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Zur Ahnenliste "Janecke" gehörend:


Otto Gericke aus Nowawes oo Käthe Schaaf aus dem Saalkreis


Tabellarischer Lebenslauf (1892 bis 1975)

und die Notizen zu den

Wandererlebnissen des Tischlergesellen Otto Gericke aus Nowawes


Zusammengestellt von Chris Janecke, Bearbeitungsstand: März 2018


Zum vorliegenden Text gibt es auch einige Bilder – bitte hier klicken.





Auf, du junger Wandersmann!



1. Auf, du junger Wandersmann! Jetzo kommt die Zeit heran,

die Wanderszeit, die bringt uns Freud'.

Woll'n uns auf die Fahrt begeben, das ist unser schönstes Leben,

große Wasser, Berg und Tal, anzuschauen überall.



2. An dem schönen Donaufluss findet man ja seine Lust

und seine Freud' auf grüner Heid',

wo die Vöglein lieblich singen

und die Hirschlein fröhlich springen;

dann kommt man vor eine Stadt, wo man gute Arbeit hat.



3. Mancher hinterm Ofen sitzt und gar fein die Ohren spitzt,

kein Stund' vor's Haus ist kommen aus;

den soll man als G'sell erkennen oder gar ein'n Meister nennen,

der noch nirgends ist gewest, nur gesessen in sein'm Nest?



Verfasser des Liedes unbekannt












Die Eheleute = Die Probanden

Otto Gericke oo Katharina Schaaf


Die Bedeutung dieser

Familien-Namen:

Ger - althochdeutsch = german. Speer. -icke ist Verkleinerungsform / Koseform. "Der kleine Speerträger".

Der Namensträger war eventuell Hirte, ein Schäfer.

Name:


Gericke

Schaaf


Vornamen:



Arthur Wilhelm Otto, jun.


Maria Pauline Katharina,

genannt: Käthe



Die Eltern:


Vater:

Tischlermeister Gericke, August Julius Otto, sen.


Mutter:

Borchert, Wilhelmine Marie


Vater: Tischlermeister Schaaf aus Wallwitz bei Petersberg (Saalkreis), nördlich der Stadt Halle. Die Familie hatte mindestens die drei Töchter Luise, Emma und Katharina. Emma wurde die Mutter von --- (Datenschutz) Tischler bei Otto Gericke.



Geburt:

Taufe:


Charlottenburg bei Berlin, 10. April 1894

Reg. Nr. Standesamt Charlottenburg 1016 / 1894


* Merkewitz/Saalkreis am

12. Oktober 1892, später Wallwitz (bei Petersberg) nördl. von Halle.

Geburtsurkunde: Standesamt Petersberg Nr. 61/1892.



Beruf / Stand:


Tischlermeister,

Sarg- und Möbeltischler



Hausfrau


Wohnanschriften vor der Ehe:


Nowawes,

Priesterstraße 18/19 und 8



Wallwitz


Trauung / Eheschließung:


Standesamt in Petersberg (Saalkreis), im Jahre 1918.

Standesamt Reg-Nr. 08 / 1918

(Trauung im KB Nowawes nicht erwähnt).



Wohnanschriften, gemeinsame:


Nowawes, Priesterstraße 19, nach 1945 das gleiche Grundstück, nun mit der Bezeichnung: Potsdam-Babelsberg, Karl-Liebknecht-Straße 24 .



Tod / Gestorben:

-----------------------------

Johannes 5, 24: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.


Potsdam, Berliner Straße 155 (Bezirkskrankenhaus), 18. Mai 1969, um 04.50 gestorben. Beerdigt 22. Mai 1969, Wichgrafstraße. Joh. 5, 24.

Quellen: Standesamt Pdm. Nr. 891 / 69, Stadtarchiv Film P 223, Bild 203, KB der Friedrichskirche Nr. 41 / 1969.



Potsdam, 06. Juli 1975 um 16.25 Uhr im Krankenhaus verstorben.

Wohnhaft bisher: Babelsberg, Karl-Liebknecht-Straße 24.


Quelle Stadtarchiv Potsdam, Film P 235, Bild 66



Kinder der Eheleute

Otto Gericke oo Katharina Schaaf


Diese Ehe blieb kinderlos.






Eine Kurznotiz zu den engen Verwandtschaftsbeziehungen in den „geraden Linien“.



Die drei Zinnow-Schwestern, die in der Nowaweser Priesterstraße 18 aufwuchsen:



Friederike Zinnow

(1830–1883)

oo

August Gericke

(1832 –1905)



Auguste Zinnow,

(1835–1914)

oo

Gottlieb Sotscheck

(1838–1878)


Pauline Zinnow

(1843–1913)

oo

August Dittwaldt

(1837–1904)


deren Sohn

Otto Gericke, sen.,

(1855–1936)

oo

Marie Borchert

(1861–1936)



deren Sohn

Johannes Sotscheck,

(1866–1951)

oo

Johanna Ranke

(1868–1954)


deren Tochter

Klara Dittwaldt

(1872–1933)

oo

August Janecke

(1869–1950)


deren Sohn Otto Gericke, jun.,

(1894–1969)

oo

Katharina Käthe Schaaf

(1892 – 1975)



die Schwester Emma der nebenstehenden Käthe Schaaf

oo

Kusche, sen.

Kaufmann,

(Datenschutz)


deren Sohn

Fritz Martin Reinhold Sotscheck

* 1902


deren Sohn

Alfred Richard Janecke

(1900–1983)

oo

Anne-Marie Sommer

(1913–2003)


(diese Ehe blieb kinderlos)


deren Sohn ist

Erich Ku. jun.


deren Sohn ist

Jochem S. (Datenschutz)


deren Sohn ist

Chris Janecke





Hier zeige ich Euch einen Ausschnitt aus unserer Nowaweser

Stammfolge der Familie Gericke“




Meine Urgroßeltern


Johann Friedrich Gericke, Fischermeister in Potsdam und in Klein Glienicke



oo



Marie Louise Paul

Hausfrau und Mutter von 10 Kindern in Potsdam und

in Klein Glienicke



Meine Großeltern


August Julius Gericke Zimmermeister und Tischlermeister,

Nowawes, Priesterstraße 8 (spätere Nr. 13) / Priesterstr. 19 (heute Nr. 24)

(04. 02. 1832–19. 07. 1905)


I. oo

09. 04.

1855



Witwer


II. oo

13. 01.

1888


Charlotte Friederike Zinnow

(24. 09. 1830–26. 02. 1883)

Priesterstraße Parzelle 60 (spätere Priesterstr. 18), Pr

Priesterstraße 7 (heute Nr. 12)


––––––––––––––––––––––––-


Auguste Wilhelmine Kreutz, verwitwete Schnabel

(01. 08. 1839–19. 11. 1895)



Meine Eltern


August Julius Otto Gericke, Tischlermeister,

Nowawes, Priesterstraße 19

(06. 12. 1855–12. 05. 1936)



oo

04. 06. 1883


Wilhelmine Marie Borchert


Lebenszeit:

(06. 10. 1861–13. 09. 1936)


und ich, der Sohn

(Proband)


Arthur Wilhelm Otto Gericke

Tischlermeister

Potsdam-Babelsberg,

Karl-Liebknecht-Straße 24

(10. 04. 1894–18. 05. 1969)



oo

Peters-berg 1918


Marie Pauline Katharina Schaaf

* in Merkewitz (Saalkreis)



(12.10.1892–6.7.1975

Meine Notizen von der Wanderung bewahrte für die nachfolgenden Generationen Erich Kusche, sen. (1920–2014) auf. Mit dem Vermächtnis zur getreuen Aufbewahrung übergab dieser die Aufzeichnungen vor seinem Ableben an Chris Janecke weiter.

Im Folgenden werden dies Reisenotizen dem Leser geöffnet:









Reiseerlebnisse des Tischlergesellen Otto Gericke, jun. (1894–1969),


aus Nowawes bei Potsdam, Priesterstraße 19,

(spätere K.-Liebknecht-Straße 24)


in seinen Wanderjahren 1912–1913 durch Süd-Deutschland, Österreich und die Schweiz.





Einige Vorbemerkungen von Chris Janecke



Das Reisebüchlein liegt mir im handgeschriebenen Original vor. Der 18jährige wandernde Tischlergeselle verwendete in seiner sorgfältigen Handschrift selbstverständlich die deutsche Kurrentschrift. Nur optisch hervorzuhebende Begriffe, schrieb man, und so auch er, zu jener Zeit in lateinischen Buchstaben. Für jüngere Leser würde das Original daher erschwert zu lesen sein.


