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Die Stadt Buckow (Ort der Buchen) in der „Märkischen Schweiz“,

im Land Brandenburg, Kreis Märkisch Oderland


Ein Beitrag zur Heimatgeschichte.

Dieser ist vom interessierten Laien für weitere Interessenten zusammengestellt.


Autor und Kontaktpartner für Fragen oder Hinweise: Chris Janecke,

E-Mail: christoph@janecke.name Aktualisiert im Februar 2022

Zu diesem Text gibt es einige Bilder – bitte hier klicken.


Literaturquellen:

1. Ortslexikon 1983, Verlag Böhlow Nachfolger, Weimar

2. Landeshauptarchiv Potsdam: Preußen, Brandenburg. Repositum 37 // 275 // 276 u. a., 3.3

Militaria: Leistungen der Einwohner an die französische Besatzung, 37 // 299: „Die Herrschaft

Buckow“, unter anderem mit dem Einwohnerverzeichnis von 1704.

3. „Gang durch die Jahrhunderte. Einblicke in 750 Jahre Buckower Geschichte“, eine

Begleitbroschüre zur Ausstellung zur Stadtgeschichte und zur Altstadterneuerung.

4. Informationsblatt „Aus der Geschichte der evangelischen Stadtkirche Buckow / Märkische

Schweiz“, Herausgeber: Die Evangelische Kirchengemeinde Buckow.

5. Buch: „Die Märkische Schweiz", Band 1, Buckow, Autor: E. Fuhrmann, E.-Fuhrmann-Verlag in

Buckow, Märkische Schweiz, 1928. Aus diesem Werk werden auch einige Bilder gezeigt.


Zu den Vorfahren des Autors gehören aus der Stadt Buckow u. a

Zugehörigkeit des Ortes:

Vor 1816: Im Oberbarnim liegend (früher auch - zeitweilig - als „Bahrin“ bezeichnet),

1816–1952: Kreis Lebus im Lande Brandenburg

Ab 1952: Dem Kreis Seelow im Bezirk Frankfurt (Oder) zugehörig.

Nach 1990: Im Kreis Märkisch Oderland liegend.


Die Ortsbezeichnung:

Der Name des Ortes bezeichnet in der slawischen Benennung, einen Standort von Buchen.

Daher scheint es auch erklärlich, dass dieser Orts-Name häufiger vorkommt.


Hinweise zur Besiedelung:

Aus der frühen Bronzezeit, um 2000 vor unserer Zeitrechnung, sind uns noch keine Hinweise über eine Besiedlung des Gebietes übermittelt. In der Hoch-Bronzezeit (1600–1300 v. u. Z.) und besonders dann in der Spätbronzezeit (1300–750 v. u. Z.) können wir dagegen schon von einer stärkeren Besiedlung des Gebietes ausgehen. Es handelt sich um Stämme der Lausitzer Kultur: Ackerleute, Viehzüchter, Fischer, Handwerker (auch Bronzemetallurgie) und Jäger. Die Bodenfunde aus diesem Zeitraum bestehen aus Gefäßen in der Gestaltung der Buckelkeramik und der Bänderkeramik für Gebrauchsgefäße und Urnen. Ferner fand man Bronzesicheln, Waffenteile, Schmuck (Armreifen), Gewandfibeln aus Bronze sowie Überreste rechteckiger Pfostenhäuser mit Wänden aus Flechtwerk von Weide und Rohr, mit Lehm beworfen und jener glatt gestrichen.


In der Zeit der Völkerwanderung verlassen sowohl westgermanische Semnonen, als auch ostgermanische Stämme ihr angestammtes Heimatland. In diesen Lebensraum rückten Slawen, so beispielsweise vermutlich aus den Tiefen des späteren Russlands nach.


Um 1225:

Die Grenzburgen für das Leubuser Land, so auch die Schutzburg (castrum) Buckow, werden wohl zu dieser Zeit von dem schlesischen Heinrich I (Henryk), dem Bärtigen, angelegt. Es erfolgt eine dörfliche Ansiedlung (villa Buchowe) deutschstämmiger Menschen, unter der Mönchsherrschaft stehend.

An dem Standort der alten Grenzburg wird viele Jahrhunderte später „Das Warmbad“ für die Einwohner eingerichtet.


nach 1244:

Eine ausgedehntere deutsche Siedlung (praeurbium) entwickelt sich vor der Burg Buckow.


Um 1250:

In dieser Zeit kommt das Land Lebus an Erzbischof Willibrand von Magdeburg und an die brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III.

Man baut in Buckow eine Holzkirche als Gotteshaus für die deutschen Siedler.


1253:

Erstmals erwähnt eine Urkunde, vom 18.04.1253 die Burg als „Villa Buchowe“.

Erzbischof Rudolf zu Magdeburg übereignet die „villam Buchowe“ („Das Dorf“) den Mönchen des schlesischen Klosters Leubus. Mit dieser Urkunde vom 18. April haben wir das heute älteste noch erhaltene Dokument vorliegen, in dem Buckow erwähnt wird.


1300:

Das alte hölzerne Kirchlein wird entfernt und von Leubuser Mönchen ein neuer Granitbau zum Lobe Gottes und für die fleißige Nutzung der Buckower errichtet.

Viel wird an Hopfen und Wein angebaut und allhier auch gut' Bier gebraut.


1375:

Im Landbuch von Kaiser Karl IV. wird eine Praeurbium (Vorstadt von Buckow) erwähnt.

Der Ort Klein Buckow muss an die Herrschaft drei Choros (Wispel) des Humuli (der Hopfenernte) und des weiteren zwei Frusta Geldes geben. Der Anbau von Hopfen floriert mit reichen Erträgen. Deshalb ist hier auch ein Wispel (Hohlmaß) für die Bemessung der Abgaben größer gehalten, als anderen Orts. Eventuell aufkeimende Wohlhabenheit soll mit einem Ordnungsrahmen hübsch in Grenzen gehalten werden!


1400:

In Groß Buckow bestehen 33 Hopfengärten. Das Gebiet des Ortes umfasst 6 Hufen. Die Hufe ist ein variables Flächenmaß. Die Größe der Hufe ist so gestaltet, das von einer Familie eine Hufe bearbeitet werden kann, als auch der Nahrungsmittelbedarf einer Familie von den Pflanzen-Erträgen gedeckt wird. Daher ist die Hufe auf Sandboden größer, als auf ertragreichen Böden mit höheren Ackerwertzahlen.


1405:

Buckow wird erstmals Oppidum (Städtchen) genannt und geht als bisheriger Besitz des Klosters Leubus, nunmehr an den Herrn Poppo von Holzendorf über, der wahrscheinlich ein landesherrschaftlicher Vogt war.

In den Nachbarorten Groß Buckow und Klein Buckow finden wir 50 Brauer, die Stadtmühle mit 2 Mahlgängen, inclusive der Grütz- und Ölmühle, ferner eine Loh- und Walkmühle für die Lederbereitung der Schuhmacher und für das Walken der Stoffe aus der Tuchherstellung. Zusätzlich besteht eine Abdeckerei (Tierkadaver-Verwertung), eine Badestube und die Ziegelei, in der jährlich etwa 50.000 Ziegel für das Bauhandwerk, für den Häuserbau hergestellt werden.


1412:

Der Grundherr von Klein Buckow (mit 10 Hufen Fläche, zu Pritzhagen gehörig), ist Cuno von Ihlow.


1416:

Albrecht von Holzendorf, Sohn des oben genannten Poppo v. Holzendorf, verkauft die Herrschaft Buckow mit Mann und Weib, mit Katz und Maus an Cuno von Ziegesar, deren Sippe mehr als ein Jahrhundert über Buckow bestimmen wird. In der Verkaufsurkunde wird der Ort als „Stetichen“ (Städtlein) bezeichnet.


1432:

Der Ort Buckow wird von den Hussiten geplündert und zerstört. Es handelt sich um eine von Böhmen ausgehende religiös-revolutionäre Bewegung, die nach der Verbrennung des Theologen und Reformators Jan Hus entstand.


