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Die alte preußische Stammbahn von 1838

zwischen Potsdam und Berlin über Zehlendorf und die

Lindenbahn (Friedhofsbahn) von Wannsee nach Stahnsdorf


Zusammengestellt von Chris Janecke, Potsdam, Aktualisiert im Dezember 2021

E-Mail-Anschrift: christoph@janecke.name



Es kommt ein Wanderer des Wegs, der mich fragt:


F: „Wie komme ich auf dem allerkürzesten Wege von Griebnitzsee nach Zehlendorf?“


A: Naturgegeben lautet meine Antwort: „Am kürzesten ist die Luftlinie. Verfolgen Sie einfach die Strecke der Stammbahn. Schnurgerade, so wie die Luftlinie, führt diese Sie zum Ziel“.


F: „Stammbahn? Etwa so, wie für den Baumstamm-Holztransport? Und warum, um

Himmels willen, soll ich die Bahn verfolgen, statt in jener zum Ziel zu fahren?“


A: „Nun, weil das Fahren zwar schneller ginge aber eben nicht auf dem kürzestem

Wege“, antworte ich. „Auf der Stammbahn-Strecke fährt heute kein Zug mehr“.


F: „Aber morgen?“


A: „Nein, auch morgen nicht.“


Warum das aber so ist, wollen wir heute gemeinsam erkunden, indem ich bei unserem Spaziergang darüber plaudere. Zuvor jedoch gern eine Antwort auf eine weitere Frage des Wanderers: „Was ist die Stammbahn?“

Wie wir alle wissen, nahm man am 07. Dezember 1835 die erste Eisenbahnstrecke der deutschen Lande in Betrieb, welche die Passagiere von Nürnberg nach Fürth brachte und auch in umgekehrter Richtung beförderte. Die frühen Verfechter der Eisenbahn hatten mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen, um das Neue zu verbreiten. Selbst Akademiker, verschiedene Ärzte, stellten sich dagegen, weil eine derart schnelle Bewegung, es war immerhin anfangs an eine Durchschnittsgeschwindigkeit der Bahn von etwa 4 Meilen je Stunde (30 km / Stunde) gedacht, bei den Mitfahrenden unfehlbar eine Gehirnerkrankung auslösen würde. Eine besondere Art des Delirium furiosum. Wenn sich schon tollkühne Passagiere einer solchen Gefahr aussetzen wollten, so müsste der Staat zumindest das an der Bahnstrecke zuschauende Publicum schützen, da der bloße Anblick des rasch dahinfahrenden Dampfwagens, auch bei jenen genau dieselbe Gehirnerkrankung erzeugen würde. Deshalb sei zu verlangen, dass der Bahnkörper zu beiden Seiten mit einem dichten, hohen Bretterzaun einzufassen sei. Nun, auch weitere Unglücksfälle könnten damit ebenfalls verhindert werden.

Das sächsische Königreich richtete im Frühjahr 1837 zwischen Leipzig und Dresden, die zweite Bahnlinie ein. Einfach so – ohne Bretterzaun.

In Preußen zeigte sich die Entwicklung so:

Im Monat Mai des Jahres 1835 legt der Berliner Justizcommissar Robert (Familienname), dem König (Friedrich Wilhelm III.) den Plan zum Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen den Residenzstädten Berlin und Potsdam vor. Der begeisterte Commissarius hatte da aber gar keinen so sehr glücklichen Empfang, denn der Monarch, vom Typ eher ruhig, in sich gekehrt und zögerlich, hielt mehr von einer sanften Entwickelung der Dinge, statt von technischen dramatisch-revolutionären Umwälzungen. Er verspricht sich von diesem neuartigen Transportmittel „keine große Glückseligkeit“, wie er dem Commissarius lehrend beizubringen versucht. Schließlich komme es ja nicht darauf an, ob man die Reise von Berlin nach Potsdam oder auch in der Gegenrichtung, einige Stunden früher oder später beende. Sein Generalpostmeister, Herr von Nagler, der Erste Verkehrsbeamte des Staates, bezeichnet eine Eisenbahn, die zudem fest an ihren Schienenstrang gebunden ist, gar als „dummes Zeug“, gegenüber der schnellen, flexiblen und soliden Postbeförderung mittels des berittenen Postillons oder der Postkutsche. „Da sollten die Leute doch bitteschön lieber gleich ihr Geld zum Fenster hinauswerfen, statt es zu solch unsinnigen Unternehmungen hinzugeben“. Außerdem blieben bereits die Kutschen, die planmäßig führen, ohnehin meist leer.

Ein Blick in die Zukunft: Sein Nachfolger, der Generalpostmeister Heinrich von Stephan, vertrat dann schon ganz andere Ansichten, zeitgemäße Auffassungen modernster und wegweisender Art.

Trotzdem wird nach reichlichen Überlegungen und langwierigen Verhandlungen schließlich doch die erforderliche hochlöbliche Königliche Erlaubnis zum Bau der Bahn erteilt. „Versuch macht klug – auch wenn's unnützer, ja unsinniger Weise viel Geld kostet.“ Schon am 10. August 1837 können nach den Grundstücksankäufen, die Erdbauarbeiten mit einer vorläufigen Erlaubnis beginnen, bevor am 23. September 1837 die endgültige Konzession erteilt wird. Bereits ein Jahr später kann der Streckenabschnitt von Potsdam bis Zehlendorf am 22. September 1838 eingeweiht werden und ab 29. Oktober die Gesamtstrecke, also auch der weitere Streckenabschnitt, von Zehlendorf bis Berlin, Potsdamer Bahnhof.