Chris Janecke aus der Verwandtschaft des Otto Gericke, übernahm es, das Reisebüchlein rund 100 Jahre nachdem es geschrieben wurde, in Maschinenschrift umzusetzen, damit der Text auch in der Zukunft erhalten bleibt und mehreren Lesern zugänglich gemacht werden kann. Gleichzeitig gibt er einige Hinweise im Text (Klammerausdrücke. Diese stammen nicht aus dem Wanderbuch).

Die damals übliche, von Otto Gericke genutzte Orthografie wurde beibehalten.


Die Wanderjahre während der Gesellenzeit, auch in Vorbereitung auf eine Meisterprüfung, dienten dazu, möglichst viele weitere Kenntnisse von anderen Meistern der Branche zu erwerben und dabei die eigenen Fertigkeiten zu vervollkommnen. Ferner, allseitig für das Leben zu lernen – soziale Kontakte zu knüpfen, Land und Leute verstehen und lieben zu lernen. Eine Bildungsreise.


Zum nachfolgenden Titelblatt:

Ein nicht religiös veranlagter Mensch mag vielleicht irritiert sein, dass Tischlergeselle Otto seinen Weg auf der Wanderschaft so einfach und bedingungslos „Mit Gott“ gehen wollte. Die traditionelle Erziehung, die Verbindung von Staat und Kirche, mag zur Wahl dieses Spruches beigetragen haben, so dass er diesen über seine Wanderschaft durch Deutschland, durch die Gesellenzeit und darüber hinaus auch über die Wanderschaft durch sein gesamtes Leben stellte.

Wir dürfen versuchen uns hineinzudenken, dass er dabei nicht unbedingt ein „unerreichbares Wesen im Himmel“ als Begleiter gemeint hat, sondern die Spuren „des Göttlichen“ in ihm, ein starkes Leitmotiv sein sollten:

- das Beste seines „Ich“ zu erkennen und zu fördern,

- wahrhaftig (die Wahrheit pflegend) zu leben,

- mit gelebter Wahrheit und Güte später vielleicht ein Quantum von Weisheit zu erlangen, und

- der Wunsch, auf der Wanderung und im späteren Leben bewusst eins zu sein mit der Natur, in

der ein Jeder von uns lebt – aus der ein Jeder besteht.

Das alles oder noch mehr, konnte wohl zum Begriff des Göttlichen gehörend, gesehen werden.

Es mag zu Ottos Leitgedanken gehört haben, mit derartigen Vorsätzen zu wandern, um sein höchstes Lebensziel zu erreichen – und er bringt keine Aufzählung alles Guten, das er anstrebt, sondern fasst es damit zusammen, dass er mit dem leben und so handeln will, wie es uns nach ethischen Grundsätzen anempfohlen ist, ja, geboten wurde.

„Mit Gott“. – So meine Vorstellung, so der Versuch meiner laienhaften Auslegung, denn ich kann ihn, den Otto, heute nicht mehr selbst danach fragen, wie sein Fühlen dazu und sein Denken darüber war.


Zum Bericht, des Otto Gericke über den 1. Juli 1912:

Dem Leser wird auffallen, dass Otto nur selten persönliche Fürwörter / Personalpronomina verwendet, wie hier bei:

Früh um 8 Uhr die liebe Heimat verlassen ... oder ... man genießt die Aussicht ...

anstelle von:

Früh um 8 Uhr habe ich die liebe Heimat verlassen ... und ... wir, also Erich und ich, genießen ...

Es galt damals in der Kaiserzeit als unfein, als unbescheiden, dass „ich“ und das „wir“ klar zum Ausdruck zu bringen. Dieser durchaus übliche Stil zieht sich durch den gesamten Bericht, soll uns aber nicht irritieren – das Inhaltliche ist ja davon nicht betroffen.

Darüber hinaus war es besonders in der kaiserlich-militärischen Umgangssprache üblich, etwas „abgehackt“ und mit stark „abgemagerten“ Wortschatz zu kommunizieren.


Zum Bericht über den 26. August 1912:

„Zirbel-Wandbekleidung“. Es handelt sich um ein Paneel, aus dem Holz der Zirbelkiefer gefertigt.


Die Arbeitssuche während dieser Wanderzeit wurde offenbar intensiviert, wenn das Reise-, Zehr- und Übernachtungsgeld zur Neige ging, doch es fand sich nicht immer sofort eine bezahlte Arbeit.


Zum Bericht über den 31. Dezember 1912:

„Gutterln“, Gutsteli oder ähnliche Begriffe sind z. B. in Süddeutschland, Bezeichnungen für Süßigkeiten, hier für ein Knabber-Gebäck.


Zum Bericht über den 2. März 1913 (und auch zu späteren Erwähnungen):

Von Otto gab es gewiss eine Anzahl von Fotos. Uns sind aber leider nur wenige Aufnahmen erhalten geblieben, die ihn im Alter von über 60 Lebensjahren zeigen.


Seinen Geburtstag, den 10. April 1913, lässt Otto in seinem Bericht unbeachtet. Zwar erwähnt er diesen nicht, vollendet aber trotzdem an diesem Tage sein 19. Lebensjahr.


Zum Bericht über den 16. Mai 1913 (und auch an weiteren Tagen):

... „getippelt“. Wir wollen uns darunter bitte kein schnelles Laufen in kleinen Schritten vorstellen. Diese Bezeichnung war damals üblich, selbst wenn sich die Gesellen mit weit ausgreifendem Wanderschritt bewegten. Die Wanderburschen wurden auch „Tippelbrüder“ genannt.


Otto war von Juli 1912 bis Anfang Dezember 1913, also reichlich 17 Monate unterwegs.

Von Hamburg, über Berlin zurück reisend, trifft Otto am 6. Dezember wieder in Nowawes ein. Er erwähnt, dass er bei seiner abendlichen Ankunft in eine fröhliche Geburtstagsgesellschaft gerät.

An diesem Tage begeht sein Vater, Otto Gericke, sen., im Hause Nowawes, Priesterstraße 19, seinen 58sten Geburtstag.


Liebe Leser,

verfolgt doch einmal Ottos Weg auf der Landkarte oder „reist ihm auf seinen Spuren“ nach. Solch ein Reisebericht lässt sich heute auch wunderbar einfach bebildern.

Wer Telefonverzeichnisse bemüht, wird feststellen können, dass einige der genannten Familiennamen auch noch heute in jenen Städten anzutreffen sind – wenn auch nicht mehr die damaligen Menschen.


Viel Spaß beim Lesen wünscht


Chris Janecke, 06. Juli des Jahres 2012





Nun aber geht es richtig los:





Reiseerlebnisse des Tischlergesellen Otto Gericke, jun., (1894–1969)


wohnend in Nowawes bei Potsdam, Priesterstraße 19,


in seinen Wanderjahren 1912–1913











M i t G o t t !



Mit Gott! Das sei dein Wanderspruch

in deines Lebens Wanderbuch.




Mit Gott! Das sei dein Pilgerstab

auf deiner Wallfahrt bis zum Grab.




Mit Gott! hindurch den Lebenslauf

geh'n dir des Himmels Pforten auf.










München, den 6. Juli 1912






Die erste Reise


Von Berlin über Halle, Leipzig, Nürnberg nach München.



Montag, den 1. Juli 1912

Früh 8 Uhr die liebe Heimat verlassen und von Berlin, Anhalter Bahnhof, nach 5-stündiger Fahrt in Halle angekommen. Von dort nach Wallwitz, die liebe Familie Schaaf besucht.

Nach eingenommener Stärkung mit Freund Emil nach dem Petersberg (250 Meter hoch) gewandert, woselbst die alte Kirche und der Bismarckturm besichtigt wurden. Man genießt von den Bergen eine schöne Aussicht über die vielen umliegenden Dörfer, einschließlich der Städte Halle und Mansfeld.

Von dort zurückkommend, begaben wir uns nach gemütlicher Plauderei zu Bett.

Somit war der erste Tag in der Fremde vollbracht!


Wallwitz, Dienstag, den 2. Juli 1912

Um 12 Uhr mittags mit Fräulein Luise und Emil Schaaf von Wallwitz nach Trotha gefahren. Von dort die schöne Saale entlang gewandert, die alte Moritzburg und den Giebichenstein bestiegen. Um ¼ 7 Uhr von Halle aus wieder nach Wallwitz zurück gefahren. Eine gemütliche Plauderei im Kreise der Familie Schaaf bildete den Abschluss des an Sehenswürdigkeiten reichen Tages.