Nach 1440:

Man kann über ein Aufblühen der Stadt sprechen. Die Erträge aus dem erfolgreichen Hopfenanbau zum Bereiten des Bieres machen dies möglich.


1465:

Vom Kurfürsten, das ist zu dieser Zeit Friedrich II., genannt: Eisenzahn, wird das Abhalten von Wochenmärkten und zwei großen Jahrmärkten, also Halbjahresmärkten in Buckow gestattet. Das ist sehr gnädig und darüber hinaus recht zweckmäßig.


1527:

In den Akten wird ein „Rat der Stadt Buckow“ erwähnt. Die Bürgerschaft hat diesen gebildet.


1540:

Die Neuordnung der Kirchensachen im Zuge der Reformation.brachte viel neues auch für die Bürger. Jetzt verwaltet der Kurfürst, Joachim II. von Hohenzollern, genannt Hektor, die Kirchengüter. Selbstverständlich gilt nun auch die Stadt Buckow als durchweg evangelisch.


1541:

Der erste evangelische Pfarrer in Buckow ist Thomas Sameland. Seinen Dienst vor dem Herrn und an der Gemeinde wird er bis anno Domini 1577 erfüllen können. Erstmals können die Bewohner die Liturgie verstehen, weil sie nun in deutscher Sprache geboten wird. Ganz einfach und gut ist das – und einige kraftvolle neue Lieder gibt es – von Dr. Martin Luther.


1550:

Buckow erhält ungeachtet aller historischen Benennungen nun offiziell das Stadtrecht.

Die Gewand-Schneider bekommen das hohe Privileg, eine Innung zu gründen, Rechte und Pflichten für die Berufsgemeinschaft festzulegen und danach zu handeln.


1554:

Besitzer von Buckow ist jetzt der Hofmarschall Adam Trott. Keine neuen Freiheiten. Im Gegenteil: Mit ihm zieht eine neue Abgabenlast für die Bewohner ein. An drei Tagen in der Woche ist für die Herrschaft zu arbeiten, außerdem das Mühlenfließ rein und entkrautet zu halten, Holz zur Mühle zu karren, einen Hund für die Herrschaft zu ernähren, Treiberdienste bei den Jagden sowie Bau- und Spanndienste zu leisten. Bisher hatten die Einwohner bereits Hopfenpacht, Gartenzins, Weinbergzins, Ackerzins, Hauszins und Pachthühnergeld zu zahlen. „Nun das auch noch“ – kann man nur sehr leise stöhnen.


1570:

Eine Produktionsstätte für Alaun entsteht bei Buckow. Ein gewinnträchtiges Vorhaben, denn dieses zwiefache Bittersalz aus der Tonerde wird für mannigfaltige Zwecke benötigt: Der Zimmermann streicht damit Balken und andere Holzteile zum Schutz des Holzes gegen Schädlinge und gegen dessen leichte Entzündbarkeit. Der Papierer nimmt es zur Bereitung des Handgeschöpften, dem Gerber bringt es Nutzen bei der Lederbereitung und der Barbier nimmt es genauso wie der Feldscher zum Zwecke der Blutstillung.


1618–1636:

Inzwischen ist Wilhelm unser Kurfürst. Buckow bleibt bisher in dieser Zeitspanne noch weitgehend von Kriegseinwirkungen und Plünderungen verschont.


1628:

Erwähnt werden in den Akten das Städtlein mit seiner Wassermühle sowie der alte und der neue Rittersitz mit seinem Baumgarten und den beiden Hopfengärten.


1633:

Die Stadt Buckow besteht jetzt aus 45 Häusern.


1637:

Buckow wird völlig von der Einwohnerschaft geräumt, die sich in den Wäldern der Umgebung versteckt. Die militärischen Truppen der Schweden und der mitziehende Tross spolieren (plündern) die Häuser, wobei man auch nicht vor den Herrschaftsgebäuden Halt macht. Vor Brandschatzungen schrecken sie nicht zurück.

Ein zu geringer Pflanzenwuchs bei feuchtkalter Witterung ergibt eine schlechte Ernte und zieht die Hungersnot nach sich. Die Menschen der Gegend haben außerdem unter der Pest zu leiden.


1848:

Zwar ist der Krieg zuende aber wir haben auch nicht mehr ausreichend Kraft. Das Land ist verwüstet und verarmt. Drei Jahrzehnte währte er und niemand konnte ihn aufhalten. Trotz alledem: Unser regierender Kurfürst Wilhelm heiratet. Seine junge Frau hat er aus dem schönen gepflegten Holländischen, aus Oranje mitgebracht, wird gesagt. Hierher nach Brandenburg, in diese Wüstenei.


1652:

Die Güter und Höfe, teils verwaist, befinden bei der ersten Erfassung nach dem großen Kriege, der bis 1648 anhielt, in einem schlechten Zustand. Der Verfall der Kultur und die Verrohung der Sitten sind sehr zu beklagen. Mord, Gewalt und Diebstahl sind alltägliche Begleiter des kargen Lebens – in der Zeit, in der eigentlich eher mehr gegenseitige Hilfe und Unterstützung angezeigt wäre.


1654:

Kaum ist unser Ort dabei, sich von den Schrecken des Krieges zu erholen, werden am 16. Oktober von einem gewaltigen Schadensfeuer 36 Häuser in Schutt und Asche gelegt, darunter auch die Schule, die Kirche und das Pfarrhaus. Man muss sich vor Augen halten, dass der größte Teil der Stadt vernichtet ist.


1665:

Eine neuerliche, gar noch gewaltigere Feuersbrunst äschert am 24. April fast die gesamte Stadt ein, die noch nicht wieder völlig aufgebaut war. Es ist davon auch das Grafenschloss betroffen, ferner der Kirchturm, das Pfarrhaus und das Diakonat. Das Rathaus wurde ebenfalls nicht verschont – alle wesentlichen Archivalien werden zum Raub der Flammen, so auch die wertvollen Kirchenbücher – die Aufzeichnungen über unsere Vergangenheit. Vier Personen, unter ihnen auch des Pfarrers Eheweib, kommen in dem Flammenmeer um. Nur 14 Häuser sind noch bewohnbar.


1670:

Buckower Einwohner pachten für eine Erweiterung des Hopfenanbaus einige Landflächen des Pritzhagener Forstes, denn die Buckower Brauleute versorgen schon jetzt 39 der umliegenden Dörfer mit dem Bier als Grundnahrungsgetränk. Es handelt sich bei den gedachten Landstücken im Wesentlichen um feuchte Luchgebiete am kleinen Tornowsee, im Roten Luch, am „Dümpel“, auf der Herrenwiese. Am Sophienfließ ist es die Nonnenwiese, die mit dem Anlegen von Gräben entwässert und in Hopfengartenland umgewandelt werden soll.


1674:

Es heiraten Feldmarschall Heino Heinrich von Flemming und Dorothea Elisabeth von Pfuel, die aus der Uckermark stammt. Sie sind derzeitig die Herrschaft von Buckow – und der Ehemann ist sogar daselbst der Baumeister der Anlage. Die Gartenanlagen werden nach französischer Art angelegt. Sie lassen das Schloss an leicht verändertem Standorte in barockem Stil und mit angegliederten Wirtschaftsgebäuden neu errichten, da der bisherige Bau auch dem Großen Stadtbrand von 1665 zum Opfer gefallen war.


1680:

Die Arbeiten am Schloss-Neubau sind abgeschlossen.

Die Herrschaft stiftet der Kirche die erforderliche neue Gerätschaft für das Heilige Abendmahl.


1686:

Die Kirche geht in erneut Flammen auf. Bis 1688 wird sie repariert und im barocken Geschmacke ausgeziert.

Schlosser, Kleinschmiede, Waffen- und auch Hufschmiede werden privilegiert und sollen sich in einer Innung zusammen schließen.


1687:

Zur Einwohnerschaft von Groß Buckow und Klein Buckow zählen derzeit 45 Bürgerfamilien und zwei Wassermüller. Der Doppelort hat zwei Bürgermeister (die beiden Richter), vier Ratsmänner und vier Verordnete der Bürgerschaft.