Es handelt sich um die erste Bahnlinie Preußens und somit um die „Stammbahn“ oder auch Hauptbahn, also um die „Mutter“ aller weiteren Bahnen in preußischen Landen. Daher die Wahl dieser Bezeichnung.

Man bedenke bitte aus heutiger Sicht: Eine Eisenbahnstrecke mit vorhergehenden Vermessungsarbeiten, den Rodungen in Waldgebieten, natürlich alles mit Handsägen, mit der Geländenivellierung durch Erdabtragung und Senkenverfüllung – alles mit der Handschaufel. Des Weiteren das Aufschütten von Dämmen, das Graben tiefer langer Geländeeinschnitte, das Aufbringen des Gleisbettschotters, der Bau der Bahnhöfe und der Brückenbauwerke, die Gleis- und Weichenverlegung – das alles in einem Jahr – und ohne die heute genutzten Kräne und ohne Motorkraft. Es gab ja auch noch keine Autos, keine Lastkraftwagen. Alle Massenbewegungen in Handarbeit und mit Pferdefuhrwerken. Eine der vielen beachtlichen Leistungen der Menschen, die vor uns lebten und arbeiteten.


Die Einweihung am 22. September 1838 – ein großes Volksfest. Sechzehn Wagen mit über 300 Passagieren werden von den englischen Locomotions „Adler“ und „Pegasus“ gezogen. Diese wurden in den Werkstätten der „Stephenson und Comp.“, in Newcastle on Tyne hergestellt. Allein die Kraft des „Adler“ soll mit etwa 12 Pferdestärken vergleichbar sein und auf dem Schienenstrang eine rollende Anhängelast bis zu 500 Doppelzentnern (50 t) bewegen können. Die Ausstattung der Waggons ist ebenso bequem wie elegant. So etwas hat es hier, wie wir wissen, noch nie gegeben. Man ist bemüht, die neugierig-begeisterte oder auch teils ängstliche Menge der Menschen in Räson zu halten. Reisemutige, wie auch sensationslustige Zuschauer werden daher dringend ersucht, den Beamten der Eisenbahngesellschaft willig ihr Gehör zu leihen, nach deren Anordnungen zu handeln und ihnen dadurch in ihrem Dienste behülflich zu sein. Ein schneidendes Pfeifen gibt das Signal zur Abfahrt. Der Zug von Potsdam nach Zehlendorf fährt pünktlich los. Seine Abfahrt richtet sich jetzt, wie auch in Zukunft, nach der Turmuhr der Potsdamer Garnisonkirche. Ein Blick genügt. Vorgesehen sind Abgänge von Potsdam am Vormittage um 8 Uhr und am Nachmittage um 2 Uhr. Die Rückfahrt ab Zehlendorf kann vormittags um 10 Uhr und nachmittags um 4 Uhr angetreten werden. Der Zug rollt in langsamen Tempo an, die Geschwindigkeit wächst jedoch mit jeder Sekunde, bis sie jene Schnelligkeit erreicht, mit der die Eisenbahnen ihren so glänzenden Sieg über alle sonstigen Mittel des Fortkommens erfechten. Kühne Reiter versuchen auf kräftigen Rossen den durch Potsdam und Nowawes ebenerdig rollenden Wagenzug zu begleiten. Die Pferde sind im Dauergalopp jedoch bereits nach einigen Minuten erschöpft. Die Fahrzeit dauert für die 3.350 Ruthen (14 km) lange Strecke, knapp 22 Minuten. Der Kronprinz Wilhelm (späterer König Friedrich Wilhelm IV.), sehr begeisterungsfähig für Kunst und Technik, aufgeschlossener als sein Vater, ruft nach pannenfreier Fahrt und also nach geglückter Ankunft euphorisch aus: „Diesen Karren, der durch die Welt rollt, hält keines Menschen Arm mehr auf“. Recht hat er! Bereits einen Monat später wird der weitere Streckenteil von Zehlendorf nach Berlin fertig. Natürlich findet auch in Berlin, dort aber eben erst am 29. Oktober, eine große Einweihungsfeier statt. Die Gesamtlänge der Strecke Berlin Potsdam beträgt 3,5 Meilen oder 7.000 Ruthen (nach heutiger Maßangabe 26 km). Die Gebäude, die Locomotions und die Anhänger der Dampfwagen sind erneut mit Blumen und Fahnen geschmückt. Ein Musikkorps befindet sich auf dem Perron des Eisenbahnhofes, ein weiteres hat sich auf dem Kohle-Tender aufgestellt. Um 12.00 mittags setzt sich der Zug mit 11 Wagen und 280 Personen, von den beiden Lokomotiven gezogen, in Berlin in Bewegung. Innerhalb von 41 Minuten gelangt der Zug nach Potsdam und nachdem die Gesellschaft, sich von dieser Anstrengung erholend, Erfrischungen zu sich genommen hat, kehrt die Bahn wieder um und trifft in Berlin am Potsdamer Bahnhof nach 38 ½ Minuten ein. Der Zug also legte die Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 39 km / Stunde zurück. Respekt, meine Herrn! Respekt!