Mittwoch, den 3. Juli 1912

Den Tag auch noch in Wallwitz verbracht. Bemerkenswert ist nur, daß wir am Abend im Restaurant „Zur Linde“ turnten.


Donnerstag, den 4. Juli 1912

Um 12 Uhr mittags mit Emil Schaaf nach Halle gefahren. Haben dort den Marktplatz mit den

5 Türmen und die Frankeschen Stiftungen besichtigt.


Freitag, den 5. Juli 1912

Früh 7 Uhr die lieben Schaafs verlassen und nach Leipzig gefahren. Daselbst das kolossale Völkerschlachtdenkmal, den riesigen Bahnhof, das Theater und das Reichsgericht angesehen.


Das riesige Denkmal in Leipzig hat die stattliche Höhe von 95 m. Die innere lichte Höhe, also vom Boden bis zur Deckenwölbung, beträgt 68 m. Das Denkmal selbst enthält nach der Einteilung der Figuren drei Gedanken – und zwar:

Im unteren Stock – die Vaterlandstreue

im 2ten Stock – den Glaubensmut und

im 3ten Stock – eine Mahnung an die kommenden Geschlechter.

In der Nähe des Denkmals befindet sich ein Denkstein mit der Inschrift:


„Hier weilte Napoleon

am 18ten Oktober 1813,

die Kämpfe der Völkerschlacht

beobachtend.“


(Anmerkung C. J.: Die offizielle Vermessung weist 91 m Höhe aus. Otto hat das Denkmal im Bauzustand besucht. Die Eröffnung der fertigen Anlage fand am 18. Oktober 1913 statt).


Um 1 Uhr die Reise vom Bayerischen Bahnhof fortgesetzt, durch die herrliche Vogtländische Schweiz, über Plauen, Hof nach Nürnberg.


Sonnabend, den 6. Juli 1912

Am Sonnabendmorgen um ½ 4 Uhr kam ich in Nürnberg an. Nach Einnahme einer Tasse Kaffe im Warteraum, wurde um 6 Uhr die alte Stadt mit der berühmten Ritterburg besichtigt. Auf letzterer, zunächst den hohen Ausguckturm „Lug ins Land“ bestiegen, von welchem man eine schöne


Aussicht auf ganz Nürnberg und Fürth, bis weit nach Erlangen hat. Von dort aus die noch aus dem 14. Jahrhundert stammenden, gut erhaltenen Gemächer durchschritten und im Anschluß daran, die hochinteressanten aber gräulichen Folterkammern in Augenschein genommen. Am bemerkenswertesten ist das Marterinstrument „die eiserne Jungfrau“, mit der viele Menschen, auch Unschuldige, hingerichtet worden sind.


Um den bekommenen Hunger zu stillen, suchte ich „Das Bratwurstglöcklein“ auf, wo einige Würstel mit einem Maaßel Bier verzehrt wurden. Danach die Sebalduskirche (eine Pfeilerbasilika aus dem 13. Jahrhundert) von innen und außen besichtigt und über den Markt mit dem Brunnen und der verzierungsreichen Frauenkirche wieder zum Bahnhof zurück gekehrt, wo um 10 Uhr die Abfahrt nach München erfolgte.

Um ½ 5 Uhr nachmittags, nach herrlicher Fahrt durch Felsen und lange Tunnel über Ingolstadt, in München angekommen, woselbst ich nach langem Gesuche und oftem Gefrage, die liebe Familie Jugan in der Baaderstraße 25 aufsuchte und freundliche Aufnahme fand.

Nun trage ich in mein Wanderbuch den von mir gewählten Leitspruch in Reinschrift ein.


Sonntag, 7. Juli 1912

Nach eingenommenem Morgenkaffe mit Herrn Jugan das Maschinenmuseum besucht, was sämtliche Maschinen, mit Schutzvorrichtungen, aller Berufe enthält. Am Abend im Bürgerbräuhaus gewesen, wo ein Kalbsbraten und einige Maaßel Bier verzehrt wurden.


Mittwoch, den 10. Juli 1912

Bei Schreinermeister Dittmaier in der Thorwaldsenstraße in Arbeit getreten.

Die erste Arbeit waren vier rüsterne Nachtschränke. (Aus dem Holz der Rüster oder Ulme).


Sonntag, den 14. Juli 1912

Mit Familie Jugan einen Spaziergang durch das rauschende Isartal, nach dem auf einem Höhenzuge gelegenem Ausflugsorte „Siebenbrunn“, unternommen, von wo aus wir dann den herrlichen Sonnenuntergang beobachteten.


Sonntag, den 21. Juli 1912

Wegen anhaltendem Regen daheim geblieben.

Am Abend mit Herrn Jugan im Thomasbräu gewesen.


Sonntag, den 28. Juli 1912

Am frühen Morgen aufgebrochen und mit Familie Jugan nach Starnberg gefahren. Daselbst das Schiff „Luitpold“ bestiegen und bei der ersten Haltestelle „Schloßpark“ ausgestiegen, um den Königlichen Park mit dem Schloß und der Gedächtniskapelle zu besichtigen. Letztere steht der Stelle gegenüber, an der einst Ludwig II. von Bayern (ein Nachkomme des Wilhelm II von Preußen) in den Fluten (des Starnberger Sees) seinen Tod fand. ("... "einst", das war am 13. Juni 1886 – es ist erst 26 Jahre her).

Von dort spazierten wir nach dem Örtchen Leoni, woselbst der Dampfer „Bavaria“ bestiegen wurde, um nach dem auf dem anderen Ufer des Sees gelegenen Örtchen Tutzing zu gelangen, wo ein schönes Mittagessen den knurrenden Magen füllte. Die darauffolgende Kaffepause wurde am Ende des Sees in Seeshaupt gehalten, wohin uns der Dampfer „Wittelsbach“ beförderte.

Nun ging es nach eingenommener Stärkung den schönen großen See wieder hinunter nach Starnberg. Es war ein genußreicher Sonntag. Vor allem machten die im Abendscheine in der Ferne schimmernden Alpen auf mich „Sandratte“ einen gewaltigen Eindruck.


Sonntag, den 4. August 1912

Vom Münchener Ostbahnhof nach den Ausflugsörtchen Jlaar und Eckelfingen gefahren, woselbst unter dichten Tannen einige Maaßel vom echten Gerstensaft geleert wurden. Am Abend in lustiger Gesellschaft wieder zurückgefahren.


Sonnabend, den 10. August 1912

Wegen mangelnder Arbeit bei Meister Dittmaier wieder aufgehört.



Sonntag, den 11. August 1912

Das Deutsche Museum an der Zweibrückenstraße besucht, was sämtliche Erzeugnisse vom Handwerk, von der Kunst und Wissenschaft aus der Alt- und Neuzeit birgt.


Montag, den 12. August 1912

Beim Arbeitsuchen in die Nähe der Theresienwiese mit der kolossalen Bavaria gekommen. Letztere im Innern emporgestiegen. Vom Kopfe aus, eine herrliche Aussicht über ganz München und das in der Ferne liegenden Gebirge genossen.

Am Abend bei schönem Militärkonzert im Schloßpark promeniert.


Dienstag, den 13. August 1912

Wegen schlechtem Wetter zu Haus geblieben.


Mittwoch, den 14. August 1912

Das Isartal hinunter gewandert. Beim Rückwege durch den “Englischen Garten“ gekommen, wo an einem Denkmal folgende Worte standen:

Auf der einen Seite

Lustwandler steh!

Dank stärket den Genuß.

Ein schöpferischer Wink Carl Theodors,

vom Menschenfreunde Rumford.

Mit Geist, Gefühl und Lieb' gefaßt,

hat diese ehemals öde Gegend

in das, was du hier um dich siehst,

veredelt!

auf der anderen Seite

Ihn, der das schmähelichste Übel,

den Müßiggang und Bettel tilgte,

der Armut half, Erwerb und Sitten,

der vaterländ'schen Jugend

so manche Bildungsanstalt gab.

Lustwandler geh!

Und sinne nach, Ihm gleich zu sein

in Geist und Tat,

und uns an Dank!


