen Tätigkeit bar jedweder medizinisch-akademischen Ausbildung unentgeltlich zahlreiche Leute, die von der Ärzteschaft nach erfolgloser Anwendung ihrer Kunst als aufgegeben galten. Er linderte und heilte ohne Arznei, ohne Einmischung in die medizinische Wissenschaft, wohl aber mit der Kraft seiner begnadeten Hände, seines guten Zuspruchs für die Menschen und mit der Hilfe seiner wohlgeordneten, zielgerichteten Gedanken. Gar mancherlei Gebrechen konnte er behandeln, darunter wohl auch vorzüglich die Gicht. Für solches Tun, von Missgönnern zur Anzeige gebracht, erkannte die Obrigkeit auf Scharlatanerie und Quacksalberei, die unterbunden und mit dem Aufenthalt im Zuchthause bei Zwangsarbeit gesühnt werden sollte. Im Zuchthaus gesühnt – weit entfernt vom eigenen Acker, der seines Herrn nicht entbehren konnte.
Das erinnert mich an unsinnige Hexenprozesse längst vergangener Zeiten und doch liegt die Handlung des Spektakels nur wenige Jahrzehnte zurück.
Vor einem derartigen Gerichtsspruch bewahrte ihn nur das Eintreten vieler betuchter vormaliger Kranker, die zeitweilig in ihren Kaleschen vor seinem Hause in der Reihe wartend gestanden hatten und alsbald gesundet heimkehren konnten. Zu seinem Schutz verwandte sich (1837) auch der Potsdamer Regierungsrat Wilhelm von Türk, ein rechtschaffener, untadeliger Mann, der selbst aufopferungsvoll und uneigennützig mit ausgezeichneten Erfolgen soziale Zwecke verfolgte.
Bei aller gelehrten Juristerei war es doch so, dass ihm, dem Eulenburg, allein der natürliche Heilungserfolg, durch seine segensreiche Hilfe befördert, recht gab. Mit seinem Handeln stand Eulenburg „inmitten der Natur und dicht bei der Kirche“ – und so auch unter Höherem Schutz?
Die Elsholzer Kirche ist ein schlichter verputzter Steinbau, errichtet im Jahre 1712, dem Geburtsjahr unseres vormaligen Königs, Friedrich II, des Großen.
Der Turm, aus Fachwerk bestehend, bekrönt die Kirche seit Anno Domini 1797.
Rechts der Kirche – die Schule; diese aus roten Hartbrandziegeln errichtet. Direkt an jene schließt das Lehrerhaus sich an. Das Wirken als Lehrer der Kinder und als Küster der Kirche verrichtete früher eine Person – die Wege waren für den lehrenden Gottesmann all so nicht weit.
Etwa ein halbes Jahrhundert nachdem Otto Thomasczek hier das Aussehen des Dorfes auf der Staffelei festhielt, leben die Bewohner in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Zu dessen Ende, im Frühjahr 1945, gibt es auch im schönen Ort Elsholz Kampfhandlungen.
Der Kirche wird vom Artilleriegeschoss ein großes Loch in die Turmwand geschlagen.
Auch das Haus Eulenburg bekommt den Beschuss zu spüren.
Der große Festsaal des Gasthauses ist als Notlazarett eingerichtet.
Die zerschossenen Wände der Schule flickt man bald nach dem Schluss des schrecklichen Krieges.
Erneut ist Zeit verflossen – wir schreiben das Jahr 2012.
Insbesondere nach der politischen Wende des Herbstes 1989 hat sich im Ort vieles sichtbar positiv verändert. Seit dem Ende des Jahres 2001 gilt das Dorf als ein Ortsteil von Beelitz.
- Das alte Haus des früheren Landwirts und Heilers Eulenburg zeigt sich uns frisch und verjüngt. Es ist modernisiert aber bewahrt im Aussehen das Gedenken an frühere Zeiten.
- Die Kirche erstrahlt in frischem Glanz. Man restaurierte sie und der alte Fachwerkturm wich dabei einem neuen Holzturm.
- Am altehrwürdigen Schulgebäude mit dem angebauten Lehrerhaus kann der aufmerksame Beobachter noch heute die Reparaturen der Kriegsschäden des Mauerwerks erkennen.
- Das frühere Gasthaus der Familie Seehaus ist heute ein Wohngebäude.