Ebenfalls zu jener Zeit wurde auf dem Gelände des alten Potsdamer landwirtschaftlichen Ritterguts die erste Eisenbahnwerkstätte errichtet. Der Siegeszug der Bahn hatte somit auch in Preußen begonnen. In den ersten Wochen allerdings durfte die Bahn nur bei Tageslicht fahren. Dem regen Bedarfe entsprechend, kam die Polizei jedoch nicht umhin, die Dampfwagenfahrten auch in den Stunden der Dunkelheit bei eigener Beleuchtung der Wagen zu gestatten. Hierbei, so aber die flugs erarbeitete Vorschrift, sei die Fahrgeschwindigkeit auf die Hälfte derjenigen der Fahrten bei Tageslicht herabzusetzen. Es wurde dem Personal eingeschärft, bei unsichtigem Wetter, besonders in den Stunden der Dunkelheit, bei starkem Nebel oder dichtem Schneefall unter keinen Umständen die Geschwindigkeit eines trabenden Pferdes zu überschreiten. Vorerst fuhren dann bereits täglich drei Züge in jede Richtung. Man beförderte am Tage durchschnittlich 2.000 Fahrgäste. Später, an Festtagen, sogar bis zu 4.000 Passagieren. Wegen des regen Zuspruchs, lohnte es sich durchaus, die Fahrgäste während der Wartezeit am Bahnhof mit einer Stärkung für die Fahrt zu bewirten. So eröffnete am 9. Mai 1839 das „Neue Etablissement“, ein Caffeehaus, und die „Restauration im Eisenbahnhofe zu Potsdam“. Der König jedoch, unangefochten von diesen Neuerungen, brauchte das alles natürlich nicht und fuhr auch noch eine zeitlang – jeweils ein Stückchen – in der Kutsche neben der Bahn einher, bis er sah, dass selbst seine edlen Trakehner mit der Lokomotive nicht Schritt zu halten vermochten. Vom Grundproblem des schwierigen Verständnisses für diese neue Zeit erlöste ihn jedoch bald sein Ableben im Jahre 1840.

Ein großer Zeitsprung: 1862 ließ man (es regierte inzwischen Wilhelm I.) bei Neuendorf, an der Wilhelmstraße und nahe der Nuthe, einen so genannten Königlichen „Bedarfs-Haltepunkt“ einrichten. Der war, wie schon die Bezeichnung erahnen lässt, nicht für die Benutzung durch das Volk vorgesehen. Später wurde zusätzlich die Station Neubabelsberg, (auch Neu-Babelsberg geschrieben) am Griebnitzsee errichtet. 1869 sah man dann „für den Hof“ eine Einstiegstelle am Wildpark, unweit des „Neuen Palais“ von Sanssouci vor.

Nach dem viergleisigen(!) Ausbau ab 1871, wurde 1874 die Strecke der Wannseebahn mit dem Abschnitt von Zehlendorf nach Kohlhasenbrück fertig gestellt. Nachrichten über derart große Ereignisse gehörten dann aber inzwischen fast schon zum normalen Alltag.

Die Stammbahn bestand in voller Länge von 1838 bis 1945. Sie wird auf Teilen der gleichen Trasse heute in modernisierter Form betrieben, bis auf das Stück zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf, das von der Wannseebahn kompensiert wird.


Dieses seit 1945 stillgelegte Teilstück nun ist zum Gegenstand der heutigen Betrachtung gewählt.

Zweckmäßig scheint es, sich schon jetzt die Landkarte, vielleicht auch Fotos zurechtzulegen, um nach dieser Beschreibung leichter (vorerst in Gedanken) mitwandern zu können. Und nun geht der aktuelle Bericht über diesen Spaziergang los. Das klitzekleine Abenteuer kann beginnen. Ein sonnenheller Ferientag ist der 27. Juni im Jahre 2001.

Früh am Morgen starte ich in Golm bei Potsdam mit dem „Studentenexpress“. 15 Minuten später Endstation in Griebnitzsee (früher Neu-Babelsberg). Nach dem Verlassen des Bahnhofes laufe ich weiter in der bisherigen Fahrtrichtung auf der Rudolf-Breitscheid-Straße entlang. Deren Fortsetzung trägt, an der Berliner Stadtgrenze beginnend, nun als ziemlich geradlinig verlaufende Straße, die Bezeichnung „Neue Kreisstraße“. An der Potsdamer Stadtgrenze endet die glatte Bitumenfahrbahn, ein Schritt weiter, im Westen Berlins, beginnt das holperige Kopfsteinpflaster. Was schert's mich – ich gehe bequem zu Fuß. Die direkte Abgabelung zum Königsweg ist am Bahngelände mit Bauzaun und Verbotsschildern gesichert. So biege ich erst später nach rechts in die Bäkestraße ein (sie ist das ursprüngliche Bett des Flüsschens „Bäke“ oder „Telte“) und sehe in deren Verlängerung die erste Brücke der alten Stammbahn, welche die Machnower Straße überbrückt. Die Aufgabe, etwas tragend zu überbrücken, drückt sie nun schon seit 56 Jahren nicht mehr. Auch nicht mehr die Last der Gleise, aber doch die des Schotters und jene der Bäume, die auf der Trasse gewachsen sind. In dem rechtsseitigen, also westlichen Teil des Brückenbauwerks sind zwei Tafeln eingelassen. Die obere kleinere aus geglättetem Granit trägt in zeittypisch geschwungenen Lettern die Jahreszahl 1838 eingraviert. Die untere, die größere, erläutert in Frakturschrift erhaben aus der Platte hervortretend, die obere Tafel:


1838


Dieser Jahresstein entstammt

dem gewölbten Bauwerk für die

erste preußische Eisenbahnlinie,

das i. J. 1926 umgebaut wurde.