(Anmerkung: Kriegsminister Benjamin Thompson, Reichsgraf von Rumford hatte die Anregung zum Bau des „Englischen Gartens“ bei München gegeben. Kurfürst Carl Theodor ist als Herrscher der Bauherr. Die Gestaltung und Ausführung wird dem Hofgärtner Friedrich Ludwig v. Scell übertragen, der auf dem Denkmal nicht erwähnt wird. Die Gartenanlage, die für das Volk zugänglich ist, hat bei der Fertigstellung eine Ausdehnung von reichlich 4 km²).


Donnerstag, den 15. August 1912 – Maria Himmelfahrt –

Ein hoher katholischer Feiertag. Mit Herrn Jugan nach Eckelfingen gefahren, um die großen neuen Irren-Heilanstalten anzusehen.


Freitag, den 16. August 1912

Das Bayerische Armeemuseum besucht. Es enthält Waffen und Rüstungen aus der Zeit der Raubritter und zeigt erbeutete Kriegsgeräte aus dem deutsch-französischen Krieg 1870–71.


Sonnabend, den 17. August 1912

Mit elektrischem Aufzuge den Münchner Rathausturm emporgefahren, um das mechanische Uhrwerk mit dem Glockenspiele anzusehen. Man genießt vom Turme auch eine schöne Aussicht auf die ausgedehnte Stadt.




Sonntag, den 18. August 1912

Mit der Isartalbahn von Talkirchen nach Grünwald gefahren. In dem von dichten Tannen umgebenen Forsthaus ein wohlschmeckendes Tiroler-Schnitzel verzehrt.


Sonntag, den 25. August 1912

Mit den ersten Strahlen der Sonne aufgebrochen und über Holzkirchen nach dem wunderbar schönen Schliersee gefahren. Das friedliche Örtchen bis zur Spitze des Sees durchgewandert und von dort aus per Motorboot den See wieder hinuntergefahren, um die Schliersberg-Alm zu erklettern, von wo man eine entzückende Aussicht auf den See, den Ort und bis weit hinein ins Hochgebirge hat. Dort stand den Fremden ein Fernrohr zur Verfügung, durch welches man mit dem Auge die Brucherspitze mit aufgepflanztem Kreuz, aufs deutlichste erreichen konnte.

Mit Sonnenuntergang, der das wundervolle Alpenglühen hervorruft, wieder herabgestiegen und um ½ 10 Uhr in München eingetroffen.


Montag, den 26. August 1912

In der Möbelfabrik von Anton Ott, Talkirchner Straße 62, wieder in Arbeit getreten. Die erste Arbeit – eine Zirbel-Wandbekleidung für den Schloß-Neubau zu Dresden. (Ein Paneel aus dem Holz der Zirbelkiefer).


Sonntag, den 1. September 1912

Ein kaltes Regenwetter. Am Abend mit Herrn Jugan in die Blumensäle gegangen.


Sonntag, den 8. September 1912

Das gleiche Wetter, wie am vorhergegangenen Sonntag. Drei Briefe an die Lieben in der Heimat geschrieben. Am Abend in den Fraunhofer-Sälen gewesen.


Sonntag, den 15. September 1912

Vormittag im Mattheser-Bräu zum Frühschoppen und nachmittags im Hofbräuhaus gewesen.

Am Abend im Theater am Gärtnerplatz das schöne Stück „Alt Wien“ angesehen.


Sonntag, den 22. September 1912

Den ganzen Tag in der Gewerbeschau zugebracht, eine zur Zeit errichtete gewerbliche Ausstellung.


Sonntag, den 29. September 1912

Der Hauptsonntag des Oktoberfestes. Um 2 Uhr wurde es mit einem historischen, mittelalterlichen Festzug und einem Pferderennen auf dem Festplatz eröffnet. Ein reges, lustiges Leben herrschte anläßlich des schönen Wetters auf der Festwiese, vor allem aber in den reich geschmückten und mit je 2 Musikkapellen versehenen Bierhallen, wo Hopfen und Malz in Fülle flossen und die Bierwagen 4-spännig auffuhren.


Dienstag, den 1. Oktober 1912

In der Fachschule an der Liebherrnstraße angemeldet, zur Fortbildung im Zeichnen. Unterrichtsstunden am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag von abends 7¼ bis 9¼ Uhr und Sonntagsvormittags von 9–12 Uhr.


Sonntag, den 6. Oktober 1912

Zu Haus geblieben.


Sonntag, den 13. Oktober 1912

Nach dem Vorort Aubing gefahren.


Sonntag, den 20. Oktober 1912

Ein herrlicher Herbstsonntag. Auf dem Höhenzuge links der Isar über Wenterschwaige, Großhesselohe nach Grünwald gewandert. Von der 39 m hohen Großhesseloher Brücke, welche über die Isar führt, hat man einen schönen Ausblick – das Tal hinunter – auf München. Auf diesem Spaziergang an einer munter rieselnden Quelle vorüber gekommen, an welcher in Stein gehauen, folgender Spruch stand:


Jakobsbrunn bin ich benannt,

Mein Herz liegt tief in Felsenwand,

Ist auch die Quelle eng und klein,

So ist das Wasser klar und rein,

Gesundheit birgt's und Lebenskraft,

Wohl mehr, als mancher Gerstensaft,

Das merkt euch Pilger Lobesam,

Seid meine Gäste dann und wann.

Verschont mir rings, was ihr erblickt

Da ich gastfreundlich euch erquickt.




Sonntag, den 27. Oktober 1912

Einen Spaziergang in den Schloßpark Nymphenburg unternommen.


Sonntag, den 3. November 1912

Die Isar hinunter nach St. Emmeran gewandert. Zurück führte mich der Weg durch den Englischen Garten, an dem (künstlichen) Kleinhesseloher See vorbei, nach München.


Sonntag, den 10. November 1912

Mit der Isartalbahn nach Schäftlarn gefahren und zurück über Grünwald, Großhesselohe und Menterschwaige nach München gelaufen.


Sonntag, den 17. November 1912

In der Stadt spazieren gegangen.

Am Abend mit Kollegen Barz im Augsburger Hof ein paar Maaßel getrunken.


Sonntag, den 24. November 1912

Das Deutsche Museum an der Maximilianstraße besucht, worin unter anderem auch die Modelle der Historischen Mühle von Sanssouci und die der Sternwarte auf dem Brauhausberge zu Potsdam zur Schau standen.


Sonntag, den 1. Dezember 1912

In demselben Museum gewesen.


Sonntag, den 8. Dezember 1912

Nachmittag im Hofbräuhaus ein paar Maaßel getrunken. Am Abend im Vereinshaus des evangelischen Handwerkervereins in der Mathildenstraße angemeldet.


Sonntag, den 15. Dezember 1912

In die Allerheiligen-Hofkirche gegangen, um den am 12. Dezember verstorbenen und dort aufgebahrten, 92-jährigen Prinzen Luitpold v. Bayern anzusehen.


Sonntag, den 22. Dezember 1912

Nachmittag im Hofbräuhaus auf ein paar Maaßel gewesen. Am Abend einer schönen Weihnachtsfeier der Turnabteilung im Vereinshaus mit beigewohnt.


Mittwoch, den 25. Dezember 1912 – Das liebe Weihnachtsfest –

Am 1. Feiertag vormittags in die St.-Lucas-Kirche gegangen.

Nachmittags, 4 Uhr, einer schönen Weihnachtsfeier des Handwerkervereins beigewohnt.


Donnerstag, den 26. Dezember 1912

Am 2. Feiertag zu Haus geblieben und ausgeruht.



Freitag, den 27. Dezember 1912

Am „3. Feiertag“ wieder frisch an die Arbeit gegangen.


Sonntag, den 29. Dezember 1912

Mit Kollegen Barz links der Isar nach Großkasselohe gewandert und auf der anderen Seite wieder zurück, bis in den an der Theresienwiese gelegenen Hackerbräukeller.


Dienstag, den 31. Dezember 1912 – Silvester –

Bei schönem Punsch und gebackenen Gutterln, bis 12 Uhr aufgeblieben, um dem Neujahrstrubel in München beizuwohnen.


Mittwoch, den 1. Januar 1913 – Neujahr –

In der Stadt spazieren gegangen.


Sonntag, den 5. Januar 1913

Mit Kollegen Barz nach dem Vorort Pasing gelaufen. Am Abend in den Verein gegangen.


Sonntag, den 12. Januar 1913

Einem von der Turnabteilung des Handwerkervereins veranstalteten Turnabend beigewohnt und bei den Aufführungen persönlich mitgewirkt.


Sonntag, den 19. Januar 1913

Einen Spaziergang nach dem Vororte Berg am Laim unternommen.