1689:

Es wird in Richtung Süden des Ortes die Dahmsdorfer Vorstadt angelegt, weil die Bevölkerung wächst und neue Grundstücke sowie die Häuser mehr des Platzes benötigen.


1690:

Weitere Reparaturen an der Kirche. Die Zukunft weiß, dass der Turm mit seiner Bedachung später noch mehrfache Änderungen erfährt. Die alten Feldsteine finden beim Umbau ihre Wiederverwendung. Baumeister N. Mathias aus Berlin ist mit diesen Bauarbeiten betraut. Dabei wird auch berücksichtigt, hier eine Gruft für die Sarkophage der Herrschaftsfamilie anzulegen.


1694:

Groß Buckow besteht inzwischen bereits aus 67 Familien, die Vorstädte haben insgesamt 58 Familien. Das erscheint aber dann als wenig, wenn wir den gewaltigen Zuwachs bis zum Jahr 1704 betrachten.


1704:

Das Einwohnerverzeichnis nennt derzeitig 203 Einwohnerfamilien. Vermerkt wird in der Aufstellung, wer Grundzins zu zahlen hat und wieviel Dienstgeld zu zahlen ist. Zu den Haushaltsvorständen gehören auch: Michell Abendroth (siehe auch noch aktuell „Der Abendroth-See“), Johann Zwitzer (Switzer), Fridrich Andraen, Friedrich Wilhelm Ebert, Hannß Bergemann, Erdmann Beezing, Matthiaß Bettge, Christian Bollerstäd, Christoph Beerend, Gürgen Burcherd, Andreß Bandow, Jürgen Brad und viele andere. Allein schon der mit uns (Familie Sommer) verwandte Familienverband „Wegen“, ist mit folgenden Familien vertreten: 160. Peter Wegen, 162. Sebastian Wegen, 163. Christian Wegen, 168. Jochim Wegen, 170. Jacob Wegen, 174. Michell Wegen. (Es handelt sich bei der Aufzeichnung um die damalige Schreibweise der Namen, die aber auch variiert.)


1706:

Graf Johann Georg von Flemming übernimmt die Herrschaft über Buckow, wird unser Grundherr.


1709:

Die Kirche erhält eine Orgel, gebaut von Meister Johann Gottlieb Spiess. Sein Vornamens-Vetter Johann Gottlieb Bach, bestätigt ihm ein klangvoll gut gelungenes Arbeitsergebnis.


1715:

Notiz: „Der Pfarrer hat einen Obstgarten hinter'm Haus – nicht gar zu groß“. – Bescheidenheit ist seine Zier – das steht nicht in den Wirtschaftsakten.


1730:

Drei mächtige Strebpfeiler werden zum Stützen des Kirchen-Baues von außen angesetzt.

Groß Buckow und Klein Buckow haben jetzt zusammen 207 Bürger und 14 Hausleute. 221 Seelen.


1738:

Am 04. August tobet grausig ein Orkan. Er verwüstete die Wälder und zerstörte auch Häuser und reisst selbst Bäume in der Stadt um.


1747:

Der Sohn Christoph Friedrich des bisherigen Grafen v. Flemming übernimmt die Herrschaft. Dieser junge Graf zeigt ein ungehöriges, ein anmaßendes Auftreten. Er schikaniert die Bevölkerung, wo er nur kann und drückt ihr noch mehr Lasten auf, deren Gewinne er für sich persönlich verbraucht. Er züchtigt sogar persönlich verschiedene Einwohner körperlich und / oder sperrt diese ein. Vorsichtshalber stellt er zu seinem Schutz sogar eine Schlossgarde von einem Dutzend Bewaffneter auf. Das sind Verhältnisse, die wir nicht verdient haben und wir können kaum etwas dagegen tun.

Das Hirtenhaus / Schäferhaus (in der viel später so benannten Königstraße No. 47) bildet die Ortsgrenze von Buckow, in Richtung des „Friedhofs vor dem Tore“.


1768:

Den 25. Aprilis wird in Buckow Johanne Charlotte Wegen geboren, die später, wenn sie dazu gereift ist, unseren Johann Friedrich Gottfried Sommer heiraten und mit ihm vier Kinder haben wird.


1769:

Wegen eines heißen und minder sorgsam beaufsichtigten Küchenherdes, bricht den 26. Octobris ein großer Flächenbrand aus, dem 57 Häuser in sechs Straßenzügen zum Opfer fallen. Es ist der dritte städtische Großbrand in reichlich hundert Jahren. Von der Feuersbrunst völlig verschont, blieb nur ein Haus, die Wohnstätte von Schülke in der Schulstraße. Zehn Jahre wird es dauern, bis die Wohnhäuser und die Schule wieder errichtet sind. Der Herr Graf war nicht bereit etwas dafür zu tun, bis dass er vom Beauftragten des Königs (Friedrich II.) gezwungen ward.

In dieser Zeit wird auch unser Johann Friedrich Gottfried Sommer geboren.


1777:

Der neue Herrscher über die Stadt ist itzo Generalmajor Heinrich Ludwig von Flemming.

Der nunmehrige Herrscher über Buckow ist des Vorgenannten Grafen Christoph Friedrich von Flemmings Bruder.


1789:

Friedrich Wilhelm von Flemming ist der Name des neuen Besitzers von Gut und Stadt.

In Buckow zählen wir insgesamt circa 170 Feuerstellen. Das sind die für 13 Bäcker, 5 Böttcher,
1 Brunnenbauer, 3 Drechsler, 2 Fischer, 1 Glaser, 2 Maurer, 10 Leineweber, 1 Nadler, 4 Schlächter / Fleischer, 3 Schlosser, 4 Schmiede, 9 Gewand-Schneider, 1 Schornsteinfeger / Essenkehrer,
20 Schuhmacher, 2 Seiler, 7 Stellmacher, 7 Tischler, 3 Töpfer und 3 Zimmermeister, jeweils mit ihren Gesellen und Lehrjungen.


1789–1803:

Die Gutsbesitzerin „Frau von Friedland“ lässt die kahlen Hügel und Taleinschnitte zwischen Bollersdorf und Pritzhagen aufforsten. Sie gestaltet damit die späteren herrlichen Waldbestände dieses Gebietes, in weiter und auch weiser Voraussicht.


1791:

Bei einem gar schrecklichen Gewitter trifft ein Blitz den Kirchturm und dieser brennt ab.


1792:

Gleich nach dem Weihnachtsfest, noch vor dem Jahreswechsel, rücken die Königlichen Gardetruppen aus Potsdam und Berlin gegen das revolutionäre Frankreich aus. „Möge an uns dieser Kelch vorbeigehen“.


1793:

Zwei Jahre lang notdürftig sichernd abgedeckt, kann in diesem Jahr der zerstörte Turm der Kirche neu errichtet werden.

Im Juni muss auch Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere König Friedrich Wilhelm III.) „in das Feld der Ehre“ gegen Frankreich ziehen. Die Notwendigkeit des Feldzuges sieht er, genauso wie die Mehrheit in der Bevölkerung, nicht ein.


1794:

Der Bruder des 1789 genannten Gutsherrn Friedrich Ludwig Heinrich Flemming ist inzwischen der neue Herrscher. Der Schlosspark erhält eine großzügig anmutende, freundliche Umgestaltung nach englischer Art.

In diesem Jahr halten u. a. auch Johann Friedrich Gottfried Sommer und Johanne Charlotte Wegen Hochzeit. Johann ist Zimmermann, allerdings zur Zeit steht ihm der Einsatz als Kanonier, im Dienste des Königs Friedrich Wilhelm II., bevor.


1798:

In unserer Familie wird Marie Friederike Luise Sommer am 30. März in Buckow geboren.


Um 1800:

Baumeister Friedrich Gilly soll das Schloss umbauen – er aber stirbt am 03. August 1800. Statt seiner tritt sein vielseitig begabter, 21-jähriger Schüler Karl Friedrich Schinkel im Jahre 1802 in den Arbeitsauftrag ein.

In unserer Familie wird Johann Friedrich Sommer am 30. Dezember in Buckow geboren. Er wird später in Potsdam ein tüchtiger Schuhmacher-Meister sein.