Hier aber möchte ich den Weg nicht fortsetzen, da der Bahndamm ja schon gleich am Teltowkanal endet, weil keine Brücke hinüberführt. Diese wurde noch in den letzten Kriegstagen von eigenen deutschen Truppen gesprengt, um den Einmarsch der sowjetischen Roten Armee für wenige Minuten aufzuhalten. So wende ich meine Schritte und biege rechts in die Straße „Königsweg“ ein. Die Nathan-Brücke lädt dazu ein, den Teltowkanal zu überqueren. Nun befinde ich mich auf einem großen, leeren Auto-Parkplatz am Waldessaum und kann als Abgang von diesem unter mehreren unausgeschilderten Wegen wählen. So unternehme ich versuchsweise vorerst einen Spazier-Abstecher ins „Große Fenn“, ein feuchtes Naturschutzgebiet nahe am Teltowkanal, das gewiss viele Wildtierarten gerne ihre Heimat nennen. Zumindest lässt schon allein der vom Sauzahn frisch aufgerissene Waldboden auf ein fröhliches Wildschweineleben schließen.

Doch mein eigentliches Ziel ist ja ein anderes. Deshalb wähle ich, zum Parkplatz zurückgekehrt, den mittleren Weg, den ich als die Fortsetzung des Königsweges vermute. Hier, so bin ich mir sicher, nehme ich „den Faden“ wieder auf, der wegen des Teltow-Kanals unterbrochen war, befinde mich wohl auf der Trasse der Eisenbahnstrecke. Auf eine Bahnlinie besteht eigentlich kein zuverlässiger Hinweis. Keine Spur mehr von Gleisen aber ein breiter Fahrweg im Geländeeinschnitt. Rechts, so wie links, eine etwa 4 m hohe Böschung. Zeit für eine Marscherleichterung, die städtische Straßenkleidung endlich gegen sommerliche Wanderkluft zu tauschen, denn bald sollen etwa 26°C erreicht werden, hatte der Wetterbericht geweissagt. Lange Hosen behalte ich trotzdem wegen eventueller hungriger Zecken an, weil ich ja keinen Sonntagsspaziergang unternehme, sondern auch durchs „wilde Unterholz“ streifen werde. Schon liegt der Rest der Alltagswelt hinter mir. Herz und Hirn drängen dazu, Lieder anzustimmen, wie „Heut' ist ein wunderschöner Tag“ sowie „Und wieder blühet die Linde am quellumrauschten Gestein“ oder „Geh' aus mein Herz und suche Freud'“, Lieder des Volkes. Ansonsten umzwitschert herrlicher Vogelgesang die Stille.

Nach wenigen Minuten ist unvermutet dieser breite Weg zu Ende, dass heißt, er wird zum schmalen Fußsteig, der nun rechts und links von wunderschönen Kleingärten gesäumt wird. Die Eisenbahner gaben der Anlage ihrer schmucken Zier-Gärtchen den Namen „Eisenbahn- Landwirtschaft". Gewiss hatte diese Namenswahl vor Jahrzehnten auch ihre gute Begründung, denn in der Nachkriegszeit, als das Gelände umgewidmet wurde, hat man statt Blumen wohl eher Kohl, Rüben und Kartoffeln angebaut.

Ein lichtes Paradies inmitten des Waldes, in dem auch dieser Gartenweg endet. Fortgesetzt nur durch eine Spur aus Gräsern im Sand und Moosen unter den hohen Bäumen, deren Kronen die Sonnenstrahlen abschirmen. Unter den Schuhen knirscht und klappert Schotter. Bruchsteine aus dem Steinbruch oder am Ort per Hand zerkleinernd hergestellt, vor rund 165 Jahren hierher für die erste Bahn geschüttet. All' das herangekarrt mit Pferdefuhrwerken über die märkischen Sandwege: Schotter, Schwellen, Schienen und jedwedes Zubehör. Ich kann es nicht vermeiden, einige dieser steinernen Zeugen der Historie in die Hand zu nehmen und zu befühlen, – wie einfach, also „gemein“, wie unspektakulär sie auch sein mögen. Immerhin sind auch unsere Potsdamer und Berliner Vorfahren seit jener Zeit oft diese Strecke in verschiedenartigen Eisenbahnwagen entlang gerollt. Dadurch erhalten diese stummen Zeugen der Historie für mich beinahe etwas vertrautes, fast familiäres. Ab und zu erinnert immer mal wieder ein Stück Seildraht, eine Umlenkrolle, eine verrostete Halterung daran, dass wir uns tatsächlich auf einer ruhenden Bahnanlage befinden.

Einige Fußminuten später: Die Bahntrasse liegt inzwischen nicht mehr im Geländeeinschnitt, sondern hier fuhr früher der Zug oben auf einem Damm. Rechter Hand ist das Gelände fast ebenerdig, nach links fällt es ab, in Richtung des nahe gelegenen Königsweges. Eichen, Kiefern, Robinien und Birken wachsen in der alten Spur, auf der Trasse des früheren Gleiskörpers.