Den Abend im Verein bei lehrreichem Vortrag verbracht.


Sonntag, den 26. Januar 1913

Ein sehr schlechtes Wetter. Den Tag bei fröhlichem Spiel mit Jugans Kindern verbracht.


Sonnabend, den 1. Februar 1913

Am Abend, 7.30 Uhr vom Starnberger Bahnhof, mit noch zwei Vereinsmitgliedern namens Gustav Hersperger und Ludwig Reichardt, mit der Bahn über Murnau, Oberammergau, Benediktbeuren nach Kochel gefahren und von dort um 10 Uhr die nächtliche Wanderung angetreten.

Selbige ging bei grimmiger Kälte und heulendem Sturm an Kochel und Waldhausen vorüber, ging über den Jochkopf, den Kesselberg (858 mtr.) und am Herzogstand (Gipfel 1.731 mtr.) vorbei, weiter in Richtung Mittenwald, dem berühmten Orte der Holzinstrumente, wie Geigen und Mandolinen.

Dieser Weg ging bald über steile, glattgefrorene Rodelbahnen, bald über schneebedeckte Abhänge, bei welchen wir bis an die Kniee im tiefen Schnee versanken. An vielen freien Stellen hatte der Sturm den Schnee bis zu 3 Metern hoch aufgepeitscht. Bezüglich des Windes hatten wir auch oftmals die Gelegenheit, das Entstehen der Schneelawinen mit anzusehen – wie von den Tannenzweigen winzige Mengen herabfielen und später als kolossale eiskalte Trümmer ins Tal hinabrollten.

Einen herrlichen Anblick boten auch die Quellen, die als Wasserfälle aus den steilen Felswänden hervorschossen und zum Teil gefroren waren und daher die Form von riesigen Eiszapfen hatten – von 9 bis 10 Metern Länge.

In der Frühe um 5 Uhr, wir waren etwa 6 Kilometer vor Mittenwald, wollte uns die Kraft, der übermenschlichen Anstrengung wegen, versagen, und wir waren gezwungen unter einer verkrüppelten Tanne im tiefen Schnee Rast zu machen.

Um 7½ Uhr marschierten wir dann glücklich, aber mit ermüdeten Gliedern in Mittenwald ein, wo wir uns in einer Bauernwirtschaft tüchtig stärkten und ausruhten. Inzwischen brach das Tagesdämmern mit dem herrlichen Morgenrot an, was sich in unbeschreiblicher Schönheit an den Gipfeln der Berge spiegelte.

Danach gingen wir wieder eine halbe Stunde Weges durch tiefen Schnee in die Leutaschklamm, welche aber leider durch eine Tür verschlossen war. Glücklicher Weise aber paßte mein Hausschlüssel und gewährte uns somit den Zutritt.


Von Mittenwald fuhren wir dann mit der Bahn nach Garmisch-Partenkirchen, in dem romantischen Gebiet der Zugspitze (2.963 mtr.) gelegen, wo wir uns den regen Verkehr auf den Rodel- und Ski-Bahnen ansahen. Danach wurde die Heimfahrt angetreten und um 7 Uhr am Abend brachte uns der Zug halb verhungert und ermüdet wieder in München an.

Am Montag wollte die Arbeit gar nicht schmecken.


Dienstag, den 4. Februar 1913 – Fastnacht –

Des Fastnachtstrubels wegen, wurde nur bis Mittag gearbeitet. Ich ging dann um 3 Uhr, den Faschingszug mit anzusehen, auf den Marienplatz, in die Maximilianstraße und in die Theatinerstraße, wo sich der größte Rummel befand.


Sonntag, den 9. Februar 1913

Mit der Isartalbahn bei herrlichem Frühlingswetter nach Wolfratshausen gefahren, daselbst in dem, auf einer Anhöhe gelegenem Restaurant „Kathis Ruh“ eingekehrt, von wo man einen schönen Fernblick über das tiefe Isartal und dem sich am Ende auftürmenden Gebirge hat.


Sonntag, den 16. Februar 1913

Nach dem Schulunterricht im Thomasbräu zum Frühschoppen gewesen, wo das schwere Februarbier ausgeschänkt wurde. Es wird „Ausstich“ genannt.

Am Abend in den Verein gegangen, wo ebenfalls in junger, lustiger Gesellschaft tüchtig gezecht wurde und ich dann mit dem ersten aber zünftigen Rausch heimkehrte.


Sonntag, den 23. Februar 1913

Nachmittags zu Haus gewesen. Am Abend in den Verein gegangen, um den interessanten Vortrag über „Die Geheimnisse der Tiefsee“ mit anzuhören, wobei ich zu meinem Erstaunen unter anderem hörte, daß die größten Tiefen unserer Weltmeere über 9.000 Meter betragen.


Sonntag, den 2. März 1913

Nach dem Mittagessen, im Hofe des Vereinshauses photographisch aufnehmen lassen. Danach einen Spaziergang nach Menterschwaige unternommen, wo wir uns ebenfalls photographieren ließen. Am Abend wieder im Vereinshause zur fröhlichen, geselligen Unterhaltung gewesen.


Sonntag, den 9. März 1913

Wegen schlechten Wetters zu Haus geblieben.


Sonntag, den 16. März 1913 – Palmensonntag –

Im Matthäserbräu zum Frühschoppen gewesen. Am Abend in den Peterhof gegangen, um „Die lustigen Dachauer“ mit anzuhören.


Sonntag, den 23. März 1913 – 1. Osterfeiertag –

Vormittag zum Frühgottesdienst in die Lucaskirche gegangen. Nachmittags mit Freund Hersperger in dem geologischen Garten gewesen.


Montag, den 24. März 1913 – 2. Osterfeiertag –

Vormittag mit Jugans Kindern im Nationalmuseum gewesen.

Nachmittag mit unseren Vereinsmitgliedern nach Schäftlarn gefahren.


Sonntag, den 30. März 1913

Zu Haus geblieben und gezeichnet.


Sonntag, den 6. April 1913

Mit Freund Hersperger in den Englischen Garten spazieren gegangen und auf dem darin liegenden See gegondelt, Kahn gefahren.


Sonntag, den 13. April 1913

Nachmittag mit Freund Hersperger in dem Nymphenburger Park spazieren gegangen.


Sonntag, den 20. April 1913

Mit demselben Freund im Englischen Garten photographieren gewesen.


Sonntag, den 27. April 1913

Zu Haus geblieben und zur Abreise schon langsam die Sachen gepackt.


Donnerstag, den 1. Mai 1913 – Himmelfahrtstag –

Unerwartet von Walter Thal (aus Nowawes stammend) telegraphisch angerufen worden und mit demselben einen Spaziergang durch die Stadt, einen Besuch des Hofbräuhauses und der Dachauer Kapelle am Platz'l unternommen.


Sonntag, den 4. Mai 1913

Mit Karl Jugan ins Isartal zum Maikäfer-fangen gewesen.


Freitag, den 9. Mai 1913, ...

traf endlich am Nachmittag 4 Uhr, mein Freund Erich Kalkbrenner, von Dresden kommend, in München ein. Wir gingen am selbigen Abend noch in der Stadt spazieren und der Besuch des Hofbräuhauses bildete den Schluss des freudenreichen Tages.


Sonnabend, den 10. Mai 1913

Nachmittag zum Baden gewesen, danach die Theresienwiese mit der Bavaria aufgesucht, um Freund Erich das riesige Denkmal besteigen zu lassen.


Sonntag, den 11. Mai 1913 – 1. Pfingstfeiertag –

Ein schlechtes, regnerisches Wetter. Vormittag in den Wandelhallen des Hofgartens promeniert. Am Nachmittag das Deutsche Museum besucht.


Montag, den 12. Mai 1913 – 2. Pfingstfeiertag –

Vormittag das Isartal hinauf gegangen – über Menterschwaige nach Großkesselohe.

Am Abend im Colosseum gewesen.


Mittwoch, den 14. Mai 1913

Die „Sieben Sachen“ zur Abreise gepackt und am Abend von den Vereinsmitgliedern Abschied genommen.



Die zweite Reise


Durch das Allgäu, Österreich, die Schweiz, das Elsaß, Württemberg, Baden,

bis nach Wiesbaden in Hessen-Nassau.


Donnerstag, den 15. Mai 1913

Früh 6.50 Uhr unter schwerem Abschied die liebe Jugans-Familie nun verlassen.