1801:

Es bestehen in Buckow insgesamt etwa 177 Feuerstellen, darunter die für 9 Bäcker, 4 Böttcher,

1 Feldscherer (Arzthelfer, Heilkundiger, ursprünglich beim Militär), 4 Drechsler, 2 Fischer, 1 Glaser, 2 Maurer, 1 Gutsbesitzer, 1 Hirte, 19 Hopfengärtner, 8 Leineweber, 2 Schmiede, 19 Kleidermacher oder Gewand-Schneider, 2 Töpfer, 8 Rademacher (Stellmacher, Wagner), 2 Zimmerleute, 1 Ziegelstreicher, 24 Schuhmacher, 9 Tischler, 1 Förster, 2 Prediger und 3 Schullehrer.


1802:

Es beginnt nun der schon lange geplante Umbau des Buckower Schlosses. Dieser Umbau wird ein Grundsätzlicher. Es wird ein moderner, solider, ein klassizistischer Rechteckbau mit Walmdach und zwei flankierenden Wirtschaftsgebäuden. Das neue Schloss wird Bestand bis 1945 haben. Zum Ende des Krieges wird das Schloss zerstört werden und die Ruinenteile abgerissen. Für die Bewohner und Besucher der Stadt bleibt die Parkanlage, die sich bis an den Griepensee erstreckt.


Karl Friedrich Schinkel bearbeitet verschiedene aufwändige Aufträge zeitgleich. So hat er u. a. auch den Wiederaufbau des Schlosses Neuhardenberg in seiner Entwurfsarbeit.


1803:

In unserer Familie wird Carl August Sommer am 18. Dezember in Buckow geboren. Er wird später die Profession eines Müllers und Mühlenbauers ergreifen, ein Mühlen-Meister sein.


1805:

Es erfolgt die französische Besetzung. Die Bürger von Buckow mit Grundbesitz, bei denen man sich verspricht „etwas holen zu können“, sind mit Geldbeträgen abgabepflichtig, müssen das französische Lazarett unterhalten. Aus der weiteren Nachbarschaft unserer Familie Sommer, sind das beispielsweise die Familien: 11. Baltz, Klein Buckow, 52. Meister Schirmer, Klein Buckow, 86. Johann Stendike, Klein Buckow, 160. Jacob Wegen, Groß Buckow, 165. Gallaun, Klein Buckow, 168. Gädcke, Groß Buckow. Insgesamt sind im Abgabeverzeichnis aus Groß Buckow 170 Abgabepflichtige aufgeführt; von der Kleinen Stadt sind es acht Bürger. Unsere Familie Sommer zählt nicht zu den Vermögenden, den Grundbesitzenden, hat keine Geldabgaben zu leisten. Prinzipiell aber müssen alle Einwohnerfamilien Abgaben leisten – sei es denn in Naturalien oder durch eigener Hände Arbeit. Beispiele dazu sind im Jahr 1808 angemerkt. Der herrschaftliche Inspektor, Herr Werner, sammelt die Abgaben. Einmal in jeder Woche liefern die Bürger die Abgaben des Ortes an den französischen Kommandanten in Müncheberg ab. Es handelt sich um 21 Taler, die jedesmal, also wöchentlich, aufzubringen sind.

Über die Einnahmen und die täglichen Ausgaben des Lazaretts wird peinlich genau Buch geführt.


Ab 1806:

Den Magistrat der Stadt Buckow repräsentieren in jener Zeit die Herren Walter Rickheim, Kleist und Lachmund.


1807:

In dieser ersten Märzwoche des Jahres 1807 sind die Überbringer der üblichen 21 Taler: Der Schneidermeister Schirmer, der Bürger und Schneidermeister Reychert und der Bürger Herr Loose. An anderen Tagen dienen als Repräsentanten des Ortes der Bäckermeister Fichmann und der Bürger Johan Baltz, der häufiger an der Übergabe beteiligt ist. Von der französischen Kommandantur wird die wöchentliche Übergabe / Übernahme des Geldes schriftlich quittiert. Der Dolmetscher namens Halyberlon ist dabei „hilfreich“.

In diesem Jahr wird in unserer Familie am 05. März, Caroline Wilhelmine Sommer in Buckow geboren. Hier tritt (erstmals schriftlich festgehalten) auf, dass der Vater, bisher Zimmermann und Kanonier – nunmehr Hausmann ist, kam damals als Invalide aus dem Frankreichfeldzug zurück.


1808:

Die Bürger sind zu weiteren Abgaben an das französische Lazarett in Buckow verpflichtet. Die Schrift: „Verteilung der von der Bürgerschaft aufzubringenden Unterhaltskosten ...“ führt auf: Es werden Naturalien gebracht, aber auch Arbeitsleistungen vollzogen und angerechnet, die alle nicht nur genau registriert, sondern auch gleich taxierend in Geldwerte umgeschätzt werden. So geben beispielsweise in der letzten Januarwoche: Carl Schmidt: Brod, die Meister Gutsch und Semmler: Töpfe und Pfannen, Herr Schönbeck bringt Salz, Kerzen, Brennöl, Nägel und Lorbeerblätter. Herr Heller: 13 blecherne Löffel. Meister Conrad: Licht (vermutlich Kerzen), Herr Wagener: zwei Dutzend Löffel, And. Schmidt: Semmeln. Mstr. Gutsch und Semmler: Töpfe, Schüsseln, Teller, Milch, Sellerie und erbringen die Leistung des Holzhauens, Herr Rickheim liefert 6 Quart Milch und Schreibe-Materialien, Seife, Wachholderbeeren, zwei Besen, eine Metze Salz, Kien zum Feuer anmachen.

Im Februar geht es weiter: Leistungen der Waschfrau Borchert, von Georg Lucas eine messingne Schöpfkelle und ein Pfund Licht. Witwe Dabergotz diente mit 13 Tagen Aufwartung, ebenso Frau Gadiek. Witwe Schultze gab eine Stiege Erdtoffeln und einen Nachtstuhl, Carl Kreyde eine Metze Erbsen, Carl Wendt: Anrechnung für Arbeiten im Hospital und er gab einen Nachtstuhl mit Deckel – so geht das täglich in den Jahren 1805 bis 1809 und oft ist nichts mehr da, was man noch aus Haus und Garten fortgeben könnte.


1809:

Erneut eine sehr traurige Nachricht: Nüchtern weist das Buckower Kirchenbuch aus, dass (unser Vorfahr) Johann Friedrich Sommer am 19. Februar, im 40. Lebensjahr verstarb. Zutiefst traurig ist auch die nächste Mitteilung, dass Hanne Charlotte Sommer, geb. Wegen, also seine Ehefrau, am 30. März nun ebenfalls verstarb und die vier Kinder zwischen 2 und 11 Jahren ihres Lebensalters, plötzlich Vollwaisenkinder sind.

Weitere Hinweise zur Familie und auf die Besatzungszeit findest du auf der gleichen Internetseite www.janecke.name im Inhaltsverzeichnis unter Lebensläufe und dort beim Ehepaar „Sommer oo Wegen“.


1812–1815:

Auch Söhne der Stadt Buckow nehmen an den Befreiungskriegen gegen die napoleonischen Truppen teil. Versprengte französische Soldaten ziehen auf dem Rückweg aus Russland auch durch unser Gebiet. Mehrere Streiter aus der „Grande Armee“ sind im „Franzosengrund“ begraben.


1816:

Friedrich Ludwig Heinrich von Flemming gibt den Besitz weiter an Ritterschaftsrat Chr. Adolf Bogislaw von Flemming, als den nunmehrigen Herrn von Buckow. In diesem Jahr, nach dem Wiener Kongress, werden die benachbarten Orte Groß Buckow und Klein Buckow zu „Buckow“ vereinigt.


1818:

Buckow wird als „Flecken“ mit inzwischen 207 Feuerstellen bezeichnet.


1820:

Eine Akte nennt Buckow das „Adlige Mediatstädtchen“.


1829:

Vor der Stadt wird auf der Fläche der früheren Maulbeerplantage, ein neuer Friedgarten oder Gottesacker angelegt.


1833:

Der künftige Herr auf Buckow heißt Leo Adolf Wilhelm von Flemming.