Nach der ersten halben Stunde des Wanderns kommt nun die zweite Brücke in Sicht. Nicht zu vergleichen mit der kleinen, vorhin erwähnten, die über die Machnower Straße führt. Auf diesem gewaltigen Bauwerk hier, überquere ich nun eine breite Senke, eine Schneise, die durch den Wald führt. Selbstverständlich besteht oben auf der Brücke mangels Erdkontakt kein großer Pflanzenbewuchs, deshalb liegt an dieser Stelle das alte Schotterbett völlig frei. Das Bauwerk scheint relativ gut erhalten. Es wird mittig von einem Langpfeiler unterstützt. Die Flächen der Widerlagerbauwerke sind mit Graffiti-„Kunstwerken“ besprayt. Zum Bau verwendete man außer Granitquadern, schwere Klinkerziegel. Nach links führt die Senke in einem Bogen von der Brücke fort, und wird eine parallele Richtung zwischen Königsweg und Stammbahntrasse einnehmen. Nach rechts wird der Blick von der Brücke auf längerer Strecke freigegeben. Diese künstliche Senke sollte einmal von der AVUS bei Nikolassee die Ausfahrt der Reichsautobahn von Berlin nach München aufnehmen aber wohl erst ab 1935, vorher wird die Bahnlinie hier ohne Brücke ausgekommen sein. Verfolgen wir diese Senke aber weiter nach rechts, also in südlicher Richtung, so stoßen wir, von der Eisenbahnbrücke aus nicht sichtbar, bald auf die alte Autobahnbrücke über den Teltowkanal. Allerdings führt uns dieses Autobahnstück nicht bis München, sondern endet direkt hinter dem Kanal in großer Höhe (am Bogenschießplatz), so dass nicht einmal Fußgänger hinüber nach „Albrechts Teerofen“ kommen können. Zurück also das kurze Stück auf der „Autobahn“ entlang, bis zur „Eisenbahnbrücke“. Nun unterquere ich diese Eisenbahnbrücke auf der Autobahntrasse, gehe also in nordöstlicher Richtung weiter. Nach etwa 15 Minuten komme ich an eine „Kreuzung“. Das will heißen, dass auf der linken Seite das Gleichmaß des Waldessaums gestört ist und die Bäume einen Blick in einen tiefen dunklen Schlund freigeben, in einen breiten Graben, durch den früher die Lindenbahn, vom Bahnhof Wannsee kommend, gen Süden bis zum Südwestfriedhof der Berliner Synode in der Gemarkung der Gemeinde Stahnsdorf fuhr. Auf meinem Autobahnweg ist davon nichts mehr zu sehen, wurde er doch aufgeschüttet. Rechts, von dieser „Kreuzung“, von Gras überwuchert, erkenne ich die Reste einer Plattform aus Beton. Es sind die Rudimente des Haltepunkts Dreilinden, dem Eisenbahnkreuzungspunkt der Stammbahn „obenauf“ und der Lindenbahn im Graben darunter. An einer nahe gelegenen Straßen-Brücke, die den Lindenbahngraben überquert, wird gerade gearbeitet. Die Baustelle ist großräumig abgesperrt, so dass eine Besichtigung einer späteren Tour vorbehalten bleiben muss.

Nach einem weiteren Viertelstündchen frohgemuten Wanderns auf meiner Autobahntrasse quere ich erneut einen „Weg“, der nach rechts gut als Bitumenstraße ausgebaut ist. Hinter Bäumen rechter Hand eine rege Bautätigkeit – der „Euro-Park-Dreilinden“, ein entstehendes Industrie- und Gewerbegebiet. Auch weist ziemlich monotoner Lärm darauf hin, dass ich mich nun der heute tatsächlich betriebenen Autobahn nähere. Von hier an ist die alte Eisenbahntrasse nun auf einer Länge von mehreren hundert Metern von über zwei Meter hohen Abkipphügeln weißen, feinen Sandes überschüttet, der einen Vergleich mit Ostseesand nicht scheuen braucht, so dass ich für diesen Abschnitt den links benachbarten Weg nutze.

Nach links jedoch, also nördlich, schaue ich auf den hellsandigen Querschnitt eines geschütteten aber später wieder durchschnittenen Dammes, eben des Stahnsdorfer Dammes, der an dieser Stelle die Stammbahn überbrückte. Hoch zur „Brücke“ (ohne Brückenbauwerk), zur Abbruchkante, steigt der Stahnsdorfer Damm heute nur als ein Pfad im Dämmerlicht des Waldes. Weiter gen Wannsee zeigt er sich freundlich als eine 3 m breite Asphaltstraße, gesäumt von Eichen.