Mit der Bahn durch das fruchtbare Allgäu über Kempten nach Lindau am Bodensee gefahren, woselbst wir (also Freund Erich Kalkbrenner und ich, Otto Gericke jun.) um 11 Uhr ankamen. Nach Aufsuchung der Herberge am Marktplatz unternahmen wir einen Spaziergang durch die Stadt mit dem Hafen und entfernten uns auch über die österreichische Grenze bei dem Orte Lochau in die Berge, um von oben einen Fernblick über den schönen, schier unendlichen Bodensee zu genießen. An der Grenze wurden die Papiere kontrolliert. Ein Reisegeld von 20 Kronen in bar, mußten wir vorzeigen, um in österreichisches Gebiet gelangen zu dürfen.


Freitag, den 16. Mai 1913

Früh 5 Uhr mit dem österreichischen Dampfer „Kaiser Franz Joseph“ nach Bregenz gefahren. daselbst beim Morgensonnenschein eine herrliche Strandpromenadenwanderung unternommen und auf einer Terrasse, unter echten Kastanien, einige Karten an die Lieben in der Heimat geschrieben.

Von dort wieder weiter getippelt, über die Schweizer Grenze bei St. Margarethen, nach Rorschach.


Mit vieler Mühe kamen wir über diese Grenze, denn wir hatten nicht die erforderlichen Reiselegitimationen. Nur durch vieles Bitten und Betteln gewährte uns der Grenzbeamte den Einlaß in die schöne Schweiz.

Um 6 Uhr abends kamen wir dann, ermüdet von dem langen Marsch und der Sonnenhitze in Rorschach an, woselbst wir im „Gasthaus zum schwarzen Adler“ für 50 Ctm. übernachteten.

(100 Centimes = 1 Franken). Am Abend setzten wir uns noch in eine Parkanlage, dicht am See gelegen und beobachteten ein sich auf der anderen Seite des dunklen Bodensees entladendes Gewitter. Ein großartiger Anblick.


Sonnabend, den 17. Mai 1913

Früh, 7 Uhr, von Rorschach wieder weiter gewandert nach St. Gallen, woselbst wir mittags um

11 Uhr ankamen und das Vereinshaus für Volksbildung aufsuchten. Hier bekamen wir für 30 Ctm. ein schönes Mittagessen. Darauf sind wir in der Stadt spazieren gegangen, welche mit 670 Meter über dem Meere, die höchstgelegene der ganzen Schweiz ist.

Um 3.55 Uhr mit der Bahn über Winterthur nach Zürich gefahren, daselbst um 6 Uhr angekommen und die Herberge am Neumarkt aufgesucht, wo wir noch auf einen Berliner Kollegen trafen.

Am Abend in die Stadt, promenieren – die belebte Bahnhofstraße hinunter bis zum Zürichsee, dessen Landungsstege mit unzähligen Anglern besetzt waren.

Darauf dann für 1 Fr., 20 Ctm. schlafen gegangen.


Sonntag, den 18. Mai 1913

In der Frühe den Ätti-Berg bestiegen, 870 Meter hoch, von welchem man die schönste Aussicht auf die Stadt, den See und bis weit hinein ins Berner Oberland hat. Leider war das Wetter etwas trübe. Danach noch die Stadt durchwandert und am Abend zeitig zu Bett gegangen.


Montag, den 19. Mai 1913

Am Morgen von Zürich weiter gewandert, über Atlisvil, den hohen Albis, durchs schöne Siltal nach Zug, in dem gleichnamigen Kanton gelegen. Zwischen den Örtern Hausen und Kappel passierten wir eine Anlage mit einem Denkstein, worauf folgende Worte standen:



„Den Leib können sie töten,

nicht aber die Seele“.


So sprach an dieser Stätte

Ulrich Zwingli,


für Wahrheit und der

christlichen Kirche Freiheit,

den Heldentot sterbend.


Den 11. Oktober 1531



Um 6 Uhr abends kamen wir in Zug an und suchten die „Herberge zur Fischerstube“ auf, unternahmen aber noch vor dem Schlafengehen einen schönen Spaziergang an den herrlichen, dunkelblauen Zuger See, wo man vom Seeufer aus, einen prächtigen Blick auf Rigi, Pilatus, Stanserhorn und die Berner Hochalpen hat.


Dienstag, den 20. Mai 1913

Früh, 7 Uhr, von Zug weiter gewandert, um den See herum, nur bis zur Station Rothkreuz, denn Freund Erich hatte des feuchten Wetters wegen, das Reißen bekommen und konnte nicht mehr weiterlaufen.


Auf diesem Wege kamen wir an einem Denkmal vorbei, worauf folgender Wortlaut verewigt war:


Den 5. Juli 1887

versank hier die äußere Vorstadt.

11 Personen fanden ihr Grab in dem See.

35 Gebäude wurden zerstört,

600 Menschen obdachlos.


Wanderer im Morgenschein,

grüße diesen Felsenstein,

soll ein Ehrendenkmal sein.

Menschen starben in der Flut.

Glück in Scherben, Heim und Gut.

Doch es leuchtet nah und fern,

höher noch als Fels und Sturm,

still empor zu Gottes Rat,

ragt der Eidgenossen Tat.

Erde weichen, Sonn' und Licht,

doch die Bruderliebe nicht



Von Rothkreuz mit der Bahn nach Luzern gefahren, dortselbst die „Herberge zum Steinbruch“ aufgesucht und dann die schöne Stadt angesehen mit dem berühmten Löwendenkmal und dem Gletschergarten. Am Abend am „Quai National“ promeniert – eine herrliche Strandpromenade.

Am Vierwaldstädter See konzertierte eine französische Kapelle und lockte viele Zuhörer herbei.

Luzern ist eine der schönsten Städte, die wir je gesehen haben, betreffs der romantischen Lage an der Spitze des blaugrünen Vierwaldstädter Sees und zu beiden Seiten von Rigi und Pilatus überragt.


Mittwoch, den 21. Mai 1913

Früh 9 Uhr mit dem Dampfer „Schiller“ nach dem am Fuße des Rigi gelegenen Ortes Vitznau gefahren, um von dort den Rigi zu besteigen. Nach 7½-stündigem anstrengenden Klettermarsch erreichten wir über Rigi-Kaltbad, Rigi-First, den Gipfel Rigi-Kulm (1.800 Meter). Man genießt von oben einen prächtigen Blick auf den Vierwaldstädter See, den Zuger See und den Berner See. Ferner über die vielen schneebedeckten Berner Hochalpen mit den Bergen, wie den Wendenstock, das Wetterhorn, den Mönch, die Jungfrau, Eiger, Schwarzhorn und weitere.

Wir warteten dann bei ziemlicher Kälte den allmählichen Sonnenuntergang ab, um das herrliche Glühen der Alpen mit anzusehen, stiegen dann in eiligem Tempo in 2½ Stunden wieder herab und suchten in Vitznau ein Nachtquartier. Wir bekamen aber leider keins. Es sei nur möglich mit der Verpflichtung, dasselbe 10 Tage lang zu behalten – aber damit konnten sie uns den Buckel herunter rutschen. Wir aßen uns ordentlich satt und marschierten 12 Uhr nachts unverdrossen weiter den See entlang bis Brunnen (24 km), woselbst wir um 4 Uhr ankamen.

Da noch keine Wirtschaft auf war und wir sehr froren, gingen wir nach dem Bahnhof und legten uns in dem Wartesaal auf die Bänke. Danach tranken wir in einer Wirtschaft für 2.90 Fr.(!) Kaffe und tippelten frohgemut weiter. An der ersten Quelle wuschen wir uns und gingen dann die herrliche Straße entlang über Flüelen nach Altdorf. Dort sahen wir uns die hart am See gelegene Tell-Kapelle an. In Altdorf suchten wir die „Herberge zum Schützenmatt“ auf und gingen um 5 Uhr in die Klappe.


Freitag, den 23. Mai 1913

Wegen schlechten Wetters von Altdorf mit der Bahn über Schwyz und „Küßnach – mit der hohlen Gasse“ – nach Bern gefahren. Dortselbst die Herberge in dem Gerechtigkeitsgässeli aufgesucht und einen Rundgang durch die schöne Stadt unternommen, wobei wir die riesigen, über die Aar führenden Kornhaus- und Kirschenfeldbrücken passierten.

Sahen uns auch den Bundespalast und das Symbol der Stadt, den Bärenzwinger, an.


Sonnabend, den 24. Mai 1913

Am Morgen um 7 Uhr aufgebrochen und die 35 km lange Strecke nach Solothurn getippelt, daselbst übernachtet und am ...