1848:

Zur Zeit der Revolution herrscht über uns Albert von Flemming.


1850:

In der Zeitspanne zwischen den Jahren 1800 und 1850 steigt Buckows Einwohnerzahl von 1.075 Menschen auf 1.620 Bewohner, die in 212 Häusern leben.

Das Schulhaus wird durch Brandstiftung vernichtet.


1854:

König Friedrich Wilhelm IV. besucht Buckow. Vom 12. bis 16. September weilt er im Grafen-Schloss. Sein Leibarzt hatte ihm den Ort an Herz und Lunge gelegt, mit den Worten: „Majestät, in Buckow geht die Lunge auf Samt“. Die Einfahrtstraße für den Empfang des Königs war aber (genau wie die Kasse der Stadt) in einem so schrecklichen Zustand für die mäßig gefederte Kutsche, dass man vorsichtshalber fußhoch Sand zum Egalisieren aufschüttete. Dieser Zufahrtsweg wurde aus jenem Anlass dann später „die Königstraße“ geheißen.



1861:

Buckower Sportbegeisterte gründen in diesem Jahr den Turnverein „Concordia“, was schon vom Namen her Einigkeit, Eintracht, frohes und faires Miteinander verheißt.


1862:

In diesem Jahr weilt unser bekannter märkischer Dichter und Schriftsteller Theodor Fontane hier. Auch er findet das Straßenpflaster noch immer ganz schrecklich und beklagt das Fehlen von Bürgersteigen / Gehwegen. Für ihn, den „Wanderer durch die Mark“ in der Kutsche, hat niemand Sand gestreut., wie einst für den König.


1866:

Von den Buckower Söhnen die gegen die Österreicher zu ziehen hatten, mussten vier ihr Leben im Felde lassen.


1870 /1871:

Wir stehen in einem Krieg gegen Frankreich. Dieser endet, mit größeren Verlusten an Menschen auf beiden Seiten, siegreich für Preußen.

Das Preußische Königreich wird nun um ein aus vielen Fürstentümern entstandenes Deutsches Reich vermehrt – unter einem deutschen Kaiser – Wilhelm I. und unter der Regie „des Schmiedes durch Blut und Eisen“ v. Bismarck zusammengefügt.

Neun Bürger der Stadt Buckow gaben dafür im Kampfe fern der Heimat ihr Leben.


1875:

Eine grässliche Scharlachepidemie rafft viele Kinder unserer Stadt als Opfer dahin.


1884:

Die Brüder Edmund Friedrich Ferdinand von Flemming und Karl Hans Adolf Felix von Flemming, bilden mit ihren Familien die neue Herrschaftsgeneration von Buckow und behalten diese für die nächsten 16 Jahre.


1885:

Wegen der Einsturzgefahr muss der Kirchturm (errichtet im Jahre 1793) abgetragen werden.


1887:

Ein neuer Turm für die Kirche wird hochgemauert. Dieser Bau gilt als unsere ewige Sparbüchse.


1888:

Das Drei-Kaiser-Jahr. Der Kaiser ist tot – es lebe der Kaiser!

Der betagte Kaiser Wilhelm I. ist nicht mehr. An dessen Stelle tritt sein Sohn Friedrich (Kaiser Friedrich III.), von dem und dessen Frau, der Kaiserin, sich das Volk mehr Liberalität erhofft hatte. Doch diese Regierungszeit währt nur 90 Tage, weil der Kaiser an Kehlkopfkrebs erkrankt ist und im gleichen Jahr stirbt. Ihm folgt ”nach gottgewollter Ordnung und von dessen Gnaden“ der Sohn als Kaiser Wilhelm II., der Deutschland in den Ersten Weltkrieg führen wird. Dieser wird der letzte deutsche Kaiser der Neuzeit sein.


1890:

Ein neues Rathaus braucht die Stadt! Nun ist der Baubeginn in der Berliner Straße, unweit entfernt von der Apotheke und dem Postamt.


1891:

Nachdem der Innenraum der Kirche erneuert wurde, erhält das Gotteshaus eine neue Orgel, von der Orgelbaufirma Sauer aus Frankfurt an der Oder gebaut. Am 20. Dezember findet der Weihe-Gottesdienst statt.


1896:

Pünktlich zum Schuljahresbeginn wird die Märkische-Schweiz-Schule, nahe am Buckowsee gelegen, eröffnet. Sie dient einer angemessenen höheren Schulbildung, wie die neue Zeit sie erfordert. Es ist eher eine „Familienschule“ kleinerer Schüleranzahl, in der auch Französisch, Englisch aber die Altsprachen Latein und Griechisch unterrichtet werden. Angeschlossen ist ein Wohnheim für Knaben. Außerdem besteht die Elementar-Stadtschule.

1897:

Eröffnung der schmalspurigen Buckower Kleinbahnstrecke am 26. Juli. Ein großes Volksfest! Ein Spektakel! Eine Verkehrsverbindung von der Ostbahn Berlin-Frankfurt (Oder) nun mit dem Kleinbahnabzweig Müncheberg – Dahmsdorf – Buckow. Das ermöglicht einen neuen Aufschwung durch Berliner Erholungssuchende, so erhoffen wir es. In früheren Zeiten brachte der Hopfenanbau Buckow zur Blüte, im Obst- und Gartenbau sind wir erfolgreich, weniger dagegen im Ackerbau, dem Fisch-und Krebsfang. Aber nun die Bahnstrecke – sie wird uns hoffentlich viele zahlende Luftschnapper bringen.


1900:

Die Herrschaft über Buckow obliegt jetzt dem Dr. der Jurispondenz, Herrn Hans von Flemming.


1901:

In dieser Zeit ist ein verstärkter Bau von Erholungsheimen, Hotels und Pensionen wahrnehmbar. Diese große Entwicklung beschert uns die Eisenbahn – auch wenn es nur eine kleine gemütliche Schmalspur-Kleinbahn ist. Man merkt schon auf der Fahrt, dass man der Erholung entgegen rollt.


Viel mehr, als man wohl gemeinhin erwartet, können wir den Gästen bieten. Es ist nicht allein die Schönheit des Ortes – die herrliche Umgebung bietet dem Auge, ach, allen Sinnen, gar mannigfaltige Reize. Denken wir allein an sie Wege und Steige zu möglichen Wanderzielen wie zum Abendroth-See, zur Bollersdorfer Höhe, zum Botzelberg, dem Dachsberg, dem Griebelpfuhl, zur Güntherquelle (benannt nach Graf G. von Itzenplitz, der am eisenhaltigen Quellwasser genau).

Es bietet sich der Weg zur Ferdinandshöhe und auch ein Gang zur Fischerkehle. Man beachte die große Frühstücks-Eiche und die Königseiche – sie können als wahre Naturwunder gelten. Wenige Minuten sind es bis zum Luisenberg.

Die Marienquelle ist ein Born zum Erquicken. Tüchtige Wanderer gehen bis nach Pritzhagen (Gasthaus – früher Wasser-Mühle, mit Teich sowieso) oder gar bis nach Neuhardenberg. Die Reichenberger Höllenschlucht weckt das Interesse, ebenso die Schwarze Kehle, die zum Schwarzen See führt. Die Silberkehle verdankt ihren Namen dem Glimmerweg, der im Sonnenschein leuchtet. Hier finden wir auch den Bergbach, über den uns die Teufelsbrücke geleitet.

Das Stobberfließ sehen wir im Stobbertal auf Schritt und Tritt. Es durchquert ungesehen den Buckow-See kreuzt Stadtzentrum und Park, verliert sich scheinbar im Griepensee, um aus diesem in nordöstlicher Richtung, etwa gen Pritzhagen, wieder auszutreten.

Auch der Tornow-See lädt zum wilden Bade. Die tausendjährige Linde ist eine Besichtigung wert.

Schon etliche Besucher betrachteten staunend die Wurzelfichte. Erwähnen wir vorerst nur noch den Weißen See und die Wolfsschlucht. –

Der Schilder-Maler ist fleißig am Werke um den Gästen die Wegestrecken recht sinnfällig zu weisen. Man sollte sich schon eine Reihe von Erholungstagen vornehmen, um vieles erfassen zu können, ohne dabei Körper und Sinne zu sehr zu beanspruchen.