Die Gedanken gehen zurück an die Zeit der Teilung Deutschlands:

Immerhin ist es uns möglich, ist es uns überhaupt erst wieder seit 1990 möglich, dieses Gebiet zu durchstreifen. Für jüngere Leser oder solche die nicht im Berliner Raum beheimatet sind, hier die Anmerkung, dass dieses Gebiet nicht nur seit 1945, nach Einstellung der Stammbahn brach lag, nein, von 1961 bis 1990 standen auch hier die schier unüberwindbaren Grenzbefestigungsanlagen mit einem breiten Sichtstreifen des Kahlschlages zwischen der damaligen Stadt Berlin-West und dem Bezirk Potsdam der Deutschen Demokratischen Republik. Nördlich der Stammbahn also der West-Berliner Stadtbezirk Zehlendorf mit Kohlhasenbrück und dem großen und dem kleinen Wannsee, dem Nikolas-See, Schlachtensee und Ortsteil Düppel. Zehlendorf-Süd. Im geografischen Süden (also dieser Bereich im politischen Osten), der südliche Griebnitzsee, die Babelsberger Parforceheide, dann Dreilinden, Stahnsdorf, Kleinmachnow, alle Orte damals zum Grenzgebiet gehörend und daher zum Teil nur nach strenger Prüfung, mit sehr eingeschränkt ausgegebenen Passierscheinen betretbar. Und ich laufe heute munter beiderseits wechselnd längs dieser früheren Staaten-Teilungslinie, zwischen den Bahnhöfen Griebnitzsee und Zehlendorf entlang. Noch vor einem reichlichen Jahrzehnt hätte ich hier also überhaupt nicht wandern können. Die Beton-Mauer um Berlin und die Zäune waren zwar damals nach der „politischen Wende“ relativ schnell abgeräumt, doch auch heute ist das Gebiet noch kein ausgesprochener Touristenmagnet. So greifbar nahe am Rande der lauten quirligen Bundeshauptstadt begegne ich keiner einzigen Menschenseele. Nur eine freundliche Blindschleiche, die gute Anguis fragilis, sonnt sich vor mir auf dem Weg.


Der Eisenbahndamm auf dem ich bisher ausschritt, endet in lichtem Mischwald. Die abgeschnittene Böschung senkt sich ab zur heute benutzten Autobahn, deren Fahrzeugverkehr mich brüllend empfängt. Ich befinde mich südlich des Autobahnkreuzes Zehlendorf, nahe der Raststätte Dreilinden, an der „neuen“ Berlin-Ausfahrt der A 115. Vor weniger als zwei Stunden auf historischem Pfad in die natürliche Stille eingetaucht, komme ich in der überlaut erscheinenden Gegenwart wieder hoch. Aber nicht für lange Zeit. Auf der 1997 im wieder vereinten Deutschland neu errichteten Fußgänger-Königsbrücke, kann ich die Autobahn überqueren und schlage mich gleich wieder fort vom königlichen Weg nach rechts in Richtung Eisenbahnspuren in die Büsche, noch einen kurzen Foto-Rückblick auf den vorerwähnten an der Autobahn endenden Eisenbahndamm werfend.


Inzwischen in der Kleinmachnower Gemarkung angekommen, erreiche ich rechts parallel der Trasse, die Straße „An der Stammbahn“, mit den von ihr abzweigenden Wegen, die nach den Komponisten Schubert, Bach, Brahms, Offenbach und weiteren Komponisten benannt sind. Durchs Dickicht dann wieder auf die Trasse, die noch vor einem reichlichen Jahrzehnt „Todes-Mauerstreifen“ war, sich aber heute in diesem Abschnitt als ein lichter freundlicher Pfad zeigt, gesäumt von einem jungen Mischwald, bestehend aus Birken, Kiefern und Robinien. Und die Beine tragen mich immer weiter schnurgerade der Nase nach.

Eine knappe halbe Stunde später kommt menschliches Leben in Sicht! Schon wieder werde ich an eine Grenze erinnert. Allerdings harmlos – nur von zwei Ortseingangsschildern. Ortsgrenzen. Ich, auf den alten Schienen stehend, lese links: Berlin. Bensch-Allee. Den Blick nach rechts wendend: Kleinmachnow, Landkreis Potsdam-Mittelmark, Karl-Marx-Straße. Geradezu genau vor mir, also auf dem unsichtbar gewordenen Bahngelände, ein Wochenmarkt mit pulsierendem Leben.

Nur wenige Schritte hinter dem Markt mit seinem bunten Treiben, parallel zur Berlepschstraße, der frühere Eisenbahn-Haltepunkt Düppel. Unsichtbar. Im Dornröschenschlaf. Richtiger: Mit Robiniendornen bewehrt. Die Bahnsteigkante sichtbar (aber nicht von der Straße aus), das Gleisbett durch aufgeschossene Bäumen gesperrt und von Blättern überdachend verdunkelt. Tiefe Ruhe im quirligen Berlin. Was für ein exotischer Begriff war doch „Düppel“ damals für uns Kinder, wenn die Erwachsenen diesen Namen erwähnten. Unerreichbar – für uns, im Osten wohnend, aus einer anderen Welt kommend. Und heute? Düppel. So nahe. Zum Hinlaufen. Begreifbar. Begriffen. Angefasst. Entzaubert, der verzauberte Bahnhof, an dem ein Prellbock unmissverstehbar Halt gebietet, dessen vom Zahn der Verwitterungszeit zernagtes Holz jedoch nicht mehr geprellt werden möchte.

Mich überrascht, dass die Schienenköpfe hier einen mittigen Abstand von 1.500 mm aufweisen, ein Innenmaß von 1.300 mm und einen Mittenabstand der Holzschwellen von 700 mm. Ist doch seit „Urzeiten“ eine Regelspurweite von 1.435 mm und ein Schwellenabstand von 600 mm üblich. Weiter geht es.