Sonntag, den 25. Mai 1913

bei herrlichem Wetter von Solothurn wieder weitergetippelt in der Richtung nach Basel.

Auf diesem Wege legten wir uns in eine Wiese an ein klares Bächlein und wuschen unsere Hemden, Strümpfe, Taschentücher und legten sie auf den Rasen zum Trocknen. Danach schossen wir darüber Kabolz und die Wäsche war gerollt und geplättet.

Wir kamen aber der großen Hitze wegen nur bis Oensingen und fuhren mit der Bahn über Aarau nach Basel. Dort kamen wir um 6 Uhr an und suchten zum Übernachten die Herberge „Zum roten Ochsen“ auf.


Montag, den 26. Mai 1913

In der Frühe die schöne Stadt Basel mit ihren Sehenswürdigkeiten, wie dem alten Münster, das im gotischen Stil erbaute Rathaus und das schöne Straßburger Denkmal angesehen. Dann die Reise wieder fortgesetzt, über die schweizerisch-deutsche Grenze bei St. Ludwig nach Mühlhausen im Elsaß. An der Grenze wurden wir nochmals, von dem deutschen Zollbeamten, angehalten und unser Rucksack wesentiert (kontrolliert).

Am Abend kamen wir in Mühlhausen an und hatten unser Nachtquartier im „Elsässer Hof“ in der Sinnstraße.


Dienstag, den 27. Mai 1913

Wollten weiterwandern nach Colmar, wurden aber von dem Wirt aufgehalten, der uns riet, noch zu warten, um mit einem Brauer-Auto mitzufahren. Wir halfen dann Bierfässer abladen und fuhren gegen 11 Uhr über Colmar nach Straßburg (5½ Stunden). Es war aber eine „saftige“ Fahrt. Vor Staub und Schmutz waren wir überhaupt nicht mehr zu kennen. In Straßburg hatten wir unser Nachtquartier in der alten Korngasse, wuschen uns dort und sahen uns am selbigen Abend noch das alte, ehrwürdige Münster mit seiner astronomischen Uhr an.


Mittwoch, den 28. Mai 1913

Straßburg wieder verlassen. Über den Rhein nach Kehl und Rastatt gewandert.

Von dort mit der Bahn nach Karlsruhe gefahren.


Donnerstag, den 29. Mai 1913

Die schöne Stadt Karlsruhe angesehen, mit seinem Schloß, den herrlichen Parkanlagen und der Festhalle im Stadtpark. Gegen Mittag mit der Bahn durch die schöne Landschaft nach Heidelberg gefahren. Unternahmen am selbigen Tage noch einen Spaziergang auf die Molkenkur und nach dem alten Schloß mit dem riesigen Faß. In Heidelberg gefiel es uns und wir sprachen in vielen Werkstätten wegen Arbeit vor, bekamen aber leider keine.


Freitag, den 30. Mai 1913

Von Heidelberg nach Mannheim gefahren. Die Stadt mit ihren schönen Anlagen angesehen und am Abend am Neckar entlang promeniert.


Sonnabend, den 31. Mai 1913

Von Mannheim über den Rhein nach Ludwigshafen, Frankental bis nach Worms gewandert. Dortselbst im Restaurant „Alt Heidelberg“ übernachtet.


Sonntag, den 1. Juni 1913

Worms. In der Frühe wieder aufgebrochen, den alten Dom, das größte gotische Bauwerk Deutschlands und das Luther-Denkmal angesehen. Von dort aus einen viertelstündigen Spaziergang nach Pfifflingsheim mit der alten Luther-Ulme gemacht; selbige hat einen Umfang von 9 mtr. Nachmittag mit der Bahn von Worms über Oppenheim nach Mainz gefahren, dortselbst die Herberge in der Bauerngasse aufgesucht und den Abend am Ufer des Rheins promeniert.


Montag, den 2. Juni 1913

Früh noch in Mainz verbracht und nach Arbeit umgesehen aber leider keine bekommen, deswegen am Abend über Höchst am Main nach Frankfurt gefahren, um dort vielleicht Arbeit zu bekommen, denn das Geld wurde knapp.


Dienstag, den 3. Juni 1913

Da in Frankfurt auch keine Arbeit aufzutreiben war, fuhren wir gegen Abend nach Wiesbaden und übernachteten in der Wellritzstraße.


Mittwoch, den 4. Juni 1913

Früh aufgebrochen, um jetzt endgültig Arbeit zu bekommen, denn das Geld war bis auf einige Pfennige alle. Ich hatte das große Glück, bei Schreinermeister G. Werneck in der Kellerstraße 5 Arbeit zu bekommen und mußte schon am Nachmittag anfangen. Wir besorgten uns ein Logie in der Frankenstraße, zogen aber sofort am nächsten Tage wieder aus, denn die Wanzen hätten uns sonst aufgefressen. Bezogen deshalb ein Logie in der Adlerstraße 48, bei Keiper.

Nach 1½ Wochen konnte Freund Erich Kalkbrenner in derselben Werkstatt anfangen.


Sonntag, den 8. Juni 1913

Einen Spaziergang durch das schöne Nerotal, nach dem Neroberg gemacht. Von letzterem hat man einen prächtigen Ausblick auf die Städte Wiesbaden, Biebrich bis nach Mainz, auch auf die daneben liegende griechische Kapelle.


Sonnabend, den 14. Juni 1913

Am Abend nach dem Kurpark gegangen, wo zur Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers (Wilhelm II. v. Hohenzollern) ein herrliches Feuerwerk unter Mitwirkung zweier Militärkapellen veranstaltet wurde.


Sonntag, den 15. Juli 1913

Einen Spaziergang in den buchenbewaldeten Taunus gemacht.


Sonntag, den 22. Juni 1913

Nach Bärstadt gewandert und den dort auf einem Berge errichteten Bismarckturm bestiegen, von welchem man ebenfalls eine schöne Aussicht auf das im Tale liegende Wiesbaden und den sich darüber lang erstreckenden Taunus hat.


Sonntag, den 29. Juni 1913

Wieder einen Ausflug in den herrlichen Taunus zur Kaiser-Friedrich-Eiche, zur Trauerbuche und bis zur hochgelegenen Platte unternommen. Beim Rückwege am Neroberg, an der Höhle des Räubers Leichtweiß vorüber gekommen, selbige auch innen besichtigt. Hier hauste der Räuber in den Jahren 1785–1792 mit noch 4 Spießgesellen.


Sonntag, den 6. Juli 1913

Bei Meister Werneck einen eichenen Sarg schruppen müssen.


Sonntag, den 13. Juli 1913

Nach dem Orte Erbenheim gelaufen, um auf der dortigen Rennbahn ein Pferderennen mit anzusehen.


Sonntag, den 20. Juli 1913

Nach dem am Rhein gelegenen Ort Biebrich gewandert und von dort am Ufer des Rheins entlanggelaufen bis Schierstein.

Von dort zurück durch Obstfelder über Freudenberg, Dotzheim nach Wiesbaden.


Sonntag, den 27. Juli 1913

Vormittag gearbeitet. Nachmittag einen Spaziergang durch's Nerotal nach dem schön gelegenen Restaurant „Unter den Eichen“ gemacht. Am Abend in der Walhalla gewesen.


Sonntag, den 3. August 1913

Mit Herrn und Frau Mathes von Wiesbaden nach Kloppenheim gegangen, wo es einen guten Äppelwein gibt. Bei sinkender Sonne wieder zurückgegangen und im Friedrich-Schloß noch einige Schoppen Bier getrunken.


Sonntag, den 10 August 1913

Vormittag photographieren lassen und Nachmittag nach Mainz gefahren, um am Rhein spazieren zu gehen.


Sonnabend, den 16. August 1913

Bei Meister Werneck aufgehört und alles Gepäck zur Abreise fertig gemacht.


Sonntag, den 17. August 1913 – Die schöne Rheinreise

Am Sonntag in aller Frühe von Wiesbaden nach Biebrich gelaufen und von dort 6.20 Uhr per Schiff nach Rüdesheim gefahren, wo zuerst bei einem Schoppen „Rüdesheimer“ anständig gefrühstückt wurde. Dann gingen wir durch die Weinberge hinauf zum Niederwald-Denkmal, von welchem man ebenfalls einen schönen Ausblick hat. Gingen dann auf der anderen Seite wieder hinunter nach Aßmannshausen und probierten dort im Felsenkeller den vorzüglichen „Aßmannshäuser Roten“. (Er gehört zu den besten deutschen Rotweinen, an den sonnenverwöhnten steilen Rheinhängen auf schieferhaltigen Böden gewachsen).