Der Kirchturm wird mit Liegnitzer Verblendziegeln umkleidet – wieder eine dringend erforderliche Maßnahme.


1905:

In Buckow wird die Freiwillige Feuerwehr gegründet. Das wurde aber auch hohe Zeit.


1907:

Buckow erhält ein Elektrizitätswerk „für Licht und Kraft“. Das „Herz“ dieses Werkes ist eine Lokomobile, in die, hier wesentlich vereinfacht gesprochen, vorne die uralte Kohle hineingeschüttet wird und hinten der moderne neue elektrische Strom herauskommt. Eine helle Zeit zieht in Buckow ein. In den Haushalten gibt es schon bald weniger Petroleumfunzeln und Kerzen, denn Glühbirnen und sogar einige Straßenzüge werden mit dem elektrischem Licht der Laternen orientierend erhellt.


1911:

Der Beginn des Baus eines Seebades am Schermützelsee hat begonnen. Die Örtlichkeit liegt in schöner Nähe zum Zentrum der Stadt, mit breitem Strand feinkörniges Sandes, der sanft-mählich in die Untiefe des Wassers führt. Der Besucher findet hier kristallklares Wasser. Der See wird von mehreren wärmeren Quellen gespeist, von denen auch Radium ausgeht, was einer Heilung so mancher Mißliebigkeit dienen kann. Unsere Umkleidekabinen gestatten es die Badeanstalt sogar für eine gemischte Besuchergesellschaft zu betreiben. Die Besucher können den Aufenthalt einzeln in sichtschützenden geschlossenen Badezellen genießen oder sich im Freibad ergehen. Das Freibad ist im allgemeinen Interesse der Sittlichkeit vor möglichen frivolen Blicken von außerhalb, vermittels eines hohen dichten Bretterzaunes geschützt. Wir teilen den angedachten Gästen auch mit, dass die Stadt als Badekommissar zur Besucherbetreuung wohlweislich einen älteren, bereits abgeklärten Mann vorgesehen hat, der über alle Anfechtungen erhaben ist. Umfangreiches Strandmobiliar kann tageweise bis monatelang gemietet werden.

Somit gehen die Angebote Buckows über jene eines einfachen Luftkurortes weit hinaus.

Nach der Gestaltung des Seebades Wannsee im Kreis Teltow, nahe Potsdam, im Jahre 1907, gilt das wohlgestaltete Seebad Buckow gewiss als das modernste, dass wohl kaum den reichen Ostseebädern nachsteht.


Des Weiteren bietet die Stadt während der Sommer-Saison Konzerte, Reunions, Vorstellungen des Kurtheaters, die Lesehalle, die Plätze für Liegekuren – aber auch für einen Winteraufenthalt ist Buckow sehr zu empfehlen – für alles ist Sorge getragen.


1914–1918:

Der derzeitige Schlossbesitzer Herr Dr. Hans v. Flemming stellt das Anwesen für die Zeit des Krieges der Nutzung als Lazarett zur Verfügung. Jeden im neuerlichen Krieg gefallenen Buckower Mannes wird in einem Gedenk-Gottesdienste gedacht. Am Ende des Krieges werden es 64 Söhne der Stadt sein, die ihr Leben verloren. Wofür – fragt man sich – hört das denn niemals auf?


1917:

In diesem Krieg müssen die beiden Bronze-Glocken der Kirche abgegeben werden. Diese werden als Metall für die Kriegsmunition eingeschmolzen und anschließend nach Frankreich verschickt.


1919:

Nach dem Krieg verpachtet man das Schloss Buckow an den aus Potsdam stammenden Grafen v. Dohna-Schlodien.


1920:

Die Stadt kauft eine Mühle auf. Nein, es geht nicht um die Mehlherstellung – die Bereitstellung von Elektroenergie soll stabilisiert werden, mit der Kraft des strömenden Wassers. Der Bedarf an Elektroenergie wächst rasant an ... und die Suche nach weiteren Energiequellen ist damit nicht beendet.


1921:

Im Gebäude der Stadtschule wird zusätzlich eine ausbildungsbegleitende Fortbildungsschule (Berufsschule) eingerichtet. Anfangs lernen hier 60 Schüler die theoretischen Grundlagen zum praktischen Handwerk.


1922:

Als Ersatz für die beiden 1917 eingezogenen wohltönenden Bronze-Glocken, erhält die Buckower Kirche drei Glocken aus Stahl.


1923:

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, der Inflation, wird Herr Albrecht Krebs neuer Bürgermeister der Stadt. Zu seinen Erfolgen zählen unter anderen vollendeten Vorhaben:

Die große Inflation bringt viele Menschen an die Grenzen der Existenzmöglichkeiten Mit dem Erlös aus Theatervorführungen wird armen Menschen etwas aufgeholfen. Die Ergebnisse von Wohltätigkeitssammlungen sollen für die Lebensmittelbereitstellung eingesetzt werden, doch Geld allein zählt bald nichts mehr.

Ein im November '23 bestehender „Schatz“ von beispielsweise 10 Billionen Papiermark wird zum Jahresende auf 10 Goldmark = Rentenmark umbewertet. Die Inflation ist zu Ende.


1924:

Die Buckower Stadtväter möchten in der Ortsmitte, auf dem Marktplatz, gern einen repräsentativen Brunnen installieren. Für den baulich-künstlerischen Entwurf konnte der Geheime Oberbaurat Zeyß gewonnen werden. Die handwerkliche Ausführung lag in den bewährten Händen der Kunstschmiede-Fachleuten von der Fa. Schulz & Holderfleiß aus Berlin. Am 13. Juli wird auf dem Marktplatz der Brunnen unter lebhafter Teilnahme der Einwohner feierlich eingeweiht. Das Wasser fließt, solange man mit dem Handschwengel pumpt.


1925:

Der Ort dient dem Allgemeinen Deutschen Automobil Club (ADAC) für das Buckower Dreieckrennen. Das ist ein dreieckiger Kurs von 12,5 km Länge für die Klassen: Motorräder, Motorräder mit Beiwagen und Automobile. Am 4. Oktober findet das große Spektakel statt, dem Erkundungs- und Trainingsläufe vorausgingen. Nicht völlig frei bleibt das große Rennen von Unfällen und technischen Pannen – so ist das Leben.


Das aber ist bei weitem nicht alles, was der Bevölkerung und ihren Gästen, sehr viele davon aus der nahen Stadt Berlin, geboten wird. Das gesamte Jahr über wechseln Schützenfeste, Siegesfeiern, Heldensoldatengedenken, Kaisers Geburtstag, Kaisers Regierungsantritt vor ... Jahren, der Luisengeburtstag ... einander ab. Ebenso machen von sich reden – der Kriegerverein, die Sanitätstruppe, der Wintersportverein, der Turnverein, der Verein der Gastwirte und nicht zuletzt auch der Bürger- und Verkehrsverein ...


1926:

Die Stadt ist inzwischen auf 2.630 Einwohner angewachsen, die in 400 Häusern leben ... und der Strombedarf steigt stets und ständig. Ein Dieselmotor mit einer Leistung von 100 Pferdestärken wird angeschafft und mit einem Generator gekoppelt, um dem Elektrobedarf auch in Spitzenzeiten zu decken. –

Der Wintersporttag wartet mit einigen Attraktionen auf. Dazu gehören unter anderem der Skilanglauf über ein 15 km-Distanz und auch Skisprünge vom neuen Hügel. Dabei wurden tollkühne Sprungflüge von ohngefähr 20 Metern! erreicht und gar übertroffen. Alle Achtung!


1927:

Unsere Schmalspurdampfbahn erfährt eine tiefgreifende Veränderung. Sie wird auf die Normalspurweite von 1.435 mm Schienenmittenabstand umgerüstet. So brauchen die Fahrgäste sich nicht mehr ängstigen, dass der Waggon kippen könnte, wenn sie nur einseitig die Fensterplätze belegen.