Bald erreiche ich im Gleiskörper laufend, erneut eine Straße. Es handelt sich um die Clauertstraße, die am Bahnübergang mit der früheren Straße 518 spitzwinklig zusammentrifft. Vor einigen Jahren personifizierten die Berliner diese Nummernstraße ehrenhalber zur Robert-von-Ostertag-Straße. Der Namensspender war ein Professor für Veterinärmedizin an der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin und lebte von 1864 bis 1940. Die Namenswahl hat seine besondere Bewandtnis, denn nördlich der Bahnstrecke, über den Königsweg hinaus, bis zur Potsdamer Chaussee, befinden sich Reitplätze, Gestüte und Pferdeausleihstationen, wie auch Pferdeclubs. Direkt hinter der eben überquerten Straße, liegt der Bahnhof Zehlendorf-Süd. In dem Klinkerbau der kleinen Durchgangs - „Empfangshalle“ für die Reisenden, kann man keine Fahrkarten mehr erwerben. Hierin stehen Pferde, vor praller Sonne oder prasselndem Regen Schutz findend. Der Bahnsteig ist gut erhalten. Fast könnte man einen Zug erwarten, würden die hohen Bäume, die im Gleisbett wachsen nicht lehren, doch lieber nicht allzu lange auf eine Bahn zu warten. Die Schilder am Bahnsteig sind noch gut lesbar, wenn auch der vormals weiße Untergrund einem rostigen Braun wich. Einen krassen Gegensatz dazu bilden die modernen (hier liegt die Betonung bitte tatsächlich auf dem „e“, nicht auf dem „o“) Leuchtenkörper an den „Peitschen-Masten“ als Bahnsteigbeleuchtung, gerade so, als würden sie noch täglich ihren Dienst versehen.


Ein Stück des Gleises weiter gelaufen, ragen rechts und links der Strecke mächtige Brückenwiderlager empor, ohne aber dass die Bahnlinie noch von einer Straße überquert würde. Auch von oben geschaut, ließe das in die Umgebung stark abfallende Gelände eine Straßenbrücke nicht zu. Ein einsamer Ort scheint dieses nie vollendete Bauwerk aber nicht zu sein, denn auch hier bunt besprayte Betonflächen und angekohlte Bahnschwellen im märkischen Urwald.

Das nahe Rollen einer S-Bahn kündet kurze Zeit später davon, dass ich die Vergangenheit hinter mir lasse, mich wieder dem lebendigen Teil des städtischen Bahnverkehrs nähere. Vor mir, nur noch von einigen halbwüchsigen Bäumen verdeckt, liegt der Bahnhof Berlin-Zehlendorf. Und die Schienen „meiner“ Stammbahn enden vor dem genutzten Durchgangsgleis, welches ein Weitergehen selbstredend verbietet. Kein Anschluss auf diesem Wege. Ende der vergangenen Zeit. Ende meiner heutigen Spurensuche. Ende der erfolgreichen Spurenfindung an und auf dem kürzesten Weg zwischen Griebnitzsee und Zehlendorf.


Die Linden- oder Friedhofsbahn, zwischen den Bahnhöfen

Berlin-Wannsee und Stahnsdorf

(Zwar später als die Stammbahn gebaut, hat aber auch sie ihre Geschichte)


Meine Kurzbeschreibung – auch eine kleine Geschichte.

Den vorigen Weg spazierte ich als Fußgänger. Heute, am 04. Juli 2001 nutze ich meinen Drahtesel. Diesmal starte ich vom Bahnhof Wannsee aus. Gegenüber dessen Hinterausgang, über die Potsdamer Chaussee hinweg, nutze ich den hier beginnenden Stahnsdorfer Damm, lasse die Revierförsterei Dreilinden links liegen und rolle, als der Stahnsdorfer Damm nach links abbiegt, weiter auf dessen geradliniger Verlängerung, dem Bürgermeister-Stiewe-Weg, entlang. Rechts auf dem Bahngelände mächtige ungenutzte Brückenlangpfeiler, die parallel zu den Gleisen stehen. An dieser Stelle also kam die Linden-Bahn aus dem Gleisbündel des Bahnhofes Wannsee, überquerte die Gleisanlagen und verschwand nach links (südlich) im Forst. Zwischen Stahnsdorfer Damm und der Lindenbahn ein Schießplatz der früheren Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen auf dem Landgut „Eule“ bei Kohlhasenbrück. Erhob sich die Lindenbahn eben noch, die Hauptstrecke überbrückend, hoch über den anderen Gleisen, fährt sie kurz darauf im Wald vorerst ebenerdig und bald darauf in einem tiefen Geländeeinschnitt. Unter dem Königsweg kommt sie dann schon gut unter der respektablen Brücke des Waldweges hindurch. Hier unten liegt auch noch ein Stück Gleis aber oben auf der Waldwegbrücke stehen Kiefern und Birken. Nun könnte die Bahn den Wald verlassen und die Reichsautobahn (die nicht da ist) unterqueren sowie anschließend unter der Stammbahn hindurch, in den Kreuzungshaltepunkt Dreilinden einrollen. Von diesem ist aber, wie oben angemerkt, nicht mehr zu sehen, als eine im Gras verborgene größere Betonplatte. Die Straßenbrücke des Teerofendamms über die Lindenbahn kann ich wegen Bauarbeiten (großräumige Absperrung) nicht besichtigen. Die erste Bushaltestelle in der Straße namens Lindenbahn, die auf Kleinmachnower Gebiet unmittelbar rechts der Trasse verläuft, heißt auch heute noch „Bahnhof Dreilinden“ und kann einen Uneingeweihten ganz schön irreführen – falls er einen Bahnanschluss benötigt und sucht. Dort, wo die Straße namens „Lindenbahn“ endet, biege ich nach links in den Stolper Weg ein, der wider Erwarten wunderschön eben ist, überquere auf der Straßenbrücke den Lindenbahngraben und fahre bald unter der Autobahn hindurch. Das Ende des Stolper Weges führt mich erneut auf den Stahnsdorfer Damm. Ich überquere den Teltowkanal auf dem Weg über die arg desolate Kleinmachnower Schleuse und rolle nach Stahnsdorf hinein.