Zum Übernachten ließen wir uns nach Bingen übersetzen.


Montag, den 18. August 1913

Von Bingen den schönen Rhein entlang getippelt, die Burg Rheinstein besichtigt und über Bacharach nach St. Goar gelaufen. Kurz vor St. Goarshausen auf der anderen Seite des Rheins, erhebt sich der Loreley-Felsen, wo wir auch das schöne Lied “Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“ anstimmten. Von St. Goar, ließen wir uns zum Übernachten nach St. Goarshausen übersetzen.


Dienstag, den 19. August 1913

Von St. Goarshausen auf der rechten Rheinuferseite weitergelaufen, über Camp und Oberlahnstein. Dortselbst übersetzen lassen nach Capellen, um uns das schöne Schloß Stolzenfels anzusehen. Der Weg führt durch eine herrliche Waldpromenade hinauf. Vom Schloß hat man ebenfalls wieder einen herrlichen Blick auf den Rhein und auf die gegenüberliegenden, zu beiden Seiten der Lahnmündung gelegenen Ortschaften Ober- und Niederlahnstein. Besichtigten dann auch das Innere des Schlosses und fuhren mit der Bahn nach Coblenz.


Mittwoch, den 20. August 1913

Die Stadt Coblenz angesehen, mit dem bekannten, an der Moselmündung gelegenem „Deutschen Eck“, worauf sich das Denkmal des Kaisers Wilhelm I. befindet. Danach über die Rheinbrücke auf die Burg Ehrenbreitstein gestiegen und von dort einen Abstecher nach dem „Rothen Hahn“ auf dem Arenberg gemacht, um dortselbst den schönen Klostergarten mit Kirche anzusehen. Letztere ist ein Kunstwerk: Das ganze Innere besteht aus lauter kleinen Mosaiken.

Vom Arenberg sind wir dann durch Obstfelder nach Bad Ems gelaufen, haben diese Stadt mit Kuranlagen angesehen und sind am schönen Ufer der Lahn wieder hinuntergelaufen nach Niederlahnstein. Von hier mit der Bahn nach Neuwied gefahren.


Donnerstag, den 21. August 1913

Von Neuwied übersetzen lassen, auf die linke Rheinuferseite und nach Andernach gewandert, um uns dort den berühmten Namedyer-Sprudel anzusehen, welcher seit 10 Jahren von selbst dreimal am Tag ausbricht und das trinkbare Mineralwasser bis zu 60 mtr. hoch in die Luft schleudert. Wanderten dann bis Sinzig und ließen uns zum Übernachten nach Linz übersetzen.


Freitag, den 22. August 1913

Von Linz auf der rechten Rheinuferseite weitergetippelt über Unkel nach Honnef. Hier den Drachenfels (321 mtr.) bestiegen, von wo man einen günstigen Überblick auf das ganze Siebengebirge und den Rhein mit den Inseln Grafenwerth und Nonnenwerth hat. Vom Drachenfels wieder hinuntergestiegen nach Königswinter und mit dem Dampfer „Loreley“ nach Bonn gefahren.


Sonnabend, den 23. August 1913

Die schöne Stadt Bonn mit der alten Universität angesehen und am Mittag die Reise nach Köln fortgesetzt. Um 5 Uhr in Köln angekommen und die Herberge in der Severinstraße aufgesucht. Am selben Tage den riesigen Dom von innen und außen betrachtet und die große, neue, über den Rhein führende „Hohenzollernbrücke“ angesehen.


Sonntag, den 24. August 1913

Auf der neuen Ringstraße der Stadt Bonn spazieren gegangen und das Kunstgewerbemuseum auf dem Hansaring besucht. Von dort in den geologischen Garten gegangen. Am Abend wieder zurück in unser Quartier marschiert.


Montag, den 25. August 1913

Um 11 Uhr vormittags mit der Bahn nach Düsseldorf gefahren, um daselbst Arbeit zu suchen – leider aber trotz vielen Suchens, keine bekommen. Wir meldeten uns auf dem städtischen Arbeitsamte.


Donnerstag, den 28. August 1913

Vom Arbeitsamte war ich nach Oberhausen (Rheinland) zu W. Uhlenbroich, Mühlheimer Straße 47 vermittelt worden. Fuhr dann am Mittag von Düsseldorf über Duisburg nach Oberhausen und mußte sofort anfangen – an zwei eichenen Büroschränken.

Bezog ein Logie bei Frau E. Kuhlmann in der Elsestraße 114.


Sonntag, den 31. August 1913

Vormittag gearbeitet, zwei eichene Schreibtischplatten poliert. Nachmittag nach Düsseldorf zu Freund Erich Kalkbrenner gefahren.


Sonntag, den 7. September 1913

Zu Haus geblieben und geschrieben.


Sonntag, den 14. September 1913

Am frühen Morgen mit der Bahn über Sterkrade, Wesel nach Diersford gefahren, um Obst zu holen. Dann mit dem Dampfer nach Wesel gefahren. Sahen uns die Stadt mit dem „Denkmal zur Erinnerung an die Erschießung der 11 Schillschen Offiziere“ an und fuhren am Abend wieder nach Oberhausen zurück. Danach, der Sparsamkeit halber, alle weiteren Sonntage zu Haus geblieben.


Sonnabend, den 8. November 1913

Wegen Mangel an Arbeit von Meister Uhlenbroich entlassen worden.


Freitag, den 14. November 1913

Bei dem Meister H. Jehn wieder in Arbeit getreten und am 29. November wieder aufgehört.


Donnerstag, den 4. Dezember

Früh um 6 Uhr von Duisburg aus, die Heimreise angetreten und zwar durch Westfalen über Münster, Osnabrück am Wiehengebirge und Bremen an der Weser. Dortselbst zuerst den Hafen mit dem regen Verkehr angesehen. Danach die ehrwürdige Hansestadt durchschritten und den alten Dom mit dem berühmten Bleikeller angesehen.


Freitag, den 5. Dezember 1913

Von Bremen über Rotenburg nach Hamburg gefahren, dortselber auch den großen Hafen mit regem Verkehr und auf der Werft von „Blohm und Voß“, die Riesenschiffe „Vaterland“ und „Imperator“ angesehen.


Sonnabend, den 6. Dezember 1913

Die letzte Fahrt von Hamburg nach Berlin um 3 Uhr angetreten und um ¼ 9 Uhr in den Kreis einer fröhlichen Geburtstagsgesellschaft gekommen.




– Ende meiner Aufzeichnungen über die Reiseerlebnisse während der Wanderzeit –


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Nachworte von Chris Janecke


Die erste Etappe seiner Gesellen-Wanderjahre führte Otto im Juli 1912 nach Wallwitz zu Familie Schaaf. Dort wohnen in der Familie auch die Kinder Katharina (Käthe), Luise und Emil. Käthe wird im Jahre 1918 Otto Gerickes Ehefrau. Sie lassen sich in Ottos Heimat, in Nowawes bei Potsdam nieder. Die Ehe der Gerickes bleibt kinderlos.


Otto Gericke jun., der ja neben der Möbelfertigung auch Sargtischler und Bestatter ist, erwirbt im Jahre 1936 einen neuen Leichenwagen, einen Opel-Blitz. Kurz darauf stirbt sein Vater. Otto Gericke, sen. ist der erste Verstorbene, den sein Sohn mit dem neuen Fahrzeug zum Friedhof fährt.


Bei Onkel Otto Gericke, jun. hat auch der Betreiber dieser Internet-Seite, Chris Janecke, als Junge einige wenige Male in der Tischlerwerkstatt, Karl-Liebknecht-Straße 24 (frühere Priesterstraße 19), basteln dürfen. Das war 1958 / 1959. Ein Geselle gab ihm dabei gute Ratschläge.


Otto hatte in den 50er Jahren einen schmucken Leichenwagen, einen EMW-Kombi (aus den Eisenacher Motorenwerken), angeschafft.

Mit jenem Fahrzeug wurde auch er selbst im Jahre 1969 zum Friedhof gefahren. Der schwere Eichen-Sarg war nach Ottos Vorstellungen so prächtig gestaltet (und derart hoch gebaut), dass der Sarg offen transportiert werden musste, weil er mit aufgesetztem Deckel nicht in das Fahrzeug passte.




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