1929:

Schon wieder eine große Neuerung! Am 14. Mai wird der Elektro-Bahn-Betrieb aufgenommen, was einen Wechsel der Lokomotive bedingt. Nun dürfen die Touristen-Damen unbesorgt und unbeschadet sogar in weißen Kleidern kommen und auch den Herren scheuern die Rußpartikel nicht mehr im Hemdkragen. Die Stadt blüht immer weiter auf. Das ist sehr gut so.

Der Stadt Buckow wird die Zusatzbezeichnung „Bad“ verliehen. Man kann also nun zur Kuranwendung nach Bad Buckow fahren. Wie stolz das doch klingt.


1929–1945:

Auch in der schweren Zeit der Naziherrschaft ist Erich Andler Pfarrer in Buckow.


1931:

In Buckow werden 2.300 Einwohner gezählt.


1945:

Die sowjetische Rote Armee marschiert am 19. April in die Stadt ein. Eine Anzahl von Häusern, so auch die historischen Bauten der Schulstraße gehen bei Kämpfen verloren. Das Schloss wird zerstört. Die Kirche fällt am 01. Mai einem Brand zum Opfer. Ihre Glocken stürzen hernieder und zerspringen.


1948:

Die Ruinen des Schinkelschen klassizistische Buckower Schlosses und der Wirtschaftsgebäude werden in diesem Jahr abgetragen.


1949:

Die kleine Gemeinde der Hasenholzer Gläubigen spendet der Kirchengemeinde Buckow eine ihrer Bronzeglocken. Diese gilt vielen der Unsrigen unter den neuen Verhältnissen als ein guter Trost, für den wir dankbar sind.


1951:

Die Kirche kann nach der Instandsetzung, ab 08. April wieder genutzt werden. Von ihrer barocken Gestaltung ist nichts mehr vorhanden. Sie ist jetzt ganz sachlich, bewusst schlicht gehalten. Das steht ihr gut und scheint der Zeit angemessen.


1953:

Der Bau der Katholischen Kirche in der Lindenstraße wird geweiht.


1956:

Unsere Kirche erhält von dem Orgelbaubetrieb Eule aus Bautzen einen neuen Klangkörper.


1957:

Die Flächenausdehnung für ein 40 km² großes Landschaftsschutzgebiet wird festgelegt.


1960:

In diesem Jahr wird der Kirchturm mit einer großen Uhr ausgestattet.


1964:

Nun lässt auch ein frischer Außenputz die Kirche in neuem Glanz erstrahlen.


(1967)–1993

Buckow besitzt einen Elektro-Triebwagenzug, der von der Oberleitung gespeist wird.


1972:

Die Bertold-Brecht-Schule wird errichtet. Natürlich gibt es auch das Bertold-Brecht-Haus.


1977:

Das Haus von Bertold Brecht und Helene Weigel am Schermützelsee, wird als Gedenkstätte deklariert. Eine Straße trägt den Namen Bertold Brechts.


1989:

Das Kirchendach kann in diesem Jahr mit Kupferblech neu eingedeckt werden.


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Nachbemerkungen:




- vorläufiges Ende der Aufzeichnungen zur Chronik -

Vielen Dank für die Geduld beim Lesen der Notizen zur nicht völlig halbamtlichen Stadtchronik.

Über eventuelle Ergänzungen und Berichtigungen der Notizen und Hinweise zu den genannten Personen, ist der Autor stets erfreut.

Nun aber ganz privat:

Als Zugabe für das tapfere Durchhalten beim Lesen des Stoffes, darf der nun folgende Bericht des fünfeinhalbjährigen Chris J., einem Nachkommen dieser Buckower Sommer-Familie, gelesen werden, dem sich im Jahre 1951 die Gelegenheit bot, in Buckow seinen „Urlaub“ zu verbringen.


Ein Urlaub in der Schweiz

Gleich nach der Maifeier reisen wir mit Mutti von Potsdam-Babelsberg nach Buckow in die Märkische Schweiz. Nein, richtiger ist zu erwähnen, dass erst einmal die gesamte Familie fährt, denn Vati und Tante Käthe, bringen uns bis zum Bahnhof Strausberg, wo wir umsteigen müssen und dort kehren die beiden zu ihrer Babelsberger Arbeit zurück – aber für uns beginnt der Urlaub jetzt so richtig. In Buckow am Bahnhof angekommen, müssen wir uns erst einmal nach dem Weg zu unserem Quartier erkundigen. Mutti fragt eine ältere Frau mit Kopftuch, so nach der Art der Trümmerfrauen gebunden und geknotet. Unsere Unterkunft ist nicht schwer zu finden, denn Buckow ist keine Großstadt: Vom Bahnhof ein Stückchen geradeaus, dann die Neue Promenade hinunter, links in die Königstraße hinein und dann, vor Pfarrhaus und Kirche gleich wieder nach rechts in die Wallstraße. Na bitte. Dort ist es dann das vierte Haus auf der rechten Wegesseite. Wir wohnen für die Ferientage im Hause der Familie Schoene in der Wallstraße 4, das sind Frau Schoene, „Schwester“ sollen wir zu ihr sagen, mit ihren Kindern Siegfried und Kriemhild und den zwei weiteren Geschwisterkindern mit Familiennamen Michel, die, es ist ganz traurig, überhaupt keine eigenen Eltern mehr haben. Die Gastgeber: Siegfried und Kriemhild sowie ihre Schoene-Mutti, stammen aber nicht aus Xanten vom Unterrhein, wie die echten aus der Nibelungenlied-Sage, sondern waren aus irgendeinem Grund aus Sachsen hergereist und blieben hier, vermutlich, weil es in Buckow so schön ist.

Die Ingrid der beiden Michel-Geschwister wird uns etwa ein Jahrzehnt später als junge Frau, als angehende und sehr berühmt werdende Opernsängerin wieder begegnen. Aber das wissen wir natürlich jetzt noch nicht. Dazu ist einfach die Zeit noch nicht reif.

Familie Meinel aus Potsdam, ist im gleichen Hause und zur gleichen Zeit wie wir zu Gast. Das heißt: Mutter und Kinder machen Urlaub, genauso wie wir aber der Vater Meinel hat noch eine kirchliche Jungengruppe zu betreuen. Er also hütete derweil „einen Sack Flöhe“, wie es der Volksmund mitunter nennt und er soll dabei ein strenges aber gerechtes „Regiment" führen.


In der Wallstraße 4 geht es zum Hauseingang der Schoenes vier Steinstufen hinauf. Hochparterre. Unsere Unterkunft ist so richtig einem Landurlaub angemessen: Wir haben ein hübsches Stübchen unter dem Dach, genauso wie die Meinels, jene aber auf der anderen Seite des Treppenpodests. Wir müssen, um zum Zimmer zu gelangen, die etwas knarrende Holztreppe im Halbdunkel hinaufsteigen. Die Mahlzeiten nehmen wir aber gemeinsam unten in der Küche ein. Der Küchentisch ist mit einer Wachstuchdecke belegt. Über dem Küchentisch hängt von der Lampe spiralig ein langes Fliegenfängerband herab. 100 cm lang, 4 cm breit, mit braunem Kleber bestrichen. Eine Zelluloid-Falle, die Lockdüfte ausdünstet. Also mich lockt es nicht an aber die armen Fliegen dagegen sehr!

Aufmunternd wirkt dagegen das Schoene-Geschirr mit dem herrlich rustikalen Bauernmuster, mit frischen, kräftig farbigen Blumen. Auch die neuen weißen Keramiktrinkbecher mit bunten Bildern geschmückt, die Mutti für uns besorgt und eingepackt hat, sind eine Überraschung. Morgens gibt es Milchkafe. Buttermilch schmeckt aus den Bechern aber besonders gut, doch abends den Kräutertee, gibt es wieder in Henkeltassen.


Viel haben wir uns vorgenommen – vor allem aber: Tüchtig erholen wollen wir uns. Das ist hier unsere wichtigste Aufgabe.

Und wandern will Mutti mit uns und dabei viel singen. So etwa wie eine Lerche, befreit von der Alltagslast, in den Himmel tirilierend. Schöne Wege gibt es ja genug, hat uns Frau Schoene berichtet. Und viel erfrischende Waldesluft, für die schon früher die Freifrau von Friedland weise vorausschauend gesorgt habe, indem sie die Wälder anpflanzen ließ. Das aber ist schon lange her, eben etwa so lange, wie die Bäume groß sind.