Bekannt ist, dass die Lindenbahn ursprünglich nicht am Bahnhof Stahnsdorf, am Stahnsdorfer Südwestfriedhof enden, sondern weiter nach Teltow geführt werden sollte. An der Sputendorfer Straße beginnt der Geländeeinschnitt für die Bahn zwischen der Petunienstraße (am Friedhof) und der Geranienstraße. (Es sieht hier inzwischen aber alles völlig anders aus, als noch vor zwei Jahrzehnten, als ich hier wohnte). Damals konnte man im unfertigen Bahn-Graben spazieren gehen, inzwischen hat sich die Vegetation stark ausgebreitet. Nie rollte hier die Lindenbahn nach Teltow, wie es eigentlich geplant war. Auch die anliegende Sputendorfer Straße, damals, vor 20 Jahren, ein Kopfsteinpflasterweg, ist inzwischen mit einem Asphaltbelag und beidseitig angelegten Fuß- und Radwegen ausgestattet worden. Zurück geht es durch den alten Ortskern auf die Potsdamer Allee zu, diese ein Stück gen Osten, bis zur Bahnhofstraße. Trotz dieser Bezeichnung sollten wir wissen, dass auch hier kein Stahnsdorfer Bahnhof mehr zu finden ist. Überall auf unseren Wegen wird als Korrekturmahnung das sonst eher märchenhafte „Es war einmal“ benötigt. Eingebogen in die Bahnhofstraße, liegt links von uns der große Südwestfriedhof der Berliner Synode, dessen Eingang gegenüber sich damals der Bahnhof Stahnsdorf befand. An dieses riesige Friedhofsgelände schließt sich nördlich der Wilmersdorfer Waldfriedhof an. Die Alte Potsdamer Landstraße querend, verfolge ich die Lindenbahntrasse auf einem Waldespfad, der an der Autobahn endet. Unweit davon kann ich aber eine neue Fußgängerbrücke benutzen. (Nur etwa 300 m weiter führt eine Stahlbogenbrücke die Autobahn über den Teltowkanal. Die Lindenbahn wurde früher über eine eigene Brücke über den Teltowkanal geführt, die heute noch steht aber gesperrt ist. Über dieses Brückengerippe hinweg, wäre ich schon bald wieder im „Bahnhof Dreilinden“. So aber fahre ich am Südufer des Teltowkanals entlang. Auf der Nordseite liegt ein Campingplatz. In einem ehemaligen Grenz-Wachturm der erhalten blieb, hat sich ein Café etabliert. An „Albrechts Teerofen“ vorbei, heute keine Pechsiederei mehr (wir denken an die Brüder Albrecht aus Caputh), fahre ich das schattige leicht abfallende Kremnitzufer entlang. Ernst Kremnitz lebte von 1859 bis 1908, war leitendes Mitglied der Teltowkanal-Bauverwaltung. Wie wir wissen, wurde der Teltowkanal, dieses gewaltige Vorhaben, einschließlich der Schleuse in Kleinmachnow, in nur fünf Jahren, von 1901 bis 1906 unter der Oberaufsicht des Landrates des Kreises Teltow, Herrn Ernst von Stubenrauch gebaut. Ihm zur ehrenden Erinnerung hat man auf dem Teltower Altstadtmarkt ein Denkmal gesetzt und auch eine Straße an der Stadtgrenze zwischen Nowawes (seit 1939 Potsdam-Babelsberg) und Berlin, die den Teltowkanal ein Stück begleitet, erhielt seinen Namen. Nun unterquere ich wieder mal eine Brücke, die ebenfalls geplant war für den nie fertiggestellten Autobahn Südwestausgang aus Berlin, die mir aber keinen Aufstieg bietet, um über den Teltowkanal auf dessen Nordseite zu gelangen. Es ist das Ende der großen Autobahnbrücke, die hier in der Höhe am Berliner Bogenschießplatz endet. Das Landgut „Eule“ steht auf einer Anhöhe. Auf dem verhältnismäßig schmalen Teltowkanal müssen die Schiffsführer beim Begegnen recht achtsam sein. Die Straße führt mich zurück nach Kohlhasenbrück, zur Machnower Straße, zur Nathanbrücke und dann zum Bahnhof Griebnitzsee. So schließt sich wieder der Kreis der zwei Besichtigungstouren, der Stammbahn und der Lindenbahn.

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