Bei trockenem Wetter und Sonnenschein geht das frohe Wandern, hinein in diesen warmen Monat Mai, auch sehr gut. Wie Ihr ja wisst, brauchen wir uns nur aus dem Haus die Wallstraße nach rechts über die Wallgrabenbrücke bewegen, also auf dem Weg, an dessen Zäunen viel Hopfen wuchert und auch die Brennnessel sich heimisch fühlt und schon ist man im Park, der früher, also noch vor ein paar Jahren, Schlosspark hieß. Ein Grafen-Schloss gibt es hier seit sechs Jahren nicht mehr, nur noch ein paar Ruinenreste. Viel schöner ist der Stobber-Bach, der sich vom Griepensee kommend, am Park entlang zwischen Wald und Wiese, vorerst Richtung Marktplatz zur alten Wassermühle schlängelt. Ein helles, schnell fließendes und klares Gewässer, gerade fuß- bis wadentief, so dass man ganz herrlich darin spielen kann. Am Boden glitzern und gleißen die perlmuttbeschichteten Muschelstückchen im Sonnenschein. Unsere preußische Mutti muss gleich anstimmen: „... I hab daraus getrunke, gar manchen frischen Trunk, i bin net alt geworde, i bin noch allzeit jung.“ In dieser Art wird im Schwabeland angegebe! Zumindescht singt dasch ihre dort lebende Freundin so, mit einfach abgehackten Worten und unsere Mutti hat es sich aus lauter Freundschaft auch gleich angenomme. Ja, im Urlaub (und mit braven Kindern), kann man sich eben noch jünger fühle. Wir kennen den Text und die melodische Weise natürlich selbstmurmelnd auswendig – es ist das Lied, welches so komisch mitten im Satz anzufangen scheint: „ ... Und in dem Schneegebirge, da fließt ein Brünn'lein kalt“ ... kennt ihr es auch?

Auf verschiedenen längeren Spaziergängen und auch auf kürzeren Wanderungen begleitet uns gern die freundliche alte Hausdame der Familie Meinel. Die Frauen haben sich immer etwas zu erzählen. Wir hüpfen, springen und hopsen dann eben etwas langsam-gesitteter.


Wir erleben wohl in jeder Ferienstunde etwas Neues, besuchen den nahen Griepensee und wandern auch zum Buckowsee durch den Erlenbruchwald, in dem auch einige Birken zu sehen sind, wo im Unterholz der Faulbaum und die Schwarze Johannisbeere wachsen. In Ufernähe und dort, wo das Licht ausreicht, finden wir Farnkraut und Wasserschwertlilien. Mit etwas Glück sehen wir den herrlich metallisch blau glänzenden Käfer, der die Erlen so sehr mag. In den Bäumen wohnen Stieglitze und Zeisige. Und auch die Libellen halten sich mit ihren Kunstflügen gerne in der Nähe der Bäche auf.


An einem anderen Tag laufen wir entlang des Flüsschens Stobber zur Güntherquelle und darüber hinaus in Richtung Tornowsee. Auf dem Rückweg haben wir ein Stück vor der Malzmühlenbrücke ungewollt Störche gestört, die auf dem Weg ihr Abendessen suchten – vielleicht zum Beispiel diese Nacktschnecken, denn wer kalte, labbrige Frösche speist, hält vielleicht auch etwas von diesen kaltblütigen „Köstlichkeiten“. Der Stobber-Bach schlängelt sich fußtief durch den Wald, bildet Buchten und formt Sandbänke. Die stark hüglige Landschaft zeigt je nach Feuchtigkeit des Bodens, wechselnde Waldbaumarten.

Aha, und so ungefähr sehen also auch die Alpen in der fernen Schweiz aus, die nicht ganz so märkisch ist wie diese hier?


Zum größten See, das ist der Schermützelsee, ist es ein bisschen weiter. Wir besuchen dort mal die Badeanstalt. Das ist da nicht ganz so romantisch. Aber es gibt noch mehr Seen, wie den Abendrothsee in der Nähe der Mühle (nur weil ein Mann „Abendroth“ hieß, hat der See diesen Namen) und es gibt ferner den Weißen See, in dem sich ebenso mal das Abendrot spiegeln kann. Natürlich zeigt uns Mutti auch den Kurpark zwischen dem Schermützel- und dem Buckowsee, in dem sie ebenso fremd ist, wie jener für uns neu. Dorthin gelangt man einfach, wenn man durch den Park, über die (Schloss)-Parkbrücke, vorbei an der Wannen-Warm-Badeanstalt und über die Stadtmühlenbrücke erstmal in Richtung Freibad läuft.


Wenn man noch müde vom Wandern ist oder sich das Wetter regnerisch zeigt oder das Gras am Morgen noch feucht vom Tau ist, soll man erst mal besser in der Stadt bleiben. Dann läuft es sich in der Natur nicht so gut. Oder verständlicher gesagt: Es läuft sich dort sehr schlecht. Nehmen wir nur alleine unseren Wallweg in Richtung Park durch den kühlen Grund. Mit schwarzen Nacktschnecken ist der Weg dann wie übersät, so dass ich gar nicht weiß, wohin ich beim Laufen meine Füße setzen soll. „Der Schneckenweg“, so wird das letzte Stück der Wallstraße von mir genannt. Aber eigentlich gibt es davon viele. Hoffentlich bekommen die freundlichen Storchenpaare viele hungrige Jungen.


Anstrengend ist für mich wegen der aufkommenden, mir sonst kaum bekannten „langen Weile“, die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst. Zwar findet er bei dem schönen Frühjahrswetter nicht im kalten Kirchen-Raum, der gerade von den Schäden des schrecklichen Weltkrieges, also besonders von den Kämpfen am 1. Mai 1945, instand gesetzt wird, sondern unter freiem Himmel auf grob gezimmerten Bänken ohne Rückenlehne statt. So kann ich zumindest den entscheidungsfreien Vögeln hinterher schauen. Mutti kennt meine Unduldsamkeit im Sinne der zweckmäßigen Nutzung meiner Zeit und hat fürsorglich für mich das Kräuter-Quartettspiel zur inneren Erbauung anderer Art mitgenommen, welches ich aber natürlich „in- und auswendig“ kenne. Vor Verzweiflung über das gar zu langsame Voranschreiten der Uhrzeiger, rupfe ich mir einige Haarbüschel aus – eine Art von Selbstkasteiung oder Buße wegen der zu geringen inneren Anteilnahme am religiösen Loben und Preisen oder als Ausgleich für das Negieren der Mahnung: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens. So habe ich zumindest ein bisschen gegen mich selbst gekämpft. Die Erbauung jedoch liegt für mich dann eher in der Erlösung durch den Ablauf der Zeit.


Interessant zum Fotografieren ist das Pumpen des Wassers gegen den übermächtigen Durst von Mensch und Tier, am Marktplatzbrunnen. Eine große Attraktion – fast ein Wahrzeichen für die Stadt. Der Brunnen wurde 1924 errichtet, als „Born der neuen Lebenskraft“, wie so schön gesagt wurde. Hier fotografiert Mutti uns, mit Kriemhild und Siegfried, als Beweis, dass wir hier waren und zur lieben Erinnerung in den kommenden Jahrzehnten – wie schön es doch hier war. Sie nutzt hierfür als fotomechanisches Gerät ihre 4,-- Reichsmark-Agfa-Box mit den acht Bildern pro Film auf der Holzspule, 9 x 6 cm groß jedes Bild.


Viele kleine nette weitere Begebenheiten „am Rande des Weges“ erleben wir in diesen Tagen. Diese Ferien – ein Höhepunkt des Jahres, der uns tief bewegt, so dass wir noch Jahrzehnte später dankbar daran denken dürfen.

Damals jedoch liefen wir völlig unbeschwert durch den Ort, hatten noch kein Wissen darüber, dass hier unsere Familie Wurzeln hatte, durchlebt in einer Zeit voller dramatischen Ereignissen